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Seth

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Mit dir ist der Schatten nur noch halb so finster, meine Prinzessin. Dein Licht erhellt die dunklen Ecken meiner Seele und enthüllt Gefühle, die ich längst verloren geglaubt habe.

»Ist alles in Ordnung?«, frage ich Kiki, die in den letzten Minuten ungewöhnlich still ist. Wir fahren mit der U-Bahn vom Frauenarzt nach Hause. Natürlich habe ich sie dorthin begleitet. Weniger, um ihr beizustehen, als sicherzustellen, dass ihr auf dem Weg nichts passiert. In den Untersuchungsraum durfte ich ihr allerdings nicht folgen. Doch seitdem sie wieder aus dem Arztzimmer herausgekommen ist, verhält sie sich merkwürdig ruhig. »Ja, alles gut«, antwortet sie mir mit einem Lächeln, welches ihre Augen nicht erreicht.

Ich kräusele meine Stirn und beobachte sie, wie sie ihre Handflächen zwischen ihren Knien reibt. Wir werden von der Bahn leicht hin- und hergeschaukelt. Der Wagon ist überfüllt und die Luft stickig. Je näher wir den Hauptknotenpunkten kommen, desto voller wird es.

»Wieso schaust du dann so wie drei Tage Regenwetter?«

»Mache ich das?« Kiki blinzelt und hebt ihre Mundwinkel noch weiter nach oben. Dadurch wird ihr Lächeln jedoch nicht echter, sondern gleicht mehr und mehr einer Fratze aus einem Horrorfilm.

»Ja, tust du!«, betone ich. »Die Ärztin hat doch gesagt, dass du gesund bist, oder?«

»Kerngesund«, bestätigt sie.

»Hat sie dir die Pille verschrieben?«

Sie nickt.

Ein dreckiges Grinsen schleicht sich auf meine Lippen.

»Gott sei Dank. Nie wieder diese elendigen Schwanzknebel anziehen.«

»Schwa… was? Seth!« Kikis strafende Blicke verpassen mir imaginäre Ohrfeigen für meine vulgäre Sprache in der Öffentlichkeit. Dann sieht sie sich heimlich um, ob mir jemand zugehört hat, und streicht sich dabei verlegen die Haare hinters Ohr.

Mit schrillem Quietschen hält die U-Bahn an unserer Station. Wir steigen aus und ich zünde mir eine Zigarette an, sobald wir den Bahnhof verlassen. Es wundert mich, dass Kiki noch nicht versucht hat, mir das Rauchen abzugewöhnen. Bis auf missbilligende Blicke ab und an, hält sie sich zurück. Ich weiß, dass das Gemecker früher oder später losgehen wird. Aber solange Ruhe herrscht, werde ich jeden Atemzug Lungenkrebs genießen.

Als wir bei unserer Wohnung ankommen, vibriert mein Handy in der Hosentasche. Während ich die Tür aufschließe, ziehe ich es heraus und lese eine Nachricht von Ace. Er schreibt, dass er einen Kontaktmann aufgetrieben hat, mit dem Grimm und ich uns heute treffen sollen. Unser Gespräch bei Ace ist inzwischen eine Woche her. Ich hatte gedacht, dass er länger bräuchte, um weitere Infos an Land zu ziehen. Zumindest hatte ich es gehofft. Seitdem Kiki in mein Leben gestolpert ist, lebe ich nicht mehr nur von einem Mord zum nächsten. Ich genieße jeden Tag mit ihr. Vor allem die ruhigen, an denen wir das Bett nicht verlassen, die Hände nicht voneinander fernhalten können oder einfach zusammen auf dem Sofa liegen. Diese Normalität, von der ich niemals geglaubt hatte, sie haben zu können, gefällt mir. Verdammt nochmal. Ich liebe es, all diese langweiligen Dingen zu machen, die gleichermaßen einen Würgereiz in mir auslösen.

