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Dream after dream

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„Es kann weitergehen“, frohlockte Ruby und zog sich wieder zurück. Anna atmete durch und beschloss, ihre Brille wieder abzunehmen, sobald die Männer direkt vor ihr standen. Sie kamen mit lässigen Schritten auf sie zu. Auch die beiden gefielen ihr äußerst gut. Blond, blauäugig, einen Kopf größer als sie. Der eine trug einen dunkelblauen Anzug mit weißem Hemd, der andere war eher leger und sportlich gekleidet und besaß ebenfalls eine Brille. Was Anna irritierte, waren die Blicke, die sie plötzlich tauschten, je näher sie kamen. Schnell streckte sie ihnen eine Hand entgegen, zog die Brille ab und lächelte.

„Ich bin Anna Nash. Hallo und willkommen.“

Hatte das nun gut und lässig genug geklungen?

„Hi?!“, bemerkten beide gleichzeitig. In ihrem Tonfall schwang ein deutliches Fragezeichen mit.

„Nett. Wirklich nett. Fast so wie auf dem Foto“, sagte der Anzugträger ein wenig stockend, sodass die Selbstzweifel sofort wieder in ihr hochstiegen. Er stellte sich als Luca Bennet vor. Automatisch versteifte sie sich erneut. Nacheinander reichten ihr die zwei die Hand, wobei Anna auch den Namen des anderen erfuhr. Er hieß Marvin O'Hara.

„Ich freue mich, dass ihr gekommen seid. Alles aufregend, nicht?“, bemerkte sie und dankte Gott im Himmel, dass ihr Bauch nun Ruhe gab.

„Wahnsinnshütte jedenfalls. Können wir schon reingehen?“, erwiderte Marvin.

„Ja, natürlich. Wir treffen uns dann später drinnen“, sagte Anna. Sie wollten tatsächlich bleiben.

„Klar, Anna. Lass dir ruhig Zeit“, bemerkte Luca und ging Marvin voraus. Viel hatte sie nun nicht über die beiden erfahren, aber das konnte sie später nachholen.

Sie atmete aus und setzte die Brille wieder auf. Ruby hielt einen Daumen nach oben, aber ihre Mimik sagte etwas anderes. Es dauerte nicht lange und der nächste Kandidat rollte an. Dieses Mal auf zwei Rädern einer rotsilbernen Yamaha Virago. Er schwang sich lässig vom Sattel und schlenderte gemächlich in Annas Richtung. Dabei nahm er seine Sonnenbrille und den schwarzen Helm ab. Darunter kamen kastanienbraune Haare zum Vorschein, die ihm bis zu den Schultern reichten. Aus seinem markanten Gesicht stachen eisblaue Augen hervor, die sie noch mehr beeindruckten als seine Größe. Der Mann überragte sie um mindestens zwei Köpfe und seinem Körperbau nach trieb er neben dem Motorradfahren auch Kraftsport. Das war ganz klar Rubys Beuteschema, und Anna musste zugeben, froh zu sein, dass sie ihn für sie an Land gezogen hatte. Ihn umgab eine geheimnisvolle Aura und das machte Anna richtig neugierig. Nur schweren Herzens nahm sie die Brille abermals ab, versuchte, wieder lässiger dazustehen und lächelte so charmant sie nur konnte.

„Du bist also die Bachelorette. Ich bin Kevin Kent, hi.“

Anna streckte ihm eine Hand entgegen, glücklich, dass er sie sogleich erkannt hatte. „Hallo. Freut mich, dich kennenzulernen.“

Entgegen ihrer Erwartung hauchte er ihr einen Kuss auf den Handrücken.

„Du scheinst echt nett zu sein. Das gefällt mir. Keine Tusse“, bemerkte er.

„Nein, keine Tusse. Ich glaube, davon bin ich meilenweit entfernt.“

„Anfangs dachte ich, dass eine Lehrerin und ich wohl nicht harmonieren würden, aber ich denke, wir werden uns schon verstehen, Anna Nash.“

Noch immer fragte sie sich, welches Foto ihre Grandma und Ruby ausgesucht hatten. Anscheinend hatten sie den Männern auch von ihrem Job erzählt. Zum Glück schien das mit dem Video an ihnen vorbeigegangen zu sein. Sie würde es jedenfalls nicht von selbst ansprechen.

„Es ist auf jeden Fall ein interessanter Mix. Ich bin gespannt.“

Plötzlich kamen ihr die Worte leichter über die Lippen. Mit jedem Neuankömmling entspannte sie sich ein wenig mehr, was ihr Mut gab.

