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Kapitel 5

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Sie träumte. Ihr Schlaf war unruhig und die Bilder, die sie in ihren Träumen an sich vorüberziehen sah, wirkten wie aus einer anderen längst vergessenen Zeit. Einer Zeit, in der die Menschen noch wussten, wer sie waren und in der sie das tun konnten, was ihre innere Stimme ihnen befahl, während sie dem Lauf der Jahreszeiten folgten. Tief in ihrem Inneren spürte sie wie sie immer wieder und wieder um dieselben Themen kreiste und sich wirklich im selbigen zu drehen schien. Schluss damit, dachte sie und die Bilder von griechischen, ägyptischen, keltischen, nordischen und indianischen sowie australischen Mythen verpufften, wie in einer Rauchwolke und schienen wie bei der Bildung eines neuen Sonnensystems zu explodieren, um sich wieder neu zu ordnen. Schweiß stand ihr auf der Stirn und ihr Körper versuchte angestrengt, wieder zu erwachen, während ihre Seele sich von diesem scheinbar neuen Sonnensystem angezogen fühlte. Melissa wollte darauf zu schweben, aber selbst wenn sie gewusst hätte, wie sie es hätte erreichen können, schien irgendeine Barriere sie davon abzuhalten. Beinahe so als würde sich ein Schutzschild um dieses neue Sonnensystem befinden. Wahrscheinlich musste sie wohl erst einmal den Schalter finden, dachte sie. Schließlich gab es zu allen Dingen irgendeine Art Schalter, den man umlegen musste, um dorthin zu gelangen, wo man hin wollte. Nur wo, fragte sie sich, befand sich dieser Schalter oder waren es sogar mehrere? Ihre Hände tasteten um sich und blieben abrupt in einer gallertartigen Masse stecken. Das Herz klopfte ihr bist zum Hals und pulsierte mit einer ozeanischen Gewalt, durch ihren Körper, während sie sie sich Schritt für Schritt vorsichtig herumdrehte und sie in das Antlitz einer Frau blickte, die sie mit unverhohlener Neugierde musterte. Sie schmeckte Salz auf ihren Lippen und der Geruch des Meeres drang in ihre Nase und ergriff von ihrem gesamten Körper Besitz. Sie hörte Stimmen flüstern und wispern, aber sie konnte nicht verstehen, was sie sagten und zu wem sie dies taten. Sprachen sie zu ihr oder der Frau, die sie weiterhin so entnervend anblickte? Was wollte sie von ihr, war sie ein Teil ihres vielschichtigen Unterbewusstseins, ein Teil ihrer selbst? „Sie sieht mich,“ hörte sie die Stimme der Frau in ihren Kopf widerhallen, während ihre Lippen sich keinen einzigen Millimeter bewegten. „Kann sie dich auch hören?“ drang eine andere Stimme in ihren Kopf, die eindeutig einem Mann gehörte. „Ich weiß es nicht“, erwiderte die Stimme der Unbekannten, „aber ich bin verdammt froh, dass wir sie endlich gefunden haben. Jetzt müssen wir nur noch ...“ Abrupt riss die Verbindung zwischen ihnen ab und das Antlitz der Frau, flackerte wie bei einem schlecht eingestellten TV-Gerät, um schließlich gänzlich zu verschwinden, bevor sie sich selbst auf einer riesigen, großen Uhr wiederfand. An ihren Armen und Beinen befanden sich Fäden und ihr Körper war in ein blutrotes Tutu gehüllt, die gänzlich in Kontrast zu den weißen Ballerinaschuhen an ihren Füßen, standen. Ein Ruck ging durch ihren Körper und sie wurde unweigerlich von den Fäden mal in diese, mal in jene Richtung umher gerissen, Marionette, die sie war, während sie einen bizarr wirkenden Tanz tanzte, der ihr schier unendlich vorkam und einfach