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2. Auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts
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Sofern ein Vertrag vorliegt (Rn. 95 f.), muss das durch diesen begründete, geänderte oder aufgehobene Rechtsverhältnis gem. § 54 S. 1 VwVfG zudem noch ein solches „auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts“ sein (dazu siehe Rn. 23 ff.). Hierdurch wird der öffentlich-rechtliche Vertrag i.S.d. §§ 54 ff. VwVfG vom privatrechtlichen Vertrag abgegrenzt, der v.a. im Bereich des Haftungsrechts, des Rechtswegs sowie der Vollstreckungsmöglichkeiten anderen Regeln folgt als der öffentlich-rechtliche.
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Praktisch relevant wird diese Differenzierung insbesondere auf dem Gebiet der Leistungsverwaltung (z.B. Betrieb eines städtischen Schwimmbads), wo die Behörde über ein Wahlrecht zwischen öffentlich-rechtlicher und privatrechtlicher Ausgestaltung des Rechtsverhältnisses zum Bürger verfügt und somit letztlich auch zwischen öffentlich-rechtlichem und privatrechtlichem Vertrag wählen kann (Rn. 22; siehe ferner Rn. 20 zum Verwaltungsprivatrecht). Maßgebliches Kriterium für die diesbezügliche Abgrenzung ist allein der Gegenstand des Vertrags, nicht hingegen etwa die Rechtsstellung der an diesem Beteiligten. Um den §§ 54 ff. VwVfG zu unterfallen, muss der wesentliche Inhalt des Vertrags nach objektiven Kriterien darauf gerichtet sein, Rechtsfolgen auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts herbeizuführen (z.B. Vollzug öffentlich-rechtlicher Normen, Begründung einer Pflicht der Verwaltung zum Erlass eines Verwaltungsakts).
Hinweis
„Gleichordnungsverhältnisse sind öffentlich-rechtlich, wenn die das Rechtsverhältnis beherrschenden Rechtsnormen nicht für jedermann gelten, sondern Sonderrecht des Staates oder sonstiger Träger öffentlicher Aufgaben sind, das sich zumindest auf einer Seite nur an Hoheitsträger wendet. Für die Abgrenzung eines öffentlich-rechtlichen von einem privatrechtlichen Vertrag kommt es daher auf dessen Gegenstand und Zweck an. Die Rechtsnatur des Vertrages bestimmt sich danach, ob der Vertragsgegenstand dem öffentlichen oder dem bürgerlichen Recht zuzurechnen ist.“[192]
Umstritten ist, was gilt, wenn der Vertrag nur zum Teil dem öffentlichen Recht zuzuordnen ist (z.B. die Behörde verpflichtet sich zur Erteilung eines Dispenses), ansonsten aber Sachbereiche betrifft, die nach Privatrecht zu beurteilen bzw. rechtsgebietsneutral sind (z.B. der Bürger verpflichtet sich zu einer Geldzahlung). Entgegen einer früher vertretenen Auffassung[193], die in derartigen Fällen von einem gemischten bzw. gespaltenen Vertrag mit sowohl öffentlich-rechtlichen als auch privatrechtlichen Elementen ausging, weist die in Rechtsprechung[194] und Literatur[195] h.M. darauf hin, dass ein Rechtsverhältnis, d.h. die sich aus einem konkreten Sachverhalt ergebende rechtliche Beziehung zwischen (mindestens) zwei Rechtssubjekten oder einem Rechtssubjekt zu einer Sache[196], nur einheitlich entweder als öffentlich-rechtlich oder als privatrechtlich beurteilt werden kann (Rn. 37). Der gesamte Vertrag – inkl. seines privatrechtlichen Teils – ist daher dann ein solcher i.S.v. § 54 VwVfG, wenn der öffentlich-rechtliche Teil ihm insgesamt das Gepräge gibt (wie im Beispiel des Baudispensvertrags der Fall; Schwerpunkttheorie). Dies gilt auch dann, wenn im Vertrag ausdrücklich nur die Geldzahlungspflicht des Bürgers geregelt wird, nicht dagegen auch die dem Vertrag ggf. seinen öffentlich-rechtlichen Schwerpunkt (Sachzusammenhang) gebende Leistung der Behörde, im Hinblick auf welche die Gegenleistung des Bürgers erfolgt (hinkender Austauschvertrag, siehe Übungsfall Nr. 2). Sind allerdings mehrere, inhaltlich voneinander unabhängige (teilbare) öffentlich-rechtliche und privatrechtliche Vereinbarungen lediglich rein äußerlich in einer Vertragsurkunde zusammengefasst (z.B. Grundstückskaufvertrag und erschließungsrechtlicher Ablösungsvertrag), so liegt bei der maßgeblichen materiell-rechtlichen Betrachtungsweise in Wahrheit nicht ein einheitliches (entweder öffentlich-rechtlich oder privatrechtlich zu qualifizierendes) Rechtsverhältnis, sondern vielmehr eine entsprechende Vielzahl von öffentlich-rechtlichen und privatrechtlichen Rechtsverhältnissen vor (zusammengesetzter Vertrag).
