Читать книгу SMALLTOWN GIRLS II - Bis ihr nicht gestorben seid - Miriam Sachs - Страница 10
6.
ОглавлениеOne is the loneliest number that you'll ever do
Two can be as bad as one
It's the loneliest number since the number one
AIMEE MANN
Ich hatte noch nie viele Freundinnen.
Der Container leuchtet rot auf, als mein Feuerzeug aufflackert und ich mir ne Zigarette anstecke. Eigentlich war Charlie meine einzige richtige, und ich war auch ihre beste Freundin. Aber sie is total beliebt und hatte immer auch noch ne Hand voll anderer Freundinnen im Schlepptau. Das passiert bei ihr einfach wie von selbst, sie ist wie ein Honigtopf, oder eine Kerze, um die die Bienen und Falter summen, ein wahnsinnig warmherziger, schöner menschlicher Magnet.
Seit Sunshine hierher gezogen ist, ist alles so anders. Kam hier an, wie ne dunkle Braut, zeigt allen ne kalte Schulter und will ausgerechnet in meine Band! Als die meine Songs singen wollte, war das unglaublicher, als jeder Traum. und es ist toll, dass jemand sein Maul aufreißt, um meine Worte rauszuschreien. Ja, schreien! denn, man muss schon sagen: so richtig toll singen kann sie nicht. Dabei hat sie beim Sprechen eine angenehme Stimme, hell und dunkel zugleich, wie Samt. Na ja. Panne-Samt. Aber das macht gar nichts! Mr. E von den Eels kann auch nicht wirklich schön singen - oder Tom Waits!
Ich habe zwei Freundinnen. Die sind wie Tag und Nacht. Und ich bin die Erde dazwischen. Erst hab ich das gar nicht gemerkt, weil Charlie und ich genau zu diesem Zeitpunkt zerstritten waren. Mehr als zerstritten. Und Sunshine füllte so genau die Lücke. Hab ich jedenfalls gedacht, weil es so viel um Musik ging, Proben, Songtexte durchgehen. Aha, wie meinst du das? Okay! - Cool! - Ich kenne das Gefühl genau! - Meine Musik ist eigentlich alles für mich. Da kam Sunshine wie gerufen. Is so!
Stark und unverwundbar. Schmerzfrei! Und bereit, den meinen hinauszuschmettern. Hätt ich mehr hingesehen, anstatt mir meinen Pony schwarz zu färben und über die Augen zu kämmen, und zugehört, anstatt Lügen rauszuschreien und Lieder zu jaulen, hätte Charlie keine Tabletten genommen. Es war so knapp! So verdammt knapp.
Seitdem rühre ich die Gitarre nicht mehr an. Jedenfalls nicht mehr in eigener Sache. Schlimmer als zu sterben, ist zu sehen, dass andere sterben, finde ich. Oder Möglicherweise zurückzubleiben. Weil das halte ich nicht aus! Klar hab ich auch Angst vor dem Feuer, in dem ich sterbe, aber aller Schmerz aus der Vision, ist ein Scheißdreck gegen den anderen Schmerz: Verlassen zu werden. Ich will nicht, dass Sunshine und Charlie sterben. Und ich ... ich hab mich ja wohl auch entschieden. Auch wenn das Leben Mist ist. Vielleicht wird’s ja noch.
Ich stehe immer noch vor dem Container, und blase einen perfekten Rauchkringel in die Luft. Das hat mir Jakob beigebracht. Eigentlich hab ich mit Rauchen nur angefangen wegen dieser Kringel, das fand ich schon immer schön. Der Ring wabert im Mondlicht, wird größer und dünner – es ist immer noch ein Ring, dann löst er sich in der Luft auf. – Scheiße! Ich wollte ja aufhören mit dem Rauchen! Alles was unser Leben verkürzen kann, fliegt weg. Und damit meine ich jetzt nicht: „Rauchen kann tödlich sein“. Ich meine: Alles, was Feuer verursacht, kann tödlich sein.
Ich werfe die Schachtel den Stiefeln hinterher.