Читать книгу Ein ganz böser Fehler? - Mike Scholz - Страница 9

Оглавление

4

Sonntag, 20. Januar. Mittag.

Ich warte darauf, dass es um eins wird. Denn die Stimmung hier ist nicht auszuhalten. Schweigen und Ignoranz haben sich breit gemacht.

Waren sie nicht immer schon so breit? Vielleicht nicht, vielleicht ja. Aber jetzt wird es mir erst richtig klar. Nein, falsch, darauf bin ich schon vor einem viertel Jahr gekommen. Doch jetzt – jetzt kann ich endlich weg, dir die Rücklichter zeigen, blöde Kuh!

*

Um eins.

In meinem Bauch fängt es wieder an zu rumoren – als wenn da zwei Riesenechsen einen Zweikampf mit übelster Umweltvernichtung durchführen würden – ich bin nervös, aufgeregt.

Halb zwei. Mir reicht es.

Wenn der Prophet nicht zum Berge kommt, muss eben der Berg zum Propheten gehen!

Ich erhebe mich, bewege mich hinaus, um mich anzukleiden.

»Mike, was hast du jetzt vor?«, will meine Mutter verwundert wissen.

»Ichehzu Mascha.«

»Wollten die dich nicht abholen kommen?« Hohn. Siegessicherer Hohn.

Als von mir aber keine Antwort kommt, lässt sie wieder ihren Frust raus: »Warum musst du denen im­mer hinterher laufen?! Du siehst doch, dass sie dich nicht abholen! Also wollen sie dich doch nicht!«

Kurz durchfährt mich die Einsicht, dass sie recht hat. Doch ich schiebe sie sofort beiseite.

Denen auf den Geist zu gehen ist immer noch bes­ser, als hier rum zu glucken!

Ich gehe.

Bin schon an der Wohnungstür, da schreit mir mei­ne Mutter noch hinterher, dass ich um halb fünf wie­der da zu sein habe. »Dann schafft dich nämlich Ma­nolo zurück, und der muss hinterher arbeiten gehen!«

Ich lasse mich doch noch zu einer Antwort herab: »Halfünfe kannsde vergessn! Um vier kommeene, die schneidmir die Hoare!«

»Dann musst du sehen, wie du es hinbekommst!«

»Wolltest du deine Haare nicht lang lassen?«, mel­det sich plötzlich Saskia zu Wort.

Ein Grinsen huscht über mein Gesicht: »Ich willse jani abasiern lassn.«

»Noch mal«, mischt sich meine Mutter wieder ein, »halb fünf bist du da, ansonsten kannst du nicht zu­rück!«

Was mich endgültig zur Heiterkeit anregt. »Da werdch bestimmni trauig sein!« Und verdrücke mich.

*

Abends im Krankenhausbett halten die Vorgänge des Tages noch einmal eine Parade in mir ab: Ich bin ohne Zwischenfall zu Mascha gelaufen. Erst auf der zu ihr hochgehenden Treppe hob es mich aus. Meine Brille verbog sich dabei, so dass ich sie nicht mehr aufsetzen konnte. Kulle bog sie mir dann aber so zu­recht, dass dies wieder möglich war. Dann wartete ich auf Naschenka. Um vier – niemand war gekommen; es wurde halb fünf, dann um fünf – Naschenka blieb außerhalb meines Sichtbereiches. Da war ich also wieder mal durch Höflichkeitsfloskeln verarscht wor­den. In der Zwischenzeit sagte mir Mascha, dass ich verstehen solle, dass sie sich nicht um mich geküm­mert habe: Sie habe Kinder. Und bei Steffen sei das genauso. Nur bei Engel könne sie es nicht verstehen. Ich erzählte ihr daraufhin, wie meine Mutter ihn und Manuela rausgeekelt habe. Was Mascha aber nicht daran hinderte, sich auf Engel herumzuwälzen, ihn in tiefste Abgründe zu treten und noch einmal nachzu­stoßen.

Also die Moral von der Geschicht': Hast du Kin­der, lässt du deine Freunde im Stich! Aber lässt sich da überhaupt keine Übereinkunft treffen?

Um sechs war ich wieder zu Hause, von Kulle heimgebracht. Unterwegs hatten wir Engel getroffen, der sich über meine Fortschritte erstaunte und freute. (Oder tat er nur so?) Natürlich fragte ich ihn sofort wieder, ob er mich abholen könne – aber sein Auto ist kaputt, sagte er mir. (Ausrede?) Zu Hause explodierte dann meine Mutter fast. »Wie kannst du nur so spät nach Hause kommen?« und »Du solltest längst weg sein! Manolo kommt dann noch mal, aber der ist sau­er!« Schließlich wollte sie auch noch wissen, wieso meine Haare nicht gekürzt sind, denn ich sei doch deswegen zu Mascha gegangen. Als ich ihr erklärte warum nicht, konnte sie sich wieder darüber auslas­sen, was ich für Freunde hätte. Und sie hatte auch recht, sehe ich ein; aber wenn man sich nicht draußen sehen lässt, lernt man nie neue kennen. Dazu braucht man aber Bekannte als Sprungbrett, sonst wandelt man ewig auf der Oberfläche des Isolations­sumpfes, sofern man nicht einsinkt. Bei meiner Ab­fahrt war sie dann am Auto wieder scheißfreundlich. Sie versprach auch, dass sie mich nächstes Wochen­ende wieder ab­holen lassen würde. Mir war aber nicht so richtig klar, ob ich ihr trauen sollte. Auch Manolo und Saskia leg­ten sich im Krankenhaus nicht fest. Auf meine mehr­mals gestellte Frage, ob sie mich wie­der holen wer­den, hieß es immer: »Wenn es deine Mutter will.«

Wahrscheinlich sollte mir dadurch mein Abhän­gigkeitsverhältnis zu ihr klar gemacht werden. Wie entzückend!

Die Parade ist vorbei, der Tag ist vorbei, doch so richtig wohl ist mir nicht. Nur werde ich erst nächstes Wochenende sehen, ob zu Recht oder unbegründet.

Ein ganz böser Fehler?

Подняться наверх