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Kapitel 6
ОглавлениеEs war ihr anzusehen, fuhr es Marlena durch den Kopf, während sie ihnen allen heiße Schokolade zubereitete, die sie aus Wasser, Kakaopulver, etwas Honig und einer Prise Chili zubereitete. Nicht allzu viel, aber gerade genug, das es dem Getränk einen individuellen Geschmack gab. Schließlich hatten sowohl die alten Inkas als auch die Mayas ihre Schokolade immer sehr gut gewürzt getrunken, während sie besonderes Augenmerk darauf legten, dass das Getränk eine Schaumkrone besaß, die das Beste daran sein sollte. Sie hatte es einmal probiert, aber es hatte ihr nicht wirklich geschmeckt. Nicht das die Schärfe und der Geschmack der Schokolade nicht eine wunderbare Symbiose ergab, aber nach einigem Experimentieren hatte sie ihr eigenes Rezept erfunden. Außerdem wer sagte eigentlich, dass man sich genau an das halten musste, was die Ahnen einem hinterließen. Egal ob es nun die eigenen ethnischen oder seelischen waren. Sie rümpfte mit der Nase und rührte das Getränk sorgfältig um, bevor sie es auf alle drei Becher verteilte, großzügig mit Sahne verzierte und zusätzlich mit Kakaopulver bestreute, indem sich ebenfalls Chilipulver verbarg. „Möchtest du auch Eier?“, wollte sie wissen, ohne sich umzudrehen, und erhielt eine zustimmende Antwort. „Mmh, ja. Rührei, wenn es geht. Aber mach dir wegen mir bitte keine Umstände,“ fügte sie hinzu und Marlena drehte sich lachend zu ihr um, während Arthur zur Küchentüre hinein kam und die beiden fragend anblickte. „Oh, es macht mir keine Umstände“, erwiderte sie und wandte sich an ihren Bruder. „Möchtest du auch Eier?“ „Rührei“, erwiderte er und setzte sich Melissa gegenüber. „Rührei für alle,“ wiederholte Marlena und salutierte lachend, bevor sie die Tassen zum Tisch hinüber trug, um sich anschließend um das Rührei zu kümmern. Aus den Augenwinkeln beobachtete sie die beiden und spürte eindeutige sexuelle Spannungen zwischen den beiden und sie hoffte, dass sie sich möglichst schnell aussprachen, bevor die Spannungen sich noch vertieften und sie möglicherweise noch aufeinander losgingen, anstatt sich zu versöhnen und endlich die Spannungen zu lösen, die sich durchaus auf andere übertragen konnten. Während das Ei stockte, klingelte es an der Türe und sie warf ihren Bruder einen Blick zu, während sie auf die Pfanne deutete. Augen rollend stand er auf, um schließlich nachzusehen, wer in aller Welt so früh am Morgen störte. Dass es beinahe schon Mittag war und sie noch nicht einmal gefrühstückt hatten, übersah sie dabei geflissentlich. Schließlich konnte ja nicht jeder den gleichen Rhythmus haben. Große Göttin, wie langweilig war das denn? Sie drehte sich um, zerteilte das Rührei in mundgerechte Stücke und stellte die Pfanne auf den Tisch, während sie Arthurs und Guillaumes Stimmen hörte. Neugierig blickte sie auf die Türe, durch die die beiden wenig später kamen.
