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Kiki

Ich weiß, du hast Angst vor der Zukunft. Weil du nicht versagen möchtest. Du denkst, deine einzige Aufgabe und dein einziges Talent seien das Töten. Lass mich dir zeigen, dass das Leben so viel mehr zu bieten hat als Leid.

Leonie wartet auf einer Bank auf der Zeil auf mich. Die breite Fußgängerzone im Zentrum Frankfurts ist einer meiner Lieblingsorte. Vor allem liebe ich die modernen Fassaden der Geschäfte. Die eines Einkaufszentrums sieht sogar aus, als wäre ein Loch in ihr. Da es in großen Schritten auf den Sommer zugeht, ist es am frühen Abend noch hell.

Meine Freundin steht auf, als sie uns sieht, und lächelt mich an. Diese Freude fällt in sich zusammen, sowie ihr Blick auf Seth trifft. Mit finsterer Miene glotzt sie ihn an.

Klar ist sie nicht begeistert davon, dass mein Freund ein gruselig aussehender, tätowierter Schlägertyp ist. Ich kann ihre Grimmigkeit verstehen.

Innerlich lache ich über meinen Grimm-Witz. Ich umarme Leonie und drücke sie fest.

»Na, Süße«, sagt sie und küsst mich auf die Wange.

»Dann lasse ich euch mal alleine. Ruf mich an, wenn ihr fertig seid mit eurem Mädchen-Zuckerwattenscheiß*.« Seth küsst mich auf die Lippen, wirft Leo einen gewinnenden Blick zu und schlendert dann weiter. Ich sehe ihm hinterher und kräusele meine Stirn.

»Wollen wir uns einen Kaffee holen?«, frage ich, als ich meine Aufmerksamkeit wieder auf meine beste Freundin richte. Heute trägt sie ein schwarzes Haarband um ihre feuerrote Mähne und ihre blauen Augen sind mit schwarzem Kajal dunkel umrahmt. Sie ist groß, schlank und ihre grazilen Beine stecken in klobigen Biker-Boots. Kaum zu fassen, dass dieses coole Mädchen Jura studiert. Vor allem, wenn ich bedenke, dass sie aus einem armen Elternhaus kommt und es immer und überall schwerer hatte als ich. Trotzdem ist sie jetzt diejenige, die den ersten Fuß auf die Karriereleiter gesetzt hat, während ich mich bei Teenie-Mütter bewerben könnte.

»Klar. Wie geht’s dir denn?«, antwortet sie, schnappt sich meinen Arm und wir gehen zusammen los zu unserem Lieblingscafé.

»Puh«, kommentiere ich und ziehe die Augenbrauen hoch. »Nicht so gut, wenn ich ehrlich bin.«

»Verständlich, Kiki. Du hast so viel durchgemacht. Niemand kann erwarten, dass du in wenigen Tagen wieder die Alte bist.«

Ich nicke.

»Wie geht es dir denn, Leo? Klappt alles gut mit deinem Studium?«

»Ja, alles prima. Um mich brauchst du dir keine Sorgen machen!«

Kurz darauf sitzen wir in dem gemütlichen Café, das mit Bioprodukten und veganer Auswahl punktet. Die Preise sind zwar nicht ganz günstig, aber das sind sie bei großen Ketten ja auch nicht.

»Deine Nachricht hatte sich irgendwie sehr ernst angehört. Als wäre etwas passiert, was du mir erzählen möchtest«, sagt Leo und rührt mit dem langen Löffel in ihrem Latte macchiato herum.

Ich beiße mir auf die Unterlippe und senke meinen Blick. In meinem Bauch rumort es. Diesmal nicht wegen der Symptome, sondern vor Aufregung und Schamgefühl.

»Ja, ich …«, beginne ich zögerlich. »Ich habe ein echtes Problem. Ein riesiges Problem! Wobei, genaugenommen ist es noch winzig klein. Aber je größer es wird, desto größer wird das Problem. Gott, Leo, ich weiß nicht, was ich machen soll. Wie es weitergehen soll! Ich fühle mich so elend. Meine …«

»Kiki«, unterbricht meine Freundin meinen verzweifelten Schwall an wirren Worten. Sie fasst über den Tisch hinweg nach meinen Händen und sieht mir in die Augen. »Ich verstehe nur Bahnhof. Bitte sag mir, was los ist.«

Ein Kloß bildet sich in meinem Hals. Ich will ihn herunterschlucken, aber es geht nicht. Während ich in ihre Augen blicke, spüre ich, wie meine Ohren und Wangen heiß werden vor Scham. Der Kloß wird zu Worten, die sich brennend auf meiner Zungenspitze sammeln.

