Читать книгу Einführung in die Literatur der Romantik - Monika Schmitz-Emans - Страница 9
II. Forschungsbericht 1. Die Erfindung der Romantik
ОглавлениеRezeptionsgeschichte der europäischen Romantik
Die wissenschaftliche Diskussion über das „Romantische“ verlief im deutschen Sprachraum besonders lebhaft und intensiv. Konzipiert wird die „Romantik“ zuerst von Deutschen, die sich dabei freilich auf den umfassenden Kontext abendländischer Kulturgeschichte beziehen. A. W. Schlegels Ausführungen über die romantische Kultur sind Pionierleistungen, welche das Romantische als das Signum einer neuen Zeit nicht nur beschreiben, sondern – performativ – zugleich mit inaugurieren. Jean Paul, selbst meist nicht als Romantiker apostrophiert, verankert Kernideen des romantischen Diskurses in der Poetik. Hegels Vorlesungen über die Ästhetik liefern dann bereits erste wegweisende philosophische Analysen des Romantischen, das hier als Ausdruck einer Herrschaft des Geistes über das Äußere interpretiert wird. Das „Reich des Äußerlichen“ vermag in der romantischen Ära Hegels Diagnose zufolge „die Innerlichkeit nicht mehr auszudrücken“, und die Musik als Medium, welches am wenigsten ans Äußerliche gebunden sei, gilt ihm als die ideale romantische Kunstform. Aus außerdeutscher Perspektive wird Romantik lange Zeit vorzugsweise als deutsches Phänomen wahrgenommen. Erst in der Restaurationszeit bürgert sich in Frankreich der Begriff des Romantischen ein. Noch anders stellt sich die Situation in Italien dar. Hier wird offenbar kein Oppositionsbegriff zum Klassischen benötigt; es besteht auf dem Boden der klassischen Kultur kein Bedürfnis, ein Gegenkonzept zur antiken Kultur zu entwickeln, so dass eine entsprechende Ausdifferenzierung von Romantischem unterbleibt. Auch in England entsteht Romantik nicht aus einer starren Opposition heraus; die Grenzlinie zwischen Klassizisten und Parteigängern oder Vorläufern der Romantik ist nicht klar auszumachen. Im deutschen Sprachraum dominiert demgegenüber ein Bedürfnis nach abgrenzender, differenzierender, ja oft polemisch kontrastierender Begriffsbestimmung des Romantischen. Damit ist zu erklären, dass sich hier Verschiebungen und Umwertungen im Umgang mit diesem Begriff deutlicher illustrieren lassen als im kritischen Schrifttum anderer Länder. Romantik ist historisch gesehen zunächst vorrangig ein Thema der Germanisten gewesen, und nicht zufällig ist die Geschichte der Romantikforschung aufs Engste mit der Geschichte der Germanistik verknüpft.