Читать книгу Du gehörst zu mir - Michaela Santowski - Страница 4
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ОглавлениеSuzie winkte Terry noch einmal zu und fädelte sich dann in den Verkehr ein. Sie war auf dem Weg zu Pierre, ihrem Bruder. Sie wollten über die Briefe sprechen, die Suzie erhielt. Wie ernst, beziehungsweise ob sie überhaupt ernst zu nehmen waren. Während Suzie gemächlich die Straße entlangfuhr und Musik hörte, schweiften ihre Gedanken zu dem letzten Brief, den sie erhalten hatte. Alle besaßen in etwa den gleichen Inhalt. Mit dem, den sie jetzt bei sich trug, waren es vier. Es waren unbestreitbar bedrohliche Briefe, aber Suzie machte sich wenig Gedanken. Seit sie klein war, hatte es solche Briefe gegeben. Die meisten enthielten Drohungen, entweder sie oder Pierre zu entführen, um Geld von ihren Eltern zu erpressen. Aber weder Pierre noch sie waren je wirklich in Gefahr gewesen. Ihre Eltern hatten sie immer beschützt, ohne sie dabei merklich einzuschränken. Dann waren ihre Eltern bei einem Bootsunfall ums Leben gekommen, und Pierre musste mit gerade mal zwanzig Jahren die Geschäfte übernehmen und den Schutz seiner damals fünfzehnjährigen Schwester. Beides war ihm hervorragend gelungen. Das war jetzt zehn Jahre her. Suzie studierte Mediendesign in Wiesbaden und stand kurz vor ihrem Bachelor Abschluss. Pierre reiste in der Welt herum und vermehrte das Familienvermögen. Deswegen wunderte sie sich umso mehr, dass Pierre diese Briefe ernster nahm. Sie setzte den Blinker links und fuhr auf die Bundesstraße. Während sie auf 100 km/h beschleunigte, warf sie automatisch einen Blick in den Rückspiegel. Dabei fiel ihr ein Wagen auf, der viel zu dicht auffuhr.
„Man, du Idiot“, schimpfte Suzie. „Fahr doch vorbei. Es ist weit und breit kein Auto zu sehen.“ Ärgerlich versuchte sie, ihn zu ignorieren. Nachdem der Wagen noch eine Weile hinter ihr klebte, setzte er endlich zum Überholen an.
Spinner, dachte Suzie und blickte nach links, als der Wagen direkt neben ihr war. Plötzlich wurde sie gerammt. Erschrocken verriss Suzie das Lenkrad. In irgendeinem Winkel ihres Gehirns schrie eine Stimme Bremsen, auf keinen Fall Gas geben! Genau das tat Suzie. Anstatt aufs Gaspedal, trat sie auf die Bremse. Das Manöver hatte den gewünschten Effekt. Der Fahrer des anderen Wagens schien damit nicht gerechnet zu haben und geriet nun selber ins Schleudern, als kein Auto mehr neben ihm war. Leider fing er sich schnell wieder, wie Suzie bestürzt feststellte. Jetzt trat sie das Gaspedal ihres 350 PS starken Autos komplett durch. Es gab einen Ruck, und sie zog an dem anderen Auto vorbei. Ein Blick in den Rückspiegel zeigte ihr, dass sie nicht verfolgt wurde. Mit 190 km/h fuhr sie in den nächsten Ort und hielt an einer Tankstelle an.
„Spinnen Sie?“, hörte sie jemanden schimpfen. „Jemand sollte die Polizei holen.“
Suzie ignorierte das Gezeter und rief mit ihrem Handy Pierre an. Dabei warf sie immer wieder einen nervösen Blick in den Rückspiegel, doch von dem anderen Auto war nichts zu sehen.
„Suzie, wo bleibst du? Hast du dich mal wieder mit Terry verquatscht?“, hörte sie Augenblicke später die spöttische Stimme ihres Bruders.
„Pierre. Jemand hat versucht, mich von der Straße zu drängen.“ Ihre eigene Stimme zitterte.
Sofort wurde Pierre ernst. „Wo bist du? Geht es dir gut?“
„Mir ist nichts passiert. Aber das Auto hat was abbekommen.“
„Völlig egal. Ich hole dich. Wo bist du?“
Suzie kurbelte das Fenster ihres Autos ganz runter und rief der immer noch meckernden Frau zu, ob sie ihr sagen könne, wo genau sie hier seien. Völlig perplex nannte diese ihr den Ort.
„Hast du gehört?“, fragte sie ihren Bruder und kurbelte das Fenster wieder hoch. „Ich bin an der Tankstelle, direkt an der Hauptstraße.“
„Rühr dich nicht vom Fleck. Ich bin in zehn Minuten da.“
Er brauchte nur acht Minuten. Suzie stürzte aus dem Auto und auf ihn zu. Erleichtert schloss er seine Schwester in die Arme und hauchte ihr einen Kuss auf den Kopf. „Suzie. Was machst du denn für einen Mist? Wenn dir was passiert wäre. Großer Gott. Ich habe doch nur noch dich!“
„Mir ist nichts passiert.“ Trotzdem war sie ein zitterndes Bündel in seinen Armen. Er strich ihr beruhigend über den Rücken. Langsam ließ ihr Zittern nach. Er hielt sie noch eine Weile fest, bevor er einen Schritt zurücktrat und sie anblickte. „Konntest du jemanden erkennen?“
Sie schüttelten den Kopf. „Der Wagen hatte getönte Scheiben. Ich kann dir nicht mal sagen, wie viele Leute drin gesessen haben.“
Pierre stieß einen unterdrückten Fluch aus und führte sie zu seinem Auto, während einer seiner Mitarbeiter sich um Suzies Auto kümmerte. Im Auto reichte er ihr eine Flasche. „Hier. Trink!“
Suzie nahm einen tiefen Schluck und riss die Augen auf. „Cognac?“
„Harte Zeiten erfordern harte Mittel. Das beruhig etwas.“
„Vor allen Dingen auf nüchternen Magen“, murmelte Suzie und stellte die Flasche wieder weg.
