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a) Maßnahme
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Voraussetzung für das Vorliegen eines Verwaltungsakts ist gem. § 35 S. 1 VwVfG zunächst, dass eine „Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme“ vorhanden ist.
Unter dem in § 35 S. 1 VwVfG als Obergriff für „Verfügungen“ und „Entscheidungen“ verwendeten Merkmal der „(hoheitlichen) Maßnahme“ ist jedes Verhalten mit Erklärungswert zu verstehen.[15]
Hinweis
Dem in Teilen der Literatur[16] geäußerten Vorbringen, dem Merkmal „Maßnahme“ komme gegenüber dem der „Regelung“ keine eigenständige Bedeutung zu, ist nicht zu folgen. Richtigerweise bezieht sich der Begriff „Maßnahme“ auf die Tätigkeit der Behörde (den Erlass des Verwaltungsakts), wohingegen die „Regelung“ sich auf das Ergebnis dieser Tätigkeit (den erlassenen Verwaltungsakt) bezieht.[17]
Wie aus der vorstehenden Definition folgt, handelt es sich beim Verwaltungsakt grundsätzlich um eine menschliche Willenserklärung[18], welche als solche ausdrücklich oder konkludent (z.B. Subventionsrückforderung enthält zugleich Aufhebung des Bewilligungsbescheids, siehe Übungsfall Nr. 4) erfolgen kann (vgl. § 37 Abs. 2 S. 1 VwVfG: „in anderer Weise“), i.d.R. nicht dagegen durch bloßes Schweigen (siehe aber § 42a VwVfG).[19] Ausnahmsweise kann nach dem mit Wirkung vom 1.1.2017 neu eingefügten § 35a VwVfG ein Verwaltungsakt allerdings auch vollständig durch automatische Einrichtungen, d.h. ohne Willensbetätigung eines Menschen im jeweiligen Einzelfall,[20] erlassen werden, sofern dies durch eine gesonderte Rechtsvorschrift zugelassen ist und weder ein Ermessen (Rn. 226 ff.) noch ein Beurteilungsspielraum (Rn. 216 ff.) besteht.
Beispiel[21]
E ist Eigentümer eines Wohnhauses im unbeplanten Außenbereich. Nachdem E in den Genuss einer größeren Erbschaft gekommen ist, sieht er sich nunmehr endlich in der Lage, seinen langjährigen Wunsch nach einem eigenen Schwimmbad im Garten seines Grundstücks zu realisieren. Um keine Zeit zu verlieren, wartet E die Entscheidung der zuständigen Bauaufsichtsbehörde B über die von ihm beantragte Baugenehmigung nicht ab, sondern beginnt sogleich mit den Arbeiten. Kurz vor deren Abschluss erscheint M, eine Mitarbeiterin von B, auf der Baustelle, ohne jedoch Einwendungen gegen die Errichtung des Schwimmbads zu erheben. Ebenfalls ohne Beanstandungen verläuft deren weiterer Besuch bei E einen Monat später, als dieser im soeben fertiggestellten Schwimmbad seine Bahnen zieht. Vielmehr erklärte M auf Nachfrage des E im Gegenteil, dass das Schwimmbad sicher bald genehmigt werde. Umso verwunderter ist E sodann, als ihm kurze Zeit später eine Verfügung von B zugeht, in der ihm unter Hinweis auf die fehlende Baugenehmigung sowie die bauplanungsrechtliche Unzulässigkeit des Schwimmbads dessen Entfernung aufgegeben wird. E meint, diese Verfügung sei ermessensfehlerhaft und damit rechtswidrig, da der Schwimmbadbau schließlich aufsichtsbehördlich begleitet wurde. Zu Recht?
