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Die Wiesenjungfrau

In der Nähe des Auerbacher Schlosses gab es früher eine schöne, große Wiese. Da hütete ein Knabe die Kühe des Vaters. Wie er da so saß und seine Tiere beobachtete, spürte er, wie ihn plötzlich zwei weiche Hände von hinten sanft an den Wangen berührten. Er zuckte zusammen und drehte sich um. Da stand eine wunderschöne, in hauchdünne Schleier gewandete Jungfrau vor ihm. Sie lächelte ihm beruhigend zu und wollte zu einer Rede ansetzten. Aber das war schon zu viel für den Jungen. Er bekam Angst, machte auf dem Absatz kehrt und lief so schnell er konnte Richtung Heimat. Kurz blieb er noch stehen, um die Jungfrau noch einmal zu erspähen, doch sie war schon verschwunden. Am nächsten Tag kam er mit seinen Kühen wieder und auch am übernächsten. Aber die Erscheinung zeigte sich nicht wieder und so vergaß er sie langsam.

Als längere Zeit vergangen war, saß er am Waldrand bei der Wiese und etwas raschelte vor ihm. Er blickte hinab und eine kleine, eine blaublühende Blume im Maul tragende, Schlange wand sich vor ihm. Sie sprach zu ihm, er solle doch bitte nicht wieder weglaufen, denn er könne sie erlösen. Dazu müsste er nur die blaue Blume nehmen und damit im Schloss ihre Kammer aufschließen. Dort würde er viele Schätze finden. Doch auch dieses Mal fürchtete sich der Bub so sehr, dass er schnell weglief.

Von nun an wollte der Junge nicht mehr auf dieser Wiese die Kühe hüten. Doch der Vater war auf seine Hilfe angewiesen und so musste er es trotzdem tun. Und als ob sich seine schlimmsten Ängste bewahrheiten würden, legten sich am anderen Tag abermals die zarten Hände von hinten in sein Gesicht. Jetzt flehte und bettelte die Jungfrau ihn an, er solle sie doch nun endlich erlösen. Doch der Bub fand seinen Mut nicht und rannte davon. Die Dame aber rief ihm nach: „Jetzt wird es wieder lange Zeit dauern, bis ich erlöst werden kann. Denn der Kirschbaum auf der Wiese ist noch nicht gewachsen, aus dessen Holz einst die Wiege für das Kind gemacht werden kann, welches mich vielleicht erlösen wird.“ So entschwand sie.

Für den Buben nahm es ebenfalls kein gutes Ende, denn er verstarb wenig später.


Odenwälder Frauensagen

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