»Ich … bin schwanger.«

Es auszusprechen ist noch schrecklicher, als ich befürchtet habe. Mein Vater wird vom Himmel hinabsteigen und mir den Hintern versohlen, wenn er das erfährt.

Leonies Augen weiten sich langsam. Sie sieht mich lange schweigend an und hofft genau wie ich, dass es nur ein Scherz ist.

Leider kann ich das nicht sagen und so blicke ich bloß verlegen auf die Tischplatte.

»Du meinst das ernst, oder?«, fragt Leo nach einer Weile.

»Ja …«

»Fuck. Ich glaube, ich brauche einen guten Schuss Alkohol in meinem Kaffee.« Sie lehnt sich zurück und streicht sich mit ihrer Hand fassungslos durch ihre Haare. »Wie konnte das passieren, Kiki? Wolltest du das?«

»Was? Nein! Natürlich wollte ich das nicht. Ich war dumm und naiv. Wir haben nur wenige Male ohne Verhütung miteinander geschlafen …«

»Male? So wie ›mehr als ein einziges Mal‹?!«

Ihre Worte fühlen sich an wie eine Ohrfeige. Eine Ohrfeige, die ich verdient habe.

Also nicke ich stumm.

»Oh man, Kiki … Scheiße. Ich nehme an, er weiß noch nichts davon?«

Diesmal schüttele ich den Kopf.

»Er will keine Kinder! Ich ja auch nicht! Also noch nicht. Ich muss irgendwo in den ersten Schwangerschaftswochen sein und die Wahrscheinlichkeit, dass es abgestoßen wird, ist sehr hoch. Daher will ich ihn nicht verrückt machen, solange nichts sicher ist.«

Leonie senkt ihre Augenbrauen und sieht mich fest an.

»Was, wenn es bleibt? Willst du dann abtreiben?«

Abtreiben.

Dieses Wort pendelt nicht nur wie ein Damoklesschwert über mir, sondern wie das Blatt einer Guillotine. Könnte ich es? Könnte ich das Kind medizinisch entfernen lassen? Meine Kehle schnürt sich zusammen.

»Ganz ehrlich, Süße«, beginnt Leonie, als ich schweige. »Wenn du meine Meinung wissen willst, dann fände ich es nicht in Ordnung, wenn du es abtreibst. Du bist erwachsen und hast in vollem Bewusstsein gehandelt. Du hast eine Schwangerschaft riskiert und auch, wenn du es nicht wolltest, ist es so gekommen. Da wächst jetzt Leben in dir heran. Ein Baby, das nichts dafürkann, dass seine Eltern leichtsinnig waren. Würdest du wirklich ein Leben beenden, weil du einen Fehler gemacht hast? Ich fände das nicht in Ordnung.«

Erneut senke ich meinen Blick. Leonie hat recht. Es wäre nicht in Ordnung. Aber möglicherweise würde ich dieses eine Mal eben nicht ethisch korrekt handeln. Oder? Ich weiß es nicht.

»Es ist ja noch etwas Zeit, damit ich darüber nachdenken kann. Ich habe einfach so Angst, weißt du? Er will keine Familie, ich bin viel zu jung, es gibt keine Großeltern, die mir helfen würden. Ich fühle mich einfach nicht bereit dazu.«

Ihre Hand streichelt über meine Knöchel und drückt sie beistehend.

»Ich bin bei dir. Zur Not würden wir zwei es eben aufziehen. Wir wären tolle Mütter, denkst du nicht?« Ihre Lippen heben sich zu einem warmen Lächeln.

»Da hast du wohl recht«, stimme ich ihr zu und versuche mich ebenfalls an einem Lächeln. Es muss kläglich aussehen, denn eigentlich ist mir eher zum Heulen zumute.

»Wann wirst du es ihm sagen?«, fragt Leonie dann.

»Ich weiß es nicht. Sobald ich mich traue? Am besten versuche ich, nochmal ganz vorsichtig mit ihm über das Thema zu sprechen.«

»Wenn er dir dumm kommt, sag mir Bescheid, dann mache ich ihn fertig!«

Ich schnaube belustigt und nicke.

Leider ist er ein ausgebildeter Killer, den kann man nicht so einfach fertigmachen.

