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e) Zur Regelung

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Des Weiteren muss die hoheitliche Maßnahme auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts von der Behörde „zur Regelung“ getroffen worden sein, um Verwaltungsaktqualität i.S.v. § 35 S. 1 VwVfG besitzen zu können.


Der Begriff „Regelung“ meint die unmittelbare Herbeiführung (Setzung) einer verbindlichen Rechtsfolge, d.h. die Begründung, Aufhebung, Abänderung oder Feststellung eines Rechts oder einer Pflicht.[78] Im Zusatz „zur“ kommt zum Ausdruck, dass das Ziel der behördlichen Tätigkeit gerade final auf die Setzung einer Rechtsfolge gerichtet sein muss, die Regelung also nicht bloß faktischer Reflex des Verhaltens der Behörde sein darf.[79]

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Der Inhalt der Regelung – der „verfügende Teil“ (§ 41 Abs. 4 S. 1 VwVfG) bzw. der „Tenor“ des Verwaltungsakts – ist im Wege der Auslegung analog §§ 133, 157 BGB zu ermitteln (vgl. Rn. 42 und das Beispiel in Rn. 205): „Öffentlich-rechtliche Willenserklärungen (Verwaltungsakte, Verwaltungserklärungen) sind auslegungsfähig und ggf. auslegungsbedürftig. Es handelt sich in der Regel um empfangsbedürftige Willenserklärungen [vgl. §§ 41 Abs. 1, 43 Abs. 1 VwVfG], die individualisiert sind, wenn von Allgemeinverfügungen abgesehen wird. Hierbei kommt dem Horizont des Erklärungsempfängers eine größere Bedeutung zu als im Fall abstrakt-genereller Regelungen […]. Eine Auslegung erfolgt […] nach dem objektiven Erklärungswert unter Berücksichtigung des Gesamtzusammenhangs der Erklärung. Abzustellen ist auf den erklärten Willen, wie ihn der Adressat von seinem Standpunkt aus bei verständiger Würdigung verstehen konnte“[80] – und nicht „auf den wirklichen Willen des Erklärenden (natürliche Auslegung)“[81]; etwaige Auslegungszweifel gehen zu Lasten der erklärenden Behörde. Insbesondere verbietet es sich „[w]egen des Bestimmtheitsgebots des § 37 Abs. 1 VwVfG […], in einen Verwaltungsakt verbindliche ,Zwischenentscheidungen‘ hineinzulesen, die dort nicht hinreichend klar zum Ausdruck kommen.“[82] Weil die Begründung die Erläuterung der Behörde ist, warum sie den verfügenden Teil ihres Verwaltungsakts so und nicht anders erlassen hat (vgl. Rn. 207 ff.), hat sie einen unmittelbaren Zusammenhang mit dem Regelungsgehalt und bestimmt daher den Inhalt der getroffenen Regelung mit, so dass sie in der Regel ein unverzichtbares Auslegungskriterium ist.[83] Im Einzelnen kann der jeweilige Regelungsinhalt namentlich bestehen in:

einem Ge-/Verbot eines bestimmten Verhaltens (Tun, Dulden, Unterlassen; sog. Verfügung[84] bzw. befehlender Verwaltungsakt), z.B. Abrissverfügung gem. § 82 S. 1 BauO NRW 2018, Versammlungsverbot gem. § 15 VersG, Vorschriftszeichen i.S.v. § 41 StVO;
der Gestaltung (Begründung, Beendigung, Veränderung) eines Rechtsverhältnisses (vgl. § 80 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 VwGO), z.B. Beamtenernennung gem. § 8 BeamtStG bzw. § 10 BBG, Rücknahme/Widerruf eines Verwaltungsakts gem. §§ 48 f. VwVfG;
der Feststellung eines Rechts oder einer rechtlich erheblichen Eigenschaft (vgl. § 80 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 VwGO), z.B. der deutschen Staatsangehörigkeit gem. § 30 StAG.[85]

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Zusätzlich zu den vorgenannten Arten von Verwaltungsakten kann weiter differenziert werden zwischen begünstigenden (siehe § 48 Abs. 1 S. 2 VwVfG; z.B. Subventionsbewilligung) und belastenden (z.B. Gewerbeuntersagung, § 35 Abs. 1 S. 1 GewO) Verwaltungsakten, wobei allerdings auch Mischformen zwischen beiden existieren (z.B. Teilablehnung eines Leistungsantrags; Leistungsbescheid [nur] in bestimmter Höhe; Genehmigungserteilung mit integriertem Gebührenbescheid). Ferner untersagt der Gesetzgeber mitunter ein bestimmtes Verhalten aufgrund dessen Sozialschädlichkeit generell (z.B. Erwerb von Betäubungsmitteln, § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG) und gestattet es der Verwaltung nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen zwecks Vermeidung unbilliger Härten eine Ausnahmebewilligung zu erteilen (z.B. Erlaubnis zum Verkehr mit Betäubungsmitteln zu wissenschaftlichen Zwecken, § 3 Abs. 2 BtMG), sog. repressives Verbot mit Befreiungsvorbehalt. Demgegenüber werden durch die Erteilung einer Kontrollerlaubnis (z.B. Baugenehmigung, § 74 Abs. 1 BauO NRW 2018) die im Interesse einer vorherigen behördlichen Prüfung nur vorübergehend eingeschränkten grundrechtlichen Freiheiten (z.B. Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 14 Abs. 1 GG) wieder hergestellt, sog. präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt.[86] Auch gibt es Fälle, in denen die im Verwaltungsakt ausgesprochene Regelung nicht nur Wirkung gegenüber dem Adressaten, sondern auch gegenüber Dritten entfaltet (Verwaltungsakt mit Drittwirkung[87], vgl. §§ 80 Abs. 1 S. 2, 80a VwGO; z.B. kann die dem Bauherren erteilte und diesen begünstigende Baugenehmigung seinen Nachbarn in dessen Rechten beeinträchtigen).