nicht aufzuhören schien. Die große Uhr unter ihr begann zu beben und die Fäden rissen ohne Vorwarnung von ihrem unsichtbar, in der Schwärze verborgenen Puppenspieler ab, während sie taumelte und taumelte und hinab fiel, aus dem Traum in die Wirklichkeit hinein … wo sie mitsamt Decke, in der sie sich irgendwie verheddert hatte, aus dem Bett fiel und unsanft erwachte. Ihre Haare versperrten ihr die Sicht und völlig außer Atem versuchte sie sie erfolglos aus dem Gesicht zu pusten, während sich Schritte näherten und die Türe sich leise quietschend öffnete. Durch ihre Haare konnte sie erkennen, dass Arthur hinein lugte und auf sie zu eilte, als er sie am Boden liegen sah und sich zu ihr hinunter kniete. „Isa“, flüsterte er und sie blickte ihn an, während er ihr sanft das Haar aus dem Gesicht strich. „Hast du dir wehgetan?“, wollte er wissen und sie schüttelte langsam mit dem Kopf, nachdem sie in sich hinein gehorcht hatte. „Nein“, flüsterte sie und seine Hand umfing ihr Gesicht. Aus Gewohnheit schmiegte sie sich in seine Handfläche, hielt aber abrupt inne, als ihr bewusst wurde was sie da tat und tief Luft holend schloss sie die Augen. Alles in ihr revoltierte, wogegen wusste sie selbst nicht genau zu sagen. Schnell wand sie sich aus seiner Berührung heraus und rappelte sich mit zusammengepressten Lippen auf, während er sie fragend ansah. Melissa wich seinen Blick aus, während immer noch Bilder irgendeines Sonnensystems und dem entnervenden Blick dieser seltsamen Frau, unter ihrer Oberfläche brodelten, und versuchten ihre Aufmerksamkeit für sich zu beanspruchen. Die Decke aufhebend setzte sie sich aufs Bett und ihr Blick streifte die Uhr. Es war 4:53 Uhr, mitten in der Nacht und alles, wonach sich ihr verräterischer Körper sehnte, war von dem Mann der vor ihr stand in die Arme genommen zu werden, nach diesem ziemlich verwirrenden Traum. Welle über Welle schwappte über sie und sie hatte alle Hände voll zu tun, seiner Anziehungskraft nicht nachzugeben. Er schien wie die Erde und sie wie der Mond, der seine Bahnen um sie zog, während sie niemals wirklich zueinander kommen konnten. Oder waren sie eher wie Mond und Sonne? Der eine voller Hitze und die andere voller Kälte. Ihr Mund wurde staubtrocken und sehnte sich danach von ihm getränkt zu werden, bevor er sie mit aller Macht aus der Realität entführte und immer tiefer mit sich hinab riss, in die Gefilden des Unterbewusstseins, das einzig und allein aus Empfindungen bestand. Innerlich begann sie zu beben und wünschte sich nichts sehnlicher, als dem was sie in diesen Moment wollte, nachzugeben. Aber sie wusste, dass es nicht mehr ging. Es stimmte sie traurig, und noch während sie all ihre Sehnsucht und all ihre Lust in den Tiefen der Vergessenheit vergrub, spürte sie, dass etwas anderes sie drohte zu überwältigen. Etwas wovon sie niemals gerechnet hätte und das ihr schier die Sprache verschlug. So schnell es ging versuchte sie ihre Empfindungen hinter einer Maske zu verbergen, aber es war bereits zu spät. Arthur hatte den inneren Tumult in ihr wahrgenommen und wusste, wie es um sie stand. Sie konnte es deutlich in seinen Augen sehen. Dennoch sagte er kein Wort, und als er sich schließlich umdrehen wollte, um das Zimmer zu verlassen, wäre sie beinahe aufgesprungen, um ihn davon abzuhalten. Mit aller Macht zwang sie sich dazu, sitzen zu bleiben und als sich die Türe wieder