Mit einem freundlichen „Bon Jour!“, setzte er sich an den Tisch und bediente sich an einem der vielen Croissants. „Und was haben deine Recherchen ergeben“, erkundigte sie sich, während sie die immer noch sehr heiße Tasse in die Hand nahm. Sie spürte sie Hitze kaum und warf ihm einen amüsiert blitzenden Blick zu. „Mehr als du vielleicht denkst“, erwiderte er und unterhielt sie während des Frühstücks mit seinen Funden über die Plejaden, deren Mythen und Legenden sich über die ganze Welt hinweg erstreckten. Angefangen von Zeus, der sie in den Himmel versetze, wo sie auf ewig von Orion verfolgt wurden, bis hin zum jährlich stattfindenden Plejadenfest, als eine Art Neujahrsfest, das Fülle und den Wandel symbolisierte und in der Inselwelt von Französisch-Polynesien gefeiert wurde. „Das ist ja alles schön und gut“, gab Marlena schließlich zu bedenken, „aber ich glaube kaum, dass das Ganze wirklich etwas mit Isas Botschaft zu tun hat. Oder was meinst du dazu?“ Isa, die sich gerade ein Croissant samt Ei in den Mund stecken wollte, hielt mitten in der Bewegung inne. „Nun,“ schluckte sie, legte das Croissant wieder auf den Teller und holte tief Luft. „Ehrlich gesagt, glaube ich nicht das die Plejaden eine so große Rolle spielen.“ „Sondern,“ interessiert blickte Marlena sie an. „Ich glaube eher das sie Wegweiser sind.“ „Wegweiser?“ Skeptisch blickte Guillaume sie an und Isa nickte. „Wegweiser,“ wiederholte sie nickend und reichte Arthur die Butter. „Wenn es Wegweiser sind“, meinte dieser schließlich, „wohin führen sie dann und warum sollen wir die Zeit verwandeln und die Träume wieder vereinen?“ „Vor allen Dingen wie“, fügte Marlena hinzu. Isa legte die Hände in den Schoß und ihr Blick schweifte in die Ferne, bevor er sich verklärte und sie unerwartet in Trance fiel. Fragend warf sie ihrem Bruder einen Blick zu, ob das schon einmal passiert war, aber diese zuckte bloß ratlos mit den Schultern. Ihr Kopf wandte sich Guillaume zu und eine weitere Frage stand in ihren Augen geschrieben. Vorsichtig streckte er seine Hände mit den Handinnenflächen nach außen gerichtet Isa entgegen und beinahe sofort zog er sie wieder zurück. Den Kopf schüttelnd sah auch er sie an und Marlena beobachtete besorgt und fasziniert zugleich, wie Isa sich vor ihren Augen in ein aus purer Energie bestehendes Wesen zu verwandeln schien. Gänzlich in pastellzarten Regenbogenfarben gehüllt vibrierte sie, wie glühender Asphalt von der Sonne erhitzt. Wie von irgendeinem geheimen Rhythmus begleitet, flackerte ihre Erscheinung mal schneller und dann wieder langsamer, bevor sie als wäre nichts gewesen, wieder in ihrer normalen Haut befand. In aller Seelenruhe nahm sie ihr Croissant wieder in die Hand und führte es wieder Richtung Mund. Als sie ihren Blick bemerkte, hielt sie inne und starrte sie mit offenem Mund an, während das sich auf dem Croissant befindliche Ei nun wieder dampfend davor schwebte. Isa klappte den Mund wieder zu und schluckte. „Was ist?“, fragte sie schließlich und steckte sich endlich das Croissant in den Mund. Überrascht hielt sie inne und runzelte mit der Stirn, während sie langsam kauend von einem zum anderen blickte, während sie ein Schluck heiße Schokolade trank. „Oh“, meinte Guillaume nur und hielt ihr sein Handy vor die Nase, „du hattest dich gerade nur ein wenig verwandelt.“
Mit einer Mischung aus Irritation und Verärgerung blickte sie auf das Foto und sah sie beinahe schon ein wenig paranoid an. „Sagt mir bitte nicht, dass ihr das auch könnt“, meinte sie beinahe schon flehentlich. „Wir können schon viel,“ beruhigte Marlena sie, „aber das hier gehört noch nicht zu unserem Repertoire.“
