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1. Normenhierarchie
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Nach der Lehre vom „Stufenbau der Rechtsordnung“ bezieht jede Rechtsnorm ihre Geltung aus einer höheren, wodurch sich diese bis zur Ebene der jeweiligen Verfassung zurückverfolgen lässt.[22] Die in dieser kodifizierte Rangordnung der Gesetzgebungskompetenzen führt zu einer Rangordnung der auf ihrer Grundlage erlassenen Rechtssätze, wonach rangniedere Normen inhaltlich keine im Verhältnis zu ranghöheren Normen gegenläufigen Regelungen treffen dürfen. Hierdurch sollen Widersprüche in der rechtlichen Verhaltensordnung vermieden werden.[23] Die sich hieraus ergebende sog. Normenhierarchie bzw. -pyramide ist innerhalb der deutschen Rechtsordnung wie folgt gegliedert, wobei Gewohnheitsrecht (Rn. 18) auf jeder dieser Ebenen entstehen kann:[24]
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• | An der Spitze steht das Verfassungsrecht des Bundes, welches weitestgehend im Grundgesetz kodifiziert ist und innerhalb dessen wiederum die von der sog. Ewigkeitsgarantie des Art. 79 Abs. 3 GG geschützte „Gliederung des Bundes in Länder, die grundsätzliche Mitwirkung der Länder bei der Gesetzgebung [sowie] die in den Art. 1 und 20 niedergelegten Grundsätze“ an oberster Stelle stehen, da diese hiernach dem Zugriff selbst des verfassungsändernden Gesetzgebers entzogen sind;[25] |
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• | im Rang unter dem Grundgesetz, aber noch über dem einfachen Bundesrecht (Rn. 39), angesiedelt sind die „allgemeinen Regeln des Völkerrechts“ (Rn. 16), welche gem. Art. 25 S. 2 GG den Gesetzen vorgehen (str.[26]);[27] |
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• | die vom Bundesgesetzgeber auf Grundlage der Art. 70 ff. GG erlassenen einfachen[28] (formellen; Rn. 12) Bundesgesetze müssen inhaltlich mit den Grundrechten (Art. 1 Abs. 3 GG) und grundrechtsgleichen Rechten (vgl. Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG) des Grundgesetzes sowie dessen übrigen Bestimmungen (vgl. Art. 20 Abs. 3, Art. 93 Abs. 1 Nr. 2, Art. 100 Abs. 1 GG) vereinbar sein, d.h. befinden sich im Rang unter diesem. Auf dieser Ebene sind auch die vom Bund abgeschlossenen völkerrechtlichen Verträge i.S.v. Art. 59 Abs. 2 S. 1 GG (Rn. 16) zu verorten, welche hiernach durch einfaches Bundesgesetz innerstaatliche Geltung erlangen.[29] „Dem Grundgesetz liegt deutlich die klassische Vorstellung zu Grunde, dass es sich bei dem Verhältnis des Völkerrechts zum nationalen Recht um ein Verhältnis zweier unterschiedlicher Rechtskreise handelt und dass die Natur dieses Verhältnisses aus der Sicht des nationalen Rechts nur durch das nationale Recht selbst bestimmt werden kann; dies zeigen die Existenz und der Wortlaut von Art. 25 und Art. 59 Abs. 2 GG“[30]; |
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• | da Rechtsverordnungen nach Art. 80 Abs. 1 S. 1 GG einer Ermächtigung in einem formellen[31] Gesetz bedürfen, gehen Erstere dem Letztgenannten im Rang nach; |
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Rechtsverordnungen sind von der Regierung oder der Verwaltung auf Grundlage einer von der Legislative punktuell verliehenen Rechtsetzungsmacht erlassene, allgemein verbindliche Rechtsnormen.[32]
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• | auf die Rechtsverordnungen folgen im Rang die im Grundgesetz nicht näher geregelten Satzungen; |
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„Satzungen sind Rechtsvorschriften, die von einer dem Staat eingeordneten juristischen Person des öffentlichen Rechts [z.B. Gemeinden] im Rahmen der ihr gesetzlich verliehenen Autonomie [z.B. Art. 28 Abs. 2 GG] mit Wirksamkeit für die ihr angehörigen und unterworfenen Personen erlassen werden [z.B. Bebauungsplan, § 10 Abs. 1 BauGB].“[33]
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• | aus Art. 31 GG („Bundesrecht bricht Landesrecht“) ergibt sich, dass sämtliche vorgenannten Bestimmungen des Bundesrechts (z.B. auch Rechtsverordnungen) allen landesrechtlichen Vorschriften (z.B. auch der jeweiligen Landesverfassung) im Rang grundsätzlich vorgehen (siehe aber Art. 72 Abs. 3 S. 3, Art. 142 GG). Innerhalb des jeweiligen Landesrechts entspricht die Rangordnung der Rechtsquellen derjenigen auf Bundesebene (Rn. 37 ff.): Auf die betreffende Landesverfassung folgt das einfache (formelle) Landesrecht, dem wiederum landesrechtliche Rechtsverordnungen sowie Satzungen nach Landesrecht nachgeordnet sind. M.a.W.: Nach dem Grundgesetz geht die Unterscheidung zwischen Bundes- und Landesrecht der Unterscheidung zwischen Verfassung und Gesetz oder Gesetz und Rechtsverordnung bzw. Satzung vor.[34] |
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Nach der Erklärung Nr. 17 der Schlussakte zum Vertrag von Lissabon[35] sowie der insoweit[36] einhelligen Rechtsprechung sowohl des EuGH[37] als auch des BVerfG[38] im Rang noch über dem Bundesverfassungsrecht (Grundgesetz) – und damit der nationalen Rechtsordnung insgesamt (Rn. 37) – steht das gesamte EU-Recht, welches seinerseits in folgende Stufen binnengegliedert ist:[39]
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• | An der Spitze der EU-Rechtsordnung steht das EU-Primärrecht (Rn. 17) als „Verfassung Europas“[40]; |
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• | im Rang darunter befinden sich die von der EU abgeschlossenen völkerrechtlichen Verträge, welche mit den „Verträgen“, d.h. dem primärrechtlichen EUV und AEUV (Art. 1 Abs. 3 S. 1 EUV, Art. 1 Abs. 2 S. 2 AEUV), vereinbar sein müssen, siehe Art. 218 Abs. 11 AEUV; |
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• | da die EU-Organe (Art. 13 Abs. 1 UAbs. 2 EUV) beim Erlass von EU-Sekundärrecht (Rn. 17) gem. Art. 216 Abs. 2 AEUV an die von der EU geschlossenen völkerrechtlichen Verträge gebunden sind, ist Ersteres gegenüber Letzteren nachranging.[41] |
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Hinweis
Während die vorstehende (vertikale) Gliederung der Rechtsordnung (verfassungs-)rechtlich – von „innen“ – vorgegeben ist, erfolgt deren äußerliche (horizontale) Einteilung in die drei Rechtsgebiete („Säulen“) „Privatrecht“, „Strafrecht“ und „Öffentliches Recht“ (Rn. 26) aus didaktischen Gründen.[42] Beiden Ansätzen gemein ist das Bestreben, Struktur in den gleichsam „riesigen“ wie ständig anwachsenden „Sandhaufen von Normen“ (Rn. 24) zu bringen.[43]