hinter ihm geschlossen hatte, sprang sie auf und eilte zu ihr. Mit beiden Händen an der Klinke lehnte sie ihren Kopf an die Türe. Ihr Gesicht war eine schmerzliche Verzerrung all ihrer inneren Kämpfe. Ein Exposé, was ihre Historie bereits geschrieben hatte, während sie bis dato bloß ein stiller Teilhaber ihres eigenen Lebens gewesen war. Zumindest hatte sie dieses Gefühl, ebenso wie es ihr sagte, das sie sich mitten in einem Umbruch befand, der ihr Leben für immer verändern sollte. Und damit war nicht das Kind gemeint, das sie erwartete und das ihr Leben ebenfalls auf den Kopf stellte, sondern etwas das weitaus profunder war, als alles bisher da gewesene. Tränen füllten ihre Augen, brachen die Wangen hinunter rinnend hervor, eine glänzende Spur der verzweifelten Hoffnung hinterlassend. Sie fühlte sich so verdammt leer. So leer und so verlassen, obwohl sie sich immer noch inmitten von Menschen befand. Menschen, von denen sie geglaubt hatte, sie zu kennen und die sie ebenso in eine Schublade gesteckt hatte, wie sie es zweifelsohne selbst getan hatten. Oder hatten sie von Anfang an gewusst, dass sie nicht die war, für die sie sich ausgab? Hatten sie es gewusst und sich dieses Wissen zu Nutzen gemacht, um sie zu einem Teil ihrer perfiden Spielchen zu machen. Ein kalter Schauer lief ihr über den Rücken und sie schüttelte sich leicht. Sie wusste es nicht ebenso wenig, wie sie scheinbar gar nichts mehr zu wissen schien. Tief Luft holend löste sie sich von der Türe und näherte sich langsam wieder ihrem Bett, kroch hinein und zog die Decke bis ans Kinn, während sie versuchte wieder einzuschlafen. Aber auch wenn es ihr allmählich wieder warm wurde, so vermochte die beinahe unheimliche Stille, die sie umgab, es nicht zu schaffen sie wieder in den Schlaf zu lullen. Tief Luft holend brach endgültig der Damm der Tränen. Verzweifelt zog sie die Beine an, ihre Hände verkrampften sich in der Decke, während sie versuchte ihre immer lauter werdenden Schluchzer im Kissen zu dämpfen. Alles schien den Bach runter zu gehen, dachte sie und eine erneute Welle ohnmächtiger Verzweiflung drohte sie zu überrollen, während ihre Gedanken sich überschlugen und ihr vorgaukelten, sie befände sich hinter einer großen sich immer weiter auftürmenden Wolke, die ihr immer mehr den Weg versperrte. Aber welcher Weg und wohin führte er sie? Nicht zum ersten Mal hatte sie das Gefühl, das sie im Schatten stand, während andere Menschen die Lorbeeren ernteten und ihre Entscheidungen für sie trafen. Sie biss sich auf die Lippen, während sie sich selbst die Schuld dafür gab, dass sie sich immer hatte treiben lassen, anstatt selbst das Steuerrad in die Hand zu nehmen. Melissa wusste, dass es viel besser war, die Kontrolle für das eigene Schicksal zu übernehmen, als einfach nur zu erlauben, dass die Geschehnisse über einem hinwegspülten, als wäre man gar nicht vorhanden. Unterbewusst hörte sie erneut Schritte, die diesmal jedoch vor der Türe stehen blieben und sie nicht öffneten. Aber sie registrierte es nicht wirklich und hatte das kurze rhythmische Intermezzo auch schon wieder verdrängt, während sie immer noch dabei war, ihren Tränen freien Lauf zu lassen und gleichzeitig ihre Feigheit zu verfluchen. Sie fragte sich erst gar nicht, warum sie zu feige war. Melissa wusste es, ebenso wie die Lösung. Aber das alles war gar nicht so einfach, wenn die Welt um einem herum