Читать книгу Das Versprechen - Michaela Santowski - Страница 6
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Оглавление„Fertig“, stellte Mel fest, nachdem sie einen prüfenden Blick in ihren Spiegel geworfen hatte. Sie hatte sich für ihre schwarze, hautenge Lederhose entschieden. Dazu trug sie ein blaues Tank-Top, das in etwa dieselbe Farbe wie ihre Augen hatte. Sie war ein wenig nervös, Björn zu treffen. Sie hatten nach der Samstagnacht den halben Sonntag gechattet und irgendwann beschlossen, sich zu treffen.
Ihr Outfit wurde durch ihre Stiefeletten mit den 10 cm Absätzen abgerundet. Ihre Haare waren zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden, um ihrer Erscheinung einen eher sportlichen Touch zu geben. Die Wimpern waren schwarz getuscht, und sie hatte ein wenig zartrosa schimmernden Glos auf die Lippen getupft. Zu gestylt wollte sie nicht wirken.
„Vielleicht beim zweiten Date“, zwinkerte sie ihrem Spiegelbild zu, bevor sie die Wohnung verließ.
Immer noch nervös trat sie kurze Zeit später aus der U-Bahn, die sie von der Lister Meile bis zur Markthalle gebracht hatte. Trotz des kühlen Windes war die Altstadt von Hannover auch an einem Samstagmittag voll. Mel liebte das. Nie im Leben würde sie sich in einem Dorf wohlfühlen, wo sich Hase und Fuchs Gute Nacht sagten. Sie brauchte pulsierendes Leben um sich herum, sonst würde sie eingehen. Außerdem arbeitete sie bei einer großen überregionalen Zeitung. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass es auf dem Land so viel zu berichten gab, wie in der Stadt. Sie selber arbeitete zwar in der Anzeigen-Abteilung, bekam aber genug von der Aufregung ihrer Kollegen mit, wenn ein Artikel nicht rechtzeitig fertig wurde, jemand laut nach einem Fotografen für eine gerade reingekommene Story schrie und der daraus entstehenden Hektik. Auch wenn sie selber keine Ambitionen in Richtung rasender Reporter hegte, schätzte sie dennoch das Flair.
Ein Blick auf die Uhr zeigte ihr, dass sie etwas zu früh dran war. Also schlenderte sie langsam Richtung Markthalle und fasste nochmal gedanklich zusammen, was sie über ihr Date wusste. Björn war drei Jahre älter als sie und in der IT tätig. Er hatte ein tolles Lächeln, war witzig und charmant. Mit seinen kurzen, blonden Haaren und der Nickelbrille sah er ein wenig frech aus. Sie hatten sich von Anfang an hervorragend verstanden. Warum sollte das anders sein, nur weil sie sich jetzt persönlich trafen? Es gab keinen Grund nervös zu sein. Mel straffte die Schultern und betrat Gosch, ein mediterranes Restaurant, das direkt an die Markthalle grenzte. Suchend blickte sie sich um und entdeckte Björn sofort. Er saß in einer Ecke und winkte ihr lächelnd zu. Sein bewundernder Blick, den er ihr zuwarf, als sie auf ihn zuging, entging ihr nicht. Das nahm ihr ein wenig ihrer Nervosität.
Er stand auf, als sie an den Tisch trat. Leicht berührte er ihren Arm, als er sie begrüßte, was ihr nicht unangenehm war. „Es freut mich, dass es geklappt hat.“
„Mich auch“, gab sie ehrlich zurück. Mel ließ sich ihm gegenüber nieder. Ihr Blick schweifte durch das Restaurant. Obwohl sie schon ewig in Hannover lebte, war sie noch nie hier gewesen.
„Gefällt es dir?“, fragte Björn, der sie beobachtete.
Das Restaurant hatte ganz auf den mediterranen Touch gesetzt. An den Wänden fanden sich Zeichnungen vom Meer und es hingen Fischernetze mit Muscheln geschmückt dort. Auf den Holztischen standen liebevoll drapiert Blumen, neben denen sich blaue Kerzen in Haltern, die die Form von Ankern hatten, befanden. Etwa in der Mitte des Raums lagen sich zwei Tresen gegenüber. An dem einen wurden die Getränke zubereitet, beim zweiten das Essen. In dem ganzen Raum hing ein angenehmer Geruch nach Essen, nicht aufdringlich, sondern genauso, wie es in einem Restaurant am Meer riechen würde, frisch und salzig.
