Читать книгу Einmal Rebellin - Nadine Stenglein - Страница 11

Aufbruch

Оглавление

Davids Fürsorge milderte den Schmerz, der sich wie ein Geschwür in ihr ausbreitete.

„Du kannst so lange bleiben, wie du magst. Meine Wohnung ist zwar nur klein, aber der Platz wird schon reichen, wenn wir uns zusammenkuscheln.“ Er reichte ihr eine Packung Taschentücher und eine Tasse mit warmer Milch, in die er einen Esslöffel Honig gerührt hatte. „Meine Großmutter sagte immer, das wirkt Wunder.“

Seufzend setzte er sich neben Marley und legte einen Arm um ihre Schultern, woraufhin sie sich dankbar gegen ihn sinken ließ und sich die Kette umhängte. Im Eiltempo hatte sie ihren Koffer gepackt und auch Monias Kiste samt Inhalt mitgenommen. Gedankenverloren befühlte sie den Edelstein mit zwei Fingern.

David drückte ihr einen Kuss aufs Haar. „Weißt du was? Wir schauen gleich mal nach Flügen. Nicht, dass du denkst, ich will dich loswerden. Aber ich glaube, je schneller du von hier wegkommst, desto besser. Das wird deinen Kopf frei machen und deine Mutter vielleicht endlich einmal zum Nachdenken bringen. Sie sieht im Moment nur sich. Schreib ihr einen Brief, dass sie sich nicht zu sorgen braucht, und mach dich auf den Weg.“

Marley trank von der Milch, die ihren aufgewühlten Magen wärmte, und stimmte ihrem Freund zu.

Mit dem Flug hatte sie Glück. Wenn sie wollte, konnte sie bereits übermorgen fliegen.

„Dann greif zu“, ermutigte sie David.

Für einen Moment hielt sie die Luft in ihren Lungen gefangen, dann klickte sie auf Buchen.

„Ich habe es wirklich getan!“

David hob eine Hand, klatschte mit ihr ab und umarmte sie dann fest. „Ich bin echt stolz auf dich. Monia ist es sicher auch. Ich kann sie beinahe auf ihrer Wolke jubeln hören.“

„Da ist es wieder.“

David wich zurück und sah sie an. „Was ist wo?“

„Dieses SKS-Gefühl.“

„Was ist das?“

„Ein neues Wort für ein Gefühl, das alle positiven Gefühle in sich vereint und noch eins oben draufsetzt, für das es meiner Meinung nach noch keinen Namen gibt. Das dir im Gesamten aber sagt, dass du das Richtige tust, auch wenn die Außenwelt, das Schicksal und dein Verstand dir einen Vogel zeigen. Schicksalskreuzschritt, SKS.“

„Du bist wirklich verrückt, aber ich glaube, ich weiß, was du meinst. So wird es mir wohl auch gehen, nachdem ich Levin von meinen Bildern erzählt habe.“

Sie griff in Monias Schachtel und holte das Kuvert mit dem Geld hervor. Dann fragte sie David nach einem Blatt Papier und Stiften. Er ließ sie alleine, während sie den Brief an ihre Mutter schrieb:

Hallo Mama,

ich weiß, Du bist sauer auf mich und wirst mich für verrückt halten, wenn ich Dir nun sage, dass ich für ein paar Wochen nach Amerika verreist bin. Ich habe dort etwas Wichtiges zu erledigen, von dem mich niemand abhalten kann. Es fühlt sich richtig an und ich finde, ich sollte endlich einmal meinem Herzen folgen.

Das wünsche ich mir für Dich auch. Dass Du das einmal kannst. Ich weiß, dass Du immer das für richtig empfunden hast, was Deine Eltern Dir gesagt haben. Sicher meinten sie es gut mit Dir. Aber es ist nicht gut, wenn Eltern beginnen, die Wünsche und eigentlichen Stimmen ihrer Kinder zu unterdrücken, wenn diese in eine andere Richtung laufen möchten.

Natürlich möchte ich Dich nicht im Stich lassen und lege Dir für die Übergangszeit ein paar hundert Euro bei. Ich werde das Versprechen, das ich meinen Großeltern gegeben habe, niemals brechen. Ich bin nur für eine Weile nicht greifbar, das ist alles. Ich möchte für mich selbst entscheiden. Wenn ich zurück bin, dann möchte ich sobald als möglich wieder arbeiten. Aber in einem Job, in dem ich mich besser fühle. Und ich würde auch sehr gerne ein Abendstudium der Musik beginnen. Vielleicht nehme ich auch noch einen Kellnerjob an, obwohl du immer gesagt hast, dass das unter unserer Würde sei. Ich finde, es ist ein Job wie jeder andere auch, der Respekt verdient. Und ich mag es, mit immer neuen Leuten zusammenzukommen.

Onkel Eugen tut mir leid und Eure Worte haben mich verletzt. Dennoch verzeihe ich Euch und ich hoffe, Du mir auch. Versuche mich zu verstehen, das würde mir unendlich viel bedeuten. Vielleicht tut uns die Trennung gut und wir können danach noch einmal in Ruhe reden. Du bist doch meine Mutter! Bitte denke auch noch einmal über Monia nach. Ich weiß, dass sie Dich und Oma und Opa trotz allem liebte und nichts Falsches wollte.

Deine Marley

In der Nacht zog eine Regenfront über Berlin und Umgebung hinweg und ließ den Wind um die Häuser heulen.

David schnarchte leise neben Marley. Nach einer Weile knipste sie die kleine Lampe auf dem Tischchen neben dem Bett an, beugte sich zu Monias Kiste, die danebenstand, und holte so leise wie möglich die zwei Briefe daraus hervor, die sie zuletzt lesen wollte. Sie atmete tief ein, als sie den ersten Brief aus dem Kuvert geholt und entfaltet hatte. Der Geruch des Papiers verriet sein Alter. Dennoch empfand Marley ihn als angenehm.

19. März 1991

Liebste Monia,

ich mache oft lange Spaziergänge mit Jayden. Er liebt es, wenn ich ihn in seinem Kinderwagen durch Fairmount schiebe. Entlang der Mainstreet, auf der man noch immer James Deans Schritte vernehmen kann, wenn man genau hinhört. Manchmal fahre ich ihn auch zur Farm der Winslows. Du weißt schon, dort, wo Jimmy einst bei seinem Onkel Marcus und seiner Tante Ortense aufgewachsen ist. Die Familie hat das Haus inzwischen renoviert. Es liegt zwischen weiten Feldern.

Hier in Indiana würde es Dir gefallen, da bin ich sicher. Wir hätten ja nicht in Fairmount bleiben müssen.

Jayden lächelt gern. Das hat er schon von Anfang an getan. Die Ärzte nannten es Engelslächeln. Avery will meist ihre Ruhe. Ich bin ihr Haushund, anders kann ich es nicht bezeichnen. Jedenfalls fühlt es sich so an, und das tut weh. Immer wieder gibt sie mir zu verstehen, dass sie mir Jayden jederzeit wegnehmen könnte. Aber die Familien sind nun soweit zufrieden. So wird es wohl auch bei Dir sein. Ich halte mich an den schönen Erinnerungen fest, und an der Hoffnung, die mir bleibt, solange Du mir noch schreibst. Bitte hör nicht auf damit.

In tiefster Liebe, Dein Tom

Tränen liefen Marley übers Gesicht, als sie den nächsten Brief öffnete. Wie schon einmal zuvor hatte Tom einen silbernen Stern auf den Umschlag gezeichnet. Dieses Mal auf die Vorderseite, direkt neben Monias Namen.

Einmal Rebellin

Подняться наверх