„Und ich erst, Anna Nash.“

Sie bat ihn, sich zu den anderen zu begeben, und setzte ihre Brille wieder auf, als hinter ihnen ein Radfahrer auftauchte und direkt neben Kevins Bike parkte. Anna sah Kevin nach. Sein Po war knackig, das stand schon. Bevor er ins Haus ging, drehte auch er sich noch einmal zu ihr um. Sofort wandte sich Anna ab und richtete ihre Aufmerksamkeit auf den Radler, der in eng anliegender blutroter Montur und farblich dazu passenden Sportschuhen auf sie zukam. Auf dem Rücken trug er einen schwarz-rot gestreiften Rucksack. Die Abdrücke seiner Radlerbrille bildeten Ränder um seine Augen. Dennoch sah er gut aus mit seinem rotblonden Igelschnitt, den vielen Sommersprossen um die Nase und den smaragdgrünen Augen. Er verengte die Lider.

„Sind Sie es oder sind Sie es nicht? Am besten stelle ich erst einmal mich vor. Ich bin Mark Louis. Hallo!“ Seine Stimme klang angenehm, nicht zu hell, nicht zu dunkel.

„Wenn Sie Anna Nash meinen, ja, die bin ich. Hallo Mr Louis.“

Er lächelte spitzbübisch. Schweiß glänzte auf seiner Stirn.

„Ich habe den ganzen Weg hierher auf meinem Drahtesel zurückgelegt. Sorry, wenn ich ein wenig verschwitzt bin.“

Sie reichten sich die Hände.

„Das macht nichts. Woher kommen Sie denn?“

„Aus Staffordshire. “

Anna kannte die Gegend. Robert hatte sie einmal, mehr oder weniger freiwillig, dorthin zu einem Geschäftstermin mitgenommen.

„Waren Sie schon einmal dort?“

Anna brauchte einen Moment, um aus ihren Gedanken ins Hier und Jetzt zurückzukehren.

„Ja“, antwortete sie knapp.

„Die Wege des National Forest liebe ich besonders. Dort kann man herrlich Rad fahren. Besonders nach einem langen Tag im Büro. Das können wir auch gerne einmal gemeinsam tun, wenn wir uns näher kennen. Ich freue mich darauf.“

Sie wollte die Brille abnehmen, aber er hielt sie zurück.

„Die steht Ihnen wirklich gut, Miss Nash, auch wenn Sie auf dem Foto keine getragen haben und, entschuldigen Sie, jünger aussahen.“

„Ach wirklich?“

Mark nickte. Sie ließ die Brille, wo sie war, und ging einen halben Schritt auf ihn zu. Kurz schielte sie zu Ruby, die ihr abermals winkte, dann wandte sie sich wieder an Mark.

„Wenn Sie mögen, können Sie das Miss weglassen, Mark.“

Er spitzte die Lippen. „Ja, warum eigentlich nicht?“

„Gut! Darf ich dich etwas fragen? Hast du mein Foto dabei?“

„Du meinst das von der Anzeige?“

„Genau das.“

Sie lächelte und fast glaubte sie, wieder ihren Bauch grummeln zu hören.

„Das habe ich. Aber stimmt, man muss vorsichtig sein heutzutage. Also, ich kann beweisen, dass ich wirklich dieser Mark bin, der sich daraufhin gemeldet hat. Ich kann dir sagen, ich war so was von glücklich, als ich die Antwort bekam, dass ich einer der Auserwählten bin. Dabei geht es mir nicht um das Geld.“

„Dann … dann weißt du also von der ganzen Sache?“

Er legte die Stirn in Falten. „Du doch auch. Also, ich weiß, dass eine Freundin von dir und deine Großmutter mit involviert sind. Deine Großmutter ist sicher eine Wucht! Gehört ihr die Villa?“

Sie lächelte irritiert, genau wie er.

„Zeig mir doch bitte mal das Foto.“

Er nahm seinen Rucksack ab und kramte daraus ein Blatt hervor, das er Anna in die Hände drückte. Im oberen Viertel, mittig, war ein Foto abgedruckt, das Anna mit höchstens zweiundzwanzig zeigte. Da hatte sie noch keine Brille gebraucht und eine überaus schlanke Taille gehabt. Sie trug ein kurzes feuerrotes Kleid, die Haare offen und war braun gebrannt. Ihre blauen Augen leuchteten in die Kamera, während sie über das ganze Gesicht strahlte. Was hatten sich Ruby und Rose dabei gedacht? Sie blickte zu Mark hoch und der starrte sie an, vielmehr in sie hinein.

