Читать книгу Organische Gemeinde - Neil Cole - Страница 18

Die Geschichte der beiden Steves

Оглавление

Acht Jahre lang war ich Pastor einer ziemlich normalen Gemeinde in einer südkalifornischen Vorstadt. In dieser Zeit bildeten wir Leiter aus, die neue Gemeinden gründen sollten. Letztendlich wurden drei Tochtergemeinden gegründet. Bereits in den Anfängen spürte ich, dass mein Dienst dort zeitlich begrenzt sein und ich irgendwann etwas anderes tun würde. Mit den Jahren sah ich Veränderungen im Leben vieler Menschen, Leiter entwickelten sich und der Dienst gedieh. Ich fühlte mich dort immer wohler. Es war eine großartige kleine Gemeinde, und ich dachte, dass ich dort auf Dauer bleiben könnte. Viele Male hatte ich die Gelegenheit, die Gemeinde zu verlassen, aber immer wenn ich mit Gott darüber redete, fühlte ich mich bestärkt, dort zu bleiben.

Dann veröffentlichte ich zusammen mit meinem Freund Bob Logan Materialien zur Entwicklung von Leitern.1 Sobald diese Aufgabe erledigt war, hatte ich den Eindruck, dass ich von meinem Ruf für diese Gemeinde befreit war. Es schien sich ohne Vorwarnung und in einer Zeit, in der ich nicht danach gefragt hatte, in Luft aufzulösen, aber ich war mir nicht sicher, zu welcher neuen Sache ich berufen war.

Es war in dieser Zeit, in meinem siebten Jahr als Pastor dort, dass wir einige offene Angriffe des Feindes zu spüren bekamen. Am Anfang waren es scheinbar unbedeutende Dinge, die unser Gelände betrafen, aber dann baute sich die Opposition zu einer großen Sache auf.

Das Gelände unserer Gemeinde hatte eine Größe von etwa zwei Hektar und befand sich in einem Vorort in den Ausläufern eines Berges in Alta Loma. Davon benutzten wir aber nur ein Fünftel. Das umliegende Gelände war ebenfalls nicht bebaut, sodass unsere Gemeinde etwas isoliert und abgelegen lag.

Als Erstes entdeckte ich, dass Jugendliche Marihuana auf unserem Gelände anbauten. Dann fand ich wiederholt morgens benutzte Kondome auf dem Parkplatz unserer Gemeinde. Diese Dinge ärgerten mich. Ich wusste, dass es nur Jugendliche waren, die hier herumhingen. Sie taten mir leid, und ich war wütend auf den Feind, dass er sie auf unserem Gelände für seine Zwecke benutzte. Die Entrüstung darüber, dass er Sünde und Missbrauch direkt auf unser Gelände brachte, ließen mir keine Ruhe. Unsere Gemeinde kam zu dem Schluss, dass es sich um einen geistlichen Angriff handelte, und wir begannen, inbrünstig zu beten. Das machte den Feind aber nur noch wütender, was in dem übelsten Ereignis gipfelte.

Wenn ich allein im Gemeindegebäude war, überkamen mich des Öfteren seltsame und dunkle Gedanken. Ich stellte mir vor, ich würde einen jungen Mann finden, der sich erhängt hatte, nahm allerdings an, dass das Unsinn sei und schob die Gedanken beiseite. Als ich eines Samstagmorgens im Büro war, sah ich, dass Polizei und Feuerwehr anrückten, allerdings ohne in Eile zu sein. Ich folgte ihnen zu der alten Eiche am anderen Ende des Grundstücks, und dort erblickte ich genau das, was ich zuvor in Gedanken befürchtet, aber immer wieder verdrängt hatte. Ein junger, gut und gesund aussehender Mann hatte sich erhängt. Er trug brandneue, teure Schuhe und hatte etwas Geld bei sich. Ich erfuhr, dass er Steve hieß, dreißig Jahre alt war und Probleme mit seiner jungen Ehefrau gehabt hatte.

Im Verlauf einer einzigen Woche waren Drogen, Sex und der Tod auf unser Gemeindegelände gebracht worden. Das war offensichtlich nicht normal. Es herrschte Krieg.

