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A. Abgrenzung „öffentliches Recht“ und „Privatrecht“
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Von grundlegender Bedeutung ist in diesem Zusammenhang die Unterscheidung zwischen öffentlich-rechtlichem Verwaltungshandeln einerseits und privatrechtlichem Handeln der Verwaltung andererseits.[1]
JURIQ–Klausurtipp
Die Abgrenzung des öffentlichen Rechts vom Privatrecht kann in der Klausurbearbeitung an mehreren Stellen zu diskutieren sein:
• | Anwendbarkeit des VwVfG, siehe § 1 Abs. 1 VwVfG (Rn. 152); |
• | Vorliegen eines Verwaltungsakts, siehe § 35 S. 1 VwVfG (Rn. 45); |
• | Vorliegen eines öffentlich-rechtlichen Vertrags, siehe § 54 VwVfG (Rn. 97 f.); |
• | Verwaltungsvollstreckung, siehe § 1 Abs. 1 und vgl. § 6 VwVG (vgl. Rn. 335 ff.); |
• | Rechtswegbestimmung, siehe § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO[2]; |
• | Staatshaftung, siehe § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG[3]. |
Die Zuordnung des konkret zu beurteilenden Verwaltungshandelns entweder zum öffentlichen Recht[4] oder zum Privatrecht wird sich in der Fallbearbeitung oftmals bereits aus dem eindeutig öffentlich-rechtlichen Charakter des Gesetzes (z.B. jeweiliges Landes-OBG/SOG bzw. PAG/PolG) ergeben, auf dem die betreffende Verwaltungsmaßnahme beruht. Auf die drei nachstehenden Abgrenzungstheorien braucht in derartigen Fallgestaltungen klassisch öffentlich-rechtlicher Eingriffsverwaltung nicht weiter eingegangen zu werden. Vielmehr werden diese Theorien nur dann einmal relevant, wenn wirkliche Zweifel am öffentlich- oder privatrechtlichen Charakter der einschlägigen Norm – sofern vorhanden – bestehen (z.B. § 70 GewO).
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• | Nach der von Ulpian (römischer Jurist, 170-228 n. Chr.) entwickelten Interessentheorie gehören die dem öffentlichen Interesse dienenden Rechtssätze dem öffentlichen Recht und die dem Individualinteresse dienenden Rechtssätze dem Privatrecht an.[5] Diese Theorie wird heute allerdings kaum mehr vertreten, bezwecken doch eine Vielzahl von öffentlich-rechtlichen Vorschriften nicht nur den Schutz des Allgemein-, sondern zugleich auch des Einzelinteresses (z.B. nachbarschützende Vorschriften des Baurechts) bzw. dienen umgekehrt zahlreiche dem Privatrecht zuzuordnende gesetzliche Regelungen auch dem öffentlichen Interesse (z.B. Unterhaltspflicht gem. § 1601 BGB); |
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• | die Subordinations- bzw. Subjektionstheorie besagt, dass Rechtssätze, die das Verhalten von Hoheitsträgern regeln, dann öffentlich-rechtlich sind, wenn sie ein Über- bzw. Unterordnungsverhältnis betreffen. Auch diese Theorie sieht sich allerdings Einwänden ausgesetzt: So kennt zum einen das öffentliche Recht durchaus nicht nur Über-/Unterordnungs-, sondern auch Gleichordnungsverhältnisse (z.B. öffentlich-rechtlicher Vertrag; Rn. 94 ff.), und sind zum anderen auch im Privatrecht Subordinationsverhältnisse anzutreffen (z.B. Arbeitsrecht, vgl. § 106 GewO). Ferner hilft diese Theorie namentlich im Organisationsrecht und im Bereich der Leistungsverwaltung nicht weiter; |
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• | nach der von H.J. Wolff[6] geprägten Subjektstheorie wird als entscheidend angesehen, ob der betreffende Rechtssatz für jedermann gilt (z.B. § 433 BGB; dann: Privatrecht) oder vielmehr ausschließlich ein Sonderrecht des Staates (oder sonstiger Träger öffentlicher Aufgaben, wie z.B. Gemeinden) begründet (dann: öffentliches Recht). Da Letzterer allerdings auch Adressat von privatrechtlichen Normen sein kann (z.B. §§ 31, 89, 276 ff., 823, 831 BGB), wurde dieser z.T. auch als Zuordnungs-/Sonderrechtstheorie bezeichnete Ansatz nachfolgend dahingehend ergänzt[7] (daher „modifizierte Subjektstheorie“), dass eine Rechtsnorm nur dann öffentlich-rechtlich ist, wenn sie einen Hoheitsträger als solchen, d.h. gerade in seiner Eigenschaft als Subjekt hoheitlicher Gewalt, berechtigt bzw. verpflichtet (z.B. §§ 24 ff. BauGB; str. bzgl. Fiskusprivilegien wie § 928 Abs. 2 BGB). An dieser Sichtweise wird insbesondere kritisiert, dass sie im Wege eines Zirkelschlusses den Begriff „öffentliches Recht“ der Sache nach durch den des „Hoheitsträgers“ erkläre, die Ausübung hoheitlicher Gewalt aber gerade von der Einordnung als öffentlich-rechtlich abhänge. |
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In der Rechtspraxis[8] werden diese drei Abgrenzungstheorien ungeachtet dogmatischer Einwände nicht exklusiv, sondern vielmehr nebeneinander angewandt, um die Rechtsnatur einer Vorschrift zu ermitteln.