„Rot ist deine Lieblingsfarbe, dachte ich. Wie meine. Na ja … und viele bearbeiten ihre Fotos, um die Realität ein wenig zu verfälschen. Besonders, wenn man damit etwas erreichen will. Nicht wahr? Schwamm drüber. Du gefällst mir auch so gut“, flüsterte er.

„Das ist nicht bearbeitet. Da war ich tatsächlich jünger.“

„Ähm … ach so. Aber sicher hätte ich dich auch so angeschrieben. Ehrlich!“

Mit seinen Blicken scannte er die Villa. „Und ich muss sagen, du wohnst wirklich sehr schön.“

Anna glaubte, in weiter Ferne Alarmglocken schrillen zu hören. Aber Mark war offen und schien kein Blatt vor den Mund zu nehmen, wobei er nett blieb, was sie wiederum reizte, wenn auch er sie damit schon vor den Kopf gestoßen hatte. Loswerden konnte sie ihn noch immer und wann immer sie wollte. Sie las den Text unter dem Foto:

Liebe Männerwelt,

ich, eine junge Singlefrau aus Mayfair, bin auf der Suche nach einem netten, aufregenden, sexy, leidenschaftlichen, mit beiden Füßen auf dem Boden stehenden, aber auch gerne mal in Traumwelten fliegenden Mann. Kurzum: Am besten, du hast von allem etwas. Ausgeschlossen: Machos sowie mehrere Eisen im Feuer, Selbstverliebtheit, Großkotzigkeit, Unehrlichkeit, Tobsuchtsanfälle und Wutausbrüche. Ich freue mich auf ehrlich gemeinte nette Zuschriften unter Chiffre. Näheres, auch Foto, folgt bei Interesse.

Anna ließ den Zettel sinken. Näheres bedeutete demnach wohl, dass Ruby und Rose die Bewerbungen sortiert und die Auserwählten mit dem Rest der Geschichte betraut hatten. Dass sie in die Villa ziehen sollten und so weiter.

„Alles in Ordnung, Anna?“, fragte Mark.

„Was? Ja, ja, alles okay.“

„Ich finde es klasse und mutig von dir, dass du den Spieß einmal umdrehst.“

„Wie meinst du das?“

„Im Grunde sind es ja immer die Männer, die Macho spielen. Das denken zumindest doch die meisten Frauen.“

„Moment. Ich spiele nicht Macho. Ich suche nur, wie jeder eigentlich – nun gut, fast jeder – nach meinem Seelenpartner. Bis jetzt hatte ich kein Glück. Aber ja, es ist verrückt.“

Sie blickte kurz zu Ruby und Dr. Eugene, die sie beobachteten.

„Sind das Freunde von dir? Ist der ältere Herr etwa auch einer von uns?“ Seine Augen weiteten sich.

„Oh, nein, nein. Es sind Freunde, ja.“

„Du, das mit dem Macho – so meinte ich das auch nicht. Ich habe meine Seelenpartnerin noch nicht gefunden, sonst wäre ich ja nicht hier. Vielleicht liegt es auch daran, dass ich gerne ins Fettnäpfchen trete. Das hat schon ein paar Frauen vergrault, die ich nett fand.“

Ob sie wollte oder nicht, sie musste leise lachen.

„Entschuldige, Mark. Deine Offenheit ist wirklich unschlagbar, aber sie gefällt mir.“

„Tatsächlich?“ Sein Gesicht erhellte sich. Noch einmal kramte er in seinem Rucksack, zog etwas heraus und drückte es ihr in die Hände. Erst jetzt bemerkte sie, dass drei Autos neben den anderen Fahrzeugen geparkt hatten. Noch war keiner der Insassen ausgestiegen. Sie blickte auf ihre Handfläche. Mark hatte ihr ein versilbertes Miniatur-Tandemrad gegeben.

„Wer weiß. Vielleicht fahren wir irgendwann zusammen auf einem richtigen Rad in die Zukunft.“

Ernst blickte sie ihn an und er erwiderte ihren Blick ebenso ernst.

„Wieder ein Fettnäpfchen?“, fragte er vorsichtig.

Anna war gerührt. „Nein, kein Fettnäpfchen. Das, was du gesagt hast … wirklich schön. Wer weiß, was passieren wird. Lassen wir uns überraschen. Ich danke dir. Drinnen warten bereits ein paar Herren bei Drinks und Häppchen. Ich empfange noch die anderen und komme dann nach.“

„Ich danke dir, Anna Nash. Irgendwie witzig. Klingt wie das deutsche Wort für Ananas. Also wenn man es schnell ausspricht. Schnell hintereinander, Vor- und Nachname meine ich. Meine Großmutter väterlicherseits ist Deutsche. Ich kann die Sprache ganz gut.“ Er räusperte sich, presste die Lippen aufeinander und deutete an, sie mit einem imaginären Schlüssel zu verschließen.