Bummeln zum Beispiel. Früher hätte ich gesagt, wenn ein Mann bummelt, wird er automatisch schwul.

»Was Wichtiges?«, fragt Kiki, als ich einen Moment zu lange auf mein Handydisplay starre.

»Ja. Ich muss nochmal los.«

Sorge breitet sich auf ihrem puppenhaften Gesicht aus. Die kastanienbraun getönten Haare haben sich schon wieder etwas herausgewaschen und werden zunehmend heller. Dennoch ist sie noch weit davon entfernt, wieder mein rosa Zuckerwatteeinhorn zu sein.

»Ein Auftrag?«

»Nein, nur ein Treffen mit einem Kontaktmann, keine Sorge. Geh hoch und mach dir einen schönen Abend mit Rory.« Ich strecke eine Hand nach ihr aus und ziehe sie im Nacken zu mir heran. Als meine Lippen auf ihre treffen, breitet sich das gewohnte Kribbeln in mir aus. Ein heißes Gefühl durchströmt meine Adern und sammelt sich in meiner Brust, bis es beinahe schmerzt. Als ich mich wieder von ihr löse, bleibt ein Hauch dieser Empfindungen in mir zurück. Ein wenig Wärme in der Eiswüste meiner Seele.

»Okay«, haucht Kiki und hält meinen Blick noch einen Moment lang mit ihren aquamarinfarbenen Augen gefangen. »Sei trotzdem vorsichtig.«

»Bin ich. Bis später, Prinzessin.«

Grimm wartet an der Ecke eines Hochhauses auf mich. Er hat die Hände in den tiefen Taschen seines schwarzen Hoodies vergraben, sein Kopf ist leicht gesenkt. Es dämmert und die untergehende Sonne malt lange Schatten in sein Totenkopfgesicht. Die meisten Menschen machen einen Bogen um ihn und werfen ihm argwöhnische Blicke zu. Nur wenige ignorieren ihn und gehen an ihm vorbei, ohne Notiz von seiner skurrilen Gestalt zu nehmen. Ich steuere jedoch direkt auf ihn zu. Als er mich bemerkt, hebt er seinen Kopf. Unsere Blicke kreuzen sich. Wir grüßen uns mit einem knappen Nicken.

Gemeinsam begeben wir uns zu dem Treffpunkt, den Ace uns in seiner Nachricht mitgeteilt hat. Dabei handelt es sich um eine heruntergekommene Spielbank in einer Seitenstraße. Das mit Fliegenkadavern bedeckte Leuchtschild außen summt und flackert. Oben drüber hängen rot glimmende Herzen in den Fenstern. Die Location bietet einem also gleich zwei Wege, sein Geld loszuwerden.

Als Sohn von Frankfurts Straßen bin ich viel gewohnt, aber selbst für mich ist dieses Etablissement nichts anderes als ein Drecksloch. Daher mache ich mir nicht die Mühe, die Zigarette loszuwerden, die zwischen meinen Lippen klemmt, als wir das Gebäude betreten.

Die Tür knarzt, stickige, verqualmte Luft schlägt uns entgegen. Schummriges Licht setzt die reihum stehenden Spielautomaten in eine fragwürdige Szene. Viele Besucher hat dieses Loch nicht. Nur ein paar krumme Gestalten sitzen vereinzelt an den einarmigen Banditen und frönen ihrer Sucht nach Glücksspiel.

Zugegeben. Ich bin der Letzte, der sich ein Urteil über diese armen Seelen bilden darf. Wer ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein – oder sowas. Solange ich mir meine Lunge mit Tabak verseuche und meine Leber von Alkohol zerfressen lasse, kann ich nicht Richter spielen. Ganz abgesehen davon, dass es mich nicht interessiert, ob einer von denen hier seinen letzten Euro oder seine Tochter verzockt.

Wir sehen uns im Raum nach einer verdächtigen Person um, die der Kontakt von Ace sein könnte. Die einzige Info, die wir über diesen Fremden haben, ist das Stichwort »Sonne«.

