Читать книгу Lehrberuf: Vorbereitung, Berufseinstieg, Perspektiven (E-Book) - Dilan Aksoy, Mirjam Kocher - Страница 35

4.2Wissensformen und Modi der Wissensvermittlung

Оглавление

Die skizzierten Bildungsziele schlagen sich in den valorisierten Wissensformen und den Modi der Wissensvermittlung nieder. Die funktionale Logik der industriellen Konvention zeigt sich in der FMS Pädagogik im Format klar umrissener und operationalisierter Kompetenzen, die für die PH-Studierfähigkeit oder den Lehrberuf als wichtig und nützlich erachtet werden. Dies entspricht einem «savoir-faire» (Derouet, 1992) im Sinne von «technischem» Anwendungs- oder Problemlösewissen, das als Wissensform der industriellen Konvention auf zukünftige Aufgaben vorbereitet. Ebenfalls valorisiert wird die der häuslichen Konvention entsprechende Wissensform des «savoir-être» (a. a. O.), die ganzheitliche Charakterbildung, moralische Werte und soziale Fähigkeiten wie zum Beispiel Team- und Kommunikationsfähigkeit umfasst. Die Vermittlung beider Wissensformen erfolgt tendenziell im handwerklich-praktischen, erzieherisch-pädagogischen Modus der häuslichen Konvention: Die Akteure der FMS Pädagogik valorisieren Praxisbezug zum Lehrberuf oder zu einer sozial-erzieherischen Tätigkeit, was sich in den Fachinhalten (z. B. Gruppendynamik im Fach Psychologie, Kinderlieder im Fach Musik), aber auch in der Arbeit an konkreten Fallbeispielen oder körperlich-praktischen Übungen wie Ballspielen zum Erlernen von Taktarten äußert, auf welche die Schülerinnen und Schüler später als Lehrperson gegebenenfalls zurückgreifen können sollen. Auch ohne direkten Bezug zum Lehrberuf erfolgt die Wissensvermittlung alltagsnah und anschaulich, gegebenenfalls unterstützt durch die «häusliche» Praktik des Vormachens und Nachahmens oder durch Objekte wie zum Beispiel eine Gummitastatur zur Veranschaulichung von Harmonien. Ebenfalls der häuslichen Konvention entspricht die Wissensvermittlung im Modus pädagogischer Engführung, Anleitung und Erziehung durch die Lehrperson. Dies fördert eine stärker persönlich-emotionale Beziehungsqualität, welche die Akteure der FMS Pädagogik valorisieren.

Die stärkere Orientierung an Wertigkeiten der staatsbürgerlichen Konvention im Gymnasium zeigt sich auch hier in der präferierten Wissensform: abstraktes Wissen in Form von Konzepten, Theorien und Modellen im Sinne von «savoir» (a. a. O.). In den untersuchten Schwerpunktfächern äußert sich dies zum Beispiel im Format komplexer Harmonie- und Farbenlehre, Musik- und Kunstgeschichte oder in psychologischen Theorien und Modellen. Überwiegend in Textform (z. B. Klassiker der Psychologie) formatiert, erfordert diese Wissensform von den Schülern und Schülerinnen stärker kognitiv-abstrahierende Fähigkeiten. Sie übernimmt keine funktionale Problemlöse- oder Berufsvorbereitungsfunktion und wird, dem Humboldt’schen Ideal entsprechend, eher am Ausmaß gemessen, in dem das Schwerpunktfach das eigene Fachinteresse befriedigt und der persönlichen Entfaltung dient. Diesen staatsbürgerlichen Wertigkeiten entsprechend, erfolgt auch die Wissensvermittlung stärker theoretisch-abstrakt und im Modus intellektueller Übertragung (a. a. O.). Frontalunterricht, extensive Textlektüre und kognitive Arbeit in hohem Tempo werden valorisiert, dies auch in den musischen Fächern, wo zum Beispiel Harmonielehre weniger praktisch-anschaulich als kognitiv über Melodiediktate geübt oder Architekturströmungen im Vorlesungsmodus referiert werden. Die Wissensvermittlung erfolgt weniger objekt- und körperbasiert, sondern stärker kognitiv. Die Lehrperson wird dadurch weniger als pädagogische Sozialisationsinstanz und Rollenvorbild denn als Verkörperung einer Fachdisziplin (a. a. O.) valorisiert, zu der eine eher neutral-distanzierte Beziehung gepflegt wird.

Lehrberuf: Vorbereitung, Berufseinstieg, Perspektiven (E-Book)

Подняться наверх