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Angesichts des erhöhten Lehrkräftebedarfs auf der Primarstufe[1] (SKBF, 2018) lohnt sich neben der Untersuchung von Quereinstiegsprogrammen auch ein Blick auf die reguläre Rekrutierungsbasis der Lehrerinnen- und Lehrerbildung. Die Ausbildung für Lehrpersonen der Volksschule findet heute in der Schweiz an Pädagogischen Hochschulen (PH) statt. Noch bis in die 1990er-Jahre dominierte das seminaristische Ausbildungsmodell auf Sekundarstufe II (Criblez & Lehmann, 2016), das sich durch einen starken Fokus auf musische, gestalterische und pädagogisch-psychologische Fächer sowie handwerkliche Tätigkeiten und frühe Berufspraxis auszeichnete (Müller, 1975). Im Rahmen der Tertiarisierung der Lehrerinnen- und Lehrerbildung (LLB) Ende der 1990er-Jahre wandelten viele Kantone ihre ehemaligen Lehrerinnen- und Lehrerseminare in Gymnasien um (Criblez & Lehmann, 2016). In diesem Kontext ermöglichte die neue Maturitätsanerkennungsvereinbarung von 1995 mit der Einführung der Schwerpunktfächer[2] Musik, Bildnerisches Gestalten (BG) und Philosophie/Pädagogik/Psychologie (PPP) die Weiterführung (ehemals seminaristischer) musisch-pädagogischer Schwerpunkte auf der Sekundarstufe II (a. a. O.). Die neuen Schwerpunktfächer wurden in der Folge als «bereichsspezifische Vorbildung für die tertiäre LLB» und als «funktionales […] Äquivalent» zu den ehemaligen Unterseminaren (a. a. O., S. 55), das Gymnasium als klassischer Weg in die LLB institutionalisiert. Angesichts dieser Wurzeln der gymnasialen Schwerpunktfächer Musik, BG und PPP in der seminaristischen LLB[3] erstaunt nicht, dass sie von allen Schwerpunktfächern die höchsten Übertrittsquoten an PHs aufweisen (Babel, Strubi & Veselá, 2018). Überraschend ist aber der relativ geringe Anteil: Die Übertrittsquoten ins Studium Primarstufe an PH liegen bei 16 Prozent im Schwerpunktfach Musik, bei 14 Prozent in PPP und 10 Prozent in BG (a. a. O., S. 28[4]).

Gleichzeitig erweist sich in der Schweiz ein zweiter Schultyp der Sekundarstufe II als wichtiger Zubringer für das Studium Primarstufe: die Fachmittelschule (FMS)[5] mit Fachmaturität Pädagogik. Als allgemeinbildende Mittelschule bereitet die FMS auf verschiedene Berufsausbildungen im Tertiärbereich vor – so auch auf die Ausbildung zur Primarlehrperson an PH. Üblicherweise nach dem ersten Schuljahr entscheiden sich die Schülerinnen und Schüler für ein Berufsfeld (z. B. Gesundheit oder Pädagogik) und erhalten dort neben vertiefter Allgemeinbildung Unterricht in berufsfeldspezifischen Fächern. Nach drei Jahren kann im Anschluss an den Fachmittelschulausweis die Fachmaturität erworben werden. Die Fachmaturität Pädagogik wurde 2007 eingeführt und besteht aus einem Lehrgang in Erst- und Fremdsprache, Mathematik, Natur- und Sozialwissenschaften, der Fachmaturitätsarbeit und einem Examen (EDK, 2012). Sie ermöglicht schweizweit formal prüfungsfreien Eintritt in den Studiengang Primarstufe an PHs[6] – ein Weg, den 85 Prozent der Absolvierenden einschlagen (Babel et al., 2018, S. 29). Sie tragen damit in hohem Maße zum Wachstum der PH-Studierendenzahlen bei[7] (Denzler, 2018). In den letzten zehn Jahren hat sich der Anteil Studieneintritte in PHs über eine Fachmaturität fast verdoppelt und beträgt im schweizerischen Durchschnitt heute rund 30 Prozent, an einzelnen PHs bis zu 50 Prozent (SKBF 2018, S. 260). Zeitgleich sind PH-Eintritte via gymnasiale Maturität von 60 Prozent auf rund 40 Prozent[8], an einzelnen PHs bis auf 20 Prozent gesunken (a. a. O.). Diese Entwicklung ist nicht nur angesichts der skizzierten Vorgeschichte der gymnasialen Schwerpunktfächer Musik, BG und PPP erklärungsbedürftig, sondern auch aufgrund des umstrittenen Status der FMS als PH-Zubringerin im Kontext der Tertiarisierung der LLB (Capaul & Keller, 2014; Kiener, 2004).[9]

Die unterschiedliche Bedeutung der beiden PH-Zubringer lediglich mit ungleichen Eintrittsbedingungen und Hochschulzugangsberechtigungen[10] zu erklären, würde an dieser Stelle zu kurz greifen. Im Anschluss an die Schulkulturforschung wird im vorliegenden Beitrag davon ausgegangen, dass bestimmte schulische Profile nicht nur gewisse Gruppen von Schülerinnen und Schülern anziehen, sondern als Sozialisationsumfeld auch weitere Bildungsbiografien prägen (Böhme, Hummrich & Kramer, 2015). Neben statistischen Untersuchungen zu Übertrittsabsichten (z. B. Ramseier et al., 2005; Denzler & Wolter, 2009) und -quoten (SKBF, 2018) sowie Studienwahlmotiven und sozialen Merkmalen von Gymnasiasten und Gymnasiastinnen, die sich für den Lehrberuf entscheiden (z. B. Denzler & Wolter, 2009; Keck Frei, Berweger, Denzler, Bieri Buschor & Kappler, 2012), existiert bisher keine Forschung, die das Verhältnis zwischen Gymnasium und FMS als PH-Zubringer in den Blick nimmt und deren unterschiedliche Bedeutung zu erklären vermag. Daher geht dieser Beitrag der Frage nach, warum die gymnasialen Schwerpunktfächer Musik, BG und PPP nur begrenzt Bedeutung als Zubringer zum Studium Primarstufe haben und wie die hohe Bedeutung der FMS Pädagogik[11] als PH-Zubringerin erklärt werden kann.

Ziel ist, exemplarisch anhand der Dimensionen «Bildungsziele», «Wissensformen» und «Modi der Wissensvermittlung» zentrale Spezifika der beiden Schulprofile kontrastierend darzustellen und auf dieser Basis Gründe für ihre unterschiedliche Bedeutung als PH-Zubringer zu diskutieren.

Lehrberuf: Vorbereitung, Berufseinstieg, Perspektiven (E-Book)

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