Читать книгу Following You - Bis du nicht mehr fliehen kannst - Mika D. Mon - Страница 15

2 Wochen später …

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Ich habe mich von deinen Schatten locken lassen und mich in ihnen verirrt. Ein Teil von ihnen wird für immer an mir haften, egal wie hell das Licht sein mag, welches mich umgibt.

Es ist jetzt zwei Wochen her, dass ich nach Hause zurückgekommen bin. Zwei Wochen, seitdem ich den Albträumen entflohen bin. Und dennoch suchen sie mich noch jede Nacht heim. Auch heute lege ich mich mit einem verkrampften Magen ins Bett und ziehe die Bettdecke bis zum Kinn herauf.

Ich werfe noch einen Blick zum Fenster. Es ist in der letzten Zeit zu einer Art Zwang geworden, den ich nicht unterbinden kann. Irgendwo in mir lodert die Hoffnung, dass ich ihn draußen sehe. Dass er zu mir zurückkommt. Obwohl ich mir einrede, dass ich das gar nicht will, weil er ein Schwerverbrecher ist, kann ich diesen Keim der Hoffnung nicht ersticken. Es ist total bescheuert, das weiß ich. Ich kannte Seth nicht lange. Er hat mich entführt und meine Familie in große Schwierigkeiten gebracht. Ganz abgesehen davon, dass er mir das Herz gebrochen und mich, ohne mit der Wimper zu zucken, aus seinem Leben geworfen hat.

»Er ist es nicht wert! Er ist nicht mal gut für mich!«, sagt mein Verstand. Aber mein Herz lacht nur laut und lenkt meine Augen zum Fenster. Nur damit jedes Mal, wenn ich ihn nicht dort stehen sehe, ein kleines Stück mehr aus ihm herausbricht.

Auch das Gefühl, verfolgt zu werden, ist zurückgekehrt, was nicht unbedingt zu meiner Beruhigung beiträgt. Egal ob draußen auf der Straße oder sogar in unserem Betonbunker von Familienhaus – ständig habe ich den Drang, mich umzusehen. Es fühlt sich an, als folge mir ein Paar unsichtbarer Augen.

Ich werde verrückt. Eindeutig.

Seufzend puste ich mir eine Strähne aus dem Gesicht, die sich aus dem Dutt gelöst hat, den ich mir zum Schlafen gebunden habe. Danach spiele ich an meinem Handy, bis ich so müde bin, dass es mir gegen die Stirn schlägt. Erst dann lege ich es zur Seite, rolle mich wie ein Embryo ein und schließe die brennenden Augen.

Mir kann nichts passieren, Dimitri steht direkt vor meiner Tür.

Doch leider kann der hochgewachsene Bodyguard mich nicht vor meinen eigenen Ängsten und Erinnerungen beschützen, die mich nachts quälen.

Sein Körper erscheint über mir. Das Gesicht ganz nah, sodass sein Atem meine Wange streift. Wenigstens riecht er gut. Nach Minze und Aftershave. Ich drehe den Kopf zur Seite, um ihn nicht ansehen zu müssen. Meine Hände sind vor meiner Brust gefesselt und mit seinem Gewicht drückt er sie gegen mich, sodass ich mich kaum bewegen kann. Er schiebt mein T-Shirt hinauf und knurrt auf, als er mit einer Hand zwischen meine Scham fährt. Ich verkrampfe mich am ganzen Körper und atme schnell.

Ich will nicht, ist alles, was ich denken kann.

Als seine Hand wieder verschwindet, will ich erleichtert aufatmen, doch dann drückt er grob meine Beine auseinander und ich spüre seinen harten Schwanz an meiner Öffnung.

NEIN! Ich kneife meine Augen zusammen.

Plötzlich hält er inne. Erstarrt.

Dann spritzt mir etwas Warmes ins Gesicht. Als ich blinzele, sehe ich die grünen Augen des Mannes weit aufgerissen. Er lässt mich los und fasst sich an seine Kehle, aus der schwallartig dunkelrotes Blut sickert. Es fließt in kleinen Wellen auf meine Brust, durchtränkt mein T-Shirt. Dann sackt er auf mir zusammen und drückt mir mit seinem Gewicht die Luft ab.

