Читать книгу Der Bund der Zwölf - Miriam Pharo - Страница 5
Auftakt
ОглавлениеDer Tanz auf dem Dorfplatz wirbelt gerade auf seinen Höhepunkt zu, als die ersten Anzeichen des Gewitters erklingen. In der Ferne reitet der Donner auf dem Tremolo der Kontrabässe, und nur einen Augenblick später verdüstert sich der Himmel. Von Unruhe getrieben rasen die Violinen wild auf und ab. Die Landleute stieben auseinander, um einen Unterschlupf zu suchen. Ein, zwei, drei Paukenschläge, schon bricht die Hölle los. In den Violinen zucken die Blitze, in den Bratschen wütet der Wind, und als sich der Sturm immer mehr aufbläht, überzieht Anna ein kalter Schauer, drohen die entfesselten Streicher sie fortzureißen …
Doch der große Arturo Menotti weiß die Elemente zu beherrschen. Mit seiner weißen Mähne und seinem funkelnden Blick haftet ihm etwas Göttliches an, und mit einer knappen Bewegung weist er die Streicher in ihre Schranken. Schon grollen sie davon, und der Himmel öffnet sich. Anna atmet auf. Das Gewitter ist vorüber. Für einen kurzen Moment schließt sie die Augen, bevor sie ihre Klarinette an den Mund führt, um ihr eine kleine Melodie zu entlocken. Ein Hirtengesang, der zum Himmel emporsteigt, so rein und klar. Vor ihrem inneren Auge sieht Anna die stillen Felder im Abendlicht, sieht die Landleute zögernd hinaustreten, den Blick auf den Himmel gerichtet. Als Nachtigall und Wachtel ihre Stimmen erheben, hält die Welt den Atem an. Bald gesellt sich Annas Kuckuck dazu. An diesem Abend ist er sorglos und froh, sein Ruf ist voll und kräftig. Für einen Augenblick gehört der Himmel den Holzinstrumenten, bevor das gesamte Orchester wieder mit einstimmt. Vereint zu einem letzten großen musikalischen Wunder. Mit weit ausholenden Gesten holt Arturo Menotti seine Kinder zu sich heran, hegt die einen, mahnt die anderen, sorgt für die nötige Balance, bis die ersten Sterne am Firmament aufleuchten und Beethovens Pastorale leise verklingt. Dann ist nur noch Stille. Ein Seufzen ergreift das Publikum, um kurz darauf zu einem gewaltigen Beben anzuschwellen, das die Wände des ehrwürdigen Konzertsaals erzittern lässt. Anna lächelt. Ein vollendeter Ausklang.