JURIQ–Klausurtipp
Die drei vorgenannten Theorien wurden entwickelt, um eine Norm entweder dem öffentlichen Recht oder aber dem Privatrecht eindeutig zuordnen zu können. Diese Abgrenzungstheorien sind für die in der Fallbearbeitung zu begutachtende Maßnahme (z.B. im Rahmen von § 35 S. 1 VwVfG) bzw. Streitigkeit (z.B. im Rahmen von § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO) daher nur relevant, falls diese auch tatsächlich auf einer Norm beruht. Ist Letztere öffentlich-rechtlicher Natur, so ist es ebenfalls die auf ihr beruhende Maßnahme bzw. Streitigkeit.
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Ist im konkreten Fall dagegen keine Rechtsnorm einschlägig (so z.B. i.d.R. im Bereich der Leistungsverwaltung) oder stehen zwei sich gegenseitig ausschließende Normen des öffentlichen Rechts und des Privatrechts zur Verfügung, ist wie folgt zu verfahren:
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Handelt es sich bei der Organisationsform der tätig gewordenen Person um eine solche des Privatrechts (z.B. Stadtwerke GmbH), so steht die Rechtsnatur ihrer Handlung als privatrechtlich damit i.d.R. ebenfalls ohne weiteres fest. Denn mit Ausnahme von Beliehenen (Rn. 51) können natürliche und juristische Personen des Privatrechts nur privatrechtlich, nicht aber öffentlich-rechtlich handeln, vgl. etwa § 44 Abs. 3 S. 1 BHO: „Juristischen Personen des privaten Rechts kann […] die Befugnis verliehen werden, Verwaltungsaufgaben […] im eigenen Namen und in den Handlungsformen des öffentlichen Rechts wahrzunehmen“.
Beispiel[9]
Die kreisfreie Stadt S ist an der Städtischen Verkehrsgesellschaft mbH (SV GmbH) beteiligt. In deren Beförderungsbedingungen ist u.a. geregelt, dass ein Fahrgast ein erhöhtes Beförderungsentgelt in Höhe von 60 € zahlen muss, wenn er keinen gültigen Fahrausweis hat. Als Fahrgast F einen solchen bei einer routinemäßigen Kontrolle in einem von der SV GmbH betriebenen Busse nicht vorzeigen kann, erlässt diese kurze Zeit später einen mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehenen „Bescheid“, in dem F unter Anordnung der sofortigen Vollziehung zur Zahlung des erhöhten Beförderungsentgelts aufgefordert wird. Durfte die SV GmbH in dieser Weise handeln?
Nein. Bei dem „Bescheid“ handelt es sich (nur) der äußeren Form nach um einen Verwaltungsakt, d.h. eine öffentlich-rechtliche Maßnahme. Eine solche kann nach § 35 S. 1 VwVfG allerdings nur von einer Behörde erlassen werden. Behörde ist nach § 1 Abs. 4 VwVfG jede Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt. Als Privatrechtssubjekt ist die SV GmbH allerdings weder selbst Behörde noch sind im Sachverhalt Angaben dazu enthalten, dass die SV GmbH von S als Verwaltungshelfer beauftragt oder kraft Gesetzes als Beliehene mit eigenen Verwaltungszuständigkeiten betraut worden wäre. Als Nicht- bzw. Schein-Verwaltungsakt entbehrt der von der SV GmbH erlassene „Bescheid“ daher jeglicher formeller und materieller Wirkung (nullum). Vielmehr muss sie ihre Rechte gegenüber F privatrechtlich geltend machen.