Als ich den leblos umherschaukelnden Körper des Mannes betrachtete, erinnerte ich mich an all die Eindrücke der letzten Zeit. Mir kam es vor, als würden einige Jahre der Führung Gottes an diesem Platz ihren Höhepunkt finden. Ich wusste, dass dies ein wichtiger geistlicher Moment war, und so betete ich fast instinktiv: „Herr, was ging in diesem Mann vor, als er von diesem Ast sprang und im nächsten Leben landete?“

Bald sollte ich entdecken, dass dies ein gefährliches Gebet war. Der Herr beantwortete es sehr schnell. In allen Bereichen meines Lebens wurde ich durch die Menschen, die ich liebte, herausgefordert. Die Ereignisse überschlugen sich förmlich, wie Wellen, die über mir zusammenbrachen – und das alles innerhalb von nur wenigen Wochen. Die Prüfungen schienen sich auf alle meine Beziehungsebenen auszuweiten.

Als Erstes durchlebte mein ältester und bester Freund eine kurze depressive Phase und übte mit aller Heftigkeit Kritik an meiner Person. Er nannte mich einen Schwindler, der nichts im gemeindlichen Dienst zu suchen habe. Dann verbreitete ein Gemeindeglied in der Gemeinde unwahre Geschichten über mich; das Schlimme daran war, dass ihm einige meiner langjährigen Befürworter Glauben schenkten. Ein Pastor aus meiner Gegend stellte meinen Charakter, meine Kompetenz und meine Berufung vor meinen Kollegen in Frage. (Ist es nicht typisch für einen Pastor, dass er gleich drei Punkte aufzählt?) Dann flog aus merkwürdigen Gründen ein anderer Pastor aus meinem Gemeindeverband vom anderen Ende des Landes nach Arizona, um dort einen unserer Gemeindegründer zu beschuldigen, er sei ein Ketzer und solle besser unseren Gemeindeverband verlassen. Ich flog sofort nach Arizona, um ihn zu verteidigen, und erfuhr dabei, dass auch ich unter Verdacht geraten war. Dann fühlte ich mich im Stich gelassen, als mein Co-Autor aufgrund unserer gemeinsamen Arbeit viele Einladungen, in Gemeinden zu dienen, bekam, während ich scheinbar den Anschluss verpasst hatte. Es sah so aus, als würden meine geliebten Freunde, meine Gemeinde, meine Kollegen, mein Gemeindeverband und auch das Reich Gottes insgesamt mich nicht mehr respektieren. Es gab nicht einen Lebensbereich, in dem ich nicht durch Menschen, die mir eigentlich so nahe standen wie Brüder und Schwestern, persönlich verletzt wurde, unabhängig davon, ob sie es absichtlich oder unabsichtlich taten.

Mitten in dieser Zeit bekam ich dann einen Anruf von einem anderen Pastor aus meiner Gegend, den ich nur selten sah. Damals fungierte ich als regionaler Vorsitzender für meinen Gemeindeverband. Dieser Pastor behauptete nun, in den vergangenen Jahren habe es viele grauenhafte Sünden in unseren Gemeinden gegeben, und forderte mich auf, als Leiter die volle Verantwortung dafür zu tragen, auf die Knie zu fallen und Gott um Vergebung und Heilung zu bitten. Das war genau das, was ich in dieser Krisenzeit noch brauchte.

Während ich ihm so zuhörte, hatte ich den Eindruck, dass er wahrscheinlich recht hatte. Ich warf mich flach auf den Boden und flehte Gott an, die Sünden meiner Leute zu vergeben.

An diesem Nachmittag besuchte mich mein Mentor Tom Julien. Er lebt in einem anderen Bundesstaat, und normalerweise halten wir übers Telefon oder die Treffen unseres Gemeindeverbands Kontakt. Dieses Mal kam er aber zu mir in mein Büro, um mich persönlich zu sehen. Ich hatte ihn gar nicht gebeten zu kommen; er war nur zufällig gerade in der Gegend. Dies war sogar das einzige Mal, dass mich Tom in meinem Büro aufsuchte. Es war ein von Gott arrangiertes Treffen in einer wichtigen Zeit, und ich bin dankbar, dass er seinem Gott gegenüber so sensibel ist.

