Читать книгу Wir müssen (nicht) reden - Michaela Okroy - Страница 9

Wir müssen (nicht) reden – in der Beziehung

Оглавление

Das Reden in einer Beziehung ist besonders heikel. Zu Anfang scheint noch alles so einfach und er oder sie ist der oder die ideale/r Partner oder Partnerin. Wir können uns schlichtweg überhaupt nicht vorstellen, dass es jemals zu Komplikationen und heiklen Gesprächen kommen kann.

Allerdings sollten wir alle etwas kritischer mit uns und unserer “besseren Hälfte“ sein.

Ist der andere Mensch wirklich unser Gegenstück? Machen wir zu viele Kompromisse? Wollen wir überhaupt Kompromisse machen?

In diesem Zusammenhang sollten wir uns allerdings auch fragen, ob wir nicht zu hohe Erwartungen an unser Gegenstück haben. Vielleicht gehen wir sogar davon aus, dass die andere Person hohe Erwartungen an uns hat.

Bei Gesprächen mit Paaren habe ich immer wieder herausgefunden, dass die Erwartungen an die Partnerin oder den Partner meist gar nicht sehr hoch sind. Allerdings haben wir selbst häufig Angst vor unserem eigenen Scheitern.

Hinzu kommt eine Partnerwahl, die es dem anderen Part nicht leicht macht, zu uns zu passen. Der Schlüssel liegt in auffallend vielen Fällen in uns selbst. Wir haben eine Wahrnehmung, die durch das Wünschen verzerrt ist. Diese kann die andere Person nicht erahnen und sie meist auch nicht erfüllen, weil sie seinen Vorstellungen von ihm selbst nicht entsprechen.

Auch aus eigener Erfahrung weiß ich, dass das viele Reden erschöpft und selten zu einem zufriedenstellenden Ergebnis führen kann, weil wir – wenn auch unbewusst – unsere/n Partner/in zu einer Veränderung bewegen wollen. Wir tarnen dies, indem wir uns eine Einsicht und freiwillige Veränderung von ihr/ihm wünschen.

Meine beste Freundin und ich haben festgestellt, dass wir nicht in Hollywood sind und die Dinge selbst in die Hand nehmen müssen. Nach schlimmen Beziehungen, aus denen wir übrig geblieben sind und ohne die wir uns nie begegnet wären, beginnen wir damit, uns unsere Wünsche zu erfüllen. Der Fehler ist häufig, dass wir uns selbst nicht kennen und sich viele Bedürfnisse erst entwickeln. Kaum ein Partner wird in der Lage sein, uns auf diesem Weg zu begleiten. Somit nehmen wir uns die Zeit für uns selbst, während unsere männlichen “Hinterlassenschaften“ vor lauter Angst vor dem Alleinsein nichts ändern und Fehler wiederholen.

Gut, aber wann sind wir in einer Beziehung wirklich glücklich? Dazu gehören viele Faktoren, die sich erst nach und nach tatsächlich bemerkbar machen. Am Anfang einer Beziehung sind wir glücklich. Wir genießen die Zeit zusammen, reden uns ein, mit den “Macken“ und Eigenheiten des Partners leben zu können (In einigen Fällen funktioniert das sogar.) und malen uns eine tolle gemeinsame Zukunft aus.

Aber hier warten bereits die ersten Probleme in vielen Beziehungen. Ich selbst war mit Partnern gesegnet, die keine Wünsche, Träume und Ziele formulieren konnten. Hieraus konnte ich schlichtweg keine Gemeinsamkeiten für die Zukunft ermitteln und wurde unglücklich. (Warum ich mich erst später lösen konnte, soll hier zunächst noch nicht thematisiert werden, sondern einige Absätze später.)

Auch bei anderen Paaren kann und konnte ich erkennen, dass die Kompromisse meist nur ein Part eingehen muss oder musste. Entweder ist es dem anderen Beteiligten egal oder er kennt die Wünsche, Ziele, Träume und somit auch Hoffnungen der anderen Person nicht.

Ein guter Freund von mir würde sehr gerne das Land verlassen. Die Möglichkeit bestünde durchaus, weil Verwandtschaft seiner Frau bereits in diesem Land fest etabliert ist. Regelmäßig besuchen sie den Ort der Sehnsucht meines Freundes. Aber seine Frau kann sich nicht vorstellen, diesen Schritt zu gehen. Mein Freund, nennen wir ihn Klaus, möchte mich gerne belehren und auf mich aufpassen, damit ich endlich einen guten Mann finde. Ich möchte aber keinen Mann, der Klaus gefällt, denn er hat eine Frau, die mir zu zurückhaltend ist. Ob Klaus glücklich ist, möchte ich nicht bewerten. Wahrscheinlich hat er eine tolle Frau für sich gefunden. Sie haben ein tolles gemeinsames Kind, meist ein Auto, das ihren Bedürfnissen gerecht wird, und sind auf der Suche nach einem tollen Zuhause, wenn nicht schon gefunden, in Deutschland. Auch wenn die Zukunft nicht vollständig geplant ist, gehe ich vorerst nicht davon aus, dass sich Klaus in dieser Konstellation seinen Lebenstraum erfüllen kann.

