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Vorbemerkungen

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Es gibt mittlerweile eine ganze Reihe von Büchern, die sich mit dem Thema »Lerntherapie« beschäftigen. Ebenso existieren unterschiedliche Ausbildungen zum Lerntherapeuten oder zum Lernpädagogen.1 Das Feld ist im Wandel, gerade an den Schulen ist viel Bewegung durch die Erprobung neuer Konzepte, und in jüngerer Zeit gab es wichtige neue Erkenntnisse zum Thema »Lernen«. Eindeutige und gut funktionierende Standards haben sich noch nicht ausbilden können. Das Fehlen staatlicher Regulierung führt auf den ersten Blick zu einer Unübersichtlichkeit der verschiedenen lerntherapeutischen Arbeitsformen und auch der Ausbildungsgänge. Darin liegt aber auch die Chance für Lerntherapeuten, sich aus dem Angebot an Möglichkeiten diejenige Arbeitsweise bzw. Ausbildung zu wählen, die den eigenen Neigungen und Interessen am besten entspricht.

Mit dem vorliegenden Buch für eine Tätigkeit als Lerntherapeut oder Lernpädagoge greifen wir verschiedene bereits vorhandene praktische und therapeutische Ansätze und wissenschaftliche Erkenntnisse auf, integrieren sie und entwickeln sie wiederum ein Stück weiter. So werden wir die systemische Perspektive besonders herausstellen und deutlich machen, dass das Kind sich in ständiger Wechselwirkung mit seiner Umwelt befindet und zu welchen Konsequenzen dies führt. Handlungspraktisch werden wir zeigen, wie sich daraus konkrete Interventionsansätze ableiten lassen. Schließlich erfährt der integrative Aspekt gelungener lerntherapeutischer Arbeit Berücksichtigung durch den Einbezug von Entspannungs-, Bewegungs- und Kreativtechniken sowie der fachdidaktischen Begleitung.

70–80 % der Kinder gehen durch unser Schulsystem relativ problemlos durch. Solange es in der jetzt existierenden Form beibehalten wird, muss für die übrigen 20–30 % etwas getan werden. Auch gut ausgebildete Lerntherapeuten können das Schulsystem nicht revolutionieren. Aber sie können ein Stück zur Verbesserung beitragen, und zwar für diejenigen Kinder und Eltern, die das wirklich brauchen. Als Lerntherapeut ist man in einer anderen Position, als die Lehrer und die Referendare es sind, deren Auftrag es ist, für die ganze Klasse da zu sein. Ein Lerntherapeut arbeitet mit Einzelnen oder Kleingruppen und hat daher andere Möglichkeiten der Intervention, beispielsweise auch den Eltern gegenüber. Die Grundlage dafür möchten wir mit dem vorliegenden Lehrbuch vermitteln.

Wir begleiten seit vielen Jahren Kinder, Eltern und Lehrer lerntherapeutisch und bilden in der Lerntherapie aus. Dabei wurde das Konzept aufgrund der Erfahrungen in der Praxis sowie auch von Ergebnissen der Forschung ständig weiterentwickelt. Als Ziel einer Lerntherapie schlagen wir vor, die Eltern gewissermaßen zu »Sachverständigen« für ihre Kinder auszubilden. Dies ist nicht so technisch gemeint, wie es zunächst klingt. Der Umgang mit Kindern sollte von Herzen kommen, und in aller Regel tut er das auch. Dort jedoch, wo sich dennoch Probleme zeigen, möchten wir Wissen und alternative Handlungsoptionen anbieten, um den Betroffenen zu helfen, das, was vom Herzen kommt und gut gemeint ist, besser in äußere Handlungen umsetzen zu können. Daher findet nach unserem Konzept sowohl in diesem Buch als auch in der lerntherapeutischen Praxis immer auch Wissensvermittlung statt. Im vorliegenden Buch ist das vor allem der Theorieteil, in dem wir Konzepte vorstellen, die sich für die Arbeit als nützlich herausgestellt haben. Theoretische Ansätze, die nach unserer Erfahrung nicht nützlich sind, stellen wir nicht dar. Natürlich handelt es sich dabei um eine subjektive Auswahl, für andere Lerntherapeuten können andere theoretische Ausgangspunkte nützlich sein.

Ebenso kann es in der lerntherapeutischen Praxis ein Ziel sein, den Eltern Wissen zu vermitteln. Wer nur eine einzige Handlungsstrategie für eine bestimmte Situation kennt, dem kann man nicht vorwerfen, dass er keine bessere verwendet. Also müssen auch andere Handlungsmöglichkeiten aufgezeigt werden. Je mehr man über seine Kinder weiß, zum Beispiel auch an entwicklungspsychologischen Grundlagen, desto besser kann man auf sie eingehen und verstehen, was geschieht. Denn zwar weiß man nur, was man sieht, aber man sieht auch nur, was man weiß (frei nach Goethe).

Neben der Darstellung des unseres Erachtens relevanten Faktenwissens wollen wir aber auch aufzeigen, wie es gelingen kann, den Kindern und Eltern ein nützlicher Begleiter zu sein auf ihrem Weg des Wachstums. Auch wenn den Eltern und Kindern im konkreten Fall funktionale Handlungsmöglichkeiten zu fehlen scheinen, so sind wir doch davon überzeugt, dass alle Menschen die notwendigen Voraussetzungen besitzen, sie für sich zugänglich zu machen.

Unter der integrativen Lerntherapie verstehen wir die Anwendung therapeutischer Interventionsformen aus unterschiedlichen Therapierichtungen unter Einbezug einerseits von Praxiserfahrungen und andererseits von Forschungsergebnissen auf die beteiligten Personen im Umkreis eines Lernproblems, also auf die Kinder, die Eltern sowie das übrige Umfeld (Lehrer, Verwandte, andere Therapeuten usw.). Unsere lerntherapeutische Arbeit ist durch eine systemische Haltung geprägt. Sie ist sowohl ganzheitlich als auch individualisiert. Damit ist sie integrativ und geht gleichzeitig noch ein Stück weiter, indem sie in großem Maße die Umwelt einschließt und gestaltet. In der systemischen Lerntherapie tun wir ebendieses, und zwar konsequent, mit einem systemischen Verständnis der ablaufenden Prozesse und mittels der Arbeitsweise, wie sie sich in der systemischen Therapie bewährt hat. So sehen wir die systemische Lerntherapie als Fortschreibung der Entwicklung hin zu einem immer ganzheitlicheren Verständnis kindlicher Lernschwierigkeiten.

1Aus Gründen der besseren Lesbarkeit verzichten wir hier und im Folgenden auf die explizite Nennung beider Geschlechter.

Systemische Lerntherapie

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