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Harter Aufprall: nach dem Hoch ins Tief
ОглавлениеTatsächlich stabilisieren sich nach 12 bis 18 Monaten die Botenstoffe wieder und beenden diese erste Phase. Der Körper kann das nicht lange aushalten. Er muss sich wieder normalisieren – und das tut er auch. Wer Manie oder Sucht kennt, der weiß, dass nach dem Hoch ein Tief kommt. Und dieser Aufprall kann hart sein oder aber schleichend. Je nachdem, wie hoch man geflogen ist. Stück für Stück zieht sich danach die Realität in den Alltag. Das, was uns anfangs so begeistert hat, lässt uns nicht mehr ganz so schnell aufspringen, etwa wenn sich der andere übers Handy mit einer Nachricht meldet. Wir beenden auch erst mal das aktuelle Gespräch mit dem guten Freund, bevor wir den Partner zurückrufen. Unsere Begeisterung ebbt ab, normalisiert sich. Je nüchterner wir werden, desto mehr lernen wir den anderen kennen. Und desto mehr Kleinigkeiten fallen uns auf.
Dinge, die nicht ganz so gut passen, werden nun nicht mehr ausgeblendet. Es scheint, als hätte sich der andere verändert. Ja, hat er. Denn auch sein Liebescocktail normalisiert sich und beeinflusst sein Verhalten. Vielleicht verläuft diese Phase bei beiden gleichzeitig – manchmal aber auch nicht. Irgendwann ist es so weit und beiden Beteiligten fallen scheinbar mehr Dinge auf, die es vorher nicht in die bewusste Wahrnehmung geschafft haben. So mancher Mensch ertappt sich bei dem Gedanken, ob der andere denn immer schon so gewesen sei. Wir werden realistischer, das Bild von unserem Gegenüber vervollständigt sich. Aber Moment! Wenn wir realistischer werden – in was haben wir uns denn dann verliebt? Tja, leider war es nur die Erwartung, die uns innerlich hat beben lassen.
So nüchtern es klingt, ist es eigentlich auch – ohne den rosaroten Schleier. Es ist nur eine Vorstellung gewesen, eine Möglichkeit. Ich hatte Kenntnis von meinem Gegenüber, die war aber nicht ansatzweise so vollständig wie das Bild, das sich jetzt langsam abzeichnet. Eigentlich weiß ich so gut wie gar nichts. Wie kann man sich denn in so wenig verlieben? Oder hat das vielleicht genau damit zu tun, dass wir uns verlieben, eben weil wir den anderen kaum kennen? Ja, auch wenn das die beginnende Magie entzaubert – wir haben ganz bequem zahlreiche Wünsche und Hoffnungen in das Objekt unserer Begierde hineinprojiziert. Unser Körper hat sich darum gekümmert, ohne zu fragen und ganz von allein. Genießen wir es also in vollen Zügen, so lange es dauert. Denn es wird kaum wieder eine Zeit geben, in der man das Gegenüber so verzerrt positiv wahrnehmen wird – realistisch war das auf jeden Fall nicht.