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Freitagabend klingelte Anna bei Mel.

„Fertig?“, fragte sie, als Mel öffnete.

„Fast.“ Mel griff sich noch ihre Handtasche und folgte dann ihrer Freundin. Sie wollten sich mit den anderen erst einen Film im Astor Kino ansehen und dann ein Mitternachtspicknick im Georgenpark veranstalten.

Als sich Mel auf den Beifahrersitz fallen ließ und die Tür schloss, sagte Anna: „Ich nehme an, dass du bemerkt hast, dass sich Oliver nicht gemeldet hat.“

Mel nickte. Die ganze Zeit, in der sich die Clique hin und her geschrieben hatte, was man am Freitag machen könnte, hatte sich Oliver nicht geäußert. Mel wusste nicht, ob ihr das gefiel oder nicht. Einerseits war sie froh, ihn nicht wiedersehen zu müssen. Andererseits hatte sie das Gefühl, sie wäre ihm noch was schuldig, weil sie eindeutig als Verliererin aus ihrem ersten Treffen herausgegangen war.

„Ich habe dir doch gesagt, dass jemand wie er locker eine andere findet. Viel Lärm um Nichts nennt man das“, grinste Anna und fädelte sich in den Verkehr ein.

Die anderen warteten schon vor dem Astor. Mel bemerkte schnell, dass Oliver nicht dabei war. Kurz war sie enttäuscht, doch dann überlegte sie, dass das genau das war, was sie gewollt hatte. Und wenn sie ihn nicht wiedersehen musste, würde sie gerne als Verliererin aus ihrer kleinen Fehde herausgehen. Das war den Preis allemal wert.

„Ihr spinnt doch!“, stellte Janine fest, als sie drei Stunden später das Kino verließen. Draußen wurde es bereits dunkel, da es schon nach zweiundzwanzig Uhr war.

Torsten schüttelte den Kopf und widersprach seiner Schwester. „Der Cyborg hatte absolut Recht. Diese blöde Kuh hätte den Hebel nicht umlegen sollen.“

„Und damit alle sterben lassen“, empörte sich Janine erneut. Sie diskutierte noch mit ihrem Bruder, als sie bereits ihre Autos in der Nähe des Parks abstellten.

Als sie den Georgengarten betraten, breiteten Mel und Anna an ihrem üblichen Platz die Decken aus, während alle ihre mitgebrachten Sachen darauflegten. Dann setzten sie sich im Kreis um die Decken, und Anna schenkte Janine und Mel Wein ein und sich selber eine Cola, während die Männer die Bierflaschen öffneten. PJ griff nach einem Käsebaguette und sagte: „Der Film war klasse. Ende der Diskussion. Ihr nervt!“

„Besser hätte ich es auch nicht sagen können“, stimmte Mark ihm zu.

„Das ist mal wieder typisch“, fing Janine an und wurde aber je von PJ unterbrochen. „Ruhe! Ende der Diskussion!“

Janine warf Mel und Anna einen verzweifelten Blick zu.

„Sorry“, sagte Mel. „Ich fand den Film auch gut. Keine Hilfe von mir.“

„Pf“, machte Janine und trank einen Schluck Wein. Mel kreuzte die Beine und entspannte sich. Sie liebte diese Abende und hoffte, dass sie auch noch hier sitzen würden, wenn sie grau und alt waren. Dann vielleicht nicht mehr im Schneidersitz. Vielleicht eher in Campingstühlen. Oder auf den Stangen ihrer Rollatoren. Sie grinste bei der Vorstellung.

„Ihr seid schwer zu finden im Dunkeln“, vernahm Mel eine ihr nur allzu bekannte dunkle Stimme. Sofort verkrampfte sie sich. Vorbei mit der Entspannung. Kurz darauf spürte sie, wie sich Oliver viel zu dicht neben sie setzte. „Na Schönheit, hast du mich vermisst?“

„Du kannst mich mal!“

Er lachte leise auf. „Du möchtest also übergangslos dort weitermachen wo wir aufgehört hatten? Lass mich wenigstens erst ein Bier trinken. Dann erzähle ich dir gerne, wie es sich anfühlt, wenn du einen richtigen Mann auf dir hast.“

„Ich muss mich gleich übergeben“, stöhnte Mel.

„Du darfst auch gerne oben liegen, wenn dir unten schlecht wird. Ich habe kein Problem mit dominanten Frauen.“

Mel merkte, wie ihr wieder die Fälle wegschwammen. Dieser Typ hatte auf alles eine Antwort.

