Читать книгу Die Aussenseiter und der Kampf um den Buchladen - Nicole Fünfstück - Страница 12
ОглавлениеKapitel 8 • Spiel mit dem Feuer
Im Halbschlaf schaltete ich den Wecker aus, griff zum Handy und entdeckte eine Nachricht von X. Sofort flatterten die Schmetterlinge in meinem Magen durcheinander.
»Ich freue mich auf nachher. Viel Glück beim Test«, las ich, grinste wie ein Honigkuchenpferd, wurde wieder zum kleinen Mädchen und strampelte mit den Beinen, da ich nicht wusste, wohin mit meiner Freude.
»Ich freue mich auch und werde versuchen, für die nächsten Stunden nicht an dich zu denken, sonst geht der Test in die Hose«, tippte ich, als ich mich wieder beruhigt hatte.
Die Antwort kam postwendend. »Welch ein Glück, dass ich keinen Test schreiben muss, denn du bist ständig in meinen Gedanken. Steh auf, sonst kommst du zu allem Überfluss auch noch zu spät.«
Das alberne Grinsen kehrte auf mein Gesicht zurück. »Jawohl, Papa, ich habe zwar keine Ahnung, woher du weißt, dass ich noch im Bett liege, aber ich wickele mich sofort aus den Laken«, tippte ich und schwang die Beine aus dem Bett.
Bevor ich aufstehen konnte, piepte das Handy erneut. »Ich demonstriere dir nachher, dass mein Interesse an dir alles andere als väterlich ist« stand da und mein Gesicht glühte. Was antwortete man auf eine solche Ankündigung?
»Der Test geht mit Sicherheit in die Hose«, schrieb ich schließlich und ging ins Bad.
»Ich weiß, es geht uns nichts an, aber lass uns nicht vor Neugierde sterben, Vulkanchen«, begrüßte mich Jo, als ich zur Schule kam. »Wie sieht ein perfektes Date aus?« Er stand, nur auf eine Krücke gestützt, die andere locker in der Hand, am Eingang des Pausenhofes und sah mich abwartend an.
Unser Werwolfabenteuer vor ein paar Monaten hatte ihm zwar einen heftig schmerzenden Muskelkater beschert, da er sich dabei komplett übernommen hatte, doch seine Muskulatur war dadurch stärker geworden. Und darauf baute sein Physiotherapeut seitdem auf.
Noah, der neben ihm stand, schüttelte stöhnend den Kopf. »Jo!«
Dieser zuckte mit den Achseln. »Was? Du willst es doch auch wissen und traust dich nur nicht, zu fragen.«
Ich grinste. »Es beinhaltet Rumknutschen, Händchenhalten, 80er fahren und eine Verfolgungsjagd durch etwas, das ich für Besessene, wenn nicht gar Dämonen halte. Mein Amulett wurde dabei warm.«
»Ich befürchte, ich bleibe solo, die Hälfte davon kriege ich nicht hin.« Jo seufzte theatralisch. »Es wurde nur warm, nicht heiß? Das ist komisch«, sagte er dann und ich liebte ihn dafür, dass er nicht weiter auf das eigentliche Date einging.
»Das mit dem Amulett ist wirklich seltsam. Meinst du, eure Verfolger waren diejenigen, die X an den Kragen wollen?«, erkundigte sich Noah.
Ich zuckte mit den Schultern. »Die Wächterin und ich sind uns nicht sicher. Sie findet es ebenso merkwürdig wie wir, dass das Amulett nicht heiß wurde. Wir müssen nachher im Buchladen herausfinden, woran das liegen könnte.«
»Dann bleibt der Buchladen auf dem Programm«, sagte Jo erfreut, umfasste die zweite Krücke fester und machte sich auf den Weg zum Schulgebäude.
»Klar bleibt er das.« Noah und ich folgten ihm gemächlich. »Ich muss allerdings spätestens um fünf los. X holt mich um halb sechs irgendwo in der Nähe ab und bringt mich nach Hause. Meine Mutter war gestern nicht geschmeidig. Ich war gestern zu spät, hatte vergessen, anzurufen und die Hausaufgaben natürlich auch noch nicht gemacht. Daher muss ich um sechs in der Wohnung sein.«
»Minihausarrest?«, erkundigte sich Jo.
