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1. Vertrag

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Ebenso wie im Zivilrecht ist auch im öffentlichen Recht unter dem Begriff „Vertrag“ die Einigung von zwei oder mehr Rechtssubjekten über die Herbeiführung eines bestimmten Rechtserfolgs zu verstehen.[188]

Erforderlich hierfür sind mindestens zwei mit Bezug aufeinander abgegebene, sich inhaltlich entsprechende und mit Rechtsbindungswillen (andernfalls: unverbindliche informelle Absprache wie z.B. gentlemen's agreement), Handlungswillen sowie (potentiellem) Erklärungsbewusstsein abgegebene Willenserklärungen in Form von Angebot und Annahme, die zu ihrem Wirksamwerden dem jeweils anderen zugehen müssen, siehe § 62 S. 2 VwVfG i.V.m. §§ 130, 145 ff. BGB. Da die Behörde nicht rechtsfähig, d.h. kein eigenständiges Rechtssubjekt ist, ist nicht sie selbst Vertragspartner des Privaten (natürliche oder juristische Person oder teilrechtsfähige Vereinigung), sondern vielmehr derjenige Rechtsträger, dem ihre Erklärungen zugerechnet werden (vgl. Rn. 49).

Hinweis

In diesem Zusammenhang können sich namentlich kommunalrechtliche Probleme stellen. So ist etwa gem. § 63 Abs. 1 S. 1 GO NRW unbeschadet der dem Rat und seinen Ausschüssen zustehenden Entscheidungsbefugnisse der Bürgermeister der gesetzliche Vertreter der Gemeinde in Rechts- und Verwaltungsgeschäften. Das bedeutet: Ein vom Bürgermeister im Namen der Gemeinde geschlossener öffentlich-rechtlicher Vertrag i.S.v. § 54 VwVfG NRW ist im Außenverhältnis zum Bürger grundsätzlich selbst dann wirksam, wenn der hierfür im gemeindlichen Innenverhältnis nach § 41 GO NRW erforderliche Ratsbeschluss fehlt (Abstraktionsprinzip).[189] Abweichendes gilt ausnahmsweise insbesondere dann, wenn der Bürgermeister mit dem Vertragspartner in rechtlich zu missbilligender Weise zusammenwirkt (Kollusion) oder Letzterer den Mitwirkungsmangel kannte bzw. kennen musste, d.h. nicht schutzwürdig ist. In diesen Fällen ist der Vertrag gem. § 59 Abs. 1 VwVfG NRW i.V.m. § 138 nichtig (Rn. 117).[190]

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Kein Fall des § 54 VwVfG, sondern vielmehr des § 35 S. 1 VwVfG, liegt hingegen vor, wenn der Bürger aufgrund eines gesetzlich vorgesehenen Antrags- oder Zustimmungserfordernisses lediglich Einfluss darauf hat, ob eine einseitige behördliche Regelung überhaupt ergeht oder nicht (mitwirkungsbedürftiger Verwaltungsakt, z.B. Beamtenernennung; Rn. 46). Voraussetzung für eine vertraglich herbeigeführte Regelung ist vielmehr, dass der Private Gelegenheit hat, auch auf den Inhalt des Rechtsverhältnisses Einfluss zu nehmen. Bedeutsam wird diese Unterscheidung insbesondere dann, wenn die Behörde über die Wahlmöglichkeit verfügt, anstatt einen Verwaltungsakt zu erlassen, einen öffentlich-rechtlichen (Subordinations-)Vertrag mit demjenigen zu schließen, an den sie sonst den Verwaltungsakt richten würde, vgl. § 54 S. 2 VwVfG (Rn. 109). Indiz ist insoweit neben der Bezeichnung („Vertrag“ oder „Bescheid“ etc.), dem Verfahren sowie den übrigen Umständen des Zustandekommens der Regelung auch, wie typisch der geregelte Lebenssachverhalt ist. In häufig auftretenden Konstellationen wird die Behörde eher in Form des Verwaltungsakts handeln, wohingegen sie bei einer atypischen Lage zur Erzielung von interessenausgleichenden Resultaten eher von einer vertraglichen Regelung Gebrauch machen wird.

Beispiel[191]

Unternehmer U produziert in der Stadt S Fertighäuser. Zur Erweiterung seiner Fabrikanlage benötigt U Baugrund, der in S allerdings nur zu sehr hohen Preisen angeboten wird. Deshalb kündigt U in einer Pressekonferenz an, den gesamten Betrieb in eine andere Gemeinde zu verlegen. Um den hierdurch eintretenden Verlust von Arbeitsplätzen sowie von Gewerbesteuereinnahmen zu verhindern, beschließt der Rat von S, dem U eine Gewerbeförderung zum Erwerb eines bestimmten Grundstücks in S zu gewähren. Hierzu legen S und U nach längeren Verhandlungen Folgendes schriftlich nieder: „(1) S verpflichtet sich zur Zahlung von 250 000 € an U. (2) U verpflichtet sich, den vorgenannten Betrag zum Erwerb eines (näher bezeichneten) Grundstücks in S zu verwenden und mit dem erweiterten Teil seines Betriebs mindestens noch 15 Jahre in S ansässig zu bleiben.“ Nach Erhalt der 250 000 € wandert U unter Hinweis auf „zwingende betriebliche Gründe“ gleichwohl mit seinem Betrieb in eine andere Gemeinde ab. S möchte U auf Rückzahlung der Fördersumme in Anspruch nehmen, ist sich aber nicht sicher, ob sie hierfür zuvor noch einen Verwaltungsakt erlassen muss. Europarecht ist nicht zu prüfen.

Als Grundlage für den Rückforderungsanspruch könnte § 346 Abs. 1 i.V.m. § 323 Abs. 1 BGB (ggf. i.V.m. § 62 S. 2 VwVfG) in Betracht kommen, dessen Geltendmachung nicht vom vorherigen Erlass eines Verwaltungsakts durch S abhängig ist. Dann müsste das von U und S schriftlich Niedergelegte als (privat- oder öffentlich-rechtlicher) Vertrag zu qualifizieren sein. Sollte es sich hierbei dagegen um einen Verwaltungsakt mit Nebenbestimmung – als solche kommt hier i.E. wohl nur eine Auflage i.S.v. § 36 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG in Betracht – handeln, so stünde S der gegenüber U geltend gemachte Anspruch nur dann zu, wenn S diesen zunächst gem. § 49 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 des einschlägigen VwVfG für die Vergangenheit widerruft und den Zuschuss sodann nach dessen § 49a Abs. 1 zurückfordert. Mithin kommt es entscheidend darauf auf, welche dieser beiden Handlungsformen hier vorliegt. Der Annahme eines Verwaltungsakts steht entgegen, dass es sich hier nicht um eine einseitige Maßnahme einer Behörde handelt. Denn neben der beiderseitigen Mitwirkung von S und U sowohl am Abschluss als auch am Inhalt der schriftlichen Niederlegung enthält diese zudem beiderseitig gleichrangige und gegenseitige Pflichten. Also kann S gegenüber U aufgrund des Vertragscharakters der schriftlichen Niederlegung die Rückzahlung der 250 000 € geltend machen, ohne zuvor noch einen Verwaltungsakt erlassen zu müssen.

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