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Einführung

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Man hat das Christentum hinter Kirchenmauern begraben und mit den Fesseln des Dogmatismus festgezurrt.

Lasst es wieder los, damit es in unsere Mitte kommt und uns Freiheit, Gleichheit und Liebe lehrt.

Minna Canth

Schon seit vielen Jahren gehe ich immer seltener in die Kirche, weil ich dort so wenig von dem finde, nach dem ich mich sehne. Die Gegenwart Gottes zu spüren – danach verlangt es mich.

Frederick Buechner

„Houston, wir haben ein Problem.“

Dieses historische Understatement gab am 14. April 1970 Kommandant James A. Lovell von sich, als er an Bord der Apollo 13 Hunderte Meilen von der Erde entfernt ziellos in einer kleinen Metallkapsel im All umhertrieb. Etwas war völlig schiefgelaufen. Der Sauerstoff und die Triebkraft reichten nicht mehr aus, um sicher nach Hause gelangen zu können, sodass die Crew der Apollo 13 und das Expertenteam der NASA in Houston vor einer großen Herausforderung standen. Ron Howard dokumentierte diese kritische Episode in dramatischer Weise in dem Film „Apollo 13“, deren Ausgang entweder in einer schrecklichen Tragödie enden oder zu einem großen Erfolg für die NASA führen konnte. Dieser Hilferuf aus dem All führte dazu, dass kreative Lösungen für ein komplexes Problem gesucht wurden.

Die Gemeinde kann heute etwas Ähnliches sagen: „Himmel, wir haben ein Problem.“

Die Worte in diesem Buch sind wahrscheinlich nicht unbedingt das, was Sie hören wollen, so wie auch Houston den Hilferuf nicht hören wollte. Aber wenn wir nicht bereit sind, uns unseren Problemen zu stellen, werden wir unseren Weg nie korrigieren können. Aus Liebe zu Jesus und seiner Kirche, seiner Braut, habe ich dieses Buch geschrieben.

Meinungsforscher berichten, eine große Anzahl von Nichtchristen habe zwar Interesse an Jesus, jedoch nicht daran, in die Kirche zu gehen. Es gibt einen Autoaufkleber, auf dem steht: „Ich liebe Jesus; es sind die Christen, die ich nicht ausstehen kann.“

Bevor Mel Gibsons „Die Passion Christi“ in den Kinos erschien, konnte ich diesen Film in einem speziellen Treffen gemeinsam mit mehreren Tausend Pastoren ansehen. Die gängige Meinung bei diesem Treffen war, dass dieser Film zu einem großen Erfolg werden und viele Menschen zurück in die Kirchen bringen würde. Es gab für diesen Zweck schon Predigten für Suchende, die aus dem Internet heruntergeladen werden konnten. Buntes Werbematerial wurde gedruckt, um die Massen in unsere Gottesdienste zu locken. Ganze Kinos wurden gemietet, um den Film in eigenen Veranstaltungen zu zeigen, weil man meinte, die Menschen, die man eingeladen hatte, würden Christen und dann auch selbstverständlich Kirchgänger werden.

Zur großen Überraschung aller wurden sogar mehr Tickets als erwartet verkauft, und weltweit spielte der Film über 600 Millionen Dollar ein. Aber vielleicht noch überraschender ist, dass sich dies nicht positiv auf die Zahl der Gemeindemitglieder ausgewirkt hat.

Das zeigt uns, dass viele Menschen die Botschaft von Jesus zwar hören wollen und auch daran glauben, aber mit der Kirche als Institution, wie wir sie derzeit haben, nichts zu tun haben wollen. Das sollte für uns alle eine klare Warnung sein. Wir haben ein Problem.

Offensichtlich sind die Leute an Jesus interessiert, aber mit seiner Frau (die Kirche ist die Braut Christi) wollen sie keine Zeit verbringen. Leider haben wir die Botschaft des Evangeliums so verkürzt, dass sie untrennbar mit der Institution Kirche verbunden ist. Selbst wenn sie nur etwas über Jesus hören wollen, sagen wir den Leuten, sie müssten die bittere Pille „Kirche“ schlucken. Die meisten sterben jedoch lieber an der Krankheit, als diese „Medizin“ zu schlucken.