Ich zuckte mit den Schultern. »Eher eine disziplinarische Maßnahme.«
>Klar bleibt er das?<, wiederholte die Wächterin meine Worte. >Wenn X heute Nachmittag frei hätte, würdest du dir das mit dem Buchladen garantiert überlegen.<
Ich ignorierte sie, doch ich befürchtete, dass sie recht hatte.
Die Götter der Englischtests meinten es gut mit mir. Ich schaffte den Test zwar nicht so leicht wie sonst, aber er ging auch nicht daneben. Daher war ich nach Schulschluss gleich doppelt beschwingt. Wir schlenderten gemütlich zum La Cuisine und genossen die Sonne, die sich auch heute von ihrer besten Seite zeigte. Es kam mir vor, als wolle sie uns daran erinnern, dass am Montag der Oktober begann und wir sie dann nicht mehr für selbstverständlich nehmen konnten. Je näher wir dem La Cuisine kamen, desto stärker wurde das Gefühl von Glückseligkeit, das in mir aufstieg. Gleich würde ich X wiedersehen. Als wir ins Café traten, unterhielt er sich mit einem jungen Mann, der mit neongrünen Punkten, die wie Sommersprossen aussahen, übersät war. Was bedeutete, dass dieser entweder Kontakt zu einem dämonischen Wesen gehabt hatte oder von etwas heimgesucht wurde. Ich zuckte zusammen und sah Jo und Noah alarmiert an. Sie nickten. Sie hatten es auch bemerkt. Genau in dem Moment sah X hoch und entdeckte mich. Sein Gesicht verzog sich zu einem Lächeln und er winkte mir zu. Der Mann mit den dämonischen Sommersprossen sah ebenfalls in meine Richtung. Er hatte auch welche im Gesicht, betrachtete mich aber eher desinteressiert. Die Heimsuchung konnte also noch nicht lange andauern. Erleichtert hob ich die Hand und erwiderte Xs Winken. Das wahre Problem würde sein, dem Mann zu erklären, dass er von etwas Übersinnlichem bedroht wurde, ohne dass X herausfand, dass ich eine Wächterin war.
»Es geht wieder rund«, stellte Jo fest, während wir uns auf einen Tisch zubewegten.
Ich nickte zerstreut, denn ich versuchte, den Mann mit den Sommersprossen im Auge zu behalten und gleichzeitig nirgendwo gegen zu stoßen. Ich wich einem Tisch aus und als ich hochsah, verschwand Sommersprosse gerade aus dem Café.
»Verflixt!«, entfuhr es mir.
»Wir hätten ihn hier eh nicht ansprechen können, ohne Aufsehen zu erregen«, tröstete mich Noah leise.
Wir erreichten einen freien Tisch, zogen unsere Jacken aus und setzten uns.
»Wir haben da ja einige Baustellen«, griff Jo das Thema wieder auf. Ich sah, dass seine Augen leuchteten. Typisch Jo. Und X behauptete, ich sei ein Adrenalinjunkie. »Wer will X an den Kragen? Wer ist der Typ mit den Sommersprossen und was sucht diesen heim? Warum wurde dein Amulett nur warm und was kommt aus dem Tor?«, zählte Jo derweil an den Fingern ab.
»Ich denke, wir konzentrieren uns auf die Baustellen, die wir auch fertigstellen können.« Ich seufzte. »Immer eins nach dem anderen. Wenn ich unser Essen bestelle, frage ich X, wer Sommersprosse ist, und im Buchladen den Karteikasten wegen des Amuletts. Danach übe ich mit der Peitsche. Den Rest müssen wir regeln, wenn wir mehr Informationen haben.«
Die Wächterin nickte zufrieden.
»Was wollt ihr essen?« Ich sah Jo und Noah fragend an.
Als ich kurz danach zum Tresen kam, reichte X gerade zwei Suppenteller an ein Mädchen, das ihn daraufhin mit einem betörenden Augenklimpern bedachte. Ich war mir nicht sicher, ob es das auffordernde Klimpern war oder einfach der Umstand, dass ich das Gefühl hatte, zu X hingezogen zu werden, aber ich wollte nicht warten, bis er hinter dem Tresen hervorkam, und ging ihm entgegen. Wir trafen uns auf halbem Weg und seine Augen strahlten.