in Chaos ausbrach. Sie rappelte sich auf und blickte in die Dunkelheit. Die Umrisse der Möbel waren schemenhaft zu erkennen. Beinahe schon bedrohlich ragten sie über ihr auf und sie fühlte sich so klein wie eine Maus. Entschlossen griff sie nach der Decke und deckte sich auf, während sie gleichzeitig aus dem Bett sprang. Sie griff sich an den Kopf, wie unter Schmerzen, um sich die Haare aus dem Gesicht zu halten, während plötzliche Übelkeit sie befiel. Ob das nun an der Schwangerschaft lag oder weil sie sich mal wieder in ihre Unsicherheit und Furcht hinein gesteigert hatte, wusste sie nicht zu sagen. Ihr war einfach bloß verdammt schlecht, und sie schaffte es, gerade noch rechtzeitig ins angrenzende Bad, um sich dort würgend und fluchend zu übergeben, während ihr Schädel brummte und ihre Augen hervorquollen, als wollten sie aus ihrer Behausung springen, während ihr oraler Einschnitt die kärgliche Mahlzeit wieder von sich gab, bis sie nur noch Galle spuckte und darum betete, dass all das endlich ein Ende hatte. Als schließlich nichts mehr aus ihrem Mund ins Freie wollte, lösten sich ihre Hände von ihrer Umklammerung der Kloschüssel, die einen tiefen Eindruck auf diesen hinterlassen hatte, und schaffte es gerade noch die Spülung zu betätigen, bevor sie sich geschwächt zu Boden sinken ließ, das Gesicht gespenstisch weiß und voller kleinperliger Schweißtropfen bedeckt, die an ihr zu kleben schienen wie ein Stück zähes Fleisch oder Kaugummi. Nur langsam kam sie wieder zu Atem und nur allmählich beruhigte ihr Körper sich wieder, während sie zwischen Schlaf- und Wachzustand hin und her driftete, ihre Hände schützend vor den Bauch haltend. Melissa döste ein wenig und der Traum versuchte sie wieder einzufangen und wie in einem Spinnennetz gefangen zu nehmen und nicht wieder loszulassen. Erschöpft wehrte sie sich dagegen und schaffte es, sich wieder von diesem merkwürdigen Sonnensystem loszureißen, während unsichtbare Hände nach ihr griffen und mit sich hinab in die Tiefe reißen wollten, um sie mit der Erde zu verwurzeln. Oder wollten sie sie gar in die Luft hinauf werfen, um sie wie einen Stern am Firmament, in der Tiefe des Universums gefangen zu halten. Melissa wusste es nicht und es war ihr auch egal, solange sie sich nur aus diesen Händen befreite. Sie kämpfte mit einer Verbissenheit, die sie so nicht wirklich von sich kannte, obwohl sie wusste, dass sie es durchaus sein konnte, wenn sie denn wollte. Aber hatte sie das bis jetzt wirklich gewollt? Wahrscheinlich nicht. Aber darauf kam es im Moment nicht an, denn sie war gerade dabei, sich ihren Weg in die Freiheit zu erkämpfen. Weg von den Händen, die an ihr zerrten und weg von der scheinbar, eingefahrenen Lebensweise, die sie sich über die Jahre hinweg angeeignet hatte. Es erschien ihr beinahe so, als hätte die Kenntnis über ihre zukünftige Mutterschaft, etwas in ihr ausgelöst. Wie ein Funken, der ein Feuer entfachte. Wie ein Schlüssel der eine Türe öffnete, hinter der sich unendlich viele neue Möglichkeiten befanden, die erst noch erkundet werden wollten, wie der Körper eines geliebten Menschen, den man nichts anderes außer dem Gefühl der Glückseligkeit schenken wollte, bevor man gemeinsam zu den Quellen der Sinnesfreuden reiste, um wie in einem See in sie einzutauchen, bevor das unglaubliche Glück miteinander verbunden zu sein, einem schier den Verstand raubte. „Arthur“, flüsterte ihre Seele. „Arthur, ich liebe dich.