Читать книгу Lehrberuf: Vorbereitung, Berufseinstieg, Perspektiven (E-Book) - Dilan Aksoy, Mirjam Kocher - Страница 38

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Immer wieder gibt es in empirischen Untersuchungen Hinweise darauf, dass angehende Lehrpersonen praktische Erfahrungen während des Studiums als hochrelevant für die eigene Professionalisierung bewerten (z. B. Hascher, 2012) und sich mehr, längere und regelmäßigere Praxisphasen bereits ab Beginn des Studiums wünschen (z. B. Bergau, Mischke & Herfter, 2012; Schumacher & Lind, 2000). Dieses als «Praxishunger» bezeichnete Phänomen kann unterschiedlich erklärt werden.

Zunächst ist ein grundsätzliches Interesse der angehenden Lehrpersonen an pädagogischen Tätigkeiten hierfür verantwortlich zu machen. Menschen, die sich für eine Ausbildung zur Lehrerin oder zum Lehrer entscheiden, tun dies zumeist mit dem Ziel, pädagogisch tätig zu sein und sich in den Rollen einer Lehrperson als wirksam zu erleben (Rothland, 2011). Praktische Phasen im Studienverlauf erlauben, wesentliche Tätigkeiten und Rollen des angestrebten Berufs noch vor dem Eintritt in die Berufstätigkeit mit einiger Verbindlichkeit zu übernehmen. Es ist deshalb nachvollziehbar, dass ein deutlicher Wunsch nach Praxis bereits am Beginn des Studiums und selbst vor jeder praktischen Erfahrung besteht.

Eine im Verlauf des Studiums zunehmende Unzufriedenheit mit den «theoretischen» Elementen der Ausbildung (Liebisch, 2010; Schubarth, Speck, Große, Seidel & Gemsa, 2006) verstärkt diesen Wunsch nach Praxis. Makrinus (2013) hat herausgearbeitet, dass «Praxishunger» in diesem Zusammenhang symbolisch für ein nicht deutlich fassbares Unbehagen steht. In einer solchen Betrachtungsweise bilden Praxisphasen gewissermaßen einen Fluchtpunkt. Sie werden als bedeutsamere Quellen der individuellen Professionalisierung wahrgenommen als andere hochschulische Lehrveranstaltungsangebote. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn im Studienverlauf zunächst die fachwissenschaftliche Ausbildung ohne Praxisphasen dominiert.

Ein grundsätzliches Streben nach schulpraktischen Lerngelegenheiten kann aber auch durch praktische Erfahrungen noch verstärkt werden. Studierende suchen in schulpraktischen Kontexten Selbstwirksamkeitserfahrungen und Kompetenzerleben (Korthagen & Evelein, 2016) sowie nach Wegen und Möglichkeiten der Selbstbildbestätigung (Meyer & Kiel, 2014). Erhalten sie ausreichend Gelegenheit, Erlebnisse und Eindrücke zu sammeln und diese in ein positives Selbstbild zu integrieren, so wirkt sich dies förderlich auf ihre Motivation aus, erneut praktische Kontexte aufzusuchen und sich in ihnen zu bewähren. Umgekehrt kann ein Verlangen nach mehr Praxis vor diesem Hintergrund auch als Ausdruck dafür verstanden werden, dass einzelne praktische Lerngelegenheiten als nicht ausreichend unterstützend für die Erfüllung individueller Lern- und Entwicklungsbedürfnisse erlebt werden (Hascher, 2012; Hascher & Kittinger, 2014; Ramm, Kolbert-Ramm, Bargel & Lind, 1998). Ansätze, diesem Problem zu begegnen, werden unter anderem in der Förderung von Möglichkeiten der Selbststeuerung des Lernens (z. B. Endedijk, 2014), in systematischen Betreuungs- und Coaching-Konzepten (z. B. Kreis, 2012) oder im Einsatz von Reflexions- und Dokumentationsmethoden gesehen (z. B. Gläser-Zikuda & Hascher, 2007; Ostendorf & Welte, 2012).

Der vorliegende Beitrag wendet sich dem zuletzt beschriebenen Problemfeld zu, indem schulpraktische Phasen als Lern- und Entwicklungskontexte verstanden werden, in denen es auch darum geht, dass die psychologischen Bedürfnisse angehender Lehrpersonen erfüllt werden (Evelein, Korthagen & Brekelmans, 2008; Korthagen & Evelein, 2016; Korthagen, Kessels, Koster, Lagerwerf & Wubbels, 2001). In der Forschung zu schulpraktischen Phasen wurde diese emotional-motivationale Perspektive bisher weitgehend vernachlässigt (für eine Zusammenfassung siehe Dreer, 2016). Es ist bislang nur wenig darüber bekannt, wie relevant psychologische Bedürfnisse und deren Erfüllung für die individuell wirksame Realisierung schulpraktischer Phasen sind. Auf den folgenden Seiten wird eine Studie vorgestellt, die das Potenzial von Bedürfniserfüllung für die erfolgreiche Umsetzung von Schulpraktika untersucht. Hierzu wird von einer längsschnittlichen Tagebucherhebung berichtet, in deren Rahmen die Bedürfniserfüllung von Studierenden (n = 106) im Verlauf eines zehntägigen Orientierungspraktikums zu fünf Messzeitpunkten erhoben und mit Erfolgsindikatoren für das Praktikum in Beziehung gesetzt wurde.

Lehrberuf: Vorbereitung, Berufseinstieg, Perspektiven (E-Book)

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