Nein. Insbesondere können die vorgenannten Umstände nicht als aktive Duldung verstanden werden, welche die von B gegenüber E erlassene Verfügung, das Schwimmbad zu entfernen, ermessensfehlerhaft machen würde. Eine rechtsbeachtliche aktive Duldung, die nicht bereits aus langjähriger Untätigkeit der Behörde und auch nicht aus einer beanstandungsfrei verlaufenen Schlussabnahme oder aus späteren, anderen Zwecken dienenden bau-, gewerbe- oder gaststättenrechtlichen Überprüfungen hergeleitet werden kann, ist erst dann anzunehmen, wenn die zuständige Baubehörde in Kenntnis der formellen und ggf. materiellen Illegalität eines Vorhabens zu erkennen gibt, dass sie sich auf Dauer mit dessen Existenz abzufinden gedenkt. Angesichts des Ausnahmecharakters und der weit reichenden Folgen einer aktiven Duldung – die Behörde ist auf Dauer an der Beseitigung rechtswidriger Zustände gehindert – muss den entsprechenden Erklärungen der Behörde mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen sein, ob, in welchem Umfang und ggf. über welchen Zeitraum die Duldung der illegalen Zustände erfolgen soll. Im Übrigen spricht vieles dafür, dass eine länger andauernde Duldung oder Duldungszusage, soll sie Vertrauensschutz vermitteln, schriftlich erfolgen muss. Ausgehend hiervon ist die Erklärung von M nicht als aktive Duldung zu verstehen, weil ihr nicht mit der gebotenen Eindeutigkeit zu entnehmen ist, dass B die illegalen Zustände vorübergehend oder dauerhaft hinnehmen würde. Wenn das Schwimmbad „sicher genehmigt werden“ sollte, wäre es vielmehr Sache des E, die fehlende Genehmigung ggf. zu erstreiten.
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Abweichend vom Vorstehenden kommt behördlicher Untätigkeit in Form von Schweigen[22] allerdings dann Erklärungswert zu, wenn das Gesetz hieran ausnahmsweise eine Rechtsfolge knüpft. Neben derartigen bisher schon in einzelnen Fachgesetzen v.a. zwecks Verfahrensbeschleunigung getroffenen Regelungen (z.B. § 6a Abs. 1 GewO, § 10 Abs. 1 S. 3 HwO[23]) ordnet nunmehr auch der zur Umsetzung von Art. 13 Abs. 4 (Dienstleistungs-)Richtlinie 2006/123/EG am 18.12.2008 in Kraft getretene § 42a VwVfG eine solche Rechtsfolge an. Gemäß dessen Abs. 1 S. 1 gilt eine beantragte Genehmigung nach Ablauf einer für die Entscheidung festgelegten Frist als erteilt (Genehmigungsfiktion), wenn dies durch eine andere Rechtsvorschrift – wie z.B. durch den in § 54 Abs. 6 S. 2 KrWG enthaltenen Verweis – ausdrücklich so angeordnet ist.[24]
Genehmigung ist eine vor der Aufnahme oder Ausübung der betreffenden Tätigkeit einzuholende Erlaubnis.[25]
Vorbehaltlich einer abweichenden Regelung in dem auf § 42a VwVfG verweisenden Fachgesetz setzt dieser einen hinreichend bestimmten[26] Antrag („Ereignis“ i.S.v. § 31 Abs. 1 VwVfG i.V.m. § 187 Abs. 1 BGB[27]) sowie das Fehlen einer diesem entweder stattgebenden oder ablehnenden Entscheidung innerhalb der dafür festgelegten Frist voraus. Diese beträgt gem. § 42a Abs. 2 VwVfG grundsätzlich 3 Monate (mit der Möglichkeit einer einmaligen, zu begründenden und rechtzeitig mitzuteilenden angemessenen Verlängerung „wegen der Schwierigkeit der Angelegenheit“ – und nicht etwa Personalmangels) und beginnt mit Eingang der vollständigen Unterlagen bei der zuständigen Behörde. Die dieser tatsächlich zur Verfügung stehende Bearbeitungszeit wird allerdings durch die Zugangsfiktion nach § 41 Abs. 2 S. 1 bzw. 2 VwVfG verkürzt, da eine ablehnende Entscheidung entsprechend früher abgesandt werden muss.[28]