“ Ihr Körper zuckte und sie holte tief Luft, als wollte sie sich auf eine Welle der Lust vorbereiten, die ungehindert durch ihren Körper schwemmen wollte, während sie nicht mitbekam, wie jemand sich über sie beugte und die Hände über diesen gleiten ließ. Wärme breitete sich in ihr aus. Heilsame voller Liebe erfüllte Wärme, die versuchte ihr ein Gefühl von Sicherheit zu vermitteln, während ihre eigene Dunkelheit es immer noch nicht zulassen wollte, das eingeschlossene Licht hinauszulassen, damit es diese voller Stärke und Liebe umfangen konnte, bereit den Kampf aufzunehmen. Den Kampf wofür, fragte sich ihr Verstand, während ihr Instinkt wusste, dass damit die Revolution der Seelen gemeint war, die schon seit langen dabei waren, sich von der Herrschaft ihrer selbst auferlegten Denkmuster zu befreien, während sie sich selbst an das Steuerrad ihres eigenen Lebens begaben. Befreit wie ein Schmetterling aus seinem Kokon. Ihr Verstand ließ diese Antwort nicht gelten, aber sie hatte sich ohne diesen zu fragen, bereits in ihr manifestiert. Die Wärme verschwand, hallte aber immer noch in ihr nach, während sie heilsam vor sich hin schlummerte und die Träume sie in Frieden genesen ließen. Die Zeit schritt voran und das Licht löste das Dunkel ab, während sich aus der Nacht der Tag schälte und die Sonne, wie schon unzählige Male zuvor wieder geboren wurde, um ihnen allen Licht, Wärme und Leben zu spenden. Ihre Augen öffneten sich flackernd und schlossen sich rasch wieder, als das Licht sie blendete. Vorsichtig schirmte sie ihre Augen ab und erneut öffneten sie sich, während sie sich langsam wieder an das Licht gewöhnten. Melissa fühlte sich als wäre ein Laster über sie hinweg gerollt und hätte sie platt gewalzt wie eine Flunder. Ihre Kehle fühlte sich immer noch ein wenig rau an, und als sie daran dachte, dass sie sich übergeben hatte, ergriff erneute Übelkeit sie, die sie jedoch erfolgreich niederkämpfte. Sie hatte sich wieder an die Helligkeit gewöhnt und vorsichtig erhob sie sich, während sie sich an der Toilette abstützte, die sie kurz darauf benutzte, um sich zu erleichtern. Sie atmete auf und ihr Blick streifte die Dusche, die ihr verführerisch zuzuzwinkern schien. Ohne lange zu überlegen, entledigte sie sich langsam ihrer Kleidung, warf sie zu Boden und strebte eilig auf die Nasszelle zu, die warmes Wasser und wohlriechende Sauberkeit versprach. Sie drehte das Wasser auf und stöhnte auf, als der Strahl ihren Rücken traf und die Lasten eines ganzen Lebens fortzuspülen schien. Sie griff nach dem Shampoo und öffnete es. Lavendelduft erfüllte das Bad und drang beruhigend in sämtliche ihrer Zellen, während sie ihr Haar und ihren Körper mit der dazu passenden Seife wusch, um es von dem wunderbar warmen Wasser wieder abspülen zu lassen. Sie blickte dem Schaum hinterher und er erschien ihr wie eine seltsame Karikatur der Ursuppe. Sie lehnte sich an die Kacheln, während ihre Gedanken wieder zu dem kleinen Sonnensystem drifteten, das sich in der vergangenen Nacht in ihre Träume geschlichen hatte. Es war furchterregend gewesen. Ja! Aber es war auch wunderschön und wie die Verkörperung ihrer eigenen tief verborgenen und viel zu lange verschütteten Energie. Einer Energie, der es endlich danach drängte, freigelassen zu werden, um etwas Neues und zugleich Vollkommenes aus sich selbst heraus