»Sucht ihr was Bestimmtes?«, fragt eine rauchige Frauenstimme.

Wir drehen uns zu ihrem Ursprung um und blicken in das verbrauchte Gesicht einer Frau, die entweder uralt ist und sich recht gut gehalten hat – oder die wesentlich älter aussieht, als sie in Wahrheit ist. Zwischen 30 und 70 ist bei der alles drin. Die faltige, gebräunte Haut kommt eindeutig aus der Steckdose und die schmalen Lippen sind mit einem dunklen Stift umrandet, um Volumen vorzutäuschen, wo keines ist. Ihre Haare sind schwarz gefärbt und fallen in strähnigen Korkenzieherlocken über ihre Schultern.

Ich mustere das Weib von oben bis unten – da fällt mir die Tätowierung an der Seite ihres Halses auf. Eine Sonne mit gewellten Strahlen schaut unter dem Kragen ihrer Bluse hervor.

»Scheint so«, antworte ich schlicht.

Die Frau hebt eine ihrer dünn gezupften Augenbrauen an und mustert erst mich, dann Grimm von oben bis unten. Dabei kaut sie unentwegt auf einem Kaugummi herum.

»Aha«, ist schließlich ihr qualifiziertes Ergebnis. »Na, dann kommt mal mit.«

Ich werfe meinem tätowierten Kumpel einen zweifelnden Blick zu, aber als sich die Alte abwendet und mit ihrem platten Arsch auf eine hintere Tür zuwackelt, folgen wir ihr.

»Mit wem haben wir die Ehre?«, frage ich.

»Nennt mich Mona. Und wie sind eure Namen?«

»Ich bin Seth und der Freak ist Grimm.«

Da sie nicht reagiert und sich auch nicht zu uns umdreht, gehe ich davon aus, dass die Namen sie nicht wundern.

Mona drückt die Tür am hinteren Ende des Raumes auf und wir gehen mit ihr hindurch. Der verqualmte Geruch aus dem Hauptraum wird durch einen modrigen, feuchten Kellergeruch ausgetauscht.

»Okay, Jungs«, beginnt sie, als wir einen Gang entlanggehen, der rechts und links von weiteren Türen gesäumt ist. »Ich soll euch helfen, dem Big Boss ein bisschen näherzukommen. Er besucht uns einmal die Woche.«

»Warum?« Was sollte Deimos in diesem ranzigen Schuppen wollen?

Mona öffnet eine weitere Tür, hinter der sich ein dunkler Treppenabstieg befindet. Mit einem »Klack« legt sie einen Drehschalter um, wodurch eine einzelne, armselige Glühbirne an der Decke angeht.

»Das werdet ihr gleich verstehen«, bleibt sie undurchsichtig.

Unsere Schritte hallen im Keller wider, als wir die Stufen hinabgehen.

»Gehört der Puff über der Spielbank dir?«, frage ich sie unverblümt.

»Ja, das sind meine Mädchen.«

Als wir unten ankommen und um die Ecke sehen, erstreckt sich vor uns erneut ein schmuckloser Gang mit mehreren Türen. An diesen sind jedoch goldene Zahlenschilder angebracht, die von eins bis sechs zählen. Sechs Türen. Sechs Schilder.

»Was ist das?«

»Sieh nach, Schätzchen!« Moni macht eine auffordernde Geste mit ihrer Hand.

Stirnkräuselnd ziehe ich den außen angebrachten Riegel einer Tür zurück und öffne sie. Ich blicke in einen dunklen Raum, der keine Fenster besitzt und maximal als kleines Verlies zu betiteln wäre. Ein Bewegungsmelder lässt gedimmtes, rotes Licht angehen und erhellt den Inhalt des Zimmers wenigstens so weit, dass ich Schemen erkennen kann. In der Mitte der kleinen Kammer steht ein Tisch, an den eine Person geschnallt ist. Eine Frau, wenn ich das richtig sehe. Sie windet sich, als sie bemerkt, dass sie nicht mehr alleine ist, und gibt von einem Knebel gedämpfte Geräusche von sich.

