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Vorfreude
Lotta
Hach Leute, es ist alles so aufregend. Inzwischen weiß auch Tina, die Chefin hier, dass wir existieren.
Die Tierärztin hat dieses Ultraschalldings gemacht. Das ist ein Gerät, mit dem sie Mama in den Bauch leuchten, um uns zu sehen. Alle freuen sich jetzt wie Bolle.
Die Assistenzhundesache wird immer öfter Thema. Mir entgeht hier nichts.
Gestern habe ich aufgeschnappt, dass Nicole bei einer Frauenberatungsstelle war. Tina kennt die Chefin von dort – Frau Schmitt. Die beiden stehen in engem Kontakt. Chefs unter sich eben. Auf jeden Fall hat Frau Schmitt Nicole bei diesem komplizierten Antrag geholfen. Sie hat ihr Mut gemacht.
Nicole hat sich dann getraut, bei einem speziellen Fonds, finanzielle Unterstützung zu beantragen, und zwar für die Anschaffung, Ausbildung und Haltung eines – jetzt haltet euch fest – Assistenzhundes. Das heißt, sie glaubt an mich und will mich zu sich holen. Jetzt guckt nicht so. Wenn ihr denkt, dass wir hier im Bauch von Mama nichts mitbekommen, dann täuscht ihr euch gewaltig. Auch, wenn ich nicht alles begreife, geht nichts an mir vorbei. Ich spüre mehr, als ihr denkt und die Dinge, die ich nicht verstehe, die schnappe ich von meiner Mama oder Oma Lilli auf.
Assistenzhund zu werden, das ist mein großer Traum, meine Bestimmung, das liegt mir einfach im Blut. Den Rest macht nachher meine Spezialausbildung. Aber es schadet ja nichts, gut vorbereitet zu sein. Deshalb saug ich über die Nabelschnur und mit meiner übermenschlichen Wahrnehmung alles dazu auf.
Ich will unbedingt Nicoles Assistenzhündin werden.
Wir gehören zusammen. Das spüre ich.
Ich erfahre jeden Tag Neues. Zum Beispiel, dass es verschiedene Arten von Assistenzhunden gibt, mit komplett unterschiedlichen Aufgaben. Je nach Einschränkungen des Menschen, den sie unterstützten. Das können Menschen mit körperlichen Behinderungen sein, aber häufig auch welche mit psychischen Problemen. Oft gibt es Zusatzaufgaben, die die Assistenzhunde leisten, die sie dann gleichzeitig zu sogenannten Warnhunden machen. In solchen Fällen können sie spüren und erschnuppern, dass sich im Körper ihres Menschen etwas gefährlich verändert.
Ob der Blutzuckerspiegel sinkt, oder ob ein epileptischer Anfall droht. Das ist der Hammer. Will ich unbedingt lernen, wenn ich groß bin. In Nicoles Fall müsste ich beides sein, hat Oma gesagt. Wenn man es genau nimmt, sogar drei in einem. Quasi ein Assistenz-Warn-Schutzhund. Seelentröster bin ich obendrein.
Nicole hat zwar keine Epilepsie aber die Anfälle, die sie hat, ähneln diesen sehr. Sie ist dann vollkommen hilflos und im besten Fall warne ich sie später einmal so früh, dass der Anfall sie gar nicht erst überwältigt. Beschützen tue ich sie auch noch. Vor den Menschen, die ihr oft Angst machen. Da wäre ich ihre Rückendeckung. Ich schirme sie ab oder verbelle einen aufdringlichen Menschen, wenn es sein muss. Ich führe sie aus Menschenmengen an einen ruhigeren, sicheren Ort, wenn sie Angst bekommt oder die Orientierung verliert.
Wenn ich Tina richtig verstanden habe, dann schafft Nicole es gar nicht mehr allein raus. Könnt ihr euch das vorstellen?
Gar nicht mehr vor die Tür zu gehen? Das ist doch furchtbar.
Mit mir könnte sie das aber wieder lernen. Das sind alles wichtige und spannende Aufgaben und ich will diesen Beruf unbedingt machen. Hoffentlich klappt es! Ich lerne, so gut ich kann. Ich weiß schon ganz viel über diese Trauma-Sache. Jeder Mensch braucht unterschiedliche Aufgaben von einem Assistenzhund. So individuell, wie wir Hunde sind, sind eben auch Menschen und so geht jeder anders mit schlimmen Erfahrungen um. Die Symptome sind vielfältig und doch werden sie alle unter dem Begriff PTBS zusammengefasst. PTBS steht für Posttraumatische- Belastungsstörung. Die haben Menschen, wenn ihnen was ganz Schreckliches zugestoßen ist. Zum Beispiel, wenn sie eine schwere Krankheit bekommen, die sie belastet oder wenn ihnen jemand anderes wehgetan hat und sie sich nicht wehren konnten.
Das kann in der Kindheit passiert sein oder später.
Viele Soldaten haben das zum Beispiel, wenn sie aus dem Krieg wieder nach Hause kommen.
Was genau Krieg ist, weiß ich nicht, aber es muss etwas Schlimmes sein, weil es mit Kämpfen und Tod zu tun hat. Auf jeden Fall sind da immer, wenn Menschen davon reden, unangenehme Gefühle dabei. Hass, Wut und Verzweiflung habe ich schon gespürt. Es ist gar nicht so leicht, weil alles so heftig in den Menschen durcheinanderwirbelt. Bei Nicole habe ich das auch bemerkt.
Ob in ihr drin Krieg herrscht? Das muss ich unbedingt herausfinden.
Sie braucht einen PTBS-Assistenzhund. Ihr sind nämlich schlimme Sachen zugestoßen. Bestimmt hat sie deshalb auch solche Probleme mit dem Vertrauen in Menschen. Ja, sie kämpft innerlich mit extremen Gefühlen. Ihre Angst, die Unsicherheit und wie verloren und verletzt sie ist, habe ich sogar durch Mamas Bauch gespürt. Jetzt weiß ich schon ein wenig, wieso sie so fühlt, und ich will ihr unbedingt helfen. Ich spüre, dass ich das kann. Hoffentlich sieht das die Chefin auch. Sie kennt sich ja auf dem Gebiet gut aus. Wäre doch gelacht, wenn ihr das nicht direkt ins Auge springt, sobald ich hier endlich rauskomme und sie mich sieht. Ich bringe die Eigenschaften für einen solchen Job mit. Das ist schon mal sicher, oder? Und ich strenge mich an, noch so viel wie möglich zu erfahren, damit ich bestens vorbereitet bin.
Das muss klappen. Drückt mir die Pfoten!