zu erschaffen. Ihr war als ergriff ein Wirbel sie, der die unsichtbaren Fäden, die ihren Körper und ihre Seele zusammenhielten, lockerte und wieder neu formierte, während ihr Atem immer gleichmäßiger wurde und ihr Körper sich mit weißem Licht umgab. Ihre Chakren reinigten sich und die schlafende Schlange, am Ende ihre Wirbelsäule wurde endgültig aus ihrem Schlaf geweckt. Als sie ihre Augen schließlich wieder öffnete, blickte sie durch ihre eigene Hand hindurch auf die Kacheln, während ihr Körper nur noch aus purer Energie zu bestehen schien. Beinahe als wäre sie ein Geist, fuhr es ihr durch den Kopf. Ein Geist, der sich wie eine Schlange gehäutet hatte. Aber sie war kein Geist, dachte sie, während sie fasziniert an sich hinunterblickte und den Energiebahnen folgte, die anstelle ihrer Venen und Adern getreten waren, während pure Energie durch ihren Körper pulsierte. Irgendwo in ihren Gedanken spürte sie, dass das der erste Schritt auf eine neue Ebene war, sowohl geistig als auch körperlich. Vielleicht war es sogar das Symbol für einen Neuanfang. Was immer er auch brachte oder nicht. Ein Lächeln zauberte sich auf ihre Lippen, während sie die Nasszelle verließ und sich vor den Spiegel stellte. Fasziniert betrachtete sie sich und berührte vorsichtig ihr ebenso durchsichtiges Haar, das immer noch feucht auf ihren Schultern lag und glänzend schimmerte. Einzig ihre Augen, strahlten immer noch in der gewohnten Frequenz der Farben, während ihr Körper allmählich von selbst trocknete und immer mehr strahlte und in den sanften Farben des Regenbogens schimmerte. Aus irgendeinen unerfindlichen Grund fragte sie sich nicht eine Sekunde lang, was hier eigentlich vor sich ging. Beinahe so als würden ihr Unterbewusstsein und ihre Seele bereits wissen, was all dies zu bedeuten hatte, während sie sich einfach nur betrachtete und zum ersten Mal seit Langem so etwas wie Zufriedenheit verspürte. Sie hätte für den Rest ihres Lebens hier so stehen können, aber das fragende Klopfen an der Türe riss sie aus ihren Gedanken und erst jetzt, wurde ihr bewusst, dass die Türe nicht verschlossen war und ihr Besucher jederzeit hereinschneien konnte, was immer er auch von ihr wollte. Ein wenig panisch blickte sie an sich hinunter. Sie wollte unter keinen Umständen, dass man sie so sah. Aber wie sollte sie wieder an ihre eigentliche Erscheinung zurückkommen. Ihre Gedanken ratterten wie ein schnaufend dampfender Zug, während sie versuchte eine Lösung zu finden, wieder normal auszusehen. Wie hatte sie es bloß geschafft sich diesen Körper anzueignen, der ihr bei Weitem besser gefiel, als der den sie nun wieder zurückhaben musste. „Isa?“ Arthurs Stimme erschreckte sie und sie zuckte zusammen. „Ist alles in Ordnung?“ „Ja“, log sie und blickte verzweifelt in den Spiegel, während sie nur langsam begriff, dass sie sich selbst wieder gegenüberstand, beziehungsweise wieder in der Haut ihrer eigentlichen körperlichen Erscheinung steckte. Erleichtert atmete sie auf, und als die Badezimmertüre sich öffnete, mit einem besorgt aussehenden Arthur auf der anderen Seite, konnte sie nicht anders als lauthals loszulachen. Das Ganze war wirklich zu komisch, dachte sie, während sie den Blick des Mannes von dem sie dachte, das sie ihn kannte, auf sich ruhen spürte. „Ist wirklich alles in Ordnung,“ hakte er nach und sie hielt inne. War es das? Vielleicht, aber es schadete niemanden, wenn sie noch ein wenig länger, Vorsicht walten ließ, während sie sich darüber klar wurde, was ihre Entdeckung wohl für sie bedeutete. Ihre Seele wusste es, aber ihr Verstand war noch lange nicht bereit dazu, es auch wirklich zu verstehen. Sie zuckte mit den Schultern und blickte Arthur fragend an. „Was ist?