„Es hat Stil“, gab Mel zu.
Björn nickte zustimmend. „Wir kommen in unserer Pause gerne hierher. Da trifft man interessante Leute, mit denen man sich niveauvoll unterhalten kann. Nicht solche Nobodys wie in anderen Restaurants. Das liegt an den Preisen hier“, fügte er augenzwinkernd hinzu. „Nicht jeder kann sich das hier leisten.“
Mel runzelte die Stirn. Hatte sie sich verhört? Das klang ziemlich arrogant. Und so teuer war es gar nicht, stellte sie nach einem Blick auf die Speisekarte fest. Na ja, vielleicht, wenn man fünfmal die Woche hierherkam.
„Ich gehe uns mal etwas zu Trinken besorgen“, redete er weiter. „Magst du Wein?“
„Ich trinke sehr gerne Wein“, lächelte Mel.
Björn stand auf und verschwand in Richtung Tresen. Erstaunt blickte Mel ihm hinterher. Er hatte weder gefragt, ob sie einen Weiß- oder einen Rotwein wollte, noch ob er trocken oder lieblich sein sollte. Sie schob das mal darauf, dass auch er nervös war und einfach mal durchatmen wollte. Dass er ihr eigentlich gar nicht nervös erschienen war, ignorierte sie einfach.
Kurz darauf stellte er ihr einen Weißwein in einem gut gekühlten Glas vor die Nase.
„Das ist der beste Wein, den sie hier haben“, erklärte er. „Aber für meine Begleitung ist das Beste und Teuerste gerade gut genug.“ Mel ignorierte die erneute Anspielung. Sie hob ihr Glas, stieß mit Björn an und probierte vorsichtig einen Schluck. Das einzig Positive an diesem Wein war, dass er wirklich schön kalt war. Ansonsten war er schlicht und einfach zu trocken für ihren Geschmack, fast schon sauer. Mel hatte Mühe, nicht das Gesicht zu verziehen. Sie trank normaler Weise lieblichen, höchstens mal halbtrockenen Wein. Der hier war absolut nicht ihr Ding. Trotzdem machte sie gute Miene zum bösen Spiel und unterdrückte ihren aufkommenden Ärger. Er hätte sie wirklich fragen können.
„Er schmeckt nicht wie diese liebliche Brühe, die die Jugend heutzutage trinkt“, philosophierte er, nachdem er das Glas wieder abgestellt hatte.
Jugend? Mel verkniff sich ein Lachen. Björn war selber gerade mal achtundzwanzig.
„Vertraust du mir bezüglich des Essens?“ Er legte sanft seine Hand auf ihre.
„Äh …“
„Gut“, nickte er und stand auf, ohne ihr überhaupt die Chance auf eine Antwort zu geben.
Mel starrte ihm perplex hinterher. Wein war eine Sache, aber Essen? Er konnte doch gar nicht wissen, ob sie nicht allergisch reagierte oder was sie überhaupt mochte. Schließlich waren Krabben, Muscheln, Tintenfisch und Co nicht jedermanns Ding. Da war es kaum zu viel verlangt, vorher nachzufragen.
„Ich schwöre, wenn er jetzt mit Austern ankommt, nur, weil die das teuerste sind, was es auf der Speisekarte gibt, haue ich ab“, murmelte sie.
Ihr Handy piepte. Da Björn noch am Tresen stand, nahm sie es heraus. Anna hatte geschrieben.
Und?
Gute Frage, dachte Mel. Vielleicht bin ich nur zu empfindlich. Vielleicht ist Björn einfach nur sehr zuvorkommend.
Abwarten schrieb sie zurück.
Klingt ja total begeistert kam prompt die Antwort. Mel steckte das Handy wieder ein. Kurze Zeit später stellte Björn ihr einen Teller mit Nudeln vor die Nase.
