Читать книгу Lusakata - N.D. Bennett - Страница 11
Kein Entkommen
ОглавлениеEin dumpfes Geräusch drang an sein Ohr. Es roch nach Erde, und frische Luft füllte seine Lungen. Als Alexander die Augen öffnete, blickte er in ein vertrautes Gesicht.
»Da schaut her, der schnelle Fuß gönnt sich eine Mütze voll Schlaf«, scherzte Mattis und grinste. Alexander setzte sich schwankend auf und blickte sich um.
»Wo sind wir, und was ist überhaupt passiert?«
»Nun, so wie es aussieht, hat Galania dich wohl verschluckt und hier anscheinend wieder ausgespuckt!«, antwortete ihm Mattis.
»Wie bitte, was redest du da? Was ist mit Karl und den anderen Jungen? Sind wir ihnen entkommen?«, wollte er rasch wissen.
»Denen haben wir es richtig gezeigt!«, schwärmte Mattis zufrieden. »Du weißt ja, zwei helle Köpfe wie wir. Naja, jedenfalls habe ich dich gesucht und hier im Dreck gefunden. Friedlich geschlafen hast du!« Alexander rappelte sich hoch. Er klopfte sich die Hose ab und schüttelte sich die Erdklumpen aus den Haaren.
»Vermutlich ist der Gang eingestürzt. Sicherlich haben die Jungen einen Riesenschreck bekommen und mussten mich wieder ausbuddeln. Feige wie sie sind, haben sie sich dann ganz schnell aus dem Staub gemacht!«, mutmaßte Alexander.
Mattis zuckte mit den Schultern. »Nun ja, jedenfalls bist du jetzt hier. Wir müssen weiter, also los! Nur keine Müdigkeit vorschützen!« Mattis sprang auf und zog Alexander am Ärmel hinter sich her.
Schon bald verließen sie den Wald und gelangten auf einen Pfad, der sie in eine üppige Wiesen- und Weidelandschaft führte.
»Hm, sind wir hier wirklich richtig?«, wunderte sich Alexander, der bis dahin gar nicht darauf geachtet hatte, wohin sie eigentlich gingen.
Mattis winkte ab: »Klar doch, das sind wir, du wirst schon sehen!«
Es dauerte nicht lange, dann tauchten auch schon die ersten Häuser in der Ferne auf.
»Endlich, da vorn beginnt die Stadt!« Alexander war erleichtert.
»Ja, und genau dort wohnen die nettesten Bewohner weit und breit!«, fügte Mattis begeistert hinzu und deutete mit leuchtenden Augen auf ein kleines Haus mit grünen Fensterläden und schmalen Fensterbänken. An der Vorderseite befand sich eine Veranda, auf der eine Menge Zeugs herumstand. Als sie näher kamen, erkannte Alexander zwei Stühle, einige Töpfe mit grünen Kräutern und zwei Paar Stiefel, ein großes und ein kleines.
Mühelos sprang Mattis die Stufen zur Eingangstür hinauf und verkündete stolz: »Hier wohne ich!« Dann zog er an einer Schnur, die neben der Tür hing. Im selben Augenblick ertönte im Haus eine krächzende Stimme: »Besuch ist da! Besuch ist da!« Eilig öffnete Mattis die Tür. Ein graugefiederter, kleiner Vogel, der aufgeregt in einem heftig schaukelnden Käfig saß, hieß die Jungen willkommen.
»Hallo Kokobal, du kleiner Schelm!«, rief Mattis. Er wandte sich Alexander zu und bemerkte: »Kokobal ist die zuverlässigste Türglocke, die ich kenne.«
Erst jetzt registrierte Alexander die Schnur, die von der Haustür draußen nach drinnen zum Käfig führte.
»Komm herein!«, forderte Mattis ihn auf. Kurz zögerte Alexander, dann folgte er ihm schließlich ins Haus. Mattis nahm ein paar Brotkrumen, die in einer Schale neben dem Käfig lagen und fütterte Kokobal damit. Alexander sah sich um. Die Innenwände des Häuschen waren lehmverputzt und der Fußboden mit Dielenbrettern ausgelegt.
In einer Ecke weiter hinten stand ein Ofen. Er besaß mehrere kleine und eine große Herdplatte, auf der ein Kessel stand, in dem es lebhaft köchelte. Direkt daneben befand sich ein gekachelter Schrank. Auf ihm waren verschiedenste Küchenutensilien aufgebaut.