Die Ortsgemeinde ist inzwischen so unattraktiv geworden, dass sie viele, selbst unter den überzeugten Christen, gänzlich ablehnen. In seinem Buch „The Present Future: Six Questions for the Church“ (Die gegenwärtige Zukunft: Sechs Fragen an die Kirche) macht Reggie McNeal die alarmierende Beobachtung: „Eine wachsende Zahl von Menschen verlässt die institutionelle Kirche aus einem neuen Grund. Sie gehen nicht, weil sie ihren Glauben verloren haben, sondern um ihren Glauben zu bewahren.“1 Das sind harte Worte. Könnte es sein, dass die „verkirchlichte Kultur“ geistlich gesehen toxisch ist? Wir haben ein Problem.

Die Zahl der Gottesdienstbesucher ist allerdings kein Barometer dafür, wie es um die Christenheit steht. Letztendlich sollte das Evangelium doch eine Transformation bzw. Veränderung bewirken. Es reicht nicht aus, unsere Kirchen zu füllen; wir müssen unsere Welt verändern. Wenn die Kirche wirklich effektiv ist, sollte sich die Gesellschaft und Kultur verändern. Geht die Kirche auf die Menschen zu und werden diese durch die gute Nachricht des Reiches Gottes verändert? Wo dies geschieht, wird die Anzahl der Christen sicherlich steigen. Das Reich Gottes dreht sich aber nicht darum, dass wir einmal in der Woche den Gottesdienstraum füllen. Wir tun Jesus unrecht, wenn wir sein Leben und sein Wirken auf so traurige Statistiken wie Besucher- oder Mitgliederzahlen reduzieren.

Inwieweit die Kirche einen Einfluss hat, sieht man in der Gesellschaft – auf den Straßen, nicht in den Kirchenbänken.

Die USA stehen nicht alleine da, was diesen Niedergang der Gemeinde angeht. Überall auf der Welt, wo die Kirche dem westlichen, institutionellen Muster folgt, nimmt ihr Einfluss ab.

Unlängst war ich in Japan und sprach in einer Kirche vor hauptsächlich jungen Japanern. Meine Frau und ich waren die einzigen Weißen in dem Gebäude, vielleicht sogar in der gesamten Stadt. Ich erwähnte, dass in Japan weniger als ein Prozent der Bevölkerung Kirchenmitglieder sind. Seufzend nickten sie alle und zeigten damit, dass sie angesichts dieser Realität müde geworden waren. Ich sagte dann, dass ich vor einigen Monaten schon einmal bei ihnen gewesen war und dass damals die Prozentzahl ebenso niedrig war. Nichts hatte sich geändert. „Was ist los mit euch?“, fragte ich. Sie lachten, als wäre die Erwartung, dass sich etwas ändern könnte, lächerlich.

Ich fuhr fort und erzählte ihnen, ich sei auch schon vor drei Jahren in Japan gewesen, und auch damals seien weniger als ein Prozent Kirchenmitglieder gewesen. Dieses Mal lachten sie nicht. Dann sagte ich ihnen, dies sei auch schon zehn Jahre vorher so gewesen und fragte sie: „Wisst ihr, wie hoch der Anteil der Christen vor hundert Jahren war?“ Sie waren den Tränen nahe, als ich meine eigene Frage beantwortete: „Ebenfalls weniger als ein Prozent!“ Nach einer Pause sagte ich: „Da stimmt etwas nicht, wie wir hier in Japan Kirche praktizieren.“ (An dieser Stelle sei bemerkt, dass wir aus dem Westen es waren, die ihnen beigebracht haben, wie die Kirche funktioniert.

Damit Japan verändert wird, muss Jesus den Leuten etwas Neues und Wirkungsvolles geben. Dasselbe gilt für uns im Westen. Nicht die Ortsgemeinde wird die Welt verändern, sondern Jesus. Der Gottesdienstbesuch am Sonntag verändert das Leben der Menschen nicht. Nur Jesus in ihren Herzen ist der, der diese Veränderung hervorrufen kann.