Er fragte mich, wie es mir ginge, und ich erzählte ihm von den letzten Wochen, die für mich die Hölle gewesen waren. Er war sehr interessiert und betroffen. Dann begann er die einzelnen Ereignisse miteinander in Verbindung zu bringen. Ich wurde von meinem besten Freund verleugnet, wurde von einem engen Kollegen verraten, von meinen Kollegen in Frage gestellt, von meinen eigenen Leuten als falscher Lehrer betitelt und dann noch aufgefordert, vor Gott für ihre Sünden einzustehen. Ich erlebte sozusagen ein Stück weit die Leiden Christi. Das war eine Chance für mich, zumindest einen Teil von dem zu verstehen, was mein Herr für mich hatte durchmachen müssen.

Mein Mentor sah mich an und sagte: „Das hört sich so an, als würdest du für irgendetwas gestählt werden!“ Ich erwiderte: „Ich habe eher das Gefühl, dass ich weichgeklopft werde!“ In der Tat wurde mein Herz immer weicher. Ich konnte die Leiden Jesu besser nachfühlen. Ich hatte Erbarmen mit den Leuten, die mich angriffen. Vor allem hatte ich Mitleid mit den jungen Menschen, die wie Steve keine Hoffnung hatten, die von den Menschen um sie herum nicht geliebt wurden und kurz davorstanden, sich umzubringen.

Nach diesem aufschlussreichen Gespräch mit Tom kehrte sich plötzlich alles um. Mein Freund wurde vom Arzt mit einer chemisch induzierten Depression diagnostiziert. Daraufhin entschuldigte er sich demütig bei mir. Heute sind wir enger als je zuvor befreundet. Das Gemeindeglied wurde zurechtgewiesen und die Gemeinde erholte sich. Der Pastor, der meinen Charakter vor meinen Kollegen in Frage gestellt hatte, gab sogar die Anregung, die schließlich dazu führte, dass ich die leitende Position für Gemeindegründung in unserem Gebiet übernahm. Seitdem gehört er zu meinen stärksten Unterstützern. Der Gemeindeverband reagierte auf die Anschuldigung der Ketzerei und forderte den, der meinen Freund und mich angeklagt hatte, auf, seine Anschuldigungen zu unterlassen. Alle meine Beziehungen wurden wiederhergestellt, aber in mir hatte sich für immer etwas verändert. Ich spürte nun einen neuen Ruf, die Hoffnung Jesu den Menschen zu bringen, die zerbrochen und verloren sind und nicht mehr leben wollen.

Trotz der Verletzungen, die mir die Menschen, die ich liebte, zugefügt hatten, hatte ich nie das Gefühl, dass mein Retter mir den Rücken zuwandte. Jesus war immer bei mir, egal, was andere Menschen sagten und taten. Ich verlor nie die Hoffnung.

In dieser Zeit berief Gott auf sehr radikale Weise einen anderen Mann namens Steve. Er war einer der Ältesten unserer Gemeinde und von Beruf Klempner. Genau wie der andere Steve, war auch er ungefähr 30 Jahre alt. Wir ließen Steve sonntags meist die Ankündigungen machen, da er gute Witze erzählen konnte und einen lebendigen Charakter hatte. Eines Sonntags änderte er sich jedoch. Er ging auf das Podium und sagte: „Alle Infos, die ihr braucht, findet ihr im Gemeindebrief. Schlagt jetzt bitte mit mir Offenbarung 5 und 6 auf.“ Dann fing er an zu beschreiben, wie der Himmel einmal aussehen würde. Denjenigen, den ich bisher als Klempner gesehen hatte, konnte ich plötzlich als Pastor sehen.

Zwei junge Männer Anfang dreißig hatten beide den Namen Steve; der eine war ohne Hoffnung, während der andere eine innere Berufung und Leidenschaft verspürte, das Leben auszuleben, das Jesus in ihn hineingelegt hatte. Durch dieses Erlebnis wusste ich, dass Gott mich dazu berufen hatte, jungen, kaputten Menschen wie Steve die Hoffnung und das Leben Jesu zu bringen, damit sie zu Menschen werden, die spüren, dass sie eine Berufung und eine Leidenschaft für das Leben im Überfluss haben … wie Steve.

Organische Gemeinde

Подняться наверх