Читать книгу Einführung in die Literatur der Romantik - Monika Schmitz-Emans - Страница 7

I. Epochenbegriff 1. Grundlegendes zum Begriff „Romantik“

Оглавление

Problematik des Epochenbegriffs

Gibt es „die Romantik“ überhaupt? Ein solcher Epochenbegriff erzeugt die Suggestion einer thematischen oder stilistischen Einheitlichkeit des Romantischen. Er soll zwar der Orientierung dienen, gehört aber in seiner Vieldeutigkeit eher zu den Kernproblemen der Romantik-Forschung. Einerseits ist der Terminus Romantik so polyvalent, dass an eine präzise Bestimmung nicht zu denken ist; andererseits besaß er für viele Autoren, die ihn vor rund 200 Jahren und danach benutzten, um ihre eigene ästhetische Position zu erläutern, programmatischen Sinn. Zu den theoretischen Fundamenten der Romantik gehören allerdings auch solche Texte, in denen der Ausdruck selbst nicht vorkommt, die aber als romantische Programmschriften gelesen werden können und gelesen wurden. Selbst die Identifikation romantischer Autoren ist umstritten. So gelten Goethe und Schiller aus der Sicht des Auslandes als Romantiker, während sie im deutschen Sprachraum als Vertreter der deutschen Klassik den Romantikern meist gegenübergestellt werden. Zu den Zeitgenossen letzterer gehören so wichtige Autoren wie Jean Paul, Friedrich Hölderlin und Heinrich von Kleist, wobei diese allenfalls unter Vorbehalt einer wie auch immer verstandenen Romantik zu subsumieren sind.

Epochenbegriffe als regulative Ideen

René Wellek und Austin Warren haben in ihrer wegweisenden Theorie der Literatur gerade die Romantik als Beispiel zur Illustration der Problematik von Epochenbegriffen herangezogen (Wellek/Warren 1985, 288). Ihr Vorschlag zum Umgang mit Epochenbegriffen enthält den auf Kant zurückgehenden Terminus „regulative Idee“; angeregt wird, sich einerseits den Charakter derartiger Begriffe als heuristische Konstrukte bewusst zu halten, andererseits mit solchen Konstruktionen zu operieren, da doch ein Zugriff auf Gegenstände wissenschaftlicher Betrachtung ohne alle Konstruktionen ohnehin nicht möglich ist. Es ist üblich, den Beginn der Romantik etwa um 1790 anzusetzen. Schwieriger erscheint es, ihr Ende zu bestimmen, zum einen, weil es von kontrovers diskutierten Vorentscheidungen abhängt, unter welchen Bedingungen man etwa von spät- oder nach-romantischen Werken sprechen möchte, zum anderen, weil die literarhistorischen Entwicklungen in verschiedenen europäischen Ländern keineswegs parallel verlaufen. In Deutschland selbst ergibt sich gleichfalls ein diffuses Bild. Während etwa ab 1830 sogar Autoren, die selbst Romantiker gewesen sind, distanziert auf die Romantik zurück blicken, bleiben epigonale Autoren noch lange im romantischen Fahrwasser, parallel zu neuen literarischen Bewegungen. Zur orientierenden Festlegung ungefährer Eckdaten eignet sich am ehesten das Werk Ludwig Tiecks. Dieser hat in den 90er-Jahren des 18. Jahrhunderts einige der ersten wegweisenden Werke romantischer Literatur verfasst oder an ihnen mitgewirkt: Karl von Berneck (1793/97), Der blonde Eckbert (1796), Franz Sternbalds Wanderungen (1798) sowie Teile der Herzensergießungen und der Phantasien über die Kunst (vgl. dazu Kap. V). Mit seinem Spätwerk hat er dann eine Art Schlusspunkt gesetzt: 1841 erschien Tiecks Waldeinsamkeit, in dessen Titel ein Leitwort aus der frühen Erzählung Der blonde Eckbert aufgegriffen und so indirekt der frühromantische Aufbruch selbst nochmals in Erinnerung gerufen wird – aber eben als Zitat.

„Romantik“ in Literatur, Malerei und Musik

Romantik ist ein verbindendes Thema der Literatur-, Kunst- und Musikwissenschaft. Die Kunsthistoriker streiten aber über die Tragfähigkeit des Terminus als Stilbegriff, wenngleich er sich als Epochenbegriff eingebürgert hat. Schon seit Beginn des 19. Jahrhunderts spricht man in der Musikschriftstellerei von „Romantik“ und „Romantischem“; allerdings haben diese Ausdrücke hier nie eine klar umrissene Bedeutung. E.T. A. Hoffmann, der zugleich Schriftsteller und Komponist war, hat das Wortfeld um das „Romantische“ besonders geschätzt und popularisiert. Es ist dabei aber hier wie auch im folgenden oft unklar, ob mit „Romantik“ ein Stil, eine Technik, ein Kanon von Formen oder eine ästhetische Attitüde bezeichnet sein soll. Analoge Schwierigkeiten wie in der Literaturgeschichte ergeben sich in der Musikgeschichte auch beim Umgang mit den Korrelationsbegriffen „Klassik“ und „Romantik“. Es ist zweifellos durchaus sinnvoll, literarische, malerische und musikalische Romantik als Gesamtkomplex ästhetischer Phänomene zu betrachten – auch wenn sich damit die Probleme einer Begriffsbestimmung des Romantischen vertiefen. Denn gerade für die romantische Zeit sind vielfältige Wechselbeziehungen und Spiegelungen der Künste untereinander charakteristisch.

Einführung in die Literatur der Romantik

Подняться наверх