Schweißgebadet schrecke ich mitten in der Nacht hoch. Schwer atmend und mit zittrigen Fingern suche ich nach dem Schalter meines Nachtlichts und lege ihn um. Warmweißes Licht drängt die Dunkelheit in meinem Zimmer zurück und gibt mir ein wenig Sicherheit. Ich atme durch und schlucke trocken. Schon wieder ein Albtraum. Doch diesmal war er realistischer als sonst. Eine Wiederholung dessen, was mir vor zwei Wochen passiert war.

Okay, Kiki. Du schaffst das schon. Denk an was Schönes. Einhörner oder Katzenbabys. Oder Einhornkatzenbabys. Oder Glitzerschnecken!

Es klappt nicht. Selbst die Vorstellung von Einhornkatzenbabys kann mich diesmal nicht beruhigen. Ich gebe meiner Verzweiflung nach und lasse den Tränen freien Lauf, die sich brennend ihren Weg aus meinen Augen suchen.

Nachts nicht zu schlafen – sogar Angst davor zu haben, saugt mir alle Lebensenergie aus. Ganz zu schweigen von der Sorge, jeden Moment von einem rachsüchtigen Verbrecher erschossen oder entführt zu werden. Ich habe einfach keine Kraft mehr – dabei weiß ich, ich stehe erst am Anfang eines sehr langen und steinigen Weges. Für einen Moment lasse ich zu, dass mein Innerstes sich zusammenzieht und verdorrt wie ein altes Blatt im Herbst. Ich lasse all meine Gefühle zu und lege mich in eine giftige Umarmung aus Verzweiflung, Schwäche, Schmerz und Angst.

Es vergehen Minuten, bis ich keine Tränen mehr übrig habe und reglos auf dem Rücken im Bett liegen bleibe. In meiner Brust fühlt es sich jetzt leer an, als wären all die schrecklichen Emotionen aus mir herausgequetscht worden wie Wasser aus einem Schwamm.

Während ich so daliege und an meine Zimmerdecke starre, genieße ich die Stille im Raum. Plötzlich überzieht eine Gänsehaut meine Arme. Kurz darauf spüre ich, wie meine Nervenenden zu kribbeln beginnen. Angespannt setze ich mich auf und sehe mich in dem Halbdunkel meines Zimmers um. Ich weiß – hier kann niemand sein, dennoch will ich auf Nummer sicher gehen. Neben den üblichen Sinnen wie sehen, hören, riechen und fühlen habe ich schon immer eine sensible Intuition besessen.

Ich werde das Gefühl einfach nicht los, beobachtet zu werden. Vielleicht ist es auch einfach nur dieser verrückte Wunsch, dass Seth noch irgendwo ist. So wie vor ein paar Wochen, als er mich gestalkt hat. Auch wenn ich inzwischen weiß, dass er es nicht getan hat, weil er mich so toll fand, sondern weil es sein Auftrag war.

Ich setze mich wieder auf und stütze mich auf meinen Handflächen ab.

»Ist hier jemand?«, flüstere ich in mein Zimmer hinein.

Klar, selbst wenn, wird er jetzt sicher nicht mit »Ja« antworten.

Mein Blick wandert über meinen Schreibtisch zu dem Fenster, vor dem meine Hängepflanze hängt, hinüber zu meinem Kleiderschrank. Ich verenge meine Augen leicht. Bilde ich es mir nur ein oder ist dort der Schatten besonders dunkel?

Von einer selbstmörderischen Entschlossenheit getrieben stehe ich auf und gehe auf meinen Kleiderschrank zu. Als ich mich ihm nähere, erkenne ich jedoch, dass es sich lediglich um meinen schwarzen Filzmantel handelt, den ich an die Seite des Schrankes gehängt habe. Ich atme erleichtert aus und muss kurz über mich selbst lachen. Meine Fantasie hat mir nur einen Streich gespielt. Mein durch den Schlafmangel verwirrtes Gehirn fängt schon an zu halluzinieren.

Als ich mich umdrehe, um zurück zu meinem Bett zu gehen, fällt mein Blick auf die Badezimmertür.

Ich blicke geradewegs in ein jadegrünes Augenpaar, das mich aus tiefschwarzen Höhlen eines Totenschädels heraus ansieht. Wie der Gevatter höchstpersönlich steht er da und hält einen seiner langen, schlanken Finger vor die schwarz tätowierten Lippen.

Mein Herz erstarrt vor Schreck in meiner Brust und ohne dass ich es will, schreie ich auf.