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Der vornehmlich dogmatische Streit um die Kategorie des dinglichen Verwaltungsakts, der sich (primär) nicht auf das Verhalten bzw. die Rechtsstellung einer Person, sondern auf eine Sache bezieht, hat aufgrund der Regelung in § 35 S. 2 VwVfG (Rn. 69) kaum praktische Bedeutung. Bei Lichte besehen richtet sich auch der dingliche Verwaltungsakt mittelbar letztlich an Personen, indem er deren Beziehung zur betreffenden Sache regelt. Plastisch Maurer/Waldhoff: „[A]uch die Baugenehmigung wird nicht dem Grundstück, sondern dem Bauherrn für sein Grundstück erteilt“[88].

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Auch kann sich der Regelungsinhalt eines Verwaltungsakts in der „bloßen“ Wiedergabe dessen erschöpfen, was sich bereits aus dem Gesetz ergibt. Das Vorhandensein einer Regelung setzt nämlich nicht etwa voraus, dass mit dieser vom Gesetz nicht vorgesehene oder von diesem gar abweichende Rechtsfolgen herbeigeführt werden sollen, wäre sie andernfalls doch zumindest im letztgenannten Fall wenigstens rechtswidrig (Rn. 18 ff., 215). Vielmehr besteht die Rechtswirkung derart feststellender Verwaltungsakte darin, dass sie für den Einzelfall verbindlich konkretisieren, was das Gesetz abstrakt-generell vorgibt (Rn. 39): „Ein feststellender Verwaltungsakt zeichnet sich dadurch aus, dass er sich mit seinem verfügenden Teil darauf beschränkt, das Ergebnis eines behördlichen Subsumtionsvorganges festzuschreiben. Seine Funktion besteht im Wesentlichen nicht in der Gestaltung, sondern der Publizierung der Rechtslage. In Abgrenzung zum befehlenden oder gestaltenden Verwaltungsakt ist der feststellende Verwaltungsakt nicht auf die Änderung der materiellen Rechtslage gerichtet. Seine Besonderheit besteht darin, dass Rechte des Betroffenen mit bindender Wirkung festgestellt oder verneint werden. Die ,Regelung‘ im Sinne des § 35 S. 1 VwVfG ist in diesen Fällen darin zu sehen, dass in einer rechtlich ungewissen Situation die Sach- und Rechtslage in dem Einzelfall durch eine verbindliche Feststellung mit Bindungswirkung als bestehend oder nicht bestehend festgestellt, konkretisiert oder individualisiert wird“[89]. Indizien dafür, dass eine Feststellung mit einer solchen Regelungswirkung versehen ist (z.B. Feststellung, dass eine Person die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt) und nicht nur schlicht getroffen wird (z.B. unverbindlicher Hinweis auf die Rechtslage als rein gesetzeswiederholende Maßnahme), „sind ihre ausdrückliche Erwähnung in einer Norm, eine in einem besonderen Verfahren durchgeführte Prüfung ihrer Voraussetzungen und an sie anknüpfende weitere Wirkungen“[90] sowie ferner der objektive Erklärungsgehalt der behördlichen Äußerung und die Klärungsbedürftigkeit des festgestellten Rechtsverhältnisses.

Beispiel[91]

Nach § 8 Abs. 1 VerpackV a.F. sind Vertreiber von Getränken in Einweg-Verpackungen verpflichtet, von ihrem jeweiligen Abnehmer ein Pfand zu erheben, das bei der Rücknahme der Verpackungen zu erstatten ist. Von ihren Pflichten sind sie freigestellt bei Einweg-Getränkeverpackungen, für die sich der Hersteller oder Vertreiber an einem Sammelsystem i.S.d. § 6 Abs. 3 VerpackV a.F. beteiligt (§ 9 Abs. 1 S. 1 VerpackV a.F.), dessen flächendeckendes Bestehen von der hierfür zuständigen Landesbehörde auf Antrag festgestellt wird (§ 6 Abs. 3 S. 11 VerpackV a.F.). Die Freistellung steht unter dem Vorbehalt, dass der Gesamtanteil der in Mehrwegverpackungen abgefüllten Getränke bestimmter Art (u.a. Mineralwasser) im Kalenderjahr bundesweit die Quote von 72 % nicht wiederholt unterschreitet (§ 9 Abs. 2 S. 1 VerpackV a.F.). Die Mehrweganteile werden, wenn die Regelerhebung erstmals eine Unterschreitung ergeben hat, in einer an deren Bekanntmachung anschließenden Nacherhebungsfrist von 12 Monaten erneut festgestellt. Ergibt auch die Nacherhebung ein Unterschreiten der Mehrwegquote, gilt die Entscheidung nach § 6 Abs. 3 VerpackV a.F. ab dem ersten Tag des auf die Bekanntgabe folgenden sechsten Kalendermonats bundesweit für diejenigen Getränkebereiche als widerrufen, deren Mehrweganteil unter dem im Jahr 1991 festgestellten Anteil liegt (§ 9 Abs. 2 S. 2 VerpackV a.F.). Die Ergebnisse der Regelerhebung über die Mehrweganteile von Getränkeverpackungen für die Jahre 1997 und 1998 unterschritten jeweils die 72 %-Marke und auch die Nacherhebungen ergaben, dass die Mehrwertanteile jeweils unterhalb von 72 % sowie bei Mineralwasser auch unter denen des Referenzjahres 1991 lagen. Nach Bekanntgabe dieser Ergebnisse erhebt Einzelhändler M hiergegen Anfechtungsklage vor dem Verwaltungsgericht. Ist diese Klageart statthaft?