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Vorbehaltlich entgegenstehender gesetzlicher Regelungen (z.B. § 50 Abs. 1 S. 1 BAföG: „Bescheid“) haben öffentlich-rechtlich organisierte Verwaltungsträger demgegenüber nach h.M. ein Wahlrecht, entweder als Hoheitsträger öffentlich-rechtlich oder als juristische Person privatrechtlich tätig zu werden.[10] Dabei erstreckt sich diese Wahlfreiheit im Grundsatz sowohl auf die Organisationsform der die Aufgabe erfüllenden Einrichtung (Rn. 53, z.B. rechtlich unselbständiger Regie- oder Eigenbetrieb [§ 114 GO NRW], rechtlich selbständige privatrechtliche Eigengesellschaft [vgl. § 108 GO NRW] oder Anstalt des öffentlichen Rechts [§ 114a GO NRW]) als auch auf die Ausgestaltung des Leistungs- bzw. Benutzungsverhältnisses (Rn. 22).
Doch ist der Rechtscharakter der jeweiligen Maßnahme auch insoweit nicht weiter zu problematisieren, als sich der Verwaltungsträger einer eindeutigen Handlungsform entweder des öffentlichen Rechts (z.B. „Verwaltungsakt“[11]) oder des Privatrechts (z.B. „Rechnung“; siehe Rn. 45 und Rn. 69) bedient hat.
Beispiel[12]
Hoheitsträger H hat auf privatrechtlicher Grundlage Räumlichkeiten zum Betrieb einer Gaststätte an Pächter P verpachtet.
Beabsichtigt H das Pachtverhältnis mit P zu beenden, so bedarf es hierzu einer privatrechtlichen Kündigung. Erlässt H gleichwohl eine für sofort vollziehbar erklärte und mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehene „Verfügung“, in der P unter Androhung eines Zwangsgelds zur Räumung der Gaststätte verpflichtet wird, so hat H tatsächlich (rechtswidrig) in öffentlich-rechtlicher – statt (rechtmäßig) in privatrechtlicher – Form gehandelt.
Hinweis
Ob die von der Verwaltung gewählte Handlungsform rechtmäßig ist, d.h. ob die Verwaltung nach dem Gesetz auch so handeln durfte bzw. musste, wie sie tatsächlich gehandelt hat, ist im vorliegenden Zusammenhang ohne Bedeutung. Denn die Frage nach der Rechtsnatur einer Verwaltungsmaßnahme ist von derjenigen nach ihrer Rechtmäßigkeit streng zu trennen.[13]
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Sofern sich die Verwaltung im konkreten Fall auch nicht einer eindeutigen Handlungsform bedient haben sollte, ist das Rechtsregime anhand von Indizien wie dem Sachzusammenhang des Verwaltungshandelns und dessen Ziel und Zweck zu ermitteln:
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So erfolgt fiskalisches Handeln (Rn. 20) wie die Bedarfsdeckung des Staates (z.B. Einkauf von Büromaterialien), die Verwaltung staatlichen Vermögens (z.B. Verkauf ausrangierter Dienstfahrzeuge) sowie die staatliche Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr (z.B. unternehmerisches Auftreten des Staates als Anbieter am Güter- und Dienstleistungsmarkt) jeweils in privatrechtlicher Form.
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Namentlich im Rahmen der Leistungsverwaltung (z.B. Subventionsvergabe[14], Benutzung öffentlicher Anstalten und Einrichtungen[15]) ist nach der von H.P. Ipsen[16] entwickelten Zwei-Stufen-Theorie zwischen der stets als öffentlich-rechtlich zu qualifizierenden Bewilligung bzw. Zulassung auf der ersten Stufe (dem „Ob“) und der entweder öffentlich-rechtlich (Indiz: Benutzungsordnung als „Satzung“ ergangen, Erhebung einer Benutzungsgebühr) oder[17] privatrechtlich (Indiz: Benutzungsordnung als „Allgemeine Geschäftsbedingungen“ ergangen, Forderung eines Benutzungsentgelts) ausgestalteten Abwicklung auf der zweiten Stufe (dem „Wie“) zu unterscheiden.[18]
Beispiel[19]
Auf Antrag des Ortsvereins der P-Partei hin überlässt der Oberbürgermeister der Stadt S der P-Partei mit Bescheid vom 14.12. die im Eigentum von S stehende Stadthalle für eine Wahlkampfveranstaltung. Im Gegenzug hierfür verpflichtet sich P im daraufhin mit S gem. §§ 535 ff. BGB geschlossenen Mietvertrag zur Zahlung einer Miete i.H.v. 5000 €.
