Читать книгу Rache zum Dessert - Monika Clayton - Страница 10
Kapitel 6
ОглавлениеDieser Tag hatte zwar, wie schon einige andere davor auch, nicht sehr viel versprechend angefangen, doch Luisa und die Flasche Prosecco hatten es geschafft, Theresa wieder aufzuheitern. Was würde ich nur ohne Luisa tun, überlegte Theresa auf dem Heimweg. Sie war es, die sie anspornte und ermunterte, mit der Schauspielerei weiterzumachen. Sie ist es auch, die sie immer wieder aus knietiefen Motivationslöchern ausgrub und nach einem harten Arbeitstag im Restaurant wieder auf die Beine brachte, wenn auch auf ihre ganz eigene Art.
Übermütig versuchte sie den Schlüssel in das Schloss der Haustür zu stecken, was angesichts der Proseccomenge nicht so leicht war, aber von einem Schloss wollte sich Theresa nicht unterkriegen lassen.
„So ein Mist“, fluchte sie vor sich hin. Ausgerechnet jetzt musste dieses verdammte Flurlicht ausgehen. Im Dunkeln tastete sie sich die Wand entlang zum Lichtschalter. Warum mussten diese Flurbeleuchtungen eigentlich immer mit so einem kurzen Intervall geschaltet werden? Bedachten die Hausbesitzer eigentlich nicht, dass es Menschen gab, denen ihre motorischen Fähigkeiten hin und wieder auch mal abhandenkamen?
Erneut nahm sie die Herausforderung mit dem Schloss auf, als die Tür mit Schwung aufgerissen wurde. Erschrocken fuhr Theresa zusammen und sah sich Sven gegenüberstehen. Im Pyjama funkelte er sie an.
„Ups“, unschuldig blinzelte sie ihn an.
„Sag mal spinnst du? Warum kratzt du so an der Haustür rum?“, knurrte er.
„Rum kratzen? Ich habe die Tür aufgesperrt“, korrigierte sie ihn. „Zumindest war ich gerade dabei.“
Wankend schob sie ihn zur Seite und betrat die Wohnung. „Was machst du eigentlich schon hier?“, wollte Theresa schnippisch wissen, während sie ihre Jacke an die Garderobe hängte und sich die Schuhe nachlässig von den Füßen streifte. „Ich dachte du musst länger arbeiten?“
„Hast du schon mal auf die Uhr geschaut?“ Entrüstet hielt er ihr seine Armbanduhr vors Gesicht, was bei ihr jedoch lediglich ein Schielen hervorrief.
„Nein, wie spät ist es denn?“ Krampfhaft bemühte sie sich, nur den Sven in der Mitte ihres Blickfeldes, anzusehen. Der Prosecco mit Luisa hatte gut getan, aber die Kopfschmerzen morgen waren abzusehen.
„Halb zwölf. Verdammt Theresa, ich muss morgen wieder arbeiten.“ Gereizt stapfte er zurück ins Schlafzimmer.
Die Zeit war schnell vergangen. Dass es schon so spät war, wurde ihr erst jetzt bewusst. Aber andererseits … halb zwölf war ja noch keine Uhrzeit.
Bereits im Flur entledigte sich ihrer Hose, die sie, sehr zu Svens Verärgerung, einfach dort liegen ließ. Er hasste das. Wie so manch anderes auch.
„Lass deinen Mist nicht immer und überall liegen“, zischte er hervor, und ließ sich ins Bett fallen. Demonstrativ zog er sich die Bettdecke über den Kopf.
Wie ein begossener Pudel stand Theresa im Schlafzimmer und starrte ihn unschlüssig an. Egal was jetzt passiert, dachte sie und biss sich dabei auf die Unterlippe um ihre Worte zu zügeln, bleib ruhig und gelassen. Was sie jetzt auf gar keinen Fall wollte, war einen Streit heraufbeschwören, schließlich brannte ihr ja immer noch die Neuigkeit mit dem Werbespot unter den Fingernägeln.
