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FÜNFTER ABSCHNITT

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ANKUNFT IN PISI UND WAS DEM VERFASSER DA BEGEGNETE.

SEINE UNTERREDUNG MIT DES KÖNIGS BRUDER.

ABREISE. ER ERREICHT KONIAKARY.

Kaum waren wir in Kasson ausgestiegen, als mir Demba Sego sagte, dass wir nun im Gebiet seines Oheims und daher außer aller Gefahr seien. Er hoffe, ich werde mit Rücksicht der Verbindlichkeit, die ich ihm dafür schulde, es an einer verhältnismäßigen Belohnung für seine Mühe nicht fehlen lassen. Dies kam mir unerwartet, besonders da er wusste, wie man mich in Dschohg ausgeplündert und dass der Rest meiner Habseligkeiten durch das Umschlagen des Fahrzeugs vollends gelitten hatte. Mich zu beklagen wäre aber töricht gewesen. Ich schwieg also und gab ihm sieben Barren Bernstein und etwas Tabak, womit er zufrieden schien.

Am 29. kamen wir abends in Pisi an, und Demba Sego beherbergte uns in seiner Hütte. Am anderen Morgen führte er mich zu seinem Vater, dem Bruder des Königs von Kasson und Statthalter von Pisi. Dieser alte Mann betrachtete mich eine Weile mit großer Aufmerksamkeit, weil er, wie er selbst sagte, außer mir nur einen Weißen in seinem Leben gesehen habe, der Major Houghton gewesen sein muss. Er fragte mich, zu welchem Zweck ich diese Reise unternommen hätte. Ich erwiderte, dass ich das Land und seine Bewohner kennenlernen wolle. Er bezweifelte aber die Wahrheit meiner Aussage und erklärte, ich müsse unbedingt nach Koniakary gehen, wo der König residiere, um diesem Fürsten meine Aufwartung zu machen.

Am Nachmittag entlief einer seiner Sklaven. Darüber entstand ein allgemeiner Tumult. Jeder, der ein Pferd hatte, ritt in die Wälder, in der Hoffnung, den Entlaufenen zu fangen. Demba Sego lieh sich zu diesem Zweck das meine aus. Ich gab es ihm gern, und eine Stunde später kamen die Reiter alle mit dem Sklaven zurück, der gewaltig gestäubt und dann in Fesseln gelegt wurde. Am 31. Dezember erhielt Demba Sego den Befehl, mit zwanzig Reitern nach einer Stadt in Gedumah aufzubrechen, um dort einen Streit mit den Mauren beizulegen, die drei Pferde aus Pisi gestohlen haben sollten. Dernba erbat sich wiederum mein Pferd, und da er in drei Tagen wieder zurück sein wollte, gab ich es ihm auch diesmal. Während seiner Abwesenheit durchstrich ich die Stadt und unterhielt mich fleißig mit den Eingeborenen, die mich mit viel Freundlichkeit und Neugier überall begleiteten und mich billig mit Milch, Eiern und anderen Lebensmitteln versorgten.

Pisi ist eine große Stadt ohne Ringmauer und gegen feindliche Überfälle nur durch eine Art von Zitadelle gesichert, in der Demba Segos Vater mit seiner Familie wohnte. Nach Aussage der Einwohner war die Stadt einstmals nur von einigen sehr reichen Fullah-Viehzüchtern bewohnt, deren Tiere auf den vortrefflichen Weiden genügend Futter fanden. Ihre Reichtümer reizten aber den Neid einiger Mandingos, die sie vertrieben und sich ihrer Grundstücke bemächtigten. Obgleich die jetzigen Einwohner Vieh und Getreide im Überfluss besitzen, sind ihre Speisen doch recht ekelhaft. Ratten, Maulwürfe, Schlangen, Heuschrecken, Eichhörnchen und dergleichen mehr werden von Reichen und Armen gegessen. Meine Leute wurden einmal zu einem Fest eingeladen, und nachdem sie tüchtig von einem Gericht gegessen hatten, das sie für Fisch und Kuskus hielten, fand einer ein Stück harte Haut darin. Er nahm sie mit nach Hause, um mir zu zeigen, welche Art von Fisch sie gegessen hatten. Dabei entdeckte ich, dass sie eine große Schlange geschmaust hatten. Eine andere, noch sonderbarere Sitte besteht darin, dass Frauen keine Eier essen dürfen. Dieses Verbot wird streng befolgt, und man kann eine pisische Frau nicht schwerer beleidigen, als wenn man ihr ein Ei anbietet. In keiner anderen Gegend des Mandingo-Landes habe ich dieses Verbot gefunden.