Falls P gleichwohl der Zutritt zur Stadthalle verwehrt wird, ist für die diesbezügliche öffentlich-rechtliche Streitigkeit (auf der ersten Stufe hinsichtlich des „Ob“) der Verwaltungsrechtsweg gem. § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO eröffnet. Falls P die 5000 € Miete nicht zahlt, muss sich S bzgl. dieser privatrechtlichen Streitigkeit (auf der zweiten Stufe bzgl. des „Wie“) gem. § 13 GVG an das zuständige Zivilgericht wenden.
Hinweis
Voraussetzung für die Anwendbarkeit der Zwei-Stufen-Theorie ist die strukturelle Zweistufigkeit des betreffenden Vorgangs. Hieran fehlt es etwa bei der (privatrechtlichen) Vergabe öffentlicher Aufträge, so dass unterhalb der Schwellenwerte des § 2 VgV der Zivilrechtsweg eröffnet ist.[20]
Wird die öffentliche Einrichtung[21] (z.B. i.S.v. § 10 Abs. 2 S. 2 GemO BW, Art. 21 Abs. 1 S. 1 bay. GO, § 8 Abs. 2 GO NRW) von einer juristischen Person des Privatrechts betrieben (z.B. Stadthallen-GmbH), deren Anteile sich mehrheitlich in der Hand beispielsweise einer Gemeinde befinden, kann das Benutzungsverhältnis (zweite Stufe) nur privatrechtlich ausgestaltet sein (vgl. Rn. 29). Wird die Zulassung (erste Stufe) versagt, hat der Bürger einen dahingehenden Anspruch gegenüber der Gemeinde als Gesellschafterin, dass diese auf die privatrechtlich organisierte Gesellschaft so einwirkt, dass Letztere dem Bürger den Zugang zu der Einrichtung verschafft.[22] Entsprechendes gilt (z.B. über vertraglich begründete Mitwirkungs- oder Weisungsrechte), wenn die Gemeinde die Betriebsführung einem Privaten etwa im Rahmen eines privatrechtlichen Miet-, Pacht- oder Leiheverhältnisses überlässt.[23]
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Realakte wie die Dienstfahrten eines Beamten sind nach der Rechtsprechung[24] dann als öffentlich-rechtlich zu beurteilen, wenn sie zur Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben erfolgen (z.B. Bürgermeister fährt zu einer dienstlichen Besprechung). Erfolgt die Fahrt dagegen aus fiskalischen Gründen (z.B. Bürgermeister fährt zu einem Gewerbetreibenden, um mit diesem über den Verkauf seines Grundstücks an die Gemeinde zu verhandeln), so ist sie als privatrechtlich zu beurteilen. Entsprechendes gilt ebenfalls hinsichtlich des Anspruchs des Bürgers auf Widerruf bzw. Unterlassung ehrverletzender Äußerungen eines Beamten bzw. von Informationen, Warnungen etc. einer Behörde sowie hinsichtlich Ansprüchen des Staates gegenüber dem Bürger auf Rückzahlung von zu Unrecht gewährten Geldleistungen; wiederum ist jeweils der Zusammenhang des Tätigwerdens bzw. die Rechtsnatur des zugrundeliegenden Leistungsverhältnisses ausschlaggebend. Bei Streitigkeiten betreffend die wirtschaftliche Tätigkeit von Gemeinden ist zwischen dem – öffentlich-rechtlichen – „Ob“ (vgl. z.B. §§ 102 ff. GemO BW, Art. 86 ff. bay. GO, §§ 107 ff. GO NRW) und dem – privatrechtlichen – „Wie“ (siehe die Vorschriften des GWB und des UWG) des Wettbewerbs zu differenzieren.
Beispiel[25]
Auf der dem Haus des H gegenüberliegenden Straßenseite befindet sich ein Schuppen, den die Stadt S als Standort einer Baukolonne nutzt. Die Aufgabe der dort tätigen Bediensteten besteht v.a. darin, die örtlichen Straßen und Wege in verkehrssicherem Zustand zu erhalten. Zu diesem Zweck werden im Schuppen u.a. Geräte umgerüstet sowie gereinigt, repariert und gewartet. Durch den hierdurch verursachten Lärm fühlt sich H gestört, weshalb er Klage gegen S auf Einstellung und künftige Unterlassung der Nutzung des Schuppens als Standort der Baukolonne vor dem Verwaltungsgericht erhebt. S meint, der Verwaltungsrechtsweg sei nicht eröffnet. Ist diese Auffassung zutreffend?