Ein großer, runder Tisch stand in der Mitte des Raumes.
»Ah, wir werden schon erwartet!«, rief Mattis erfreut, und eh sich Alexander versah, hing Mattis auch schon mit seiner Nase am dampfenden Kessel.
»Bäh! Da hat Onkel Jogasch doch wieder eine dieser ganz fürchterlichen Suppen gekocht!«, beklagte sich Mattis und machte einen Schritt zurück. »Je schlimmer sie stinken, desto wirksamer sind sie, sagt er immer.« Mattis winkte Alexander zu sich und öffnete eine ovale Holztür, die in ein weiteres Zimmer führte.
»Etwas altmodisch, aber gemütlich«, dachte Alexander. Seine Blicke wanderten umher. An den Wänden befanden sich Regale, die mit dicken und dünnen Büchern vollgestopft waren. Die meisten von ihnen wirkten schon sehr alt.
»Onkel Jogasch, Onkel Jooogaaasch, wo bist du?«, rief Mattis.
Durch einen offenen Rundbogen gelangte man in den hinteren Teil des Raumes, in dessen Mitte ein gemütlicher Schaukelstuhl in gleichmäßigen Bewegungen vor- und zurückschwang. Darin saß ein kleiner, dicklicher Mann mit einer qualmenden Pfeife, die aus seinem bärtigen Mundwinkel hing. Er hatte die Augen geschlossen und trug eine Brille, welche ziemlich schief auf seiner knolligen Nase saß.
»Ah, da bist du ja, Onkel Jogasch! Schau nur, ich habe jemanden mitgebracht!« Doch der bärtige Mann reagierte nicht.
Sein gleichmäßiges Schnarchen erfüllte den ganzen Raum. Ungeduldig rüttelte Mattis an seinem Arm.
»Chrrr, chrrr..., huch..., oh, Mattis, mein Junge, wo hast du denn nur so lange gesteckt?« Hastig setzte sich der Alte auf, nahm die Pfeife aus dem Mundwinkel und rückte sich seine Brille zurecht. Während er dies tat, murmelte er: »Ich lese gerade wichtige, sehr wichtige Dinge, weißt du.«
Mattis schob Alexander nach vorn. »Schau, Onkel Jogasch, das ist Alexander!«
»Ah, du hast einen Freund mitgebracht? Wunderbar, wunderbar«, antwortete der alte Jogasch und ließ seine Blicke nur flüchtig über Alexander schweifen.
»Ihr habt bestimmt Hunger, nicht wahr? Kommt, Kinder, ich mache gerade Suppe. Mit knurrenden Mägen lässt es sich doch nur halb so gut erzählen! Und zu erzählen habt ihr, das sehe ich euch doch an den Nasenspitzen an!«, rief er vergnügt und rieb sich voller Vorfreude die Hände.
Gemeinsam gingen alle drei zurück in die Küche. Der alte Jogasch rührte einmal kräftig im Kessel.
Mattis und Alexander nahmen am Tisch Platz.
»Das riecht aber lecker!«, stellte Alexander fest und konnte so gar nicht nachvollziehen, was Mattis an der Suppe seines Onkels auszusetzen hatte.
»Ja, ja natürlich!«, antwortete Jogasch und stellte eine prall gefüllte Schüssel auf den Tisch.
Freundlich wandte er sich an Alexander: »Greif zu, mein Junge, du siehst aus, als käme dir meine Suppe gerade recht.«
Alexander bedankte sich höflich und nahm sich einige Kellen davon. Schlürfend löffelte er sie in seinen Mund hinein. »Wie gut das schmeckt«, dachte Alexander und schon bald spürte er, wie die Suppe ihn munter zu machen schien. »Die ist ja wirklich ganz ausgezeichnet, Herr Jogasch! Wenn Sie nichts dagegen haben, dann würde ich gerne noch nachnehmen!«
»Aber natürlich, mein Junge«, freute sich Onkel Jogasch und sorgte für Nachschub. Unterdessen schaufelte Mattis seine Suppe so eilig in sich hinein, dass es ein wahres Wunder war, dass er sich nicht daran verbrühte.