Ja. Die Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO gegen den Rechtsakt der Bekanntgabe ist statthaft, da es sich hierbei um einen (feststellenden) Verwaltungsakt i.S.v. § 35 VwVfG handelt. Insbesondere fehlt es insoweit nicht am Merkmal der Regelung. Der Bekanntgabeakt ist nach der Konzeption der VerpackV dazu bestimmt, das darin angelegte Pflichtenverhältnis zu aktualisieren. Seine Bedeutung erschöpft sich nicht in der Veröffentlichung eines Tatbestandswirkung entfaltenden Sachverhalts. Nach dem der Bekanntgabe gem. § 9 Abs. 2 S. 2 VerpackV a.F. beizumessenden Regelungsgehalt zielt diese auf die rechtsverbindliche Feststellung des Eintritts der in der VerpackV angelegten Rücknahme- und Pfandpflichten. Die Bekanntgabe hat die verpflichtende Wirkung der Vorschrift des § 9 Abs. 2 S. 2 i.V.m. §§ 6 Abs. 3, 9 Abs. 1 S. 1 und § 8 Abs. 1 VerpackV a.F. unmittelbar zur Folge. Die Verordnungsbegründung zu § 9 Abs. 2 S. 2 VerpackV a.F. bestätigt den regelnden Charakter der Bekanntgabe. Danach tritt, „wenn die Mehrwegquote in zwei aufeinander folgenden Jahren unterschritten wird, […] automatisch nach Bekanntgabe der Mehrweganteile für diejenigen Getränkebereiche die Pfandpflicht nach § 8 VerpackV in Kraft, für die der entsprechende Mehrweganteil des Jahres 1991 unterschritten ist“ (BT-Drucks. 13/10943, S. 28). Das entspricht der Funktion der Bekanntgabe, die darin besteht, den Herstellern und Vertreibern von Einweg-Getränkeverpackungen das ihre Pflichten aktualisierende Signal zur Einrichtung der erforderlichen Pfand- und Rücknahmesysteme zu geben. Der Verordnungsgeber knüpft das Wirksamwerden der Pflichten an den Bekanntgabeakt, um den Erfordernissen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit zu genügen. Der Wortlaut des § 9 Abs. 2 S. 2 VerpackV a.F. steht mit diesem Verständnis in Einklang. Die Vorschrift nimmt in ihrem ersten Halbsatz mit dem Wort „danach“ auf die Bekanntgabe des Nacherhebungsergebnisses Bezug. Sie bezieht damit die Bekanntgabe als rechtliche Voraussetzung des im zweiten Halbsatz bestimmten Auflebens der Pfandpflichten in den Regelungszusammenhang ein. Der Annahme einer solchen Regelungswirkung widerspricht es schließlich nicht, dass sich die Rechtsfolgen der Bekanntgabe unmittelbar aus der VerpackV ergeben. Denn Zweck eines feststellenden Verwaltungsakts ist es gerade, den Eintritt normativ geregelter Rechtsfolgen verbindlich festzustellen.

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Keine Regelung – und damit auch kein Verwaltungsakt – liegt hingegen vor bei rein tatsächlichem Verwaltungshandeln (schlicht-hoheitliche Tätigkeit, Realakt) wie etwa der Ausstellung einer Bescheinigung nach § 15 Abs. 1 GewO. Dieser Gewerbeschein verschafft dem Gewerbetreibenden im Hinblick auf den Ordnungswidrigkeitentatbestand des § 146 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b) GewO lediglich Gewissheit darüber, dass seine Anzeige bei der Behörde (§ 14 Abs. 1 S. 1 GewO) eingegangen ist (Beweisfunktion), beinhaltet aber keine Regelung (v.a. keine Gewerbeerlaubnis).[92] Desgleichen kein Verwaltungs-, sondern ebenfalls ein Realakt ist die Erteilung bzw. Aushändigung der Genehmigungsurkunde nach § 15 Abs. 2 PBefG – im Gegensatz zur vorausgehenden Entscheidung über den Genehmigungsantrag nach § 15 Abs. 1 PBefG, bei der es sich um einen Verwaltungsakt handelt.[93] Welche Rechtsnatur die Fiktionsbescheinigung nach § 42a Abs. 3 VwVfG hat, ist umstritten (Rn. 44).

Beispiel[94]

E ist Eigentümer von mit Mietwohngebäuden bebauten Grundstücken in der Gemeinde G. Mit den gegenüber seinen Mietern geltend gemachten Mieterhöhungsverlangen unterlag E in der Vergangenheit mehrfach vor den Zivilgerichten. Als Grund für diese Niederlagen hat E den Mietspiegel von G identifiziert, der seiner Ansicht nach die ortsübliche Vergleichsmiete zu niedrig angebe. Daher beabsichtigt E nunmehr Anfechtungsklage gegen den von G aufgestellten und veröffentlichten Mietspiegel zu erheben. Wäre diese Klageart statthaft?