»Du hast es eilig.« Er zog mich näher.
»Und du hast mir heute Morgen etwas versprochen«, erwiderte ich mutig.
>Und ich erkenne dich nicht wieder!<, sagte die Wächterin stolz.
X grinste, legte mir einen Arm um die Taille und eine Hand in den Nacken, wo seine Finger anfingen, einzelne Locken aus meinem Zopf zu zupfen. Ich bekam eine Gänsehaut und weiche Knie und schlang die Arme um seinen Hals.
»Habe ich das?«, murmelte er und seine Lippen näherten sich meinem Mund. Als er mich küsste, vibrierte jede Faser meines Körpers und die Empfindungen überrannten mich. Mir wurde heiß, ich konnte ihm nicht nah genug sein und wollte seine Haut berühren. Meine Hände glitten wie von selbst über seinen Rücken. Gerade, als ich sein T-Shirt aus der Jeans ziehen wollte, unterbrach er den Kuss so abrupt, dass mir ein wenig schwindelig wurde.
»Skandal«, sagte er leise und atmete ein paar Mal tief ein.
»Habt ihr kein Zuhause?«, fragte jemand hinter uns. Es klang sowohl neidisch als auch amüsiert.
X ignorierte die Frage. »Habe ich mein Versprechen gehalten?«
Ich nickte atemlos.
Er atmete ein weiteres Mal tief durch, zwinkerte mir zu und gab mich frei. Der plötzliche Abstand zwischen uns fühlte sich an, als hätte ich mich an einem scharfen Papier geschnitten. X schien es ebenso zu ergehen, denn er sah mich eine Sekunde lang überrascht an, ehe er hinter den Tresen zurückkehrte.
»Was wollt ihr denn essen?«, fragte er.
Das Gefühl und der Schmerz verschwanden. Ich räusperte mich und versuchte, niemanden von den Wartenden anzusehen. Mein Gott, war das peinlich! Was war da eben bloß in mich gefahren? Schnell bestellte ich unsere Gerichte.
»X, wer war der Typ, mit dem du dich eben unterhalten hast?«, erkundigte ich mich fast schon beim Gehen.
»Warum?« Er sah mich überrascht an.
Ich zuckte mit den Schultern. »Er kam mir bekannt vor und ich weiß nicht, woher.«
»Da kann ich dir leider nicht helfen.« X lächelte und meine Knie wurden zu Pudding. »Ich kenne ihn nicht. Er ist ins Café gekommen, um nach dem Weg zu fragen.«
Der Rückweg zu Jo und Noah war wie Spießrutenlaufen. Hinter vorgehaltener Hand wurde über mich getuschelt und wenn Blicke wirklich töten könnten, und zumindest die, normaler Menschen, konnten es ja Gott sei Dank nicht, wäre ich bereits nach wenigen Schritten zusammengebrochen. Als ich an unseren Tisch zurückkehrte, sah Jo mich demonstrativ mit offenem Mund an und Noah grinste, aber keiner von beiden kommentierte den Vorfall.
»X kennt Sommersprosse nicht«, sagte ich, während ich mich setzte. »Er ist wohl nur ins Café gekommen, um nach dem Weg zu fragen.«
»Finde ich merkwürdig, du nicht?«, erkundigte sich Jo. »Ich meine, ein Typ, der mit dämonischen Wesen Kontakt hat, kommt ausgerechnet in dieses Café und fragt genau den Jungen nach dem Weg, dessen Leben in Gefahr ist?«
»Doch«, gab ich zu. »Aber das ändert nichts an der Tatsache, dass wir weder wissen, wer er ist, noch, wo wir ihn finden.«
»Eine Baustelle nach der anderen.« Noah lächelte mir aufmunternd zu.
»Zumindest bleibt Vulkanchen jetzt nah am Mann und kann X besser schützen«, sagte Jo und ich wurde rot.