»Nun ihr beiden, erzählt doch mal, was hat sich bei euch denn so zugetragen?«, erkundigte sich Jogasch, während er mit der Suppenkelle wild in der Luft herumfuchtelte.
»Also, du wirst es kaum glauben, Onkelchen!«, begann Mattis geheimnisvoll zu berichten. »Da waren die fünf Jungen, ich hatte sie gerade erst kennengelernt, doch dann tauchte auch schon Alexander auf und zapperapp - riss er mich mit sich!«
Alexander verschluckte sich und musste heftig husten.
»Oh, entschuldige bitte vielmals! Es war sicherlich nicht meine Absicht, deine nette Kennenlernrunde zu stören!«, empörte er sich. »Beulen und blaue Flecke hätten sie dir mit Freude verpasst - ist bei denen so eine Art Begrüßungsritual! Naja, wer‘s mag«, spottete er weiter.
»Schon gut, du hast ja recht«, gestand Mattis einsichtig und hob bedeutungsvoll seinen Zeigefinger.
»Es waren wahrscheinlich die fünf stärksten und gemeinsten Jungen, die ich je auf einem Haufen gesehen habe, Onkel! Doch wer braucht die denn schon, wenn es einen Alexander gibt, der es mit allen fünfen gleichzeitig aufnimmt!«, verkündete Mattis voller Begeisterung. Ungläubig hob Alexander seine Augenbraue.
»Und rennen kann er, das hättest du wirklich mal sehen sollen!«, plapperte Mattis weiter. »Dank mir und meines klugen Köpfchens konnten wir sie dann aber abschütteln!«, feierte Mattis sich selbst.
Zweifelnd blickte Alexander Mattis an. Es war allerhöchste Zeit, das übertriebene Gehabe zu beenden.
»Vielen Dank für die köstliche Suppe, Herr Jogasch, doch ich muss nun gehen. Meine Mutter fragt sich bestimmt schon, wo ich denn bleibe.« Kaum hatte er den Satz beendet, da begann sich alles in seinem Kopf zu drehen. Alexander kniff seine Augen fest zu und öffnete sie wieder.
»Geht es dir auch gut, mein Junge? Du siehst ein wenig blass aus«, fragte Jogasch stirnrunzelnd. Alexander erhob sich von seinem Platz.
»Nein, nein - danke, es geht schon. Sagen Sie bitte, wie komme ich denn am schnellsten in den Holler Weg?«
Er hatte noch nicht ganz ausgesprochen, da musste er sich schon wieder setzen.
Alexander hatte das Gefühl, dass der Boden unter seinen Füßen schwankte, und alles um ihn herum leise und dumpf klang. Verzweifelt versuchte er, sich auf den Beinen zu halten. Onkel Jogasch sprang sofort auf. Er nahm ein Fläschchen von seinem Gürtel und verabreichte Alexander ein paar Tropfen daraus.
Alexander war augenblicklich wieder hellwach und klar im Kopf. Der Schwindel war wie weggepustet.
»Das ist aber eine äußerst wirksame Medizin, Herr Jogasch!«, stellte Alexander verblüfft fest.
Der alte Mann nickte nachdenklich. »Aber ja doch, natürlich ist sie das, daran besteht kein Zweifel. Wirksam scheint aber auch mein Süppchen gewesen zu sein.« Mit prüfenden Blicken musterte Jogasch Alexander. Dann wich er zurück.
»Ich denke, es ist nun allerhöchste Zeit für dich zu gehen!«, erklärte Jogasch beunruhigt.
»Aber Onkel…!«, versuchte Mattis zu protestieren, doch es half nichts, und so fügte sich Mattis schweigend. Der Alte klopfte Alexander aufmunternd auf die Schulter und schob ihn in Richtung Tür.
»Gehe einfach den Weg, den du gekommen bist, dann findest du zurück! Aber beeile dich, mein Junge!«
Ehe sich Alexander versah, war er auch schon draußen und die Tür hinter ihm geschlossen.
»Manieren sind das!«, dachte er und wollte gerade gehen, da öffnete sich ein Fenster, und Mattis steckte seinen Kopf hinaus. »Wiedersehen, Alexander, und wenn du es dir anders überlegst, bist du immer willkommen!«
Alexander nickte irritiert, während Mattis wieder nach drinnen verschwand.
»Sonderbar, äußerst sonderbar«, dachte Alexander und ging.