Am dritten Tag nach Dembas Abreise berief der Statthalter ein Palaver ein, dem ich beiwohnte. Die Debatten zeugten dabei von viel Scharfsinn. Der Fall war dieser: Ein junger reicher Heide, der kurz zuvor eine schöne Frau geheiratet hatte, bat einen mohammedanischen Geistlichen, der im Ruf besonderer Frömmigkeit stand, um Amulette, die ihn im bevorstehenden Krieg schützen sollten. Der Mohammedaner erfüllte sein Verlangen, erklärte aber, dass der andere sich den ehelichen Umgang mit seiner jungen Frau für sechs Wochen versagen müsse, damit das Amulett noch wirksamer sei. So hart dieses Verbot auch war, beachtete es der Heide doch äußerst streng und hielt sich von seiner Frau fern, ohne ihr den wahren Grund zu nennen. Während dieser Zeit verlautete es in Pisi, dass der Geistliche, der sein Abendgebet immer vor des Heiden Hüttentür verrichtete, mit dessen Frau vertrauter wäre, als er sein sollte. Der gute Ehemann war anfangs gar nicht geneigt, in die Rechtschaffenheit seines geistlichen Freundes Misstrauen zu setzen. Es verging wohl ein Monat, bis er eifersüchtig auf ihn wurde. Als aber das Stadtgespräch nicht nachließ, befragte er seine Frau, und diese gestand ihm offen, dass der andere sie verführt habe. Der Heide sperrte sie daraufhin ein und berief ein Palaver, um den Geistlichen zur Verantwortung zu ziehen. Dieser wurde vollkommen überführt und verurteilt, als Sklave verkauft zu werden oder zwei Sklaven zum Lösegeld zu geben, je nachdem es der Kläger verlangte. Der beleidigte Ehemann, der nicht gern mit dieser äußersten Strenge gegen seinen bisherigen Freund verfahren wollte, beauftragte daraufhin, ihn lieber vor dem Haus des Statthalters öffentlich stäuben zu lassen. Dies wurde genehmigt, und man schritt unmittelbar zur Sache. Der Verbrecher wurde mit den Händen an einen starken Pfahl gebunden und bekam mit einer langen schwarzen Rute so kräftige Streiche auf den Rücken, dass er fürchterlich brüllte. Es ist sonderbar, dass die Anzahl der Streiche wie nach dem mosaischen Gesetz vierzig weniger einen war! Die in großer Anzahl anwesenden Zuschauer zeigten durch Zischen und Lachen ihr Wohlgefallen darüber, dass der alte Sünder so gezüchtigt wurde.

Da Pisi als Grenzstadt während des Krieges vor den Räubereien der benachbarten Mauren nicht sicher war und man auch befürchten musste, dass die Feinde das Getreide auf den Feldern vernichten würden, hatte der Statthalter kurz vor meiner Ankunft in die benachbarten Dörfer geschickt, um für das kommende ganze Jahr Lebensmittel teils erbetteln, teils aufkaufen zu lassen. Die Landbewohner bewilligten gern, was sie konnten, und bestimmten einen Tag, an dem sie alle Vorräte nach Pisi bringen wollten. Dies war der 4. Januar 1796. Da zu diesem Zeitpunkt mein Pferd noch nicht zurückgekommen war, ging ich dem Zug entgegen, der die Lebensmittel brachte. Er bestand aus vierhundert Mann, die in einer gewissen Ordnung marschierten. Jeder trug einen Kürbis voll Korn oder voll Erdnüsse auf dem Kopf. Vor ihnen ging eine starke Bedeckung von Schützen, auf die acht Sänger folgten. Sobald sie sich der Stadt näherten, fingen diese an zu singen, und die ganze Prozession beantwortete jeden Vers, nach dessen Ende dann die großen Trommeln gerührt wurden. Unter dem Jauchzen des Volkes erreichten sie das Haus des Statthalters, wo die Vorräte verwahrt wurden. Am Abend versammelten sie sich alle unter einem Baum und brachten die Nacht mit Tanz und anderen Belustigungen zu. Viele der Fremden blieben drei Tage in Pisi, während deren ich überall von Neugierigen umringt war. Da ein jeder mich sehen wollte, fand der Zudrang kein Ende.