Nein. Gem. § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO kann mittels der Anfechtungsklage nur die Aufhebung eines Verwaltungsakts begehrt werden. Die in § 35 VwVfG genannten Merkmale sind in Bezug auf die Aufstellung und Veröffentlichung des örtlichen Mietspiegels durch die Gemeinde jedoch gerade nicht erfüllt. Zwar handelt es sich hierbei um eine der öffentlichen Verwaltung zugewiesene Aufgabe. Ihre Wahrnehmung erfolgt jedoch lediglich in Form einer schlicht-verwaltenden Tätigkeit ohne bindende Außenwirkung. Die positiven oder negativen Einflüsse eines kommunalen Mietspiegels auf die Durchsetzbarkeit privater Mieterhöhungsansprüche verleihen ihm selbst noch keinen regelnden Charakter. Von Rechts wegen stellt er vielmehr nur ein formelles Begründungsmittel für Mieterhöhungsverlangen der Vermieter dar. Dies ist seine einzige ihm vom Gesetz beigelegte Funktion. Derartige behördliche Äußerungen ohne Bindungswirkung – namentlich Gutachten, antizipierte Gutachten oder schlichte Auskünfte – treffen gerade keine Regelung i.S.v. 35 S. 1 VwVfG. Die große praktische Bedeutung eines kommunalen Mietspiegels und sein ihm von den Zivilgerichten beigemessener hoher Beweiswert ändern daran nichts.

Da es sich beim Verwaltungsakt allerdings um eine Willenserklärung handelt und diese nicht nur in ausdrücklicher Form, sondern auch durch schlüssiges Verhalten (konkludent) erfolgen kann (Rn. 43), kann eine rein tatsächliche Verwaltungshandlung mitunter allerdings zugleich auch eine schlüssige Anordnung, d.h. eine Regelung, beinhalten und somit bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen des § 35 S. 1 VwVfG als Verwaltungsakt einzustufen sein. Diskutiert wird dies v.a. im Bereich des Polizeirechts. So ist bzgl. einiger der in den Polizeigesetzen der Länder vorgesehenen Standardmaßnahmen umstritten[95], ob diese die Polizei nicht nur zum Erlass eines Verwaltungsakts (z.B. Platzverweis, § 34 Abs. 1 PolG NRW; Rn. 336) bzw. nicht nur zur Vornahme eines Realakts (z.B. Festhalten, § 12 Abs. 2 S. 3 PolG NRW) ermächtigen, sondern ob in dem unzweifelhaft vorliegenden Realakt (z.B. Durchsuchung von Personen oder Sachen, § 39 bzw. § 40 PolG NRW) zugleich auch ein Verwaltungsakt enthalten ist, der den Betroffenen zur Duldung ihrer Vornahme verpflichtet (konkludenter Duldungs-Verwaltungsakt; Klassiker: Realakt „Hieb mit Schlagstock durch Polizisten“ zugleich als konkludente Regelung „Dulde den Hieb!“). Soweit Letzteres v.a. in der Rechtsprechung[96] bejaht wird, hat diese lebensfremd anmutende Konstruktion vornehmlich historische Gründe. Vor dem Inkrafttreten der VwGO im Jahr 1960 wurde Verwaltungsrechtsschutz nämlich ausschließlich bei Vorliegen eines Verwaltungsakts gewährt. Seitdem ist die Qualifizierung einer Maßnahme als Verwaltungsakt jedoch nur noch für das „Wie“ (statthafte Klageart), nicht mehr aber für das „Ob“ der Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs maßgeblich, siehe § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO. Folglich besteht unter der Geltung der VwGO keine Notwendigkeit, zwecks Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG) einen Regelungscharakter in Realakte „hineinzuinterpretieren“.[97] Entsprechendes gilt richtigerweise schließlich auch für die Fälle des sofortigen Vollzugs (Rn. 343 ff.), in denen die Verwaltung eine Maßnahme in Abwesenheit oder in Unkenntnis der betroffenen Person vornimmt. Der von der Gegenansicht insoweit bemühten und vor dem Hintergrund der Bekanntgabevorschriften der §§ 41 Abs. 1, 43 Abs. 1 VwVfG höchst problematischen Figur des adressatenlosen Verwaltungsakts (Rn. 345) bedarf es daher von vornherein nicht.

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Ebenfalls mangels Regelungscharakter nicht um einen Verwaltungsakt handelt es sich bei behördlichen Wissenserklärungen wie Auskünften (vgl. § 25 VwVfG; Rn. 180 f.), Belehrungen, Warnungen, Empfehlungen, Hinweisen etc. (z.B. Gefahrzeichen i.S.v. § 40 StVO). Entsprechendes gilt – vorbehaltlich einer Entscheidung durch einen formellen Verwaltungsakt (Rn. 42) – hinsichtlich der Ablehnung einer Auskunft etc., teilt die Ablehnung einer Amtshandlung als Kehrseite (actus contrarius) ihrer Vornahme doch deren Rechtsnatur. Abweichendes folgt richtigerweise auch nicht aus dem Umstand, dass der (Nicht-)Erteilung einer Auskunft – wie übrigens jeder anderen Verwaltungsmaßnahme auch – eine Entscheidung der Behörde vorausgeht, ob sie die Auskunft erteilt oder nicht. Außerhalb gesetzlich geregelter Fälle (vgl. z.B. §§ 5 Abs. 1 S. 4, 6 Abs. 2 UIG[98]) ist im Einzelnen streitig, ob die der (Nicht-)Vornahme einer Wissenserklärung vorgelagerte Behördenentscheidung eine Regelung enthält oder nicht. Während teilweise[99] danach differenziert wird, ob der Schwerpunkt der (Nicht-)Erteilung einer Auskunft in – dem Realakt – ihrer tatsächlichen (Nicht-)Erteilung oder in der verbindlichen Regelung über das Auskunftsverlangen (Indizien u.a.: Ermessen) liegt (dann: Verwaltungsakt), wird von anderen Stimmen[100] eine Parallele zum Konstrukt des konkludenten Duldungs-Verwaltungsakts (Rn. 59) gezogen und ebenso wie dort auch im vorliegenden Zusammenhang das Vorhandensein eines Verwaltungsakts verneint.