Die westliche Kirche hat so viel von dem aufgegeben, was sie sein soll, dass sie für die Verlorenen bedeutungslos geworden ist. Christliche Organisationen, wie Bibelschulen, Missionsgesellschaften, seelsorgerliche Beratungsstellen und Evangelisationswerke sind entstanden und haben inzwischen einen Großteil der Arbeit übernommen, für die Gott eigentlich die Gemeinde berufen hatte. Die Kirche erwartet, dass andere evangelisieren, Führungskräfte heranbilden und soziale Dienste tun. Menschen mit ernsten Problemen schicken wir zu den Psychologen.

Wenn man Nichtchristen fragt, wozu die Ortsgemeinde wichtig ist, dann fallen ihnen meist nur zwei Dinge ein: Man heiratet dort und man wird dort beerdigt. Viele von ihnen versuchen mit aller Macht, beides zu vermeiden. Ist es das, wofür Jesus gelitten hat und gestorben ist? Ist dies das Beste, was wir mit der Kraft der Auferstehung anfangen können? Wir haben ein Problem!

Unternimmt die Ortsgemeinde dann schon einmal den Versuch einer Evangelisation, ist es meist nicht mehr als ein „Kommt doch alle mal vorbei“. Im Prinzip schmeißt die Kirche eine Art Party und erwartet, dass die Menschen zu ihr kommen. Unter der Devise „Wie können wir die Leute außerhalb der Kirche erreichen?“ verbringen wir viel Zeit damit, neue Wege zu finden, wie wir die heilige Stunde am Sonntag so relevant für Suchende machen können, dass sie auch kommen wollen. Es gibt unzählige Bücher, Seminare, CDs, Zeitschriften und Internetseiten zu dem Thema, wie wir die Gottesdienste so interessant machen können, dass die Verlorenen ebenfalls unseren Jesus wollen. Glauben wir wirklich, dass wir sie damit so beeindrucken können, dass sie in die Kirche eintreten wollen? Ist das Ziel, dass sie in die Kirche kommen, hinreichend?

Wie weit gehen wir, um Menschen in unsere „Gottesdienst-Show“ zu bekommen? Wie viele Kompromisse gehen wir ein, um die Besucherzahlen zu erhöhen? Der extremste Fall, von dem ich gehört habe, hat sich im Nordwesten der USA zugetragen. Dort warb eine Kirche damit, es mit Geld zu belohnen, wenn jemand mindestens einen Monat lang jeden Sonntag in den Gottesdienst käme. Sie bezahlten die Leute dafür, dass sie in ihren Gottesdienst kamen! Dieses Beispiel ist nicht gerade einfallsreich, aber fällt uns tatsächlich nichts Besseres ein, als Besucher mit unserer professionellen Musik, unseren Predigten und Vorführungen zu „kaufen“? Ich denke, wir haben mit der ganzen „Sucherfreundlichkeit“ den Bogen überspannt. Wir haben ein Problem!

Warum müssen Menschen sonntags früh aufstehen, sich fein anziehen, um zu einem Ort zu fahren, wo sie sich in Reihen hinsetzen und den restlichen Morgen auf den Hinterkopf ihres Vordermannes gucken müssen, während jemand, den sie nicht kennen, ihnen das neueste Rezept auftischt, wie man in drei Schritten zu einem besseres Leben kommt? Soll diese Erfahrung wirklich ihr Leben für immer verändern?

Eine Missionarsfamilie, die in einer der gefährlichsten Gegenden der Welt organische Gemeinden gründet, machte einmal Heimaturlaub in den USA. An ihrem ersten Sonntag besuchten sie eine große Baptistengemeinde, von der sie unterstützt werden. Da der Missionar an diesem Tag im Gottesdienst sprechen sollte, kamen sie schon früh in ihren besten Kleidern an. Seine Frau saß mit den beiden Kindern in der ersten Reihe. Sie sahen beim Soundcheck und Stimmen der Instrumente zu. Das älteste Kind fragte: „Mama, wird es gleich eine Show geben?“ Die Kinder hatten Gemeinde bisher nur als familiäre Atmosphäre in Privathäusern und Wohnungen erlebt. Diese Art von Gemeinde erschien ihnen absolut fremd. Ich bin davon überzeugt, dass die meisten von uns mit unserer Art, Gemeinde zu leben, viel zu sehr vertraut sind, als dass wir noch erkennen könnten, wie seltsam unsere Bräuche eigentlich sind.

