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Scheitern, besser scheitern… (und demütig bleiben)

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David Lenard

Alles begann mit einer aus meiner damaligen Sicht gescheiterten Veranstaltung. Im Rahmen des damaligen Spielzeitthemas „Heimat“ hatte ich die Idee – wir als Leitungsteam wollten uns unserer neuen Heimat menschlich und künstlerisch nähern – in einer Abendveranstaltung Radio Stendal mit Jugendlichen ins Gespräch zu kommen. Ein relativ vernichtender Artikel in der Wirtschaftswoche ein Jahr vor unserem Antritt, der damalige Demografiebericht der Landesregierung und erste kurze Gespräche mit Jugendlichen hatten mich dazu bewogen, die Frage nach Zukunftsperspektiven in Stendal und der Altmark zu stellen.

Im ehemaligen Westen geboren und in nordischen Gefilden aufgewachsen, hatte ich diese Perle der Backsteingotik schnell ins Herz geschlossen und konnte diese innere Haltung überhaupt nicht nachvollziehen. Darüber hinaus war ich der festen Überzeugung, dass wenn wir uns zusammensetzen, wir zumindest eine Lösung oder einen Ansatz finden werden, an dem wir gemeinsam arbeiten können. Erst mal ins Gespräch kommen, dann ergibt sich daraus vielleicht ein Projekt oder eine Gruppe. Mal schauen.

Das Ergebnis war sehr ernüchternd. Im frisch renovierten Kaisersaal saßen am Abend drei Jugendliche. Ich hatte mit mindestens zwanzig Leuten gerechnet, also bei dem Thema.

Doch wir hatten ein gutes Gespräch und natürlich habe ich die große Idee, eine Radioreihe über die Probleme in Stendal zusammen mit Jugendlichen und Bürger*innen im Allgemeinen zu machen, dann sehr schnell begraben. Aus den Gesprächen aber lernte ich, dass Leerstand zu füllen mit pulsierendem Leben, wie es sich in den Medien und Großstädten abbildet, dass Aufstiegschancen für die drei Jugendlichen im Allgemeinen zu dem damaligen Zeitpunkt noch völlig unklar war, nicht sichtbar, umgeben von Widerständen. Auch damals habe ich dem schon widersprochen, wohlwissend, dass Diskussionen im ehemaligen Osten vielschichtiger sind, wobei ich auch viel Gutes gesehen und wahrgenommen habe. Stendal war und ist eine Stadt, in der es für alles ein Angebot und ein Netzwerk gibt. Das hat mich trotz der Größe und der leeren Straßen am Abend und in der Nacht damals schon fasziniert. Die Idee in mir keimte, mit Jugendlichen in Stendal etwas auf die Beine zu stellen.

Und das was du träumst Musst du machen, einfach machen All die besten, super Sachen Alles ist jetzt (Bosse)

Ich begann Förderprogramme zu wälzen und stieß auf ein Programm der Robert-Bosch-Stiftung, in dem es um Leerstand, Zukunftsperspektiven und Demografie ging. Wir bewarben uns mit der Idee, ein leer stehendes Haus in Stendal mit Kunst, Kultur und Kreativwirtschaft zu füllen. Unser Antrag war oben mit dabei, wurde aber, nun kann man sagen glücklicherweise, nicht bewilligt. Trotzdem war ich ziemlich desillusioniert, aber so lernte ich durch Zufall Axel Schneider kennen, der die Grundidee, ein Projekt von und für Jugendliche in der Region zur Belebung von Leerstand umzusetzen, eigentlich erst auf solide Beine stellte. Ein zartes Pflänzchen war geboren.

Über den Titel war ich zunächst völlig irritiert. Ich hätte einen viel cooleren und griffigeren Titel gewählt, um das Projekt auch jung, hip und dynamisch zu vermarkten. Mittlerweile und einige negative, manch ernüchternde und viele positive Erfahrungen später, bin ich sehr froh, dass wir den Titel Dehnungsfuge gewählt haben, denn der Titel beschreibt sehr genau, was unsere eigentliche Aufgabe in den nächsten Jahren sein sollte: Zuhören, anpassen, scheitern, zuhören, ein bisschen nach links, ein bisschen nach rechts, zuhören, machen. Brücken bauen. Mit einer Dehnungsfuge. Es war die schönste Zeit…

Auf dem Lande alles dicht?

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