Beispiel[101]

Nachdem in der Öffentlichkeit bekannt geworden ist, dass ein Journalist Informationen über den Schriftsteller S an den BND weitergegeben hat, beantragt dieser dort die Erteilung von Auskunft über die zu seiner Person gespeicherten Daten. Mit der Begründung, dass die Auskunftserteilung die öffentliche Sicherheit gefährde, wurde der Antrag abgelehnt. Wäre eine von S bei dem gem. § 50 Abs. 1 Nr. 4 VwGO im ersten und letzten Rechtszug zuständigen BVerwG erhobene Klage zulässig?

Nein. Vor Erhebung einer verwaltungsgerichtlichen (Verpflichtungs-)Klage muss hier zunächst das behördliche Vorverfahren nach § 68 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 S. 1 VwGO stattfinden. Anspruchsgrundlage für das Begehren des S ist § 22 S. 1 BNDG i.V.m. § 15 BVerfSchG. Danach geht der Erteilung der Auskunft durch den BND eine „Entscheidung“ voraus, die vom Behördenleiter oder einem von ihm besonders beauftragten Mitarbeiter (§ 15 Abs. 2 S. 2 BVerfSchG) auf der Grundlage eines detaillierten gesetzlichen Prüfprogramms zu treffen ist (§ 15 Abs. 1 und Abs. 2 S. 1 BVerfSchG). Zudem enthält das Gesetz für den Fall der Ablehnung der Auskunftserteilung spezielle Vorschriften über die Begründung der Entscheidung (§ 15 Abs. 4 S. 1 und 3 BVerfSchG). Die ausdrückliche Erwähnung der Behördenentscheidung im Gesetz sowie die an sie gestellten verfahrens- und materiell-rechtlichen Anforderungen lassen erkennen, dass der rechtliche Schwerpunkt der behördlichen Tätigkeit nicht in der Erteilung oder Versagung der Auskunft als solcher, sondern in der zu Grunde liegenden Entscheidung zu sehen ist, die in der Form eines Verwaltungsakts (§ 35 S. 1 VwVfG) ergeht. Das Begehren des S ist mithin i.S.v. § 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO auf den Erlass eines begünstigenden Verwaltungsakts gerichtet.

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Neben den vorgenannten Realakten und behördlichen Wissenserklärungen fehlt es ferner auch bestimmten Willenserklärungen der Verwaltung an dem für einen Verwaltungsakt erforderlichen Regelungscharakter. Insofern zu nennen sind zum einen solche behördlichen Willenserklärungen (genauer: rechtsgeschäftsähnliche Handlungen), die unmittelbar überhaupt keine Anordnung beinhalten, sondern an deren Vorhandensein das Gesetz vielmehr unabhängig vom Willen der erklärenden Behörde Rechtsfolgen knüpft (z.B. Aufrechnung gem. §§ 387 ff. BGB analog [Rn. 46], Fristsetzung, Stundung, Mahnung, Kündigung, Ausübung des Zurückbehaltungsrechts).

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Keine Regelung in der Sache liegt zum anderen ebenfalls dann vor, wenn die Behörde in einer späteren (z.B. schriftlichen, § 37 Abs. 2 S. 2 VwVfG) Erklärung lediglich auf den Inhalt eines zum selben Sachverhalt früher bereits (z.B. mündlich, § 37 Abs. 2 S. 1 VwVfG) erlassenen Verwaltungsakts verweist (vgl. Rn. 59 und Übungsfall Nr. 1). Dieser wiederholenden Verfügung kommt nur insoweit Verwaltungsaktqualität zu, als mit ihr – ausdrücklich oder konkludent – das Wiederaufgreifen des Verfahrens nach § 51 VwVfG abgelehnt wird (Rn. 300 und Rn. 307).[102] Hiervon im Wege der Auslegung abzugrenzen ist der als Verwaltungsakt einzustufende Zweitbescheid, mit dem die Behörde nach nochmaliger inhaltlicher Prüfung eine – im Ergebnis mit der früheren Entscheidung ggf. identische – Sachentscheidung trifft (Rn. 299 ff.).

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Eine Antwort auf die nach wie vor umstrittene Frage, ob das verbindliche Versprechen der zuständigen Behörde, zu einem späteren Zeitpunkt eine bestimmte Verwaltungsmaßnahme (Zusage) bzw. speziell einen Verwaltungsakt (Zusicherung, siehe § 38 Abs. 1 S. 1 VwVfG) vorzunehmen oder zu unterlassen, seinerseits einen Verwaltungsakt darstellt, kann insoweit dahingestellt bleiben, als § 38 Abs. 2 VwVfG einige der den Verwaltungsakt betreffenden Vorschriften für die praktisch wichtigere Zusicherung – vorbehaltlich einer Änderung der Sach- und Rechtslage i.S.v. § 38 Abs. 3 VwVfG (clausula rebus sic stantibus; vgl. auch § 313 BGB) – ausdrücklich für anwendbar erklärt. Im Übrigen lassen sich sowohl für (verpflichtender Charakter; systematische Stellung von § 38 VwVfG; h.M.) als auch gegen (eine Regelung wird erst in Aussicht gestellt) die vom Gesetzgeber[103] offen gelassene Frage der Verwaltungsaktqualität der Zusicherung Argumente benennen.[104]

Beispiel[105]