„Musst du morgen auch wieder länger arbeiten?“, fragte sie unbedarft, während sie ihre Hose aus dem Flur aufsammelte und aufs Bett warf.
„Weiß ich doch jetzt noch nicht“, grummelte Sven zwischen den Kissen hervor.
Unter ihrem Pullover, der irgendwie nicht so richtig über den Kopf wollte, nuschelte sie: „Du weißt also nicht, ob deine Affäre morgen Zeit …?“ Erschrocken, hielt sie inne. So ein Mist, das hatte sie doch gar nicht sagen wollen. Am liebsten hätte sie sich selbst geohrfeigt. Es war aber auch manchmal wie verhext. Sie dachte sich irgendetwas, und ehe sie sich versah, hatte sie es auch schon ausgesprochen.
Betreten blickte Theresa zur Decke. Jetzt konnte wieder einmal nur ein stummes Stoßgebet helfen. „Bitte, lass es ihn nicht gehört haben. Bitte mach, dass ich jetzt heil wieder aus der Sache raus komme. Ich trinke auch nie wieder Alkohol. Versprochen!“
Leider nahm ihr das Universum ihr Versprechen wohl nicht ab, denn Sven hatte das Genuschel sehr wohl verstanden.
„Spinnst du?“, wütend schlug er die Decke zurück und setzte sich auf. „Manchmal frage ich mich ehrlich, ob du irgendwo zwischen sechzehn und siebzehn stehen geblieben bist.“
Super, vielen Dank auch, stieß Theresa still gen Himmel aus.
„Tschuldigung, ist mir nur so rausgerutscht“, beteuerte sie betreten und blinzelte ihn an.
„Langsam könntest du wirklich anfangen, dich wie eine erwachsene Frau zu benehmen.“ Unbeherrscht stand Sven auf, quetschte sich sein Kopfkissen samt Decke unter den Arm und verließ das Schlafzimmer.
„Waaas!? Sag mal spinnst du“, rief sie ihm hinterher. „Was gehst du schon wieder so in die Luft, du Idiot?“ Soviel also zur Gelassenheit.
Kurz zuckte sie zusammen, als die Wohnzimmertür krachend hinter ihm zufiel.
Der beschissene Tag schien wohl immer noch nicht zu Ende zu sein. Die kurze Auszeit mit Luisa war demzufolge nur als kleine Verschnaufpause zu verstehen. Die Ruhe vor dem Sturm sozusagen.
Benommen ließ sie sich aufs Bett sinken und starrte mürrisch auf die nackte Wand gegenüber dem Bett. Eigentlich hatten sie dort ein gemeinsames Fotoposter von sich aufhängen wollen. Bisher waren sie jedoch zu keiner zufriedenstellenden Einigung gekommen, welches ihrer gemeinsamen Bilder sie vergrößern wollten. Er wollte unbedingt das aus dem ersten gemeinsamen Urlaub. Ausgerechnet das, worauf sie aussah, wie ein Nilpferd beim Auftauchen.
Und sie? Ihr wäre jedes andere recht gewesen.
Morgen, so nahm sie sich vor, würde sie seinem Wunsch nach dem Nilpferdbild nachgeben. Aber erst nach dem obligatorischen Versöhnungssex.
Sie schlurfte ins Bad und strich sich Zahnpasta auf ihre Bürste. Aufgewühlt lief sie während des Putzens durch die Wohnung. Natürlich hasste Sven dies ebenfalls. Er war der Meinung, dass sie ihre körperliche Hygiene hinter verschlossener Türe erledigen sollte. Er wollte nicht sehen, wie sich jemand Essenreste aus seinen Zähnen putzte und im Waschbecken versenkte. Manchmal fand sie ihn aber auch zu kleinlich. Dabei hatte sie sich ausgerechnet, wenn sie einmal die Wohnung langsam abging, waren genau die drei, vom Zahnarzt vorgeschriebenen Putzminuten vergangen.