Ich, für meinen Teil, hatte einen ungünstigen Männergeschmack. Am Anfang war ich glücklich. Dies hielt aber nie lange vor. Leider habe ich Katastrophen erlebt, wie andere Leute sie aus dem Fernsehen kennen. Aber ich bin inzwischen auch darüber glücklich. Nur durch das, was ich gewagt und erlebt habe, kann ich heute mein Leben genießen – auch dann, wenn es nicht so gut läuft. Der Grund? Es sind mein Leben, mein Risiko und meine Gewissheit, dass ich es versucht habe.

Einmal war ich überheblich. Ich hatte mich von meiner besten Freundin gelöst. Wir haben uns durch die “Männer“ kennengelernt. Sie hat den Bruder meines Ex-Freundes als Lehrobjekt gehabt. Somit ist sie auch ohne Hochzeit im Herzen meine Schwägerin. Ich hatte eine unschöne Trennung hinter mir, für die ich sehr lange gebraucht hatte. Irgendwann hielt ich das nicht mehr aus, dass sie den Bruder meines Ex-Freundes immer noch so viel Leid über sie bringen ließ.

Dachte ich doch, ich wäre jetzt glücklich, weil ich einen neuen Freund hatte und sie würde mich ausnutzen. Dies war allerdings nicht der Fall. Was war passiert?

Nun, einige Umstände hatten dazu geführt. Immer gibt es Leute, die reden und denen man besser kein Gehör schenken sollte. Hinzu kam, dass ich überheblich gewesen bin und ihr nicht ihre Zeit gelassen hatte. Heute haben wir derart viel aufgearbeitet und sind sogar für diese Erfahrung dankbar.

Jetzt kommen wir zu dem Warum. Warum trennen wir uns nicht einfach, wenn wir nicht glücklich sind? Warum trennt sich die beste Freundin nicht, wenn ihr Unglück doch so offensichtlich ist? Warum trennen wir uns oftmals auch dann nicht, wenn von dem Partner eine Gefahr ausgeht, seine Lügen offensichtlich sind, er das Geld verschwinden lässt, wir ihm egal sind, er uns seine Gefühlskälte spüren lässt, mit uns spielt und sich selbst offensichtlich nähersteht?

Also, dass wir alle unsere Partner verändern wollen, daran glaube ich nicht. So was kommt vor, aber ich bleibe grundsätzlich lieber bei mir selbst. Vielmehr kommt nach dem ersten Glück, das auch über Jahre hinweg anhalten kann, nach und nach die Erkenntnis, dass uns nicht alle Eigenheiten des anderen Menschen gefallen. Vielleicht sind die Kompromisse aber auch eher ein Verzicht der einen Person und ein Weitermachen des Partners. Wir nähern uns der Phase des Erwachens und versuchen dennoch oft zu verdrängen, weil wir die schönen Gefühle vom Anfang wieder fühlen wollen.

Erst dann, und nur, wenn wir ehrlich zu uns sind und hart an uns arbeiten, kommen wir langsam der Entscheidung näher, ob wir so leben möchten oder uns lieber wieder unseren Wünschen, Träumen, Hoffnungen und Zielen widmen wollen.

Bis dahin haben wir in den meisten Fällen endlos viel geredet - mit dem Partner, der Freundin und meist auch vielen anderen Menschen. Ab wann das Reden eingestellt werden sollte, bemerken wir dann an unseren Kraftreserven. Das Wichtigste aber ist, dass wir rechtzeitig aufhören und uns mit uns selbst beschäftigen. Unser Körper weist uns darauf hin. Nicht selten brechen Menschen unter ihren Problemen zusammen, haben Schlaf- und/oder Verdauungsstörungen und vieles mehr.

Heute weiß ich wieder, wie toll es ist, wenn wir unsere Träume leben, Ziele formulieren, Hoffnungen haben und auf etwas hinarbeiten. Deswegen bin ich dankbar für jede gescheiterte Beziehung, denn ich durfte daraus lernen. Der Partner sollte immer ein Begleiter sein. Aber ich würde nicht mehr so viel in eine Beziehung hineinprojizieren und immer bei meinen Gefühlen bleiben. Dann hat auch mein Partner eine realistische Chance, zu mir zu passen und wir müssen nicht so furchtbar viel reden – außer wir wollen es.


Wir müssen (nicht) reden

Подняться наверх