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Sonnabend, 9. Februar. Früh.

Ich stehe fertig angezogen am Ausgang mit Holger zusammen, der mir versprach, dass sein Vater mich mitnimmt. Welcher gerade um die Ecke kommt. Eeh, und es ist erst halb acht, so zeitig war ich sonnabends von hier aus noch nie zu Hause. Natürlich bin ich auch aufgeregt, weil ich nach drei Wochen endlich mal wieder aus diesen bedrückenden Krankenhaus­mauern raus kann.

»Guten Morgen!«, begrüßt uns Herr Fach. »Mike, ich habe von Holger schon gehört, dass ich Sie mit­nehmen soll. Alles fertig?«

Ich bejahe.

In dem Moment geht die Tür des Chefarztzimmers auf, Frau Christoph tritt heraus: »Guten Morgen, Herr Fach!«

Plötzlich sieht sie mich: »Nanu, Herr Scholz, wer­den Sie auch abgeholt?«

»Herr Fach nimmichmitt.« Siegessichere Antwort.

»Das geht aber nicht, Herr Scholz! Wo wollen Sie denn hin? Wenn Ihnen was passiert, haben wir die Schuld! Nein, so geht es auf keinen Fall!«

Meine Siegessicherheit nimmt in dreifacher Licht­geschwindigkeit ab, meine Augen versuchen, sie so stechend als nur irgend möglich zu fixieren, zu hyp­notisieren, das kleine Zentrum in ihrem Kopf, das die­ses Urteil soeben ausgespuckt hat, umzupolen – ich starte aber noch einen letzten Versuch: »Offgenommn werdch von Freundn, midän habich schon geredt. Dennes hat sich ja schon lange anedeut, dassichm Symbol meier Mutter die letze Balsam–sam-samierung gebn muss!« Pokern.

»Und was ist, Herr Scholz, wenn die nun nicht da sind?«

»Die sinda!«

»Ich traue Ihnen nicht, Herr Scholz!« – Sie muss in ihrem Studium eine Menge Rhetorik gehabt haben: Sie hat ihre Professorglotzen aufgesetzt und wackelt fleißig mit dem Kopf, um ihren Worten Nachdruck zu verleihen; den Mund reißt sie weit auf, so dass man, wäre man daran interessiert, dabei nachschauen könnte, wo sie ihre Plomben sitzen hat. »Haben Ihre Freunde ein Telefon?«

»Die wohnin Zittau! Da isneignes Telefon ni anner Tagesodnung!«

»Schlecht für Sie! Wir werden noch einmal Ihre Mutter anrufen; wenn die damit einverstanden ist, können Sie mitfahren. Aber zu ihr!« Damit sagt sie Schwester Kringel Bescheid, die sofort anrufen geht.

In mir kocht es, ich fühle mich, als wenn ich im Knast eingesperrt wäre, die Wände des Flurs rücken wieder paar Augenbreit oder mehr zusammen. Ich stehe direkt vor dem Ausgang, brauche nur hinauszu­gehen und diesen Komplex zu verlassen. Und wenn ich es könnte, würde ich es auch tun. Und dann not­falls trampen. Aber den Blick für das Realistische muss ich mir bewahren: Ich kann es nicht – noch nicht. Aber wenn es soweit ist, wird mich niemand hier mehr aufhalten können. Doch dann werde ich auch gar nicht mehr hier sein. Aber in dem jetzigen Moment könnte ich die Christoph auf irgendeine Weise massakrieren. Sie war mir noch nie sympathisch; aber jetzt ist der Ofen ganz aus. Sie wird sich noch – hör auf, unflätig zu fluchen, Mike!! – Denn sie kennt das Ergebnis genau: Nie, nie, nie wird meine Mutter diesem Kompromiss zustimmen!

Schwester Kringel kommt wieder. »Die Familie, wo das Telefon steht, ist zwar da, aber deine Mutter nicht«, verkündet sie mir mitleidig.

»De pennoch!«

»Soll ich sie später noch einmal anrufen?«

»Nee, danke, brauchnSe ni! Da kommeh nischt Nuzzbringndes raus!«

»Was ist denn mit ihr los?«, will Frau Christoph wissen.

»Ach, dasisbeirr soübich. Außerdem kannsess ni ertragn, dassch wieder flügge werde unihr davonflat­tre.«

»Klingt ja schlimm! Aber schon, als sie eingelie­fert wurden, war uns klargeworden, dass da einiges schief läuft.«

»Genau! Und daum willichs jetze beendn! Unner Herr Fach würd mich ja mitnehmn.«

Sie bleibt aber auf ihrem Verbot sitzen, erzählt mir was von Verantwortung, die sie dafür trüge. Und sie sei sich darüber nicht im Klaren, wo ich das Wochen­ende bleibe. Und dass ich zu meinen Freunden ziehen könne, wäre ihr nicht sicher genug. Und bla-bla-bla.

Dabei scheint sie aber zu vergessen, dass es in Zit­tau auch Brücken gibt.

»Nächse Woche off alle Fälle!«, verabschiede ich mich von Herrn Fach und seinem Sohn, als die Chris­toph verschwunden ist. Dann gehe ich wutentbrannt eine rauchen.

*

Nach dem Mittagessen halte ich keine Verdauungsru­he, sondern schreibe einen Brief mit der Aufschrift »dringend« an Mascha und Kulle. In ihm lege ich ih­nen meine Bitte dar, dass sie in der nächsten Woche herkommen, damit ich wieder Urlaub kriege.

Hoffentlich tun sie es.

*

Nachmittag.

Draußen ist es sonnig. Eine sehr gute Gelegenheit, Pigmente zu haschen und dabei was für die Lauffer­tigkeiten zu tun.

Ich teile es Pfleger Helmut mit.

»Eine rauchen?«, will er wissen.

»Nee, nee, übn. Daheeme hättichs ouch gemacht, also übertage ichsoff hier!«

»Im Gelände?«, fragt er nun erstaunt.

»Ja wodn sons?«

»Da gehen Sie aber nicht alleine, da nehmen sie je­manden mit!«

»Mußas unedingt sein?«

»Na wenn Ihnen was passiert, wissen wir von nichts. Und hinterher bekommen wir was auf den De­ckel, weil es dann heißt, wir hätten nicht auf Sie auf­gepasst!«

Ich sehe es zwar ein, bin aber trotzdem verärgert – Tradition? – Doch ändern kann ich es eh nicht! Dar­um auf zu einer Patientin, die mir immer Äpfel zu­steckt. Weil ich glaube, dass sie mir diesen Gefallen bestimmt tut. Was sich dann auch bestätigt. Und so durchmesse ich zum ersten Mal auf eigenen Beinen den Krankenhauskomplex.

Ein ganz böser Fehler?

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