„Das ist ja interessant. Ich unterrichte auch Deutsch. Was den Namen angeht, bist du nicht der Erste, der das festgestellt hat.“ Sie klopfte ihm auf die Schulter und er eilte Richtung Eingang.

„Heilige Mutter Gottes. Das ist ja ein ganzes Schloss. Bist du etwa mit der Queen verwandt?“, hörte sie ihn fragen und musste erneut schmunzeln.

Gleichzeitig stiegen die Neuankömmlinge aus ihren Wagen. Als hätten sie es einstudiert, nahmen sie in der gleichen Sekunde ihre Sonnenbrillen ab, schlossen die Türen und traten vor die in der Sonne blitzenden Autos: ein gelber Nissan, ein schwarzer Toyota und ein silberner Range Rover, allesamt poliert und getunt. Wenn sie damit bei Anna Eindruck schinden wollten, waren sie auf dem falschen Dampfer. Für sie gab es nur ein Auto, dem sie treu ergeben und verfallen war, und zwar ihr eigenes. Natürlich konnte sie nicht leugnen, dass sie auch einmal woanders hinschielte, doch würde sie einen Menschen nie auf sein Gefährt reduzieren oder es gar auf ein Podest stellen.

In V-Formation kamen die drei auf Anna zu, angeführt von einem dunkelbraun gebräunten Mann, der ebenfalls, wie alle anderen bisher, in ihrem Alter sein musste. Er besaß tiefbraune Augen, einen Dreitagebart und trug einen weißen Smoking mit dunklem Shirt, dazu Lederschuhe. Sein Schmollmund zuckte, als er vor ihr stehen blieb.

Anna nahm schnell die Brille ab und blinzelte ihm zu. „Hallo!“, sagte sie und lächelte.

Er nahm ihre Hand und hauchte ihr galant einen Kuss auf die Hand, wie sie es heute schon einmal erlebt hatte. „Hi! Ich bin Jean-Paul Weller, Webdesigner aus London.“ Er sprach mit dunkler, leicht rauer Stimme, die durchaus sexy klang.

„Nennt mich alle einfach Anna. So habe ich es auch mit den anderen vereinbart oder sie mit mir. Einverstanden?“

Irgendwie machte sie dieser Jean-Paul nervöser, als sie ohnehin schon war. Er war ein Mann, den man wirklich nicht so einfach von der Bettkante schubsen würde. Allerdings wartete in seinem Schatten bestimmt eine keifende Menge Frauen, die nur darauf hofften, dass er einen abservierte. „Ich bleibe lieber beim Miss.“ Er scannte sie von oben bis unten und schüttelte dann den Kopf. „Tut mir leid, ich lasse mich nur ungern verarschen. Meine Zeit ist zudem äußerst kostbar.“

„Was?“

„Das Foto war ein Fake. Sie sehen ja völlig anders aus als auf dem Bild. Deshalb guten Tag, Miss Nash.“

Er wandte sich zum Gehen und ließ die Reifen quietschen, als er davonbrauste.

Irritiert starrte Anna ihm nach. Die anderen beiden nutzten die Chance und reichten ihr gleichzeitig die Hände.

„Payden Longdrink. Also, ich muss sagen, der Typ war zwar seltsam, aber er hat recht. Ich empfehle mich ebenfalls. Dass da der Wurm drin ist bei so einem Haus, ist ja klar. Hätte ich mir schon bei der vorausgezahlten Summe denken sollen. Ich werde sie trotzdem behalten. Für die Mühe.“

Anna blieb nicht einmal Zeit, noch etwas zu sagen, so schnell war er verschwunden. Blieb also nur noch einer.

„Landen Jackson.“

„Anna Nash. Hallo oder Auf Wiedersehen?“, stammelte sie und schluckte schwer.

Er lächelte schulterzuckend, beäugte sie wie einen Kaufartikel und zog schließlich ein Resümee. „Lebwohl würde ich sagen.“

Anna erstarrte. Ruby kam angerannt, als auch Landen sich aus dem Staub gemacht hatte, und nahm ihre Freundin in die Arme. „Mein Gott! Das war so … erniedrigend, Ruby.“

Ein Erbe zum Verlieben

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