Mit Ablauf der Frist tritt dann die Genehmigungsfiktion des § 42a Abs. 1 S. 1 VwVfG ein. Aus der systematischen Stellung von § 42a VwVfG nach § 41 VwVfG folgt, dass der Fristablauf die wirksame Bekanntgabe des fingierten (synonym: fiktiven) Verwaltungsakts gegenüber dem Antragsteller ersetzt; „die fingierte Genehmigung [ist] die Genehmigung“[29]. Im Übrigen entfaltet die Genehmigungsfiktion die gleiche Wirkung wie ein entsprechender ordnungsgemäß zustande gekommener und bekannt gegebener Verwaltungsakt (Rn. 39, 289 ff.).[30]
Hinweis
Wegen dieser verfahrensersetzenden Wirkung der Genehmigungsfiktion dürften die §§ 45, 46 VwVfG im Rahmen von § 42a VwVfG keine Bedeutung haben. „Eine verfahrensfehlerhafte fingierte Genehmigung kann es […] nicht geben“.[31]
Folglich sind nach § 42a Abs. 1 S. 2 VwVfG u.a. die Vorschriften über das Rechtsbehelfsverfahren ebenfalls auf die fingierte Genehmigung anzuwenden, d.h. diese kann mittels Widerspruch (§ 68 Abs. 1 S. 1 VwGO) bzw. Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO) angefochten werden. Mangels Rechtsbehelfsbelehrung gilt hierfür jedoch regelmäßig nicht die Monatsfrist des § 70 Abs. 1 S. 1 bzw. § 74 Abs. 1 VwGO, sondern vielmehr die Jahresfrist des § 58 Abs. 2 S. 1 VwGO.[32] Doch selbst an Letztere sind Personen, die an dem die Fiktion auslösenden Verwaltungsverfahren nicht beteiligt waren, nur dann gebunden, sofern ihnen gegenüber eine gesonderte Mitteilung über den Eintritt der Genehmigungsfiktion erfolgt ist. Andernfalls unterliegt der Drittwiderspruch bzw. die Drittanfechtungsklage allein den zeitlichen Grenzen der Verwirkung.[33]
Nicht von der Fiktionswirkung des § 42a Abs. 1 S. 1 VwVfG erfasst wird dagegen die materielle Rechtmäßigkeit der fingierten Genehmigung, so dass gem. § 42a Abs. 1 S. 2 VwVfG die Regelungen über die Bestandskraft von Verwaltungsakten, d.h. insbesondere diejenigen betreffend deren Erledigung (§ 43 Abs. 2 VwVfG), Nichtigkeit (§ 44 VwVfG), Rücknahme (§ 48 VwVfG) und Widerruf (§ 49 VwVfG), gelten (Rn. 295 ff.). Das Fehlen einer Entscheidung allein rechtfertigt die Rücknahme bzw. den Widerruf der fingierten Genehmigung regelmäßig nicht, da § 42a Abs. 1 S. 1 VwVfG ansonsten weitgehend leer liefe. Vielmehr kann es der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gebieten, die fingierte Genehmigung nachträglich mit einschränkenden Nebenbestimmungen (§ 36 VwVfG) zu versehen, statt sie aufzuheben. Dies kann allerdings auch nur so weit geschehen, wie dies bei einem entsprechenden Verwaltungsakt nach materiellem Recht nachträglich zulässig wäre (Rn. 77 ff.).[34]
Wenngleich die Genehmigungsfiktion mithin einem ordnungsgemäß zustande gekommenen und bekannt gegebenen Verwaltungsakt entspricht, so hat der Begünstigte gleichwohl kein Dokument in den Händen, mit dem er die fingierte Genehmigung belegen kann. Daher gewährt § 42a Abs. 3 VwVfG – insofern vergleichbar mit § 37 Abs. 2 S. 2 VwVfG – dem Begünstigten sowie allen anderen Personen, denen der entsprechende Verwaltungsakt nach § 41 Abs. 1 VwVfG bekannt zu geben wäre, einen Anspruch gegen die Behörde auf Ausstellung einer schriftlichen („Fiktions-“[35])Bescheinigung darüber, dass die Genehmigungsfiktion eingetreten ist.[36] Der Empfang dieser Bescheinigung markiert zugleich den spätesten Zeitpunkt der Kenntnisnahme der Genehmigungsfiktion, was wiederum für die Frage der Zulässigkeit der Anfechtung von Bedeutung ist (s.o.).[37]