Die von Anwohner A bewohnte N-Straße wurde mit einer neuen Teerdecke versehen und kurze Zeit später vom Rat der Stadt dem öffentlichen Verkehr gewidmet. Da die N-Straße seitdem vermehrt als „Schleichweg“ genutzt wird, erhob A Klage vor dem Verwaltungsgericht gegen die Widmungsverfügung. In der mündlichen Verhandlung erklärte der hierzu ermächtigte Behördenvertreter B: „Der Beklagte verpflichtet sich, zur Reduzierung der gefahrenen Geschwindigkeiten auf der N-Straße das Zeichen ‚Zonen-Geschwindigkeitsbeschränkung 30 km/h‘ aufzustellen.“ Diese zu Protokoll gegebene Erklärung wurde B vorgelesen und von diesem genehmigt. Daraufhin erklärte A die Hauptsache für erledigt, woraufhin das Gericht das Verfahren durch Beschluss einstellte. Nachdem der Beklagte in der Folgezeit der Erklärung des B allerdings nicht nachkam, möchte A nunmehr wissen, ob er einen Anspruch gegen den Beklagten auf Aufstellung des o.g. Verkehrszeichens hat.

Ja. Grundlage dieses Anspruchs ist die von B zur Niederschrift des Verwaltungsgerichts gegebene Erklärung, die als wirksame Zusicherung i.S.v. § 38 Abs. 1 des betreffenden VwVfG zu qualifizieren ist. Eine von der zuständigen Behörde im Prozess abgegebene Erklärung stellt dann eine Zusicherung i.S.v. § 38 VwVfG dar, wenn gegenüber dem Adressaten unzweifelhaft der Wille der Behörde zum Ausdruck kommt, einen bestimmten Verwaltungsakt später zu erlassen oder zu unterlassen. Das war hier der Fall. Insbesondere handelt es sich bei dem fraglichen Verkehrszeichen um einen zusicherungsfähigen Verwaltungsakt in Form einer Allgemeinverfügung i.S.v. § 35 S. 2 Var. 3 VwVfG. Auch ist die Zusicherung i.S.d. § 38 Abs. 1 S. 1 VwVfG von der zuständigen Behörde abgegeben worden, denn B war hierzu ermächtigt. Ferner genügt die Zusicherung zur Niederschrift des Gerichts der Schriftform des § 38 Abs. 1 S. 1 VwVfG. Zwar enthält § 38 VwVfG selbst keine ausdrückliche Regelung, welche förmlichen Anforderungen an die Schriftform der Zusicherung zu stellen sind. Da die Zusicherung – unbeschadet der streitigen Frage ihrer Rechtsnatur – aber die Selbstverpflichtung der Behörde zum späteren Erlass eines Verwaltungsakts enthält, ist § 37 Abs. 3 VwVfG auf § 38 Abs. 1 S. 1 VwVfG entsprechend anwendbar. Das gerichtliche Protokoll erfüllt die sich daraus ergebenden Anforderungen. Schließlich steht der Zusicherung § 38 Abs. 1 S. 2 VwVfG nicht entgegen, denn die Anhörung Beteiligter oder die Mitwirkung einer anderen Behörde oder eines Ausschusses war nicht i.S.d. Vorschrift „aufgrund einer Rechtsvorschrift erforderlich“. Über die Aufstellung und Entfernung von Verkehrsschildern entscheidet nach § 45 Abs. 1 StVO – abgesehen von den hier nicht gegebenen Fällen des § 45 Abs. 1b S. 2 StVO – allein die zuständige (staatliche) Straßenverkehrsbehörde im Rahmen einer der Gemeinde übertragenen Auftragsangelegenheit. Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte aufgrund von § 38 Abs. 3 VwVfG nicht mehr an die Zusicherung gebunden wäre, liegen nicht vor.

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Mangels abschließender Anordnung, d.h. letztverbindlicher Regelung, ebenfalls keinen Verwaltungsakt stellen schließlich verfahrensrechtliche Vorbereitungshandlungen i.S.v. § 44a S. 1 VwGO sowie bloße Teilakte dar (Rn. 67).

Beispiel 1[106]

Anordnung der Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens als Maßnahme im Rahmen der Sachverhaltsermittlung durch die Fahrerlaubnisbehörde zwecks Vorbereitung der abschließenden Entscheidung über die Erteilung oder Verlängerung der Fahrerlaubnis oder über die Anordnung von Beschränkungen oder Auflagen. Die bloße Anordnung begründet selbst keine Rechtspflicht für den Betroffenen, das Gutachten einholen zu müssen, sondern vielmehr lediglich eine entsprechende Obliegenheit, aus deren Nichterfüllung die Behörde im Rahmen der Beweiswürdigung allerdings nachteilige Schlüsse ziehen darf, siehe § 11 Abs. 8 S. 1 FeV.

Beispiel 2[107]

Mangels Regelung – und Außenwirkung – ebenfalls kein Verwaltungsakt ist die (wiederum lediglich vorbereitende) Eintragung von Entscheidungen von Verwaltungsbehörden und Gerichten über Verkehrsverstöße eines Bürgers in das Fahreignungsregister (§ 59 FeV; vormals: Verkehrszentralregister).

