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Schreiben als multimodale Kommunikation

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Mit der Digitalisierung der Gesellschaft haben sich die Bedingungen der Kommunikation radikal verändert. Die paradigmatisch neuen technischen Mittel zur Produktion, Distribution und Rezeption von Botschaften haben unsere Kommunikationsformen ausdifferenziert und vervielfältigt.

Mit dieser Entwicklung einher ging eine Veränderung der Bedingungen des Schreibens: In Schule und Ausbildung, in der Wirtschaft, im Journalismus, generell in unserem Alltag wurden schriftsprachliche Zeichen zunehmend durch visuelle und auditive Zeichen ergänzt und überlagert. Das hat dazu geführt, dass heute für das Verfassen von Botschaften schreiben allein nicht mehr genügt: «Writing», so postuliert der Editorial Designer Francesco Franchi, «is no longer enough» (Franchi 2014).

Die beschriebene Entwicklung lässt sich gut am Beispiel des Printjournalismus illustrieren: Die Tageszeitung hat sich von einem textorientierten zu einem multimodalen Medium entwickelt, die Praxis der Textproduktion zu einer Praxis des Textdesigns, das Text, Typografie, Foto und Grafik zu einem sinnbildenden Ganzen verbindet (vgl. dazu Blum & Bucher 1998, Blum & Blum 2001, Bucher 2002). Mit der Infografik hat sich bereits eine neue, trimodale Textsorte etabliert, die mittels Datenvisualisierung, Grafik und Storytelling Aufmerksamkeit zu wecken und leichte Zugänge zu komplexen Themen zu schaffen vermag (vgl. Bräm & Göldi in diesem Band). Online erscheint die Weiterentwicklung der Infografik als interaktive Grafik, die neue Formen der Text-Leser/-innen-Interaktion ermöglicht.

Die Digitalisierung hat somit zu einer globalen Aufwertung der visuellen Kommunikation geführt und das seit der frühen Neuzeit herrschende Primat der Schrift als «angesehenste[r] Kulturträger» (Schmitz 2010, S. 388) zunehmend in Frage gestellt. Bilder haben den ihnen lange unterstellten Makel der einfachen Unterhaltung abgestreift (vgl. zur historischen Entwicklung des Verhältnisses zwischen Text und Bild Bucher 2002, 2016a, 2016b; Gruber, Drecoll & Leppin 2018; Schmitz 2010; Wenzel 1995).

Schrift und Bild in Opposition zu sehen, griff allerdings schon immer zu kurz. Auch rein schriftliche Texte waren und sind immer auch materielle bzw. visuelle Gebilde – schon die Schrift selbst ist ein «Hybrid zwischen Sprache und Bild» (Krämer 2006, S. 79), was sich besonders deutlich an der piktografischen Basis der frühen Schriften wie etwa der sumerischen Schrift zeigt (Haarmann 2011, S. 36). Sprachgebrauch ist nur in «materialisierter bzw. medialisierter Form» (Klug & Stöckl 2014, S. 242) denkbar, d.h., Sprache muss sich eines Mediums bedienen (Stimme, Papier, Buchdruck, Computer, Smartphone) und zur Bedeutungskonstruktion tragen immer verschiedene Modi bzw. verschiedene semiotische Ressourcen bei (vgl. etwa Stöckl 2006, Cope & Kalantzis 2009, Kress 2010, Chmelik in diesem Band). So kommen in der mündlichen Interaktion nebst verbalen Mitteln immer auch non- und paraverbale semiotische Ressourcen zum Einsatz (vgl. Deppermann 2018, Mondada 2016; vgl. auch Rieder & Schwarze sowie Jörissen in diesem Band). In der schriftlichen Kommunikation sind neben dem verbalen Code der Schrift stets auch deren visuellen Eigenschaften beteiligt. Zu diesen visuellen Eigenschaften zählen insbesondere Schriftart, -farbe und -größe sowie weitere Modi der Textkommunikation wie Layout und die Verknüpfung des schriftlichen Textes mit Bildern (vgl. bspw. Aebi & Frischherz und Chmelik in diesem Band). Ball & Charlton (2015, Kap. 2.4) konstatieren deshalb zu Recht: «All writing is multimodal.»

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