Kaum hatte sie ihren Satz beendet, lief bereits ein Schütteln durch Isas Körper, und wenn Arthur sie nicht aufgefangen hätte, wäre sie mit dem Kopf auf den Tisch geknallt. „Eis“, flüsterte sie, „Eis ... Kalt ... Flach ... Gefangen ... Wege ... Verbinden ... Menschen ... Verwandeln ... Menschen ... Befreien ...“ Vollkommen erschöpft brach sie in Arthurs Armen zusammen, der ihr und Guillaume einen beinahe schon panischen Blick zuwarf, bevor er versuchte Isa wieder zu wecken. Langsam kam sie wieder zu sich und sie lächelte Arthur an, als hätte sie ihn schon seit einer halben Ewigkeit nicht mehr gesehen. „Was hast du gesehen,“ versuchte er aus ihr herauszubekommen, da manche Visionen die unerhörte Eigenschaft besaßen, sich schneller als einem lieb war, zu verflüchtigen. Beinahe so als hätte man sie nie gehabt. „Es ist wunderschön“, seufzte sie und drückte ihren Bruder einen Kuss auf den Mund, „so wunderschön und einzigartig.“ „Was“, wollte er wissen, „was ist wunderschön und einzigartig?“ „Die Welt“, wisperte sie kaum hörbar, „unsere wunderschöne Welt, deren wahres Gesicht so unglaublich wunderschön ist.“ Marlena wechselte einen besorgten Blick mit Guillaume. „Phantasiert sie?“, formten ihre Lippen, kaum der Hauch eines Flüsterns, die Worte. Er hob die Schultern und erwiderte ebenso tonlos. „Ich weiß es nicht.“
Ebenso plötzlich, wie ihre Vision gekommen war, war sie auch wieder verschwunden, und als sich ihr Blick allmählich wieder klärte, richtete sie sich wieder auf und warf ihnen allen einen vollkommen perplexen
Blick zu. „Was ist jetzt schon wieder passiert“, verlangte sie zu wissen. „Du hattest so etwas wie eine Vision“, erwiderte Arthur und berichtete ihr, was sie gesagt hatte. „Oh“, meinte sie nur und sah einem nach dem anderen an. Marlena vermied es Arthur anzusehen, da sie mit absoluter Sicherheit wusste, dass er ihren Vorschlag nicht gutheißen würde, weil er schlechte Erfahrungen in diesem Bereich gemacht hatte. „Wenn du willst,“ schlug sie deswegen so schnell sie konnte vor, „können Guillaume oder ich dich unter Hypnose setzen, damit du dich wieder besser an deine Visionen erinnerst.“
„Nein!“
„Ja!“
Marlena musste sich ein Lächeln verkneifen, als Arthur so vehement sein Veto einlegte und Isa ebenso vehement ihrem Vorschlag zustimmte. Diese sah ihn nun an und er ergriff ihre Hand. „Ich werde es machen,“ kam Isa ihm zuvor und er schloss seinen Mund wieder und glich sosehr einem Fisch auf dem Trockenen, dass Marlena nicht anders konnte als zu lachen. Zum Glück war er so perplex, das er es nicht zu bemerken schien. „Wann können wir anfangen?“ „Wenn du willst, sofort“, erwiderte sie und erntete einen wütenden Blick von ihrem Bruder. „Dann komm,“ enthusiastisch sprang Isa auf, ging zur Geheimtüre hinüber, betätigte den Mechanismus und verschwand nach unten. Die drei folgten ihr und Marlena blieb unvermittelt stehen, als sie Isa auf dem runden Tisch stehend vorfand. Isa blickte sie ein wenig entschuldigend an, bevor sie Arthur anblickte und ihre Hand nach ihm ausstreckte. „Komm“, flüsterte sie und ein wenig zögerlich stieg er ebenfalls auf dem Tisch, während Marlena ahnte, warum Isa ihre erste Begegnung mit der Kommandobrücke imitierte. Guillaume stellte sich neben sie und beobachtete zusammen mit Marlena wie Arthur sich vor Isa stellte und diese nun seine Hände ergriff.
Blitzend und donnernd wurden sie von einem Eiförmigen, mit Abertausend kleineren und größeren Blitzen durchzogenen Käfig umgeben. Ohne Vorwarnung hob sich dieser an und schwebte wenige Meter mit ihnen über den Tisch, während Isa sich wieder in ihre Regenbogenfarben hüllte und Arthur diese ebenfalls annahm. Marlena blickte Guillaume an und hielt inne, er war ebenso wie die beiden in Regenbogenfarben gehüllt, und als sie vorsichtig an sich hinunterblickte, schimmerten die sanft changierenden Farben auch an ihren Körper und selbst ihre Tränen schimmerten wie ein ganzes Farbenmeer. Leise Melodien drangen an ihre Ohren und ein sanftes Trommeln erfasste ihre Körper, während ein heftiger Sturm sie alle erfasste und sie in einen Strudel zog, der mächtiger und stärker war, als alles, was sie zuvor schon erlebt hatte.
Wie in einem seltsam anmutenden Tanz schwebten sie umeinander und eine Stimme drang schwach an ihre Ohren. „Ihr müsst die Hüter der Traumwege finden. Nur dann könnt ihr sie wieder vereinen und die Zeit verwandeln ...“ Ihre Augen flogen wieder auf und abrupt landeten sie krachend zu Boden.