Der Dämon aus dem Reich der Toten schnellt auf mich zu. Ich sehe seine Totenmaske näherkommen. Noch nie habe ich jemanden sich so schnell und so elegant bewegen sehen. Es dauert keine Sekunde, bis er hinter mir steht und mir seine warme Hand über den Mund legt.

Mein Schrei verstummt, aber meine weit aufgerissenen Augen tragen mein Entsetzen nach außen.

Obwohl ich weiß, dass es sich bei dem nächtlichen Besucher um Grimm handelt, schaffe ich es nicht, meine urzeitlichsten Instinkte zu bekämpfen. Der Schock ist größer als mein Verstand.

Grimm umfängt mich mit seinem freien Arm und wirbelt mich herum, als wäre ich eine Marionette. Mit einer fließenden Bewegung legt er mich auf meinem Bett ab und zieht die Decke über mich.

»Viktoria?!« In dem Moment, in dem Dimitri mein Zimmer betritt und das große Deckenlicht einschaltet, schließt sich die Tür zum Badezimmer. Grimm ist darin verschwunden.

Der Personenschützer trägt einen Jogginganzug als Freizeitkleidung, hält jedoch mit beiden Händen seine Pistole fest und sieht sich eilig im Raum um. »Was ist passiert?«

Ich brauche einen Moment, um zu reagieren. Der Schreck von eben lähmt meine Glieder. »N…nichts. Ich hatte bloß einen Albtraum.«

»Aber …«, murmelt Dimitri und lässt mit gerunzelter Stirn seine Waffe sinken. »Der Schrei endete so abrupt.«

»Ich habe mir schnell die Decke vor den Mund gezogen, damit ich niemanden wecke.«

Mein Argument wirkt und Dimitri sieht erleichtert aus. »Ach so. Ich dachte, es wäre etwas passiert. Gut dann … brauchen Sie noch etwas? Kann ich was für Sie tun?« Das Mitleid in seiner Stimme ist kaum zu überhören. Vermutlich sehe ich total rot, verheult und zugeschwollen aus.

»Nein, alles gut. Ich werde einfach ein bisschen am Handy spielen, bis ich wieder einschlafe.« Ich lächle und wedele wie zum Beweis mit meinem Smartphone.

Etwas zögerlich, fast unwillig zieht sich mein Bodyguard zurück und verlässt mein Zimmer.

Ich seufze auf und schließe für einen Moment die Augen. Dann stehe ich auf und schleiche zum Bad. Als ich die Tür öffne und das Licht einschalte, finde ich Grimm auf dem Rand meiner Badewanne sitzend.

Er blinzelt, geblendet von der plötzlichen Helligkeit, und beschattet seine Augen mit einer Hand.

»Was tust du hier?!«, flüstere ich aufgebracht. »Wieso zur Hölle stehst du mitten in der Nacht in meinem Zimmer wie ein verdammter Psycho herum?!«

»Nun, weil ich ein verdammter Psycho bin?«, antwortet Grimm mit einem Das-liegt-doch-auf-der-Hand-Tonfall. Noch bevor mein Verstand diese unerwartete Antwort verarbeiten kann, steht er auf und spricht weiter. »Ich bin nicht hier, um dir etwas anzutun oder dich zu entführen.«

Damit nimmt er mir meine nächste Frage und auch meine Angst vorweg. Ich gestatte mir, mich ein wenig zu entspannen, und lasse die Luft aus meiner Lunge entweichen.

»Aber warum bist du dann hier?«

»Um auf dich aufzupassen.«

Ich senke meine Augenbrauen und versuche in seinem Gesicht zu lesen, ob mehr dahintersteckt. Aber seine Mimik ist undurchschaubar und durch die Schädel-Tätowierung auch kaum zu erkennen.

»Ist es ein Auftrag?«, frage ich vorsichtig.

Grimm nickt zögernd.

Ich bin etwas irritiert. Hat mein Vater derselben Organisation den Auftrag gegeben, mich zu schützen, die vor zwei Wochen dafür verantwortlich war, dass ich entführt worden bin? Die Enttäuschung, dass Seth wohl den Auftrag abgelehnt hat und deswegen jetzt Grimm hier ist, wühlt sich schmerzhaft in meinem Herzen hervor. Ich versuche sie herunterzuschlucken, aber es will mir nicht ganz gelingen.

Plötzlich kommt mir ein anderer Grund in den Sinn, weswegen er vielleicht gar nicht hier sein kann.