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Eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass nur solchen Maßnahmen Verwaltungsaktcharakter zukommt, die eine endgültige Regelung treffen (vgl. § 9 VwVfG), hat die Rechtsprechung[108] im Bereich der Leistungsverwaltung entwickelt, wo trotz des mit Nebenbestimmungen (Rn. 77 ff.), Teilgenehmigungen (Rn. 68), Vorbescheiden (Rn. 68) und Zusicherungen (Rn. 63) breit gefächerten Instrumentariums verwaltungsbehördlicher Handlungsformen sowie der Möglichkeit von Abschlagszahlungen mitunter dennoch das praktische Bedürfnis nach einer vorläufigen Regelung durch die Verwaltung besteht. Derartig „vorläufige Verwaltungsakte“[109], die namentlich in §§ 164 f. AO für den Bereich des Steuerrechts und in § 42 SGB I für den Bereich des Sozialrechts schon seit langer Zeit gesetzlich vorgesehen sind (ferner z.B. § 8a BImSchG, §§ 11 f. GastG, § 37 Abs. 1 KrWG), ergehen typischerweise auf Basis einer lediglich summarischen Prüfung der Sach- (vgl. § 164 AO) bzw. Rechtslage (vgl. § 165 AO) durch die Behörde und begründen für den Zeitraum ihrer Geltung (z.B. „vorbehaltlich des Ergebnisses der noch durchzuführenden Betriebsprüfung“) einen Rechtsgrund (causa) für das Behaltendürfen der dem Bürger staatlicherseits zugewandten Leistung, auf die er bei sorgfältiger Prüfung evtl. gar keinen Anspruch hätte. Ergeht die abschließende Entscheidung, in welcher die Behörde über das endgültige (Nicht-)Behaltendürfen befindet, so erledigt sich der vorläufige (begünstigende) Verwaltungsakt mit dieser, vgl. § 43 Abs. 2 VwVfG (Rn. 295). Seiner Aufhebung unter den Restriktionen der §§ 48, 49 VwVfG (Rn. 310 ff.) bedarf es dann folglich nicht mehr.[110] Vor diesem Hintergrund werden vorläufige Verwaltungsakte nur im Fall der Leistungsgewährung – vorbehaltlich des Eingreifens einer entsprechenden Ermächtigungsgrundlage nicht aber auch im Bereich der Eingriffsverwaltung – als zulässig angesehen und dies auch nur dann, wenn ein „Anspruchsverdacht“ besteht, d.h. die „vorläufige Regelung als endgültige rechtmäßig wäre“ und dem Bürger ein Abwarten der Letzteren nicht zumutbar ist.[111]

Beispiel[112]

Auf Antrag der B-GmbH, die ein Busunternehmen betreibt, wurde dieser durch „Bescheid“ eine Zuwendung in Höhe von 85 % der Gesamtkosten für den beabsichtigten Neubau eines Omnibusbetriebshofs mit 70 Stellplätzen bewilligt. Auf Grundlage der Angaben der B-GmbH im Förderantrag wurden die Gesamtkosten hierfür vorläufig auf 10 Mio. € festgestellt und daraufhin 8,5 Mio. € an die B-GmbH ausbezahlt. In dem Bewilligungsbescheid heißt es u.a., dass falls sich nach der Bewilligung die Gesamtkosten des Vorhabens mindern, auch die Zuwendung anteilig ermäßigt. Aufgrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten musste die B-GmbH nachfolgend einen Teil ihrer Busflotte veräußern, weshalb sie letztlich nur 42 anstatt der ursprünglich vorgesehenen 70 Stellplätze errichtete. Nach Prüfung der von der B-GmbH vorgelegten Verwendungsnachweise stellte die zuständige baden-württembergische Behörde mit „Schlussbescheid“ die zuwendungsfähigen Gesamtkosten auf 6 Mio. € fest, ermittelte unter Zugrundelegung des Fördersatzes von 85 % den endgültigen Zuwendungsbetrag mit 5,1 Mio. € und forderte die zu viel gezahlten 3,4 Mio. € zuzüglich Zinsen von der B-GmbH zurück. Diese meint, eine Rechtsgrundlage für die Zinsforderung sei nicht vorhanden und ficht den Bescheid insoweit vor dem Verwaltungsgericht an. Hat die B-GmbH mit ihrer Auffassung Recht?

Nein. Rechtsgrundlage für die Zinsforderung ist § 49a Abs. 3 LVwVfG BW. Zwar kommt eine unmittelbare Anwendung von § 49a Abs. 1, 3 LVwVfG BW hier nicht in Betracht. Denn der Zuwendungsbescheid hat seine Wirkung nicht teilweise infolge Aufhebung oder Eintritts einer auflösenden Bedingung, sondern dadurch verloren, dass er durch den Schlussbescheid ersetzt wurde. § 49a Abs. 1, 3 LVwVfG BW ist auf eine solchen Fall aber entsprechend anzuwenden. Der Zuwendungsbescheid hat seine Wirkung dadurch verloren, dass er durch den Schlussbescheid ersetzt wurde, vgl. § 43 Abs. 2 LVwVfG BW. Das Subventionsverhältnis wurde hier zunächst durch den Zuwendungsbescheid geregelt, der aber hinsichtlich der zuwendungsfähigen Gesamtkosten – und infolge dessen hinsichtlich des genauen Förderbetrags – unter den Vorbehalt der späteren Festsetzung gestellt und damit auf eine Ergänzung durch einen weiteren Verwaltungsakt angelegt war, durch den die Zuwendung in den offengehaltenen Punkten abschließend geregelt werden sollte. Dieser weitere Verwaltungsakt ist mit dem „Schlussbescheid“ ergangen. Der Vorbehalt endgültiger Regelung bewirkt, dass die Behörde die vorläufige Regelung im Ausgangsbescheid durch die endgültige Regelung im Schlussbescheid ersetzen kann, ohne insoweit an die Einschränkungen der §§ 48, 49 LVwVfG BW gebunden zu sein. Der Regelungsinhalt des Ausgangsbescheids besteht insoweit darin, dass der Begünstigte die empfangene Beihilfe nur vorläufig bis zum Erlass der endgültigen Entscheidung behalten darf. Deshalb geht die Bindungswirkung eines solchen Verwaltungsakts nicht dahin, dass er eine Rechtsgrundlage für das endgültige Behalten der Beihilfe bildet. Das bedeutet, dass es bei der späteren endgültigen Regelung keiner Aufhebung der unter Vorbehalt ergangenen Bewilligung bedarf. Die Behörde war nicht gehindert, eine in dem beschriebenen Sinne vorläufige Regelung zu treffen, handelt es sich doch auch bei dem „vorläufigen“ Verwaltungsakt um einen solchen i.S.d. §§ 35 LVwVfG BW. Seine Besonderheit liegt nicht in seiner Art oder Form, sondern allein in seinem Regelungsinhalt. Genauer ist daher nicht von einem „vorläufigen Verwaltungsakt“ zu sprechen, sondern von einem Verwaltungsakt, der eine nur vorläufige Regelung trifft. Auch gibt es im vorliegenden Zusammenhang des Subventionsrechts keine gesetzliche Bestimmung, die der Behörde eine derartige Regelung verbieten würde. Allerdings darf die Behörde eine Regelung nicht beliebig bloß vorläufig treffen, sondern lediglich dann, wenn ihr eine bestehende Ungewissheit hierzu sachlichen Grund gibt. Das ist bei einer tatsächlichen Ungewissheit nur dann der Fall, wenn sie Umstände betrifft, die erst künftig eintreten und die nach dem Gesetz auch nicht im Wege einer Prognose zu schätzen sind. So lag es hier: Die maßgeblichen zuwendungsfähigen Gesamtkosten standen im Zeitpunkt des Zuwendungsbescheids nicht fest und waren nach dem Gesetz auch nicht im Wege einer Prognose zu schätzen.

