Читать книгу Rache zum Dessert - Monika Clayton - Страница 6
Kapitel 2
Оглавление„Rechts gehen, links stehen“, fuhr sie den Mann an, der ihr im Weg stand. Unsanft schob sie ihn beiseite und hetzte erneut eine Rolltreppe zur U-Bahn hinab. Wenn sie sich jetzt nicht sputete, käme sie sicherlich zu spät zu ihrer Schicht im Restaurant, was leider auch schon einige Male der Fall gewesen war. Dass sich das in regelmäßigen Abständen wiederholte, lag einfach daran, dass zwischen Arbeitsstelle und Vorsprechen meistens - heute zwar nicht - mehrere zig Kilometer lagen. Das machte es nicht einfach, alles so zu vereinbaren, dass sie immer pünktlich erschien. Zudem wurden ihre Bemühungen oft genug von der Bahn boykottiert. Im Sommer war´s zu heiß, im Winter zu kalt, im Herbst zu rutschig und bei Regen zu nass. Und im Frühling? Da lag wahrscheinlich zu viel Blütenstaub auf den Weichen. Ständig hatten die irgendwelche Probleme. Oft genug wünschte sich Theresa, sie hätte ein Auto, aber leider war das finanziell nicht drin.
Nach ein paar weiteren Stufen, die Theresa schon fast flog, gab sie resigniert auf. Außer Puste konnte sie nur noch der sich entfernenden U-Bahn hinterher sehen.
„Na, zu spät?“ hämisch grinste der Mann, den sie fast von der Rolltreppe geschubst hätte, Theresa an.
Gereizt verdrehte sie die Augen. „Würden sich manche Menschen an die allgemein gültigen Gesetze halten, säße ich jetzt da drin“, fauchte sie unfreundlich und wandte sich ab. Was war nur mit den Menschen los? Hatten die eigentlich alle ihren Spaß daran, sich auf ihre Kosten zu amüsieren?
„So weit ich mich erinnern kann, heißt es aber doch, rechts stehen, links gehen“, gab er gelassen zurück.
„Klugscheißer“, antwortete sie missmutig und funkelte ihn aus zusammengekniffenen Augen an. „Dank Ihnen komm ich zu spät zur Arbeit.“ Ärgerlich richtete sie ihren Blick auf die Anzeigetafel. Dieses Blättern, um den demnächst einfahrenden Zug anzukündigen, schien der endlosen Minute zu gleichen, die der Moderator verstreichen ließ, um den Gewinner bekannt zu geben. „Komm schon“, redete sie dem Gerät gut zu. „Bleib stehen und zeig mir, dass ich die Gewinnerin bin“. Aber selbst die Technik schien sich heute gegen sie verschworen zu haben. Der nächste einfahrende Zug würde um … um … „jetzt mach endlich,“ fluchte sie vor sich hin … zehn Minuten zu spät kommen. Im selben Moment ertönte auch schon die Durchsage.
„Scheint wohl heute nicht Ihr Glückstag zu sein. Hab ich Recht?“
Aus den Augenwinkeln sah sie seine dunkelblauen Augen, auf sich gerichtet. „Was haben Sie denn für einen Konversationsdrang?“, ärgerlich wandte Theresa sich ihm zu. „Mein Glück werde ich sicherlich nicht mit einem wildfremden Mann in der U-Bahn diskutieren!“
„Oh, Entschuldigung. Vielleicht sollte ich mich vorstellen. Ich bin Michael.“ Mit einem strahlenden Lächeln streckte er ihr seine Hand entgegen. „Fällt es Ihnen jetzt leichter, sich zu entschuldigen?“
„Entschuldigen?“ Leicht zog sie eine Augenbraue hoch und sah auf seine Hand. „Für was? Dass Sie mir im Weg standen?“
Okay, sie musste zugeben, er sah verdammt gut aus, wie er so nachsichtig lächelnd vor ihr stand, was aber nichts zur Sache tat, denn schließlich hatte sie doch wegen ihm die Bahn verpasst.
Fast verlegen strich er durch sein volles dunkles Haar, das von ein paar grauen Strähnen durchzogen war. Damit wirkte er jedoch nicht älter, sondern eher interessant, wie sie feststellen musste. Sie schätzte ihn auf knapp über Dreißig, und dass unter seinem Anzug ein durchtrainierter Körper steckte, entging ihr ebenfalls nicht. Aber auch das tat nichts zur Sache, da sie ja mit Sven zusammen war. Sie hatte also weder Interesse daran, eine Bekanntschaft in der Bahn zu machen noch sich für etwas zu entschuldigen, was in ihren Augen sowieso nicht ihre Schuld war.
„Glücklichen Tag noch“, brummte sie herablassend und schob ihn abermals auf die Seite. Wenn sie es noch pünktlich ins Restaurant schaffen wollte, musste sie sich jetzt wohl oder übel, zu Fuß auf den Weg machen. Ohne sich nochmal umzudrehen, stieg sie die Treppen zur Leopoldstraße nach oben. Glücklicherweise hatte wenigstens dieses Casting nicht weit von ihrer Arbeitsstelle stattgefunden, weshalb ein Fußmarsch ohne Weiteres möglich war. Allerdings hätte Theresa den Weg zur Münchner Freiheit mit der Bahn in zwei Minuten geschafft, was bedeutet hätte, dass sie nur fünf Minuten zu spät kam. Es wäre also nicht einmal ein richtiges Zuspätkommen. Bei fünfzehn Minuten allerdings, und das auch nur, wenn sie im Dauerlauf die Straße entlang hetzte, sah die Sache schon wieder anders aus.
Die Hände tief in die Taschen des verwaschenen grauen Anoraks gedrückt, eilte sie die Straße entlang. Stumpfsinnig hielt sie ihren Kopf gesenkt und hing wieder einmal ihren zynischen Gedanken nach.
Was hatte sie denn von diesem Tag erwartet? Dass er anders als die anderen werden würde? Nicht nur, dass sie sich immer noch mit Kleinstrollen rumärgern musste, nein, seit Wochen schien es auch noch so zu sein, als wäre ihr Leben eine einzige Aneinanderreihung von Katastrophen. Egal was sie tat, es ging schief. Ob es nun der Kaffee war, der auf ihre frisch gestärkte Bluse tropfte oder ob es die Sohle war, die sich einfach mal so von den Sneakern löste. Es war wirklich schon alles dabei.
Fehlt jetzt nur noch, dass ich auf dem Weg in die Arbeit überfahren werde, dachte sie verdrossen. Aber dann hätte ich wenigstens wieder etwas Zeit, um zu verschnaufen, doch bei meinem Glück sterbe ich unter den Händen der Ärzte einfach weg. Vorsichtshalber blickte sie sich beim Überqueren der Straße aber dann doch genauer um.
Lebensmüde war sie ja trotz einiger Lebenspannen trotzdem nicht.