Beispiel[197]
In einer nicht gesondert kündbaren „Nebenabrede“ zum zwischen dem Angestellten A und dem Bundesland L geschlossenen Arbeitsvertrag heißt es: „L sichert zu, den A spätestens in 4 Jahren bei Vorliegen der beamtenrechtlichen Einstellungsvoraussetzungen in das Beamtenverhältnis zu berufen. L gewährleistet A mit dem Tage der Begründung des Arbeitsverhältnisses eine Anwartschaft auf Versorgung bei verminderter Erwerbsfähigkeit und im Alter sowie auf Hinterbliebenenversorgung nach beamtenrechtlichen Vorschriften. Für diese Zusicherungen (Vollzeitbeschäftigung als Beamter und entsprechende Altersversorgung unter Anrechnung der Beschäftigung im Angestelltenverhältnis) verpflichtet sich A zu einer Gegenleistung i.H.v. 150 € monatlich. Dieser Betrag wird mit den laufenden Vergütungsansprüchen verrechnet.“ Nach erfolgter Übernahme in das Beamtenverhältnis meint A, die Nebenabrede sei gem. § 59 Abs. 2 Nr. 4 i.V.m. § 56 Abs. 1 S. 2 LVwVfG nichtig und verlangt daher von L die Erstattung der insgesamt einbehaltenen 7200 €. Demgegenüber ist L der Ansicht, dass § 59 L-VwVfG hier schon gar nicht anwendbar sei, da es sich um einen (wirksamen) privatrechtlichen Vertrag handele. Ist diese Auffassung zutreffend?
Nein. Die Nebenabrede in dem zwischen A und L geschlossenen Arbeitsvertrag ist insgesamt dem öffentlichen Recht zuzuordnen. Zwar enthält sie mehrere Gegenstände. Doch ist deren zentraler Punkt, nämlich die Verpflichtung von L, den A später als Beamten einzustellen, als maßgeblicher Vertragsgegenstand dem Beamtenrecht zuzuordnen. Das durch den Gesamtvertrag begründete Arbeitsverhältnis sollte diesem dem öffentlichen Recht zugeordneten Statusverhältnis nur vorläufig vorausgehen. Zwar hat die Zusicherung einer Anwartschaft auf Versorgung nach beamtenrechtlichen Vorschriften nicht als solche öffentlich-rechtlichen Charakter, sondern gestaltet ausschließlich das Arbeitsverhältnis, auf das sie bezogen ist, und hat Konsequenzen im Hinblick auf die Beitragspflicht zur Rentenversicherung. Die von den Parteien getroffene Abrede hat aber auch insoweit keine selbstständige Bedeutung, sondern ist ebenfalls dem Ziel untergeordnet, später ein Beamtenverhältnis zu begründen. Ohne eine dahingehende verbindliche Zusage wäre die Verpflichtung nicht eingegangen worden, eine Versorgung nach beamtenrechtlichen Grundsätzen zu gewährleisten. Dass die Nebenabrede Teil eines – im Übrigen privatrechtlichen – Arbeitsvertrags ist, hindert nicht ihre Einordnung als öffentlich-rechtlich. Streitigkeiten über den Inhalt und die Wirksamkeit einzelner Klauseln im Hinblick auf die Gegenstände additiver Verträge können verschiedenen Rechtsgebieten – und damit letztlich auch verschiedenen Rechtswegen – zugewiesen sein. Der von den Parteien des vorliegenden Verfahrens geschlossene Vertrag, mit dem ein Arbeitsverhältnis