Gemächlich begann sie ihren Rundgang in der Küche. Schlappte einmal um den Esstisch, am Herd vorbei, warf einen kurzen Blick auf den Kühlschrank, auf dem unendlich viele Zettel klebten, und trabte wieder zur Tür hinaus. Vor dem Wohnzimmer blieb sie zögernd stehen. Sollte sie hineingehen? Heute wäre das wohl keine gute Idee verabschiedete sich Theresa von diesem Gedanken, und wanderte weiter ins Schlafzimmer.
Mit schäumendem Mund stellte sie sich ans Fenster und blickte hinaus auf die Straße. Nur noch vereinzelt sah man Lichter in den gegenüberliegenden Fenstern.
Tief seufzte sie auf. Die meisten ihrer Nachbarn lagen wahrscheinlich schon träumend in ihren Betten; aneinandergekuschelt in liebevoller Umarmung. Nur sie würde die heutige Nacht allein in dem großen Bett verbringen müssen. Warum hatte sie aber auch nicht den Mund halten können?
Eine Minute noch warf sie einen Blick auf die Uhr. Die Zeit schien nicht verstreichen zu wollen. Normalerweise besah sie sich jetzt die bescheuerten Auszeichnungen ihres Liebsten im Wohnzimmer. Seine heldenhaft gewonnen Pokale aus Kinder- und Jugendtagen, die in einer Vitrine standen und regelmäßig poliert wurden.
Nachdenklich setzte sie sich aufs Bett. Hatte für ihn die Beziehung wirklich so wenig zu bieten? Wo war eigentlich der Partner geblieben, der ihre Sorgen und Ängste ernst nahm? Wo hatte Sven seine Gedanken, wenn er hingebungsvoll seine Kindheitserinnerungen aufpolierte?
Nach Antwort suchend starrte sie leer auf seine Seite des Bettes. Die Knitterfalten des Lackes weckten sentimentale Erinnerungen. Eine Träne rann ihr über das Gesicht. Der Tag war beschissen, der Abend war beschissen, ihr ganzes Leben war beschissen. Langsam strich sie über die Stelle, auf der er gerade noch gelegen hatte. Die Wärme seines Körpers war fast noch zu spüren. Träge und versunken in Selbstmittleid nahm sie erst jetzt wahr, was sie gerade berührt hatte.
Unschuldig und stumm lag sein Handy auf der leeren Matratze. Dort, wo gerade noch sein Kopf auf dem Kissen geruht hatte. Sofort erwachten all ihr Sinne. Warum lag es überhaupt dort? Ein Handy unter dem Kopfkissen konnte nichts Gutes bedeuten.
Theresa fielen die Worte von Luisa ein. Kontrolliere dein Vertrauen, hatte sie gesagt, was sie jedoch entschieden abgelehnt hatte. Und nun? Fieberhaft strengte sie ihre angetrunkenen Zellen an.
„Tu es“ - „Nein, mach‘s nicht.“ - „Doch.“ - „Nein.“
„Ruhe jetzt“, rief sie die Stimmen in ihrem Kopf wieder zur Ordnung, „ich muss mal kurz nachdenken.“
„Leg dich hin und schlaf“, riet das gute Engelchen in ihr, was sofort wieder das böse Teufelchen auf den Plan rief. „Es wartet doch nur darauf, durchstöbert zu werden. Wenn er so blöd ist, und es liegen lässt … Glaub mir, das Schicksal meint es gut mit dir. Los, jetzt mach schon.“
Scheiß auf die drei Minuten. Schnell lief Theresa ins Bad und beugte sich über das Waschbecken. Sie hatte eine Gelegenheit, die wahrscheinlich so schnell nicht wieder kommen würde.
Wie ein Dieb kam sie sich vor, als sie sein Handy in ihrer Hand hielt und ehe sie sich versah, hatte Theresa auch schon das Postfach geöffnet.