„Du bleibst heute Nacht bei mir“, beschloss Pierre.
Normalerweise hätte sie protestiert von ihm herumkommandiert zu werden, aber der Schreck saß ihr noch zu tief in den Gliedern. Also nickte sie nur dankbar.
Sie kuschelte sich auf das Sofa, während Pierre den Kamin anheizte. Er hatte ihr eine Tasse heißen Kakao mit Rum gemacht, den sie nun in langsamen Schlucken trank. Langsam fiel die Anspannung von ihr ab.
„Hast du den letzten Brief mit?“
Suzie nickte, griff in ihre Handtasche und reichte ihrem Bruder das Schriftstück.
Pierre faltete es auseinander.
Jedes Mal, wenn ich dich sehe, klopft mein Herz so sehr, dass ich denke, jeder kann es hören. Du ahnst nicht, was du mit mir anstellst. Ich kann nicht mehr ohne dich leben. Du bist eine Göttin und verdienst es, auf einen Sockel gestellt und angebetet zu werden. Du sollst mir alleine gehören, weil nur ich dich verstehe. Bald wirst du mein sein. Wir werden glücklich werden – das verspreche ich dir. Es dauert nicht mehr lange, meine Göttin. Dein Schrein wartet schon. Nur noch du fehlst. Ich werde dich mit Gold übergießen, und ich verspreche dir, dich jeden Morgen und jeden Abend anzubeten; so, wie es einer Göttin wie dir gerecht wird.
DU GEHÖRST ZU MIR!!!
„Verrückt, total verrückt“, murmelte Pierre und blickte auf. „Da ist jemand ganz schön besessen von dir.“
„Wundert dich das? Ich bin eben eine Göttin“, versuchte Suzie, das ganze ins Lächerliche zu ziehen. Doch Pierre erwiderte ihr Lächeln nicht.
„Diesmal scheint es ernst zu sein. Jemand hat gerade versucht, dich umzubringen.“
„Was überhaupt keinen Sinn macht, wenn er mich anbeten will“, ergänzte Suzie zweifelnd.
Dass Pierre dazu nichts sagte, ließ sie aufhorchen. „Was denkst du?“, fragte sie ihn.
„Der Briefeschreiber hat mit keinem Wort erwähnt, dass er dich lebend will. Ganz im Gegenteil. Mit Gold überziehen führt unweigerlich zum Tod.“
Suzie schluckte bei der Vorstellung.
„Tut mir leid, Kleines. Aber ich mache mir diesmal wirklich Sorgen. Wer weiß, ob du das nächste Mal so gut reagierst oder überhaupt die Chance hast, zu reagieren.“
„Was willst du tun?“
Pierre seufzte. „Es gibt nur eine Lösung.“
„Nein!“ Suzie richtete sich kerzengerade auf. Pierre blickte sie ruhig an. „Es führt kein Weg daran vorbei.“
„Aber ein Bodyguard schränkt mich komplett ein. Der verfolgt mich auf Schritt und Tritt. Ich werde nicht mal in Ruhe lernen können, geschweige denn mich mit meinen Freundinnen treffen. Ich will das nicht.“
„Das ist mir in dem Fall egal.“
„Meine Meinung zählt also nicht?“ Wütend stemmte sie ihre Fäuste in die Taille.
„Diesmal nicht. In keinem dieser Briefe wurde je das Wort Entführung oder Erpressung erwähnt. Niemals hat er auch nur ein Wort davon geschrieben, dass er Geld will. Mir ist das nicht geheuer. Hier geht es um dich als Person, nicht um unser Geld. Ich werde Rob anrufen.“ Mit diesen Worten verließ ihr Bruder den Raum. Suzie starrte ihm mit offenem Mund hinterher. Rob, hämmerte es in ihrem Kopf. Ein Name aus der Vergangenheit. Nicht nur irgendein Name, sondern genau die Person, die sie nie wiedersehen wollte. Jedenfalls nicht, bevor sie nicht erfolgreich, verheiratet und am besten noch Mutter war.
Ihr Bruder betrat das Zimmer wieder. „Rob hat eine private Security Firma. Er hat Leute, die auf dich aufpassen werden, während ich im Ausland bin“, erklärte er, und sein Ton duldete keinen Widerspruch.
„Aber …“, versuchte sie es trotzdem.
„Kein aber. Ich habe bereits angerufen. Er kommt morgen früh her. Jetzt versuch, etwas zu schlafen. Wir reden morgen weiter.“
Wütend knallte Suzie den Becher auf den Tisch und verließ, ohne ein weiteres Wort, den Raum.