Nein. Mangels Sonderzuweisung ist für die Klage des H der Verwaltungsrechtsweg gem. § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO eröffnet, weil es sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art handelt. Der von H geltend gemachte Abwehranspruch ist öffentlich-rechtlicher Natur. Der (nachbarrechtliche) Abwehranspruch gegen die öffentliche Hand teilt die Rechtsnatur des „Eingriffs“, also die des Verwaltungshandelns, das die abzuwehrenden Immissionen verursacht. Er ist bürgerlich-rechtlich und gem. § 13 GVG vor dem Zivilgericht zu verfechten, wenn die öffentliche Hand als Fiskus „stört“. Hingegen unterfällt er als öffentlich-rechtlicher Abwehranspruch der verwaltungsgerichtlichen Zuständigkeit, wenn die störenden Beeinträchtigungen von (öffentlich-rechtlich organisierten) Anlagen oder Veranstaltungen des Staates in Ausübung (schlicht-)hoheitlicher Verwaltungstätigkeit ausgehen und zu diesen öffentlich-rechtlich bestimmten Maßnahmen in einem hinreichend engen inneren und äußeren Zusammenhang stehen. Letzteres ist hier der Fall. Die von H bekämpften Beeinträchtigungen werden durch die im Schuppen ausgeführten Tätigkeiten der Baukolonne verursacht. Da diese ihrer äußeren Erscheinungsform nach in dem Sinne „neutral“ sind, dass sie in gleicher Weise von Privaten durchgeführt werden können, lässt sich ihre Rechtsnatur nur aus dem Funktionszusammenhang, in dem sie stehen, bestimmen. Danach sind die hier streitigen Immissionen hoheitlich, weil die eigentliche Zielsetzung des sie verursachenden Verwaltungshandelns dem Gebiet hoheitlicher Betätigung der Staatsgewalt angehört. Die Haupttätigkeit der Baukolonne zielt nämlich auf die Wahrnehmung der S nach den Vorschriften des Gesetzes über die Reinigung öffentlicher Straßen, des (Landes-)Straßen- und Wegegesetzes sowie in ihrer Eigenschaft als Eigentümerin der städtischen Straßengrundstücke obliegenden Aufgaben, bei deren Erfüllung sie hoheitlich handelt. Die eigentlich störenden Verrichtungen stehen dazu in unmittelbarem, innerem und äußerem Zusammenhang, weil sie bloßen Hilfscharakter aufweisen. Sie dienen der Vorbereitung bzw. sind die Folge der eigentlichen Tätigkeiten der Baukolonne.
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Die Rechtsnatur des Hausverbots wird in Rechtsprechung[26] und Schrifttum[27] nach unterschiedlichen Kriterien ermittelt. Während Erstere auf den Zweck des Besuchs abstellt (Einreichung eines Bauantrags: öffentlich-rechtlich; Fotograf im Standesamt: privatrechtlich), rekurriert Letzteres auf den öffentlich-rechtlichen Zweck des Hausverbots, nämlich die Erfüllung der öffentlichen Aufgaben im Verwaltungsgebäude sicherzustellen.
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Führen auch die vorgenannten Indizien zu keinem Ergebnis, ist im Zweifel von einer Vermutung zugunsten des öffentlich-rechtlichen Charakters des Verwaltungshandelns auszugehen. Denn mit dem öffentlichen Recht steht der Verwaltung ein Sonderrecht zur Erfüllung ihrer Aufgaben zur Verfügung, von dessen Gebrauchmachen so lange auszugehen ist, als der Wille, in privatrechtlicher Handlungsform tätig zu werden, nicht deutlich in Erscheinung tritt.
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Dass die Zuordnung einer Maßnahme zum öffentlichen Recht bzw. zum Privatrecht nicht stets exklusiv erfolgt, sondern u.U. ein und dieselbe Maßnahme durchaus sowohl öffentlich-rechtlich als auch privatrechtlich einzustufen sein kann (Doppelqualifikation), wird insbesondere von der Rechtsprechung[28] vertreten. So wird etwa das Ausstrahlen einer Sendung durch eine öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt wegen der damit verbundenen Erfüllung des Programmauftrags gegenüber den Beitragszahlern als öffentlich-rechtlich, hinsichtlich der in einer solchen Sendung etwaig in ihrer Ehre gekränkten Personen dagegen als privatrechtlich qualifiziert. Diese Auffassung wird vom Schrifttum[29] nicht geteilt, könne doch ein und dasselbe Rechtsverhältnis nicht sowohl dem öffentlichen als auch dem privaten Recht angehören (Rn. 98). Eine privatrechtliche Norm könne öffentlich-rechtliches Verhalten weder ver- noch gebieten, da dies dem Sonderrechtscharakter des öffentlichen Rechts widerspreche.