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III. Ansätze, Theorien und Methoden der Analyse interkultureller Literatur
ОглавлениеDie interkulturelle Literaturwissenschaft bezieht sich zunächst auf Konzepte von Fremdheit und Alterität, um die Begegnung mit dem Anderen und Fremden theoretisch zu erfassen (vgl. Hofmann 2006, S. 9–26). Dabei ist von Bedeutung, dass vor allem in den gegenwärtigen Gesellschaften und Konstellationen die Konzepte des Eigenen und Fremden ihre Konturen verlieren, indem das Fremde im Eigenen und das Eigene im Fremden erkennbar wird und so Zustände des Übergangs und der offenen Identität in den Blick kommen (1). Dass sich Konzepte der Totalität, durch welche die Tradition des westlichen Denkens geprägt ist, verändern und tendenziell auflösen, bedenkt die philosophische Strömung der Dekonstruktion, die aber zu den Bemühungen der Hermeneutik in einem komplexen Spannungsverhältnis steht (2). Denn während einerseits starre Konzepte etwa kultureller Identität aufgelöst werden, orientiert man sich andererseits grundsätzlich immer (noch) auch an Konzepten des Verstehens, die nach Identität und Synthese des Mannigfaltigen streben. Allerdings ist jederzeit zu berücksichtigen, dass in vielen Fällen vermeintlich fraglose Konzeptbildungen und Begriffe auf einem Denken beruhen, das im Rahmen des Kolonialismus europäische Herrschaft begründet oder zumindest begleitet hat. So muss die interkulturelle Literaturwissenschaft die postkoloniale Reflexion einer Herrschaftsbezogenheit der europäischen Konzepte mit bedenken (3). Dabei stellt sich heraus, dass die kolonialen Machtasymmetrien sehr häufig mit Ungleichheiten in der Geschlechterordnung zusammengehen, sodass sich die Genderforschung als ein unhintergehbares Moment der interkulturellen und postkolonialen Literaturwissenschaft erweist (4).