Читать книгу Following You - Bis du nicht mehr fliehen kannst - Mika D. Mon - Страница 18
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Er
Deine Welt liegt in Trümmern und ich bin derjenige, der sie zum Einstürzen gebracht hat. Ich habe dir gesagt, dass ich nur zum Zerstören geboren bin. Glaubst du mir jetzt, Prinzessin?
Ich nehme Kiki mit zu unserem Treffpunkt. Dabei handelt es sich um einen kleinen Flughafen für Privat- und Frachtverkehr, welcher fast eine Stunde von Frankfurt entfernt liegt. Als ich mir sicher bin, dass wir nicht verfolgt werden, halte ich an einem Parkplatz an und wir ziehen uns Helme und die nötigste Motorradkleidung an. Erstens ist es besser, anonym zu sein, und zweitens können wir es uns nicht leisten, von der Polizei angehalten zu werden. Kiki redet kein Wort mehr und lässt alles wie eine leblose Puppe mit sich machen.
Als wir am Treffpunkt ankommen, an dem Ace’ Privatjet bereits abflugbereit auf uns wartet, steigen wir direkt ein. Ich wickele Kiki in eine Wolldecke, schnalle sie an und lasse sie dann in Ruhe. Unentwegt laufen Tränen über ihr Gesicht, aber sie gibt kein Schluchzen, kein Geräusch von sich. Sie hat soeben ihr Zuhause und ihren Vater verloren. Nichts, was ich hätte sagen können, hätte sie über diesen Verlust hinweggetröstet.
Kurz darauf stößt auch Grimm zu uns und wir können starten. Inzwischen befinden wir uns seit etwa einer Stunde in der Luft und Kiki ist völlig erschöpft eingeschlafen.
Der Privatjet ist der Inbegriff von Dekadenz, genauso wie die gesamte Person von Ace. Das Interieur ist aus dunklem, edlen Holz und cremefarbenem Leder. Wir haben so viel Beinfreiheit, dass eine Frau vor mir hocken und mir während des Fluges einen blasen könnte. Wie es wohl ist, so ein hochwohlgeborener Wichser zu sein wie Ace?
Dieser sitzt mir gegenüber und starrt aus dem Fenster, während er genervt den Kiefer hin und herschiebt. Seine schlechte Laune scheint wie in Wellen zu mir herüberzuschwappen, bis mir der Kragen platzt.
»Es ging nicht anders, okay?«, knurre ich ihm zu.
Ace’ Augenbraue schnellt abfällig in die Höhe.
»Ich habe dir gesagt, dass wir keine Zeit haben, Babysitter zu spielen, Seth.«
»Was hätte ich denn machen sollen? Zulassen, dass Angelos Männer sie verschleppen, vergewaltigen und töten?!«
»Woher wusstest du überhaupt von dem Anschlag?«, fragt Ace. Er schaltet beiläufig den Fernseher ein.
Es laufen die Nachrichten, die als Eilmeldung über die Geschehnisse in Frankfurt berichten. Die Medien äußern sich derzeit noch nicht über die Gründe des Attentats. Hinter dem ernst und betroffen dreinschauenden Reporter sieht man das Haus der Königs in Schutt und Asche liegen. Rauchschwaden steigen in den Himmel auf. Überall ist Blaulicht und das Gebiet ist weiträumig abgesperrt.
»Seth?«, erinnert mich Ace an seine Frage.
»Ich habe sie überwachen lassen«, antworte ich genervt.
»Wie bitte? Ich habe dir gesagt, dass du sie in Ruhe lassen sollst. Dass du dich auf unsere Mission konzentrieren sollst, und was machst du?« Ace ist richtig angepisst. Er spuckt mir die Worte förmlich entgegen.
»Deswegen habe ich sie nicht selbst überwacht, sondern sie überwachen lassen«, erwidere ich ebenso gereizt.
»Und von wem bitte?«
»Grimm.«
Ace wirft seine Hände in die Luft.
»Ach, ist ja super. Und du denkst, das ist weniger schlimm? Er muss sich genauso auf unsere Mission konzentrieren. Ich erinnere dich nochmal, Seth: Wegen dir stecken wir in dieser Scheiße. Ich hatte nicht vor, mich mit Angelo anzulegen. Zumindest noch nicht. Aber du hast uns alle damals schon wegen ihr in Gefahr gebracht. Sie in Gefahr gebracht. Alles, was passiert, ist deine Schuld. Darüber bist du dir aber im Klaren, ja?«
»Fick dich, Ace!«, knurre ich, als ich mich nicht mehr zu wehren weiß. Er hat recht. Ich bin mir bewusst darüber, Kiki in Gefahr gebracht zu haben. Dass ich schuld an ihrem Verlust bin. Das alles geht auf meine Rechnung und ich weiß noch nicht, wie ich mit dieser Schuld leben soll. Ace muss es mir nicht noch extra unter die Nase reiben.
»Töten wir sie«, sagt Ace prompt. »Sie wird uns nur im Weg sein und macht dich angreifbar.«
»Was?!« Ich springe von meinem Sitz auf, meine Hand zuckt zu meinem Messer an meinem Gürtel. Ace tut es mir gleich. Erneut stehen wir uns gegenüber. Die Luft zwischen uns ist so dick, dass man sie schneiden könnte. Ich blicke ihm direkt in seine Augen und er in meine.