»Also keine Sorge, Süße. Wenn es so kommen sollte, würdest du trotz allem eine tolle Mutter werden. Ich würde dir bei allem helfen und du hast genug Kohle, um dir zehn Nannys zu leisten.« Leo zuckt die Schultern. »Also wage es dich nicht, die kleine Kiki in dir loszuwerden!«

Ich hebe einen Mundwinkel. »Woher weißt du, dass es ein Mädchen wird? Und bist du jetzt Mini-Kikis Anwältin, oder wie?«

»Jap. Sie ist mein erster Klient!« Leonie grinst und trinkt ihren Kaffee leer. »Versau es mir nicht!«

Die Worte und das unumstößliche Verhalten meiner besten Freundin machen mir Mut. Sie ist so optimistisch, dass es ein wenig auf mich abfärbt und die Zukunftsängste vorerst verdrängt.

»Was würde ich nur ohne dich machen?«, frage ich sie lächelnd.

»Verschon mich mit diesen Klischee-Fragen!« Leo rollt gespielt mit den Augen. »Erzähl mir lieber, wie es jetzt weitergeht mit der Firma deines Vaters. Hat sich der Nachlassverwalter schon gemeldet?«

»Ich habe in den nächsten Tagen einen Termin mit einem Anwalt, da werden wir dann alles Weitere klären. Er hält mir auch die Behörden weitestgehend vom Hals. Die Kripo ist natürlich durchgedreht, dass ich verschwunden war und dann plötzlich wiederaufgetaucht bin. Vor allem wollten sie mich in so ein Zeugenschutzprogramm stecken.«

»Aber wäre es nicht besser, wenn die Polizei dich schützen würde? Ich meine, verdammt, Kiki, euer Haus ist regelrecht in die Luft geflogen. Dein Vater und eure Leibwächter sind …«

»Ich weiß«, unterbreche ich sie, weil ich es nicht hören will. Ich weiß, was passiert ist. Es hat sich für immer in mein Gedächtnis und in meine Seele gebrannt. »Aber es besteht wirklich keine Gefahr mehr. Das Medikament ist jetzt auf dem Markt. Die Typen hatten ihre Rache und damit hat es sich erledigt. Sie werden nichts mehr von mir wollen.«

»Wie kannst du dir da so sicher sein? Ja, Neurovic ist jetzt erhältlich und das können sie nicht mehr verhindern. Aber du bist die Erbin deines Vaters. Woher willst du wissen, dass sie dich nicht dafür büßen lassen wollen? Du bist schon mal entführt worden, Kiki. Glaubst du nicht, sie könnten es wieder tun oder dir noch viel Schlimmeres anhaben?«

Ich verstehe Leonies Sorge und ihr Unverständnis. Sie weiß nicht, dass die Anführer des Mafia-Clans, der für die Anschläge verantwortlich war, tot sind. Sie weiß nicht mal, dass es sich um die Rache von Angelo handelte und nichts mehr mit dem Konflikt unter den Pharma-Konzernen zu tun hatte. Ich wünschte, ich könnte ihr einfach alles erzählen. Aber ich würde Seth und die anderen damit in Gefahr bringen. Also kann ich nichts anderes tun, als um den heißen Brei herumzureden. Sowohl bei Leonie als auch bei den Beamten der Kripo.

»Ich bin vorsichtig und Seth passt auch gut auf mich auf. Du siehst ja: Er lässt mich nicht mal alleine in die Stadt gehen, weil er Angst hat, mir könnte etwas zustoßen«, versuche ich, sie zu beruhigen.

Leonie unterdrückt ein Augenrollen.

»Der ist aber kein Personenschützer und kein Polizist.«

Nein, er ist ein Mörder.

Ich beiße mir auf die Lippen. Dann nicke ich.

»Ich werde nochmal darüber nachdenken, okay?«

»Okay.« Leo atmet aus und lehnt sich zurück. »Dann bin ich zufrieden. Ich mache mir doch nur Sorgen um dich.«

»Ich weiß, Leo. Und das freut mich. Es ist bloß alles im Moment so viel. Mein Kopf macht …« Ich blase meine Wangen auf, weite meinen Augen und stelle mit meinen Händen dar, wie mein Schädel explodiert.

Leonie lacht auf.

»Das kann ich mir vorstellen.«

Unsere Gesprächsthemen werden zum Glück leichter und alltäglicher. Sie erzählt mir von ihrem Studium, was die Professoren so sagen und was für Deppen sie als Kommilitonen hat. Leonie strengt sich an, mir von irgendwelchen belanglosen Dingen zu berichten, um mich abzulenken. Während sie plaudert und ich ihr lausche, legt sich ein leichtes Lächeln auf meine Lippen.

Sie gibt mir das Gefühl von Normalität zurück.

Following You - Bis in die Ewigkeit

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