»Ist eine Fortsetzung von vorhin geplant?«, fragte er, als das Tischlämpchen etwas später leuchtete und damit verkündete, dass unser Essen zum Abholen bereit war. »Dann setze ich die Sonnenbrille auf.«
Ich streckte ihm die Zunge raus und machte mich erneut auf den Weg zum Tresen.
»Wo soll ich dich nachher abholen?«, erkundigte sich X, sobald ich vor ihm stand, und stellte unsere Teller auf ein Tablett.
»An der Bushaltestelle bei der Eisdiele?« Ich legte das Geld auf den Tresen, sah ihn abwartend an und wurde das Gefühl nicht los, dass alle im Café uns anstarrten.
Er nickte lächelnd. »Ich bin um halb sechs da und küsse dich jetzt nicht, weil ich nicht weiß, was dann als Nächstes passiert.«
Ich kicherte.
»Diesmal bin ich pünktlich«, versprach ich und zog mit meinem Tablett von dannen.
Als Jo und ich später im Bus saßen, Noah fuhr wie immer mit dem Rad zum Buchladen, sah er mich mit hochgezogenen Augenbrauen an.
»Dich hat es ganz schön erwischt, oder?«
»Dich doch auch.« Ich spielte auf seine Gefühle für Sylvia von Kastanienburg an.
Jo zuckte mit den Achseln. »Aber du bist mir mehrere Schritte voraus.«
Sobald wir den Buchladen betraten, Noah hatte an der Bushaltestelle auf uns gewartet, schnappte Mathilde sich ihre Schlüssel und wir folgten ihr zum Raum der Bücher.
»Hast du es gestern noch rechtzeitig geschafft?«, erkundigte sie sich, während sie die Schlüssel, einen nach dem anderen, ins Schloss steckte und in alle möglichen Richtungen bewegte und drehte.
Ich schüttelte den Kopf. »Ich war etwas zu spät. Heute muss ich pünktlich los, damit das nicht zur Gewohnheit wird. Außerdem möchte meine Mutter, dass ich um sechs zuhause bin.« Ich verdrehte die Augen.
»Soll ich euch rechtzeitig Bescheid geben?«
»Das ist nicht nötig, Mathilde, diesmal passen wir auf.«
Im Raum der Bücher setzten wir uns um den Tisch.
»Womit fangen wir an?«, erkundigte sich Jo und lehnte seine Krücken an den Stuhl neben sich.
»Lust hätte ich, die Peitsche weiter auszutesten, aber ich denke, wir sollten zuerst rausfinden, warum mein Amulett nur warm und die ganze Zeit über nicht heiß geworden ist.«
>Jetzt tut sie so, als wäre sie verantwortungsbewusst<, sagte die Wächterin.
»Wie man’s macht, ist es falsch«, erwiderte ich, nur für ihre Ohren bestimmt, und grinste. Dann beugte ich mich über den Karteikasten, der noch auf dem Tisch stand, entdeckte eine Rubrik `Schutzamulette´, die mir vorher nie aufgefallen war, zog eine Karte und fragte: »Was ist der Grund, wenn Amulette trotz Gefahr nur warm werden, aber nicht heiß?«
Die Antwort erschien sofort: »Buch `Was du schon immer über Schutzamulette wissen wolltest´, Seite zehn, Regal rechts neben der Tür, 4. Brett von unten.«
Noah stand auf, um das Buch zu holen, und legte es aufgeschlagen vor mich. Plötzlich hatte ich ein schlechtes Gewissen. »Ich kann auch gehen und die Bücher holen. Du musst nicht immer aufstehen, nur weil es sich so eingebürgert hat.«
»Wieso?«, erkundigte er sich verblüfft. »Das machen wir doch schon immer so. Irgendeine Daseinsberechtigung muss ich ja haben«, fügte er hinzu. »Jo muntert durch blöde Sprüche auf, du führst Rituale durch und ich organisiere die dafür notwendigen Bücher.«
»Ich gebe dir gleich blöde Sprüche«, sagte Jo liebenswürdig.