Am 5. Januar kam eine Gesandtschaft von zehn Personen im Auftrag des Königs von Tuta Torra, einem westwärts von Bondu gelegenen Landstrich. Diese forderten, dass der Statthalter eine Volksversammlung einberufen solle, und machten folgenden Beschluss ihres Königs öffentlich bekannt: Wenn das Volk von Kasson nicht die mohammedanische Religion annehme und seine Bekehrung nicht durch öffentliches Hersagen von elf Gebeten beweise, könne der König bei den jetzigen Streitigkeiten unmöglich neutral bleiben, sondern werde sich mit dem König von Katschaaga verbünden. Eine Botschaft dieser Art von einem so mächtigen Fürsten musste große Unruhe erregen, und die Bewohner beschlossen daher nach langen Beratungen, sich seinem Willen zu unterwerfen, so demütigend es auch für sie war. Einer wie der andere sagte seine elf Gebete öffentlich her. Das wurde als hinlängliches Bekenntnis angesehen, dass sie dem Heidentum entsagt und die Lehren des Propheten angenommen hatten.

Erst am 8. Januar kam Demba Sego mit meinem Pferd zurück. Ich war herzlich froh, dass ich nun endlich nicht länger warten musste, und ging sogleich zum Statthalter, um ihm meine Abreise für den nächsten Tag anzuzeigen. Der alte Mann machte einige unbedeutende Einwürfe und gab mir endlich zu verstehen, dass ich nicht eher an meine Abreise denken könne, bis ich ihm die Abgaben entrichtet hätte, die er von jedem Reisenden erhebt. Außerdem erwarte er auch noch etwas mehr als Erkenntlichkeit dafür, dass er mich so gütig behandelt habe. Am nächsten Morgen kam mein Freund Demba mit einem beträchtlichen Gefolge, um die Geschenke in Empfang zu nehmen. Ich wusste, dass Widerspruch fruchtlos und Klagen vergeblich waren, und gab ihm also sieben Barren Bernstein und fünf Barren Tabak. Nachdem er sie eine Weile gleichgültig angesehen hatte, legte er alles hin und sagte, dies wäre kein Geschenk für einen so bedeutenden Mann wie seinen Vater, der es in seiner Gewalt hätte, mir zu nehmen, was ihm gefiele. Wenn ich ihm also nicht ein ansehnliches Geschenk machen wollte, so würde er mein ganzes Gepäck zu seinem Vater bringen lassen, damit sich dieser auswählen könne, was ihm beliebe. Ich fand gar keine Zeit für eine Antwort, denn Demba und sein Gefolge öffneten sogleich meine Bündel, streuten alles auf dem Boden umher und stellten weit genauere Nachforschungen an, als man es in Dschohg getan hatte. Demba nahm, was ihm gefiel, unter anderem auch die zinnerne Büchse, die ihm schon bei der Überfahrt über den Fluss so aufgefallen war.

Nachdem ich die zerstreuten Überreste meiner kleinen Habe zusammengesucht hatte, stellte ich fest, dass mir hier wiederum wie in Dschohg die Hälfte geraubt worden war. Selbst der Schmied musste sein Bündel öffnen. Es half ihm nichts, dass er hoch und teuer schwor, alles darin sei sein Eigentum. Was wollte ich machen! Ich war Demba Sego für sein Entgegenkommen, mich sicher von Dschohg hierherzubringen, Dank schuldig. Ich machte ihm also keine Vorwürfe über seine Raubsucht, beschloss aber auf jeden Fall, am anderen Morgen von Pisi aufzubrechen. Um den gesunkenen Mut meiner Gefährten wieder zu heben, kaufte ich ein Schaf zum Mittagessen.