„Das ist eine Spezialität hier. Thailändische Nudeln mit Krabben. Absolut empfehlenswert. Passen auch sehr gut zu dem Wein.“
Mel war kurz versucht, zu erwähnen, dass sie keine Krabben mochte. Das war zwar gelogen, aber es würde ihm klar machen, dass er sie übergangen hatte. Sie entschied sich im letzten Moment dagegen und bedankte sich stattdessen. Gib ihm eine Chance.
„So, Mel, erzähl doch mal etwas von dir“, forderte er sie auf und reichte ihr das Besteck. „Dass ich in der IT tätig bin, habe ich dir ja schon geschrieben“, sprach er weiter, ohne ihre Antwort abzuwarten. „Deswegen bin ich auch so dankbar für diese Dating App. Ich bin viel zu beschäftigt, um auf konventionelle Weise eine Frau kennenzulernen, die zu mir passt. Unser Unternehmen ist recht groß. Wir haben viele, namenhafte Kunden.“ Während er ihr von seiner Arbeit erzählte, aß Mel schweigend. Sie war eindeutig im falschen Film. Irgendwie schaffte es Björn tatsächlich, gleichzeitig zu essen und zu reden. Als der Kellner später die leeren Teller abräumte, redete Björn immer noch. Mel unterdrückte ein Gähnen. Gab es etwas Langweiligeres als Computer und Programme? Ja, dachte sie, einen Vortrag über Computer und Programme hören zu müssen.
„Björn“, unterbrach sie ihn, als er tatsächlich mal Luft holte. Fragend sah er sie an. „Es tut mir wirklich sehr leid, aber ich muss gehen. Ich habe einen dringenden Abgabetermin. Die Redaktion wartet auf meinen Artikel.“ Björn wusste über sie nur, dass sie bei einer großen Tageszeitung arbeitete. Dass sie in der Anzeigenabteilung tätig war, hatte sie ihm nicht gesagt. Er verzog enttäuscht das Gesicht. „Jetzt schon? Wir unterhalten uns doch gerade so gut.“
Vor allen Dingen wir, dachte sie. „Leider habe ich es nicht mehr geschafft, den Artikel vorher zu beenden.“ Sie konnte sich nicht verkneifen, hinzuzufügen: „Ich war so nervös wegen unseres Treffens, dass ich keinen vernünftigen Satz zustande gebracht habe.“
Wie nicht anders zu erwarten, zauberte das Streicheln seines übergroßen Egos ein Lächeln auf sein Gesicht. „Das verstehe ich natürlich.“
Mel verkniff sich mit Mühe ein Grinsen. „Da bin ich aber erleichtert“, gab sie mit leiser Stimme zu und legte ihre Hand auf seine. „Ich dachte schon, du würdest mir das übel nehmen. Wo wir doch gerade so interessante Gesprächsthemen haben.“
Ein wenig Spaß habe ich mir schließlich auch verdient.
Gönnerhaft sah er sie an und legte seine andere Hand auf ihre. „Ich werde dir den Rest einfach bei unserem nächsten Treffen erzählen.“
„Ich kann es kaum erwarten“, entgegnete Mel unschuldig. Björn straffte die Schultern und stand auf. „Ich bringe dich noch zur U-Bahn.“
Innerlich verdrehte Mel die Augen. Was für ein Gockel! Als die U-Bahn angekündigt wurde, verabschiedete sich Mel. „Vielen Dank für den tollen Nachmittag. Es tut mir echt leid, dass ich das schon beenden muss.“ In zweierlei Hinsicht, schoss ihr durch den Kopf.
„Wir wiederholen das“, antwortete Björn im Brustton der Überzeugung. Dann neigte er den Kopf.
Oh Gott, er will mich küssen. Bevor Mel noch entscheiden konnte, ob sie einen Schritt nach hinten machen sollte, auch wenn sie dabei riskierte, auf die Gleise zu stürzen, spürte sie schon seine Lippen auf ihren.
Anna kugelte sich vor Lachen. „Niveauvolle Leute“, japste sie. „Das hat er wirklich so gesagt?“
„Ich schwöre es dir!“ Mel streckte ihren Rücken durch, veränderte ihre Sitzposition ein wenig und nahm einen großen Schluck Caipi, den niemand besser mixte als Anna. Mel war direkt zu ihrer Freundin gefahren und hatte ihr haarklein alles berichtet.