»Ich bringe dich um, wenn du ihr auch nur ein Haar krümmst.«
Plötzlich schnellt Ace’ Faust vor und trifft mich unvorbereitet mitten im Gesicht. Blut spritzt aus meiner Nase und meiner Lippe, während ich nach hinten auf den Sitz falle.
»Shit«, zische ich und lasse mein Messer stecken. Wenn ich es ziehen würde, wäre ich tot. Grimm würde mich meucheln, bevor ich Ace auch nur berührt hätte. Zähneknirschend bleibe ich sitzen und starre Ace mit mörderischen Blicken an.
Fall mit einem Schlaganfall um, Pisser!
Er lehnt sich zu mir herunter und stützt seine Hand drohend neben meinem Kopf ab.
»Du gehörst mir, Seth. Und du bist mir inzwischen viel mehr schuldig, als du jemals begleichen kannst. Ich rette dir hier deinen verfickten Arsch. Vergiss das nicht«, zischt er mir ins Ohr.
Er hat abermals recht. Das weiß ich. Ich habe alles ruiniert. Von Anfang an. Ace ist dennoch an meiner Seite. Er ist ein weitaus besserer Freund als ich, auch wenn er das so niemals formulieren würde.
Ich dagegen bin eigentlich so ein verdammter, egoistischer Scheißkerl, dass ich mir selbst am liebsten eine Kugel ins Gehirn jagen würde. Aber dazu bin ich nicht feige genug. Nicht so feige wie mein Vater, der diesen einfachen Weg genommen und mich und meine Schwester allein gelassen hat. Ich hingegen will den Mist wieder ausbaden, den ich uns allen eingebrockt habe.
»Jungs?« Viktorias leise Stimme lässt mich aufhorchen.
Ace setzt sein schönstes Lächeln auf und tut einfach so, als habe er eben nicht vorgeschlagen, sie umzubringen.
»Oh, du bist wach?«
»Ja …« Sie ist aufgestanden. Die Wolldecke hat sie um sich geschlungen und ihre zerzausten, bunten Haare fallen in wilden Wellen über sie. Ihr Gesicht ist völlig verdreckt und verklebt, ihre Augen und ihre Nase sind rot vom vielen Weinen. »Bitte tötet mich nicht.«
Eiseskälte fährt durch meinen Körper. Sie hat alles gehört. Auch Ace entgleisen seine Profi-Pokerface-Gesichtszüge.
»Ich kann euch helfen«, fährt Kiki fort und sieht uns einen nach dem anderen ernst an.
Ace lacht auf.
»Es tut mir leid, kleine Lady. Aber du kannst uns im Weg stehen, mehr leider nicht. Alles, was diese Reise für dich bedeutet, ist Gefahr. Und wir haben alle Hände damit zu tun, uns selbst zu schützen.«
»Nein, ihr braucht mich nicht zu beschützen. Wenn ich sterbe, ist das okay. Ich habe alles verloren …« Ihre großen, aquamarinfarbenen Augen füllen sich mit Tränen, während ihre Unterlippe zittert.
»Ach, Kleines«, sagt Ace, während ich meine Worte verloren habe und sie einfach nur anstarren kann. »Du hast deinen Vater verloren, es ist klar, dass du trauerst und dass es ein Verlust ist, bei dem es dauern wird, bis du ihn verarbeitet hast. Aber glaub mir, die Zeit wird diese Wunde schon heilen und du wirst neue Hoffnung finden. Du bist jung. Du solltest dein Leben nicht so einfach wegwerfen.«
Sprach der Mann, der sie eben noch umlegen wollte. Heuchler.
»Ich will es nicht wegwerfen«, betont Kiki. »Ich will es nutzen. Diese Kerle haben mein Heim zerstört. Sie haben meinen Vater umgebracht! Sie haben mir alles genommen!«
Die Tränen lösen sich und rollen ihre dreckverschmierten Wangen hinab. »Es gibt nur eins, was ich jetzt noch will, und das ist, diese Männer dafür büßen zu lassen!«
»Wie willst du uns denn helfen?«, frage ich unsicher nach.
»Wissen die, dass ihr mich gerettet habt?«
»Nein«, antwortet Grimm. Sein erstes Wort, seitdem wir abgehoben sind. Er sitzt auf den Plätzen neben uns und hat den ganzen Flug bisher damit zugebracht, seine Klingen zu säubern und sie danach zu betrachten.
»Dann kann ich euer Lockvogel sein. Sie wollen mich, oder? Sie wollen Rache an mir. Und sie wollen Rache an euch. Aber ich kann im Gegensatz zu euch nicht kämpfen. Einer von euch wäre als Lockvogel viel zu auffällig. Aber ich kann nach dem Anschlag geflohen sein, bin untergetaucht. Sie werden mich weiter jagen, oder? Dann können wir ihnen genauso gut eine Falle stellen und sie zu uns kommen lassen, anstatt selbst ins Wespennest zu stechen, oder? Das hattet ihr doch vor, oder nicht? Ihr seid auf dem Weg zu Angelo.«
Wir drei tauschen einen Blick. Das Mädchen hat den Nagel auf den Kopf getroffen. Eine Weile herrscht Stille, ehe Ace antwortet:
»Das ist ein dummer, gefährlicher Plan«, sagt er. »Aber er ist besser als alle, die wir bisher hatten.«