66

Befindet sich der vorläufige Verwaltungsakt mithin am untersten Ende der Skala der zeitlichen Geltungsdauer eines Verwaltungsakts, so ist der Dauerverwaltungsakt an deren oberstem Punkt zu verorten. Er erschöpft sich nicht – wie der „Momentverwaltungsakt“[113] – in einem einmaligen Ge- oder Verbot oder in einer einmaligen Gestaltung der Rechtslage zu einem bestimmten Zeitpunkt, sondern begründet bzw. verändert ein auf Dauer, d.h. während eines bestimmten Zeitraums, berechnetes und in seinem Bestand vom Verwaltungsakt abhängiges Rechtsverhältnis (Rn. 122; z.B. Gewerbeuntersagung nach § 35 Abs. 1 S. 1 GewO). Bildlich kann der Dauerverwaltungsakt als Summierung einer Vielzahl von einzelnen Verwaltungsakten gedacht werden, die aus verwaltungsökonomischen Gründen in einem Verwaltungsakt zusammengefasst sind (z.B. Bescheid, in dem für eine gewisse Dauer vierteljährliche Ratenzahlungspflichten zur Tilgung eines Ausbildungsförderungs-Darlehens festgesetzt werden).

67

Als Beispiel für den o.g. Teilakt (Rn. 64) wird klassischerweise die Bewertung einer einzelnen Klassenarbeit genannt, welche lediglich über den Leistungsstand des Schülers informiert und die Einzelnote im Zeugnis vorbereitet. Auch Letzterer wird regelmäßig der Regelungscharakter abgesprochen und im Grundsatz nur das in der Gesamtnote eines Abschlusszeugnisses zum Ausdruck kommende Gesamtergebnis als Verwaltungsakt qualifiziert.[114] Abweichendes gilt ausnahmsweise dann, wenn das jeweils einschlägige Fachrecht (Prüfungsordnung) dahingehend auszulegen ist, dass der Einzelnote Regelungsqualität i.S.v. § 35 S. 1 VwVfG zukommt[115] (z.B. ist eine Teilnote im Abiturzeugnis für sich betrachtet dann rechtserheblich, wenn von ihr die Zulassung zu einem „numerus clausus“-Studienfach abhängt).[116]

68

Abzugrenzen vom nicht-regelnden Teilakt (Rn. 67) sind (verbindliche) Teilgenehmigungen und Vorbescheide als besondere Erscheinungsformen des Verwaltungsakts. Mit ihnen entscheidet die Behörde abschließend über einen in tatsächlicher Hinsicht (Teilbaugenehmigung gem. § 61 LBO BW, Art. 70 BayBO, § 76 BauO NRW 2018; z.B. Baugenehmigung für die ersten drei Geschosse eines zehnstöckig geplanten Hochhauses) bzw. in rechtlicher Hinsicht ([Bau-]Vorbescheid gem. § 57 LBO BW, Art. 71 BayBO, § 77 BauO NRW 2018; z.B. Entscheidung über die planungsrechtliche Zulässigkeit eines Bauvorhabens nach §§ 29 ff. BauGB,[117] siehe das Beispiel in Rn. 290) abtrennbaren Teil eines komplexen Gesamtvorhabens. Dadurch werden im Interesse der Effizienz des Verwaltungsverfahrens einzelne Entscheidungen abgeschichtet.

Hinweis

Im Gegensatz zu den unselbständigen Vorbereitungshandlungen (Rn. 64) und Teilakten (Rn. 67), die als vorgelagerte Realakte jeweils keine Bindungswirkung für die im nachfolgenden Verwaltungsakt getroffene Regelung entfalten, haben die verbindlichen Teilgenehmigungen und Vorbescheide konstitutive Bedeutung für die Rechtsstellung des jeweiligen Betroffenen (siehe das Beispiel in Rn. 290).[118]

Allgemeines Verwaltungsrecht

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