Keuchend lag sie halb auf Guillaume und aus den Augenwinkeln konnte sie erkennen, dass Isa unter Arthur begraben lag. „Habt ihr schon einmal davon gehört“, wollte diese denn auch mit leicht erstickter Stimme wissen. „Nein“, erwiderte ihr Bruder, „aber ich bin mir sicher, dass in irgendeinem der vielen Bücher und Aufzeichnungen etwas zu finden ist.“ Marlena gab einen stöhnenden Laut von sich, dass letzte Mal wo sie diese auf der Suche nach etwas durchforstet hatten, war schon eine halbe Ewigkeit her und noch einmal dieselbe Zeit hatte es gedauert, diese zu durchsuchen. Unbewusst bettete sie ihren Kopf auf Guillaumes Brust und schloss schicksalsergeben die Augen, während der Rhythmus seines Herzen vollkommen außer Takt geriet und die Wärme seines Körpers sich in glühende Hitze verwandelte. Noch ehe sie sich versah, hatte er sich aufgesetzt und sie saß, seiner plötzlich beraubt auf dem viel zu kalten Boden der Kommandobrücke und versuchte angestrengt ihre Enttäuschung zu verbergen, während Isa auf dem Tisch mit dem Gegenteil zu kämpfen hatte.
***
Akribisch durchforstete er sämtliche Aktenschränke, die sich in den endlosen Räumen unter der Kommandobrücke befanden, während Isa ihm dabei half. Vom anderen Ende hörten sie die gedämpften Stimmen seiner Schwester und Guillaumes, die sich lebhaft unterhielten. Aus den Augenwinkeln beobachtete er Isa, wie sie sämtliche Akten öffnete und die Seiten wie ein Scanner überflog. Dabei durchlief ihr Gesicht eine solch rasante Wandlung, vom Stirnrunzeln zum amüsierten Lächeln bis hin zu dramatisch geweiteten Augen, dass wenn es sich um Wetter gehandelt hätte, es innerhalb weniger Sekundenbruchteile geregnet, gestürmt und geschneit hätte, bevor die Sonne sie wieder heiter beglückt hätte. Er hoffte, dass Isa bei all den Dingen die sie las, verstand, warum er ihr nichts hatte sagen können. Entweder das, fuhr es ihm durch den Kopf oder aber sie verließ ihn für immer, wenn sie ihre Aufgabe erledigt hatten. „Arthur?“ Fragend warf Isa ihm einen Blick zu und ihr entnervter Gesichtsausdruck sagte ihm, das sie ihn bereits schon mehrmals angesprochen haben musste. Er hob fragend seine Augenbrauen, während sich beinahe ein paar Blätter aus der, auf ihren Schoß liegenden Akte, lösten. Ohne hinzusehen, hielt sie die Blätter von ihrer Flucht ab. „Gibt es keinen einfacheren und schnelleren Weg, um all das hier nachzusehen?“ „Schon“, erwiderte er, „aber die Grimaldos haben vor einigen Jahren beschlossen, so wenig Magie wie möglich einzusetzen.“ „Die Grimaldos haben das also beschlossen“, meinte Isa und sah tief Luft holend auf die vor ihr liegende Akte, während ein Lächeln ihren Mund umspielte. „Na dann.“ Ohne Vorwarnung vibrierten plötzlich alle Schränke um ihn herum. „Isa,“ versuchte er sie aufzuhalten, aber es war bereits zu spät und kurz darauf hörte er wie einer von ihnen sich öffnete und eine der vielen Hundert Akten, schwebte zu Isa und landete in ihren Schoß. Fast zeitgleich mit der Akte, erschienen Marlena und Guillaume. „Bevor du etwas sagst,“ kam Arthur seiner Schwester zuvor, „ich habe nichts damit zu tun.“ „Hast du ihr denn nicht gesagt, dass wir so wenig Magie, wie möglich einsetzen.“ „Doch“, erwiderte er. „Und warum ...“, unterbrach sie ihn, während Isa die die Akte untersuchte seiner Schwester nun ihrerseits ins Wort fiel. „Weil Arthur gesagt hat, die Grimaldos hätten dies so beschlossen,“ sie deutete mit dem Finger auf sich, „ich bin eine Balder.“ Seine Schwester schloss den Mund wieder, bevor sie mit den Augen rollte und lächelnd den Kopf schüttelte. „Hast du wenigsten etwas gefunden.“ „Oh ja,“ nickte sie, die Akte herumdrehend, „das habe ich.“