„Wann genau wirst du begreifen, dass ich dich nicht leiden kann?“, fragte sie mit zuckersüßer Stimme. „Ich würde lieber ins Kloster gehen als dich zu küssen.“

Oliver brachte sein Gesicht ganz nah an ihres. Mel zwang sich, nicht zurückzuweichen.

„Dazu zwei Dinge“, flüsterte er. Mel bekam eine Gänsehaut. „Erstens habe ich nicht vom Küssen geredet.“ Mel blickte kurz auf seine sinnlichen Lippen, die die ihren fast berührten. „Zweitens ist es unwahrscheinlich, dass du mich nicht leiden kannst.“

„Wieso? Weil du so unwiderstehlich bist?“, fragte sie genauso leise zurück. Das lag allerdings eher daran, dass ihre Stimme versagte und es schon wieder zwischen ihren Beinen prickelte.

Er verzog seinen Mund zu einem leichten Lächeln. „Das zwar auch, aber in deinem Fall liegt es eher daran, dass dein Blick auf meinen Mund fiel, als ich vom Küssen geredet habe. Könntest du mich nicht leiden, hättest du nicht überlegt, wie es sich anfühlen würde, wenn ich dich küsse.“

Mel wich zurück. „Du spinnst doch! Was ist denn das für eine Anfängerpsychologie?“

Anstatt einer Antwort grinste Oliver sie überlegen an und griff nach einem Bier. Mel rückte von ihm ab.

„Du ergreifst jetzt aber nicht wieder die Flucht, oder?“, fragte Anna ihre Freundin leise. „Denk dran, sei die Katze nicht die Maus!“

Mel musste lachen bei dem Vergleich und schüttelte den Kopf. Dafür mochte sie die Abende im Georgengarten viel zu sehr. Die würde sie sich nicht von Oliver kaputt machen lassen. Trotzdem hatte er es irgendwie geschafft, dass sie ständig daran denken musste, wie es sich anfühlen würde, seine Lippen auf ihren zu spüren. Aber wahrscheinlich küsste er grottenschlecht. Und das hatte sie erst gehabt. Seufzend griff Mel nach der Weinflasche.

„Denkst du immer noch ans Küssen?“, wollte Oliver wissen, nahm ihr die Weinflasche ab und schenkte ihr nach. „Wir könnten kurz verschwinden.“

Jetzt oder nie, dachte Mel. „Sorry, aber kurz geht bei mir gar nicht“, konterte Mel. „Vielleicht konntest du so deine anderen Frauen befriedigen. Bei mir musst du dir schon mehr Mühe geben.“

„Touché“, lachte Oliver. „Aber ich hatte ja schon erwähnt, dass ich Herausforderungen liebe.“

„Schade, dass du nicht mein Typ bist.“

„Du bist so eine schlechte Lügnerin.“

„Jetzt mal im Ernst: Gibt es wirklich Frauen, die auf dich stehen? Das ist schwer vorstellbar, da jeder eventuell vorhandene Charme von deinem Ego verdrängt wird.“

„Schön zu hören, dass du dich für deine Nebenbuhlerinnen interessierst. Aber keine Sorge: Ich konzentriere mich immer nur auf eine Frau. Die anderen müssen warten.“

Mel schüttelte den Kopf. „Du bist unfassbar.“

„Ich fasse das mal als Kompliment auf.“

„Natürlich tust du das.“ Mel stand auf und streckte sich. Dann setzte sie sich zwischen Mark und PJ und ignorierte Oliver.

Oliver lächelte amüsiert und beobachtete Mel, die anscheinend viel Spaß hatte.

„Na, Romeo“, sprach Anna ihn an und rückte ein Stück näher. „Klappt nicht mit Julia?“

Oliver legte locker den Arm um Anna und sagte: „Romeo arbeitet noch dran.“

Anna grinste und stupste ihn kurz in die Seite. „Vielleicht ein bisschen weniger großkotzig“, schlug sie vor.

„Aber das macht doch meinen Charme aus“, gab er gespielt empört zurück und ließ sie wieder los.

„Ich vergaß“, lachte Anna. Dann reichte sie ihm eine neue Flasche Bier und stieß mit ihm an.