“ „Marlena hat Frühstück gemacht“, erwiderte er, „außerdem habe ich dich bei deiner Arbeit krank gemeldet.“ Überrascht sah sie ihn an, während ihr bereits die Antwort auf der Zunge lag, was ihm wohl einfallen würde, dies zu tun. Dann aber wurde ihr bewusst, dass es wohl wirklich das momentan Beste war, erst einmal wieder zu sich selbst zu kommen, um die Geschehnisse der letzten vierundzwanzig Stunden, irgendwie zu verarbeiten, bevor sie überhaupt daran denken konnte, den Alltagstrott über sich ergehen zu lassen. Wenn das überhaupt möglich war, dachte sie, wo er ihr doch so nahe war. Ihr Blick glitt zu ihm herüber und sie ertappte ihn dabei, wie er unverhohlen ihren nackten Körper betrachtete. Melissa dachte aber gar nicht erst daran ihn zu bedecken und musterte ihn beinahe schon ein wenig herausfordernd. Sollte er ruhig noch ein wenig länger leiden, dachte sie, dafür, dass er sie so hinters Licht geführt hatte. Dass sie das ebenfalls getan hatte, übersah sie dabei jedoch geflissentlich, während sie möglichst dicht an ihn vorbei ins Schlafzimmer ging und dabei streifte. „Dann lass uns hinunter gehen, um sie nicht länger war ...“ Sie verstummte, als er sie plötzlich ergriff und wie ein verdurstender küsste. Viel zu überrascht, um sich zu wehren, erwiderte sie seinen Kuss und umklammerte ihn mit einer Leidenschaft, die der seinen in nichts nach stand. Als ihr jedoch bewusst wurde was sie da tat, löste sie sich abrupt und völlig außer Atem von ihm. „Nein“, sagte sie entschieden und hielt ihn mit ihren Händen auf Abstand. Er näherte sich wieder ihren Mund, doch sie wandte ihr Gesicht von ihm ab. „Ich sagte, nein,“ wiederholte sie und befreite sich endgültig aus seinen Armen. Im Schlafzimmer begann sie sich anzuziehen, während er sie mit bewölktem Gesicht dabei beobachtete. Ihre Hände wollten zittern, aber sie beherrschte sich und sie hielt sie unter Kontrolle, während sie zur Türe ging und sich zu ihm umdrehte, als er ihr nicht folgte. „Kommst du“, meinte sie, „oder willst du deine Schwester warten lassen?!“ Er murmelte irgendetwas Unverständliches, während sie die Türe öffnete und in den Flur hinaus trat. Kaffeegeruch und der Duft von frischgebackenem Brot hing in der Luft und brachte ihren Magen zum Knurren. Erst jetzt merkte sie, wie hungrig sie eigentlich war und eilte, ohne auf Arthur zu warten in die Küche hinunter. „Guten Morgen,“ begrüßte Marlena sie und musterte sie, als hätte sie sich plötzlich über Nacht verändert. Vielleicht hatte sie das auch, dachte sie, aber das brauchte niemand von den Geschwistern zu wissen. Jedenfalls nicht, solange sie nicht wirklich wusste, was hier in aller Welt noch so alles vor sich ging, fügte sie hinzu. „Was möchtest du trinken?“, fragte Marlena sie und ohne darüber nachzudenken erwiderte sie: „Heiße Schokolade.“ Ein amüsiertes Lächeln huschte über Marlenas Gesicht und Melissa setzte sich an den reichlich gedeckten Tisch, während Arthurs Schwester sich umdrehte, um sich um ihr Getränk zu kümmern.

Der Zeiten Tanz

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