Es erstaunt mich, wie viel Energie und Ressourcen (Zeit, Geld, Menschen) für eine einzige Stunde in der Woche verbraucht werden. Wir haben Kirche in eine religiöse, sonntägliche Show verwandelt. Nach der Show gehen wir dann alle wieder nach Hause, bis die Kirche eine Woche später zur selben Zeit und am selben Ort neu beginnt. Ist das wirklich die Braut Jesu?

Laut Missionsbefehl ist es unsere Aufgabe, „in alle Welt zu gehen“, aber wir haben das Ganze umgedreht: „Kommt her und hört unsere Botschaft!“

Wir erwarten, dass die Leute in die Kirche kommen, um zu Jesus zu kommen, aber die Menschen in der Welt wollen mit der Kirche nichts zu tun haben. Wir sind von unserem religiösen Club so eingenommen, dass wir denken, diejenigen, die nicht in die Kirche gehen, seien diejenigen, die keine Beziehung zu Jesus haben. Als würde es ausreichen, dass jemand sonntags eine Stunde im Gebäude sitzt, um zu sagen, er sei Christ. Aber unsere Errettung hängt nicht davon ab, was wir sonntags tun und ob unser Name im Mitgliederverzeichnis auftaucht. Natürlich ist uns das lehrmäßig klar, aber trotzdem teilen wir die Bevölkerung in Kirchgänger und Nicht-Kirchgänger ein, als würde alles davon abhängen, dass sie Teil unserer Organisation sind. Kein Wunder ist unsere Botschaft so verworren. Wir haben unseren Hauptauftrag vergessen und denken, die Menschen müssten so wie wir werden statt wie Jesus.

Anstatt Menschen in die Kirche zu bringen, damit wir sie dann zu Jesus bringen, sollten wir doch besser Jesus zu den Menschen bringen, dorthin, wo sie sich aufhalten und leben. Dann erleben wir möglicherweise, dass daraus eine neue Art von Kirche entsteht, eine Kirche, die ihre Mitte mehr im Leben und am Arbeitsplatz hat, wo die Botschaft wirklich einen Unterschied machen sollte. Was wird geschehen, wenn wir den Samen des Reiches Gottes dort aussäen, wo sich das Leben abspielt und wo die Gesellschaft geformt wird. Ist es nicht genau das, was Jesus für seine Kirche beabsichtigt hat?

Wie wäre es, wenn Gemeinden auf organische Weise entstünden, wie kleine geistliche Familien, aus dem Boden der Verlorenheit geboren, weil hier der Same Gottes ausgesät wurde? Diese Gemeinden könnten sich reproduzieren, wie es alle lebendigen und organischen Dinge tun.

Wir haben erlebt, dass sich solche Gemeinden in Restaurants, Büros, in Privathäusern und -wohnungen, an Hochschulen, Schulen oder Stränden trafen. Andere hatten ihre Treffen in Bars, Kaffeehäusern, Parks oder Schließfachräumen. Eines unserer Gemeinde-Netzwerke hat sich zum Ziel gesetzt, dass es in Las Vegas für jeden Einwohner eine Gemeinde gibt, die er zu Fuß erreichen kann.“ Ein anderes proklamiert: „Jeder Christ ist ein Gemeindegründer, jedes Haus und jede Wohnung ist eine Gemeinde, und jedes Gemeindegebäude ist ein Trainingscenter.“ Das ist eine völlig neue Art, die Gemeinde Jesu zu sehen, und genau das passiert heute überall in der westlichen Welt. Ich glaube, dass dies eine ansteckende Bewegung ist, die mit den vielen Menschen in Kontakt kommt, die sich von der herkömmlichen Kirche gelöst haben, aber auf der Suche nach Jesus sind. Wir müssen Jesus in das Leben der Menschen bringen, und dies muss im Rahmen von Beziehungen geschehen.

