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c) Hoheitlich
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Die auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts ergehende Maßnahme muss nach § 35 S. 1 VwVfG ferner „hoheitlicher“ Natur sein.
Eine Maßnahme ist dann als hoheitlich zu qualifizieren, wenn die Behörde einseitig Gebrauch macht von den ihr zustehenden öffentlich-rechtlichen Befugnissen.[41]
Während öffentlich-rechtliche Befugnisse auch Handlungen der Verwaltung umfassen, die diese im Einvernehmen (konsensual) mit dem Bürger, d.h. zweiseitig, vornimmt (z.B. öffentlich-rechtlicher Vertrag gem. §§ 54 ff. VwVfG; Rn. 94 ff.), zeichnet sich der Verwaltungsakt hingegen gerade dadurch aus, dass er unabhängig vom bzw. sogar gegen den Willen des Betroffenen erlassen werden „kann“ – nicht freilich auch „muss“, wie die Existenz von der Mitwirkung durch den Bürger bedürftigen antragsgebundenen (z.B. Baugenehmigung) und v.a. zustimmungsbedürftigen Verwaltungsakten belegt.[42] Während bei Letzteren der Betroffene mit der Erteilung/Verweigerung seiner Zustimmung den Erlass/Nicht-Erlass des inhaltlich nicht zur Disposition stehenden Verwaltungsakts beeinflussen kann (z.B. Beamtenernennung, Einbürgerung, Immatrikulation), hat der Bürger beim öffentlich-rechtlichen Vertrag hingegen zusätzlich zum „Ob“ auch auf das „Wie“, d.h. den Inhalt der Regelung, Einfluss.
Hinweis
Der z.T. vertretenen Ansicht[43], welche die Begriffe „hoheitlich“ und „öffentlich-rechtlich“ miteinander gleichsetzt (Pleonasmus bzw. Tautologie), kann demnach nicht gefolgt werden.[44]
Beispiel[45]
Unternehmer U waren von der Behörde B für einen Zeitraum von zwei Jahren Beihilfen gewährt worden. Bei einer späteren Betriebsprüfung kam B zu dem Ergebnis, dass U einerseits für das erste Jahr Beihilfen i.H.v. 30 000 € zu viel erhalten hatte, ihm andererseits für das zweite Jahr weitere Beihilfen i.H.v. 80 000 € zustanden. Aufgrund dieses Prüfungsergebnisses forderte B von U per Bescheid einen Betrag i.H.v. 30 000 € zurück und bewilligte U in einem weiteren Bescheid einen Betrag i.H.v. 80 000 € nach. Zwecks Verfahrensvereinfachung setzte B diesen Betrag im Wege einer von ihr erklärten „Verrechnung“ von dem Rückforderungsbetrag i.H.v. 30 000 € ab und zahlte an U nur den Differenzbetrag i.H.v. 50 000 € aus. U ist der Auffassung, dass die von B erklärte Aufrechnung mit der von ihr behaupteten Gegenforderung unzulässig sei und erhebt daher Anfechtungsklage vor dem Verwaltungsgericht. Ist diese Klageart vorliegend statthaft?
Nein. Nach § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO ist die Anfechtungsklage nur dann statthaft, wenn der Kläger die Aufhebung eines Verwaltungsakts begehrt. Das ist in Bezug auf die von B erklärte Aufrechnung allerdings gerade nicht der Fall. Die Aufrechnungserklärung ist – ähnlich wie die Erfüllung einer Geldschuld durch Zahlung eines Geldbetrags – für sich allein noch kein Verwaltungsakt i.S.v. § 42 Abs. 1 VwGO sowie § 35 S. 1 VwVfG. Vielmehr handelt es sich bei der Aufrechnung um die Ausübung eines schuldrechtlichen Gestaltungsrechts und erfolgt in der Regel gem. §§ 387, 388 BGB durch eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung eines Schuldners, der zugleich der Gläubiger seines Gläubigers ist. Die Aufrechnungserklärung ist also eine Handlung, die der Erfüllung der eigenen Verbindlichkeit dient und dabei gleichzeitig die Befriedigung der eigenen Forderung bewirkt. Die Erklärung wird ohne Rücksicht darauf, ob die Aufrechnung seitens des Bürgers oder seitens der Behörde erfolgt und ob mit einer privatrechtlichen gegen eine öffentlich-rechtliche (§ 395 BGB), mit einer öffentlich-rechtlichen gegen eine privatrechtliche oder mit einer öffentlich-rechtlichen gegen eine öffentlich-rechtliche Forderung aufgerechnet wird, nicht aus einer hoheitlichen Position abgegeben. Sie ergeht damit ähnlich wie eine Willenserklärung, mit der ein öffentlich-rechtlicher Vertrag (Aufrechnungsvertrag) geschlossen wird, auf einer gleichgeordneten rechtlichen Ebene.