„Hat sein Kuss nicht alles wieder wettgemacht?“ Anna warf ihr einen koketten Blick aus ihren dunklen Augen zu und schmiss gleichzeitig ihre dunklen langen Locken schwungvoll nach hinten, während sie mit ihren Wimpern klimperte. Mel schleuderte ein Kissen in ihre Richtung. „Er hat geküsst, wie er geredet hat: Langweilig.“
„Das hättest du dir denken können, als er erwähnt hat, dass er in der IT tätig ist. Die haben bekannter Maßen ein Ego, das durch keine Tür passt.“
„ITler sind ab sofort gestrichen“, stimmte Mel zu. „Das nächste Mal gibt es sowieso nur ein Doppeldate“, forderte sie.
„Bin dabei“, stimmte Anna zu und füllte ihre Gläser erneut auf. Dann griff sie nach ihrem Handy. „Lass uns direkt nachgucken.“
„Oder“, antwortete Mel und entwendete Anna das Handy, „wir versuchen es auf die gute, altmodische Art.“
„Soll heißen?“
„Wir gehen in den Georgengarten und gucken, wer dort so rumhängt.“
Der Georgengarten lag gegenüber der Uni und war damit ein beliebter Treffpunkt für sämtliche Studenten.
„Zu den langweiligen Studenten?“, fragte Anna auch prompt.
„Sagt die Psychologie Studentin“, fügte Mel schmunzelnd hinzu. „Solange es keine Informatiker sind, habe ich kein Problem mit Studenten.“
„Okay“, stimmte Anna zu. „Wir machen nur kurz noch ein großes Schild fertig.“
„Auf das wir was genau schreiben?“, wollte Mel wissen, während sie sich langsam erhob. Der letzte Caipi war wohl zu viel gewesen. Aber die frische Luft würde es schon richten.
Als sie aus der Straßenbahn stiegen und Richtung Georgengarten schlenderten, dämmerte es bereits. Trotzdem konnte man das Schild, das sich Anna um den Hals gehängt hatte, noch deutlich sehen.
SOLANGE IHR KEIN INFORMATIK STUDENT SEID, DÜRFT IHR UNS ANSPRECHEN
Mel schüttelte immer noch den Kopf. „Kein Alkohol mehr für dich“, gluckste sie und reichte Anna gleichzeitig die mit Orangensaft und Wodka gefüllte Flasche.
„Du wolltest doch die altmodische Art“, verteidigte sich Anna, nahm einen großen Schluck und gab die Flasche zurück. „Ich bin sicher, auf diese Art lernen wir sehr viele Männer kennen.“
„Fragt sich nur, was für ein Typ Mann das dann ist“, warf Mel skeptisch ein.
„Eins ist sicher: Kein Informatiker!“
Keuchend und prustend betraten sie den Georgengarten. Sie machten sich auf den Weg in Richtung Wilhelm-Busch-Museum, wo sich die meisten Studenten einfanden. Dort wurde gegrillt, Musik gemacht oder einfach nur gechillt. Wie nicht anders zu erwarten, erregte ihr Schild viel Aufmerksamkeit.
„Hey, ihr zwei!“, rief ihnen eine junge Frau aus mitten einer größeren Gruppe von Leuten zu und winkte. „Hier ist auf jeden Fall noch Platz für euch. Und eine große Auswahl“, fügte sie grinsend hinzu.
„Die gefällt mir!“, sagte Mel und drehte in Richtung der Gruppe ab, Anna mit sich ziehend.
„Hoffentlich habt ihre keine Informatiker unter euch“, stellte Anna fest, als sie nahe genug waren.
„Bestimmt nicht“, antwortete die Frau lachend. „Das würdet ihr auch direkt am Ego erkennen.“
„Hah!“, stimmte Mel ihr zu. „Ich habe es doch gesagt!“
Anna grinste und ließ sich ins Gras sinken. „Ich werde es mir merken: Niemals einen ITler an mich ranlassen. Ist notiert.“
Es wurde ein sehr lustiger und langer Abend. Als Mel am nächsten Mittag aufwachte, musste sie feststellen, dass der gestrige Tag doch noch zu retten gewesen war.