Ich lächelte, zog das Buch zu mir und las vor, was dort stand: »Dass ein Schutzamulett nicht heiß wird, sondern nur warm bleibt, kann mehrere Bedeutungen haben. 1. Die Gefahr ist vorhanden, aber nicht so stark, dass der Amulettträger die Hilfe des Amuletts benötigt. 2. Die Gefahr geht von nichtmagischen Wesen aus, dann kann das Amulett nur warnen, aber nicht eingreifen. 3. Der oder die Gegner des Amulettträgers haben sich noch nicht für einen Angriff entschieden, doch das kann sich jeden Moment ändern. Wenn es so weit ist, wird das Amulett heiß.«
»Womit wir genauso schlau sind wie vorher«, sagte Jo.
»Wenigstens sind die Möglichkeiten jetzt begrenzt.« Ich klappte das Buch zu. »Ich glaube, die Typen oder was auch immer uns gefolgt ist, hatten es auf X abgesehen, nicht auf mich. Deshalb hat das Amulett nur gewarnt.« Ich zog das Buch mit dem Lichtpeitschenritual zu mir. »Kommen wir zum spannenden Teil.« Ich grinste und lud das nächste Übungsziel ein.
Die folgenden Stunden schickte mir das Buch die verschiedensten Lichtformen. Manche so winzig, dass ich sie kaum sah, andere irre schnell. Die meisten erledigte ich mit einem, maximal zwei Peitschenschlägen und sie zerfielen, sobald ich sie berührte.
»Das Letzte«, sagte ich zu Jo und Noah. »Sonst fällt mir nachher der Arm ab.« Ich wiederholte die Einladung und zuerst geschah nichts, dann erschien eine menschliche Form, die aussah, als bestünde sie aus Lava. Sie kam in geduckter Haltung auf mich zu und plötzlich veränderte sich die Atmosphäre im Raum. Mein Mund wurde trocken. Obwohl ich wusste, dass nichts Dunkles in den Raum der Bücher gelangen konnte, schien von diesem Ziel Negativität auszugehen.
»Spürt ihr das auch, oder bilde ich es mir nur ein?« Ich machte einen Schritt zur Seite und brachte meine Peitsche in Position.
>Es ist nicht wirklich böse, aber gefährlich<, sagte die Wächterin.
»Es wirkt lebendig und schlechtgelaunt.« Jo griff zu seinen Krücken und entfernte sich vom Tisch.
Das Ding aus Lava stand jetzt auf der einen, ich auf der anderen Seite desselben. Als es näherkam, konnte ich die Hitze, die von ihm ausging, spüren. Ich hob die Peitsche, ließ sie knallen, doch das Wesen duckte sich und ich verfehlte es knapp. Sofort holte ich erneut aus und erwischte seinen Arm. Im Gegensatz zu den anderen Zielen löste es sich nicht auf, sondern zuckte nur zusammen.
»Verdammt!«, fluchte Jo. »Wie können wir dir helfen?«
»Gar nicht vermute ich.« Mein Herz schlug mir bis zum Hals. Bevor ich den nächsten Angriff ausführen konnte, nahm Noah das Buch vom Tisch und brachte sich dann wieder in Sicherheit. Ich ließ die Peitsche knallen und erwischte das Wesen auf der Schulter, kurz vor seinem Hals. Es wankte zwar, regenerierte sich jedoch schnell. Ehe ich reagieren konnte, sprang es über den Tisch und versetzte mir einen Stoß. Ich schrie auf, denn die Berührung fühlte sich an, als wäre ich an ein heißes Bügeleisen gestoßen. Ich warf einen Blick auf meinen Arm. Mein Pullover hatte eine verbrannte Stelle.
>Lass dich nicht ablenken, das will es nur<, zischte die Wächterin.
»Hinter dir«, schrie Jo in diesem Moment.
Ich wirbelte herum und konnte mich gerade noch mit einem Sprung davor bewahren, einen weiteren Stoß zu bekommen. Mir wurde heiß. Das Druidenmesser rutschte in meinen Händen und die Peitschenschnur flackerte. Erschrocken griff ich fester zu. Das Lavawesen schien zu grinsen, obwohl es kein Gesicht hatte, und näherte sich erneut.
»Hey, Feuermann, hierher«, rief Noah und winkte, um die Aufmerksamkeit des Wesens auf sich zu ziehen.