»Ist Seth von der Polizei erwischt worden? Geht es ihm gut?«, frage ich eilig.

Ein kurzes Zucken um Grimms Mundwinkel deutet ein Lächeln an. »Deinem dunklen Prinzen geht es gut, Prinzessin.«

Ohne dass ich es will, schießt mir Hitze in die Wangen. Rasch senke ich meinen Blick. »Er ist nicht mein Prinz. Das hat er mir wohl deutlich genug gemacht.«

Er schweigt, daher gehe ich davon aus, dass ich damit recht habe.

»Wie bist du hier rein gekommen? Ich werde Tag und Nacht bewacht!«

»Jede Vorkehrung hat Lücken. Es gibt keine absolute Sicherheit«, sagt er genau das, was ich mir schon vor Wochen dachte. Irgendwo wird jemand ein Schlupfloch finden, wenn er es nur will.

»Gibt es denn Neuigkeiten von den Leuten, die jetzt hinter euch her sind? Seid ihr in Gefahr? Bin ich in Gefahr?«

»Ich passe auf dich auf.«

Auch wenn diese Aussage keine Antwort auf meine Fragen ist, fühlt es sich an, als würde er mir ein Versprechen geben. Es beruhigt mich. Fühlt sich an, wie ein Rettungsanker, der stets in greifbarer Nähe ist. Grimms ruhige Ausstrahlung und seine tiefe Stimme haben eine eigenartige, hypnotische Wirkung auf mich. Was er sagt, glaube ich ihm, weil es sich wie eine Art Naturgesetz anfühlt. Woher dieses seltsame Empfinden kommt, weiß ich nicht, und in diesem Moment ist es mir auch egal.

»Geh wieder ins Bett.« Grimm kommt langsam auf mich zu und greift an mir vorbei, um die Badezimmertür für mich zu öffnen. »Du brauchst Schlaf.«

Da hat er recht, das kann ich nicht leugnen. Ohne Widerworte folge ich seiner Aufforderung und schleiche leise zurück ins Bett. Als ich meine Bettdecke über mich gezogen habe, schaltet Grimm das Licht im Bad aus. Mein Nachtlicht lösche ich ebenfalls.

»Weiß Dimitri, dass du hier bist?«, flüstere ich ins Dunkel meines Zimmers hinein.

»Nein«, antwortet seine Stimme aus dem Schatten.

»Wirst du heute Nacht hierbleiben?«

»Ja.«

Ich schließe meine vom vielen Weinen brennenden und geschwollenen Augen und atme tief durch. Dann rolle ich mich ein. Sollte es mich stören, dass ein nahezu fremder Mann in meinem Zimmer steht und mich beim Schlafen beobachtet? Doch es wirkt auf mich eher beruhigend. Seit langem habe ich zum ersten Mal wieder ein Gefühl der Geborgenheit. Es tut gut zu wissen, dass dieser Profimörder auf meiner Seite steht. Dass er sein tödliches Können dafür einsetzen wird, mich zu schützen.

Ich bin gerade weggenickt und meine Beine zucken bereits im Halbschlaf, als Grimms ruhige Stimme mich nochmal aufweckt.

»Wie fühlt es sich an, wenn man verliebt ist?«

Überrascht von dieser Frage öffne ich meine Augen und blicke ins Dunkel.

»Was? Warst du noch nie verliebt?«, frage ich zurück.

»Ich weiß es nicht. Ich weiß ja nicht, was man dann fühlt. Aber es scheint mir, als würde man dann leiden.«

Ich stoße die Luft lachend aus. »Ja, da hast du wohl recht. Wenn man unglücklich verliebt ist, dann leidet man. Aber es kann auch schön sein. Dein Herz schlägt schnell, du willst der Person, in die du verliebt bist, ganz nah sein. Es kribbelt überall – besonders im Bauch … wieso fragst du?«

»Hm … Gute Nacht, Prinzessin.«

Irritiert kräusle ich meine Stirn. Ich frage mich, welche Frau das schwarze Herz dieses schrägen Typen wohl zum Schlagen bringen könnte. »Warst du denn schonmal verliebt? Jetzt, wo du weißt, wie es sich anfühlt?«

»Schlaf.« Grimms Stimme ist nur ein leises Raunen. Ich seufze frustriert, schließe aber lächelnd meine Augen.

Following You - Bis du nicht mehr fliehen kannst

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