Am Morgen des 10. Januar reisten wir von Pisi ab. Gegen Mittag stieg der Weg zu einer Höhe an, von der wir auf die Berge um Koniakary eine weite Aussicht hatten. Abends erreichten wir ein kleines Dorf, in dem wir übernachteten. Am anderen Morgen brachen wir zeitig auf und setzten nach zwei Stunden über einen schmalen, aber tiefen Strom, einen Seitenarm des Senegals. Um zwei Uhr lag Dubo vor uns, die Vaterstadt des Schmieds, von der er mehr als vier Jahre lang fort gewesen war. Sein Bruder, der zufällig seine Ankunft erfahren hatte, kam ihm mit einem Sänger entgegen, brachte ihm ein Pferd, damit sein Einzug desto stattlicher sein sollte, und bat uns auch, unsere Flinten für eine Ehrensalve zu laden. Der Sänger führte an, die zwei Brüder folgten ihm, und wir waren bald von einer Menge Volk umringt, die ihre Freude, einen alten Bekannten wiederzusehen, durch Singen und Springen auf eine unbändige Art äußerte. Bei Betreten der Stadt begann der Sänger ein Lied aus dem Stegreif zum Lob des Schmieds. Er rühmte seinen Mut, so viele Schwierigkeiten überwunden zu haben, und endete damit, dass er seine Freunde ermahnte, reichlich Lebensmittel für ihn herbeizuschaffen. Als wir an die Wohnung des Schmieds kamen, stiegen wir ab und feuerten unsere Flinten los. Das Wiedersehen zwischen dem Heimkehrenden und seinen Verwandten war rührend; denn diese rohen Kinder der Natur, die von keinem Zwang wissen, äußern ihre Gefühle stark und ausdrucksvoll. Mitten unter diesem Frohlocken wurde die alte Mutter des Schmieds herbeigeführt. Jeder machte ihr Platz, und sie reichte ihm die Hand zum Willkommen. Sie war vollkommen blind, streichelte ihm Hände, Arme und Gesicht und schien sehr glücklich, ihn in ihren letzten Tagen noch um sich zu haben und den Klang seiner Stimme zu hören.

Während dieser lauten Freudenbezeugungen hatte ich mich etwas abseits an eine Hütte hingesetzt, um nicht zu stören. Alles war so sehr mit dem Schmied beschäftigt, dass mich niemand bemerkte. Als endlich jedermann sich gesetzt hatte, wünschte der Vater des Schmieds zu hören, wie es ihm inzwischen ergangen sei. Man gebot Stillschweigen, und der Schmied begann seine Erzählung. Zuerst dankte er Gott, der ihn überall beschützt und nun auch glücklich wieder nach Hause gebracht habe. Dann erwähnte er alles Wesentliche, was ihm seit seiner Abreise aus seinem Vaterland begegnet war, und berichtete dann, welche Gefahren er auf dem Rückweg ausgestanden habe. In diesem letzten Teil seiner Geschichte erwähnte er mich oft. Nachdem er mich umständlich gerühmt hatte, zeigte er zu meinem Platz und rief: »Affille ibi siring – seht, da sitzt er!« Im Augenblick waren alle Augen auf mich gerichtet. Ich schien ihnen wie aus den Wolken gefallen, jeder war verwundert, mich nicht schon bemerkt zu haben, und einige Frauen und Kinder gerieten in Sorge, einem Menschen von solch ungewöhnlicher Gestalt so nahe zu sein. Allmählich aber schwand ihre Furcht, zumal der Schmied ihnen versicherte, dass ich gutmütig sei und niemandem ein Leid zufüge. Daraufhin wagten einige, das Zeug meiner Kleider zu untersuchen, andere hingegen trauten mir noch nicht so bald. Wenn ich mich zufällig bewegte oder die Kinder ansah, liefen die Mütter in größter Eile mit ihnen davon. Nach Verlauf weniger Stunden waren wir jedoch schon bekannter miteinander.

Mit diesen Leuten brachte ich nun den Rest des Tages und den ganzen folgenden vergnügt zu. Der Schmied erklärte sich bereit, mich nach Koniakary zu begleiten und während meines Aufenthalts dort treulich bei mir auszuhalten. Am Morgen des 14. Januar brachen wir auf und erreichten gegen Mittag das Dorf Sulo, drei Meilen südwärts von Koniakary. Dort besuchte ich einen angesehenen Händler, der mit Dr. Laidley bekannt war, und für den er mir eine Warenanweisung im Wert von fünf Sklaven gegeben hatte. Glücklicherweise fand ich ihn zu Hause, und er empfing mich überaus freundlich.

Der König von Kassen musste gleich Nachricht davon bekommen haben, dass ich von Dumbo nach Sub gegangen war, denn kaum hielt ich mich dort ein paar Stunden auf, als sein zweiter Sohn mit einem Trupp Reiter ankam und sich erkundigte, was mich dann gehindert habe, geradezu nach Koniakary zu gehen und mich bei dem König zu melden, der sehr begierig sei, mich zu sehen. Der Händler verteidigte mich gegen diesen Vorwurf und versprach, er werde mich selbst noch am Abend nach Koniakary geleiten. Gegen Sonnenuntergang machten wir uns auf den Weg und trafen nach Verlauf einer Stunde dort ein. Der König schlief aber schon, sodass die Audienz bis auf den nächsten Tag verschoben werden musste. Sein Sohn beherbergte uns in seiner Hütte.

Reisen ins innerste Afrika

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