Oliver fühlte sich mit jeder Minute wohler. Es wurde viel gescherzt, gelacht und getrunken. Als sein Blick das nächste Mal auf die Uhr fiel war es schon kurz nach ein Uhr morgens.

„Ich verschwinde jetzt“, kündigte Mark an. „Will jemand mitfahren?“

PJ und Vinz schlossen sich an. Oliver rutschte zu Mel herüber. Sie hatte anscheinend schon einiges an Wein getrunken, da sie ihn durchaus freundlich anlächelte.

„Hast du schon mal so viele Sterne gesehen?“, fragte sie. Er hob den Kopf. Mel ließ sich auf den Rücken fallen und zog ihn mit sich, sodass sie nebeneinander lagen. „So schaut man in die Sterne, Stadtjunge.“

„Wie nennst du mich?“, fragte er amüsiert.

Mel stützte sich auf einen Ellbogen und beugte sich über ihn. Ihre langen blonden Haare fielen wie ein Umhang über seine Brust.

„Warst du schon mal in Afrika?“, fragte sie.

Oliver konnte den Blick nicht von ihr wenden. Der Mond ließ ihre Haare fast golden erscheinen, ihre Augen sahen aus wie dunkelblaue Saphire und ihr Lächeln warf ihn schier um. Er spürte, wie ihm warm wurde, auf eine sehr angenehme Art und Weise.

„Nein, war ich noch nie“, antwortete er und strich ihr über die Wange. Wie gerne würde er sie jetzt küssen, rausfinden, ob ihre Lippen so weich waren, wie sie aussahen.

„Der Himmel dort ist gigantisch. Es gibt keine Grenzen. Man ist vollkommen gefangen von dem Anblick. Weißt du, was ich meine?“ Sie blickte ihn aus halbgeschlossenen Augen an. Oliver konnte nur nicken, da sein Mund plötzlich vollkommen trocken war. Er wusste genau, was sie meinte. Sie blickte ihm lange in die Augen. Er war unfähig, wegzusehen. Dann beugte sie sich noch näher zu ihm, sodass sich ihre Nasen leicht berührten. „Es ist wirklich schade, dass du so ein aufgeblasener Arsch bist“, hauchte sie. „Sonst wäre es verdammt einfach, sich in dich zu verlieben.“

Oliver lag ganz still. Irgendwie hatte er Angst, er könne den Augenblick zerstören. Mel rutsche ein wenig von ihm ab und kuschelte sich in seine Arme. Das war der Moment, wo Oliver normaler Weise ein Triumphgefühl verspürte, weil er eine Frau genau dort hatte, wo er sie von Anfang an hatte haben wollen. Aber irgendetwas war anders bei Mel. Er spürte keinen Triumph, sondern mehr sowas wie Zufriedenheit.

„Du solltest nach Afrika reisen“, murmelte sie. Oliver zog sie enger an sich. Eine Weile lagen sie schweigend nebeneinander.

Mel genoss es, in seinen Armen zu liegen. Wenn sie nicht aufpasste, würden ihre Finger ganz automatisch anfangen, über seinen Bauch zu streichen. Und das war nicht Teil des Planes. Sie atmete tief durch, konzentrierte sich. Beenden wir das besser, dachte sie.

„Anna und ich werden jetzt auch fahren“, sagte sie laut. Dann setzte sie sich auf. Oliver spürte augenblicklich die Leere, die ihre Abwesenheit in seinen Armen hinterließ. Er setzte sich ebenfalls auf. Mel wandte ihm ihr Gesicht zu. Vorsichtig strich sie ihm über die Wange. Dann brachte sie ihre Lippen ganz nah an sein Ohr und wisperte: „Schade, dass du nicht mein Typ bist.“ Als sie sich wieder entfernte, streifte sie wie zufällig kurz seine Lippen, was Oliver einen Schauder über den Rücken jagte. Er fühlte, wie sein Körper auf sie reagierte. Mel stand auf, warf einen demonstrativen Blick auf seinen Schritt und grinste. „Schön zu sehen, dass eine so kurze Berührung dich schon erregen kann.“ Dann verschwand sie. Oliver war gegen seinen Willen beeindruckt. Was für ein Biest!

Zufrieden lächelnd nahm Mel neben Anna Platz und schnallte sich an.

„Darf man fragen, warum du von einem zum anderen Ohr grinst?“, erkundigte sich Anna und startete den Motor.

„Oliver und ich sind quitt“, antwortete Mel schlicht.

Das Versprechen

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