begründet und ausgeformt werden sollte, gebietet nicht eine einheitliche rechtliche Beurteilung entweder durch die Arbeitsgerichte oder durch die Verwaltungsgerichte. Die Nebenabrede enthält nämlich einen selbstständigen Regelungskomplex, der nicht in einem unmittelbaren Gegenseitigkeitsverhältnis mit den übrigen Vertragsteilen steht und der deshalb einer isolierten rechtlichen Betrachtung zugänglich ist. Die Bestimmung ist als „Nebenabrede“ bezeichnet, woraus sich bereits der Wille zu einer gegenüber dem übrigen Vertragsinhalt eigenständigen Bestimmung ergibt. Der Klausel, dass die Nebenabrede „nicht gesondert gekündigt werden“ kann, hätte es nicht bedurft, wenn dieser Vertragsteil ohnehin mit dem weiteren Vertragswerk eng verknüpft wäre. Schließlich löst sich die Nebenabrede ihrem Inhalt nach von dem übrigen Vertragsteil, da die Berufung in das Beamtenverhältnis von dem Vorliegen der beamtenrechtlichen Voraussetzungen abhängig gemacht wird. Die nur unter dieser Bedingung zugesicherte Berufung in das Beamtenverhältnis berührt nicht die Wirksamkeit der weiteren vertraglichen Absprachen und steht hierzu auch nicht in einem unlösbaren Zusammenhang.
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Wie sich aus §§ 1 Abs. 1, 9 VwVfG ergibt, unterfallen abweichend vom zu weitgehenden Wortlaut des § 54 S. 1 VwVfG nicht sämtliche öffentlich-rechtlichen Verträge dem unmittelbaren Anwendungsbereich der §§ 54 bis 62 VwVfG, sondern nur solche, die von einer Behörde im Bereich des Verwaltungsrechts abgeschlossen werden (Verwaltungsverträge; vgl. auch Rn. 45). Sonstige öffentlich-rechtliche Verträge wie beispielsweise solche völkerrechtlicher Natur gem. Art. 32, 59 GG oder Staatsverträge – etwa zwischen Bund und Ländern – gehören ebenso wie kirchenrechtliche Verträge nicht hierzu. Zudem sind die Bereichsausnahmen nach § 2 Abs. 2 und 3 VwVfG zu beachten (Rn. 157).
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Der Inhalt der von der Behörde und dem Bürger im Verwaltungsvertrag getroffenen Regelung ist im Wege der Auslegung gem. §§ 133, 157 BGB i.V.m. § 62 S. 2 VwVfG zu ermitteln (siehe das Beispiel in Rn. 106). Diese kann insbesondere ergeben, dass sich die Behörde im Vertrag dazu verpflichtet hat, gegenüber dem Bürger zu einem späteren Zeitpunkt eine Leistung (z.B. Vornahme eines Realakts, Erlass eines Verwaltungsakts) erst noch zu erbringen. Derartige Verpflichtungsverträge bewirken selbst noch keine Rechtsänderung, sondern begründen nur einen entsprechenden (relativen) Anspruch des jeweiligen Vertragspartners hierauf. Anders dagegen, wenn die Auslegung ergeben sollte, dass die Behörde bereits unmittelbar im Vertrag selbst eine Rechtshandlung vorgenommen (z.B. Erteilung einer Baugenehmigung) und dadurch die Rechtslage sofort entsprechend (absolut) verändert hat, sog. Verfügungsvertrag.