»Hmfhe!«, tönt sie wieder und wieder.

Hmfhe?

»Deimos kommt also her, um sich mit wehrlosen Frauen zu begnügen?«, stelle ich fest und schließe die Tür wieder.

Ich drehe mich zu Mona und Grimm um und bedenke erstere mit einem herablassenden Blick. Auch, wenn sie nichts dafürkann, dass dieser Widerling auf so etwas steht.

»So sieht’s aus.« Mona zuckt mit den Schultern.

»Wann wird er wieder herkommen?«

»Na, heute. Wenn er uns besucht, bringt er nur zwei seiner Wachhunde mit. Sie bleiben oben vor der Treppe stehen und nur er kommt hier herunter. Jedes Mal bucht er das Zimmer mit der Nummer sechs.«

»Gehört das hier unten auch dir?«, will ich wissen, weil ich mir nicht vorstellen kann, dass eine Frau andere Frauen in solchen, menschenunwürdigen Verhältnissen verkauft.

»Ich habe nur ein Auge darauf. Verwalte es nur. Aber es gehört mir nicht. Also …« Sie wirft einen Blick auf ihre silberne Armbanduhr. »Es wird nicht mehr lange dauern, bis er eintrifft. Macht, was ihr wollt. Aber lasst die Finger von der Ware. Dafür müsst ihr erst blechen, klar? Ich bin wieder oben.« Mit diesen Worten lässt uns Mona alleine in dem fragwürdigen Keller.

»Also, wie wollen wir vorgehen?«, frage ich an Grimm gewandt.

Dieser steht mit verschränkten Armen vor mir und sieht mich ausdruckslos aus seinen grünen Augen an. Er überlegt, ehe er spricht.

»Wir warten in Raum Nummer sechs. Überwältigen ihn, sobald er hereinkommt. Danach kümmern wir uns um seine Wachhunde weiter oben.«

»Klingt nach einem Plan«, stimme ich ihm zu.

Draußen im Flur hallen endlich Schritte wider. Vermutlich befinden wir uns schon mindestens zwei Stunden in dem kleinen Kellerraum ohne Licht, in dem nichts als das hektische Schnauben und Wimmern der Person auf dem Tisch zu hören ist. Die angebundene Frau ist in Panik, wie jene hinter der anderen Tür. Sie versucht eindeutig, sich gegen ihre missliche Lage zu wehren. Ich frage mich, was hier los ist. Wo zur Hölle sind wir hier? Zunächst hatte ich angenommen, dass es sich eben um einen schäbigeren Teil des Puffs handelt, in dem die Kunden ihre geheimen Fantasien ausleben können. Doch je länger wir hier verweilen, desto mehr kommt mir der Verdacht, dass die Frau das nicht freiwillig macht. Allerdings bin ich kein verkorkster Held. Ich werde nicht so naiv sein und irgendjemanden hier retten wollen.

»Es sind zu viele«, höre ich plötzlich Grimms Stimme aus dem Dunkel des Raumes.

»Mh?«, frage ich zurück. »Zu viele was?«

»Schritte.«

Ich lausche. Ja. Jetzt, wo er es erwähnt, kommt die Anzahl der Schritte von mehr als nur einem Paar Schuhe. Es sind mindestens … drei?

Bevor mein Gehirn den Gedanken zu Ende denken und reagieren kann, wird die Tür zu dem Raum geöffnet. Die roten Lichter gehen an, lassen Schemen erkennen. Schemen der Frau auf dem Tisch, Schemen von Werkzeugen an der Wand und Schemen von drei Gestalten, die schwer bewaffnet den Raum stürmen.

Eine Falle. Es war eine verdammte Falle.

»Fuck.«

Following You - Bis in die Ewigkeit

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