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Bauchgeflüster
Lotta – Sommer 2019
Kuschelig ist es