»Ja, oder hierher, such dir was aus«, brüllte Jo aus der anderen Ecke des Raums.
Das Wesen hielt inne und sah scheinbar überrascht von einem zum anderen. Ich nutzte die Gelegenheit, schwang die Peitsche erneut und diesmal wickelte sie sich um seinen Hals. Der Lavamann zuckte, als hätte er Schmerzen, versuchte, sich zu befreien, und zerrte an der Schnur, was mich ein Stück in seine Richtung riss. Erschrocken zog ich an der Peitsche und endlich zerfiel das Wesen in feurige Bestandteile, die keine zehn Sekunden später verschwunden waren.
»Uff«, sagte Jo und ich nickte.
»Das kannst du laut sagen.« Zitternd legte ich das Druidenmesser auf den Tisch und die Peitschenschnur verschwand. Ich schüttelte meinen Arm aus und verzog das Gesicht. Morgen war Muskelkater angesagt, denn die Peitsche war schwer, obwohl sie aus Licht bestand, und das Zerren des letzten Ziels hatte die Schmerzen in den Muskeln noch verstärkt.
»Wir hätten die Folgeseite lesen sollen«, verkündete Noah mit zittriger Stimme. »Da steht, dass das Lavawesen wie ein echter Feind und die höchste Schwierigkeitsstufe der Ziele ist. Außerdem hattest du recht, Christina. Wenn die Lichtpeitsche einmal eingesetzt wurde, kann nur die Wächterin den Gegner damit vernichten.« Er legte das Buch zurück auf den Tisch und kam zu mir. »Was macht deine Verbrennung?«
In dem Moment, in dem er sie erwähnte, spürte ich die Schmerzen im Oberarm. Ich warf einen Blick durch das Loch im Ärmel und zuckte zusammen. Die Haut darunter war rot und spannte.
»Ja, ich glaube, man kann wirklich behaupten, dass es sich wie ein wahrer Gegner verhielt. Ich muss das kühlen. Und wie spät ist es überhaupt?«
»Kurz vor fünf« sagte Jo. »Du hast noch Zeit. Ich habe den Wecker gestellt.«
Ich ging hinüber zu den Vorratsschränken, in deren Nähe sich auch ein Wasserhahn befand, zog den Pullover aus und schöpfte mir kaltes Wasser auf die Brandwunde. Es tat ziemlich weh, aber das Brennen ließ nach. Allerdings nur so lange, wie das Wasser darüber floss.
»Vielleicht gibt es hier im Raum noch etwas anderes, das dir helfen kann«, sagte Noah und zog eine Karte aus dem Karteikasten. »Gibt es im Raum der Bücher ein Mittel, das bei Brandwunden hilft, die durch das Lavawesen der Peitschenübung verursacht wurden?«, fragte er. »Olivenöl, im Regal der Zutaten«, las er gleich darauf laut, »Aber nur, wenn die Wunde nicht offen ist.«
»Ist sie nicht«, erklärte ich und ging zu den Regalen, die sich direkt neben dem Kamin befanden. Hier gab es hunderte von Zutaten, außerdem verschiedene Töpfe, Tiegel, Glasflaschen und andere Utensilien, von denen ich auch nach fast zwei Jahren nicht einmal die Hälfte kannte. Als ich das Öl gefunden hatte, träufelte ich ein wenig davon auf die Wunde. Das Brennen verschwand zwar nicht, aber es ließ eindeutig nach.
Ich kehrte zu Jo und Noah zurück und sah, dass sie den Tisch abgeräumt und alles weggestellt hatten. Die Erfahrung hatte uns gelehrt, dass die Ausführung der Rituale leichter war, wenn keine Unordnung im Raum der Bücher herrschte. Ich griff nach Schultasche und Jacke. Die verbrannte Stelle am Arm tat immer noch weh, aber jetzt war es erträglich.
»Wollen wir?«
Wir verließen den Raum und schlenderten gemütlich durch die Regalreihen des Buchladens zum Eingangstresen.
»Hallo ihr drei, da seid ihr ja«, begrüßte uns Mathilde. »Ich hoffe, ihr habt morgen nichts vor, denn es ist ein starkes Gewitter angesagt.«