In der Zeitschrift eines bestimmten Gemeindeverbands fand ich einmal einen Artikel, in dem die Evangelisationsmethode einer örtlichen Gemeinde herausgestellt wurde. Zur Weihnachtszeit hatten sie ihren Chor in ein großes Einkaufszentrum geschickt, um dort durch Weihnachtslieder die Botschaft Jesu zu verkünden. Dies wurde als erfolgreiche Aktion dargestellt, obwohl sie niemand angesprochen, zu keinem eine Beziehung hergestellt hatten. Keiner der Besucher des Einkaufszentrums konnte diesen kirchlich-religiösen Menschen in den fremdartigen Roben eine Frage stellen. Sie hörten lediglich Lieder, mit denen sie ohnehin schon über die Lautsprecher berieselt wurden. Wie eine Flugbegleiterin vor jedem Abflug verkündete auch der Chor lebenswichtige Informationen, die aber von kaum jemand beachtet wurden. Und trotzdem waren die Mitglieder dieser Gemeinde davon überzeugt, dass sie eine großartige Arbeit für Gott geleistet hatten. Mann, wir haben wirklich ein Problem!

Wenn wir diese Welt für Jesus gewinnen wollen, müssen wir uns wohl oder übel in die Raucherecken setzen, denn dort finden wir die verlorenen Menschen. Aber wenn wir verlangen, dass sie ihre Zigarette ausmachen, um die Botschaft zu hören, werden sie nur an eines denken, nämlich: „Wann kann ich wieder eine rauchen?“

Der Kern unserer Botschaft ist doch, dass Gott von uns nicht erwartet, dass wir zu ihm in den Himmel kommen. Er kam zu uns. Er lebte sein Leben zu unseren Bedingungen und auf unserem Terrain. Er inkarnierte sich. Dies ist ein theologischer Begriff und bedeutet so viel wie, dass er „im Fleisch“ oder in „in einem menschlichen Körper“ war. Wenn ich mir Chili „con carne“ bestelle, bestelle ich Chili mit Fleisch, mit Substanz. Jesus war der inkarnierte Gott. Er war die Wahrheit im menschlichen Körper, sodass jeder sie sehen konnte. Er „… wurde Fleisch … und wir haben seine Herrlichkeit angeschaut, eine Herrlichkeit als eines Eingeborenen vom Vater, voller Gnade und Wahrheit“ (Joh 1,14).

Die Lieder des Chores hatten genau dies zum Inhalt, aber die Menschenmassen gingen einfach daran vorbei, ohne auch nur darüber nachzudenken. Als Jesus kam, trug er weder eine bunte Robe, noch blieb er distanziert, noch sang er den Leuten Lieder vor. Er kam genau wie wir nackt durch den Geburtskanal. Jemand musste seine Windel wechseln, und für eine gewisse Zeit konnte er sich wie alle anderen Menschen seit Adam und Eva nur durch Schreien verständigen. Er war arm und lebte unter uns. Er machte seine Hände schmutzig und diente den Menschen. Schließlich, nach seinem Leben, seinem Tod und seiner Auferstehung kam er irgendwann im 20. Jahrhundert auch zu mir. Wir müssen ihn auch heute zu den verlorenen Menschen kommen lassen.

Jesus ist immer noch inkarniert: Jetzt sind wir seine Füße, seine Hände, seine Augen und sein Mund. Wir sind der Leib Christi. Wir sind sein Tempel, und der Heilige Geist wohnt in unserem Fleisch (vgl. 1 Kor 6,19). Wir sind nicht die Gottheit, aber die Gottheit wohnt in uns, und ich finde, dass diese Wahrheit eine Realität ist, die unser Leben so dramatisch verändert, dass andere dies bemerken sollten.

Sir Walter Moberly schrieb 1949 das Buch The Crisis in the University (Die Krise in der Universität). Er hatte festgestellt, dass Evangelikale es nicht schafften, die Hochschulen mit dem Evangelium zu durchdringen. Für alle, die vorgeben, Jesus nachzufolgen, haben seine Worte von damals auch heute noch Biss: „Wenn auch nur ein Zehntel von dem, was ihr glaubt, wahr ist, dann solltet ihr zehnmal begeisterter sein.“2 Das sind die Worte eines Nichtchristen, der unsere Predigten gehört und unser Verhalten studiert hatte. Es tut weh, weil es wahr ist. Wir müssen anfangen, das Wort Jesu und den Geist Gottes so reichlich in uns wohnen zu lassen, dass seine göttliche Gegenwart spürbar ist. Das ist es, wofür Jesus gestorben ist.

Der Theologe Lesslie Newbigin sagt ganz richtig: „Die Kirche ist in die Welt gesandt, um das fortzuführen, wofür Jesus gekommen ist, und zwar in der Kraft desselben Heiligen Geistes Menschen mit Gott zu versöhnen“3 (vgl. Joh 20,19-23).

Dieses Buch ist ein Aufruf, zu unseren Wurzeln zurückzukehren. Die Gemeinde soll lebendig, organisch und im Fleisch sein. Sie soll dort hervorkommen, wo sie am meisten gebraucht wird. Die Kirche soll fruchtbar sein, sich multiplizieren und die Erde füllen, wie es Jesus beabsichtigte, als er dafür bezahlte.

Im Film „Apollo 13“ kam ein engagiertes Team hingegebener Leute bei der NASA zusammen, um ein schwieriges Problem zu lösen. Unter Ausnutzung einfacher Komponenten, die schon an Bord der Raumkapsel waren, fanden sie eine kreative Lösung, um die Astronauten zurück zur Erde zu bringen. Was sich schnell zum größten bisher dagewesenen Problem der NASA entwickelt hatte, wurde stattdessen ihr heldenhaftester Moment. Was wäre passiert, wenn die beteiligten Leute geleugnet hätten, dass es ein Problem gab? Wenn wir das Problem nicht erkennen, fehlt die kreative Energie, um Lösungen zu finden.

Der Anfang einer jeder großen Errungenschaft ist, dass ein Problem erkannt wird. Zusammen mit einem klaren Ziel und kreativer Energie kann durch diese Erkenntnis viel erreicht werden. Gott hat uns bereits alles gegeben, was wir brauchen. Wir müssen nur die einfachen Dinge in einem neuen Licht betrachten. Es gibt Lösungen, die auf der Hand liegen, wenn wir nur unsere Augen und Ohren für das öffnen, was der Heilige Geist den Gemeinden mitteilen will. Gott schweigt nicht; er hat sich nicht zurückgezogen, sondern er ist aktiv beteiligt und motiviert. „Bittet und ihr werdet empfangen“ (vgl. Mt 7,7).

Beim Lesen dieses Buches werden Sie vielleicht überrascht sein, wie einfach und naheliegend die Lösungen sind. Das Buch ist praktisch gehalten; es geht aber nicht um ein bestimmtes Gemeindemodell, sondern darum, wie die Wahrheit, die wir in der Bibel finden, heute Fleisch werden kann. Wenn Sie tiefgehende, komplexe und methodisch ausgeklügelte Antworten suchen nach dem Schema „Wie mache ich …?“, werden Sie enttäuscht werden. Die Antworten finden wir nicht in unseren Modellen, Methoden und menschlichen Systemen, sondern in der Wahrheit des Wortes Gottes und indem wir vom Heiligen Geist erfüllt und geführt werden. Ich hoffe, dass dieses Buch Sie wachrüttelt, sodass Sie die alte, vertraute Stimme wieder hören – die leise, säuselnde Stimme des Geistes –, die uns aufruft, neu und wieder mit ihm zu gehen. Alles, was komplizierter ist, ist nur zum Scheitern verurteilt.

Himmel, wir haben ein Problem. Zeige uns die Lösung und öffne unsere Herzen, damit wir sie empfangen können.

1 McNeil, R., The Present Future Church, Jossey-Bass, San Francisco 2003, S. 4.

2 Moberly, Sir W., The Crisis in the University, SCM Press, London 1953.

3 Newbigin, L., The Gospel in an Pluralistic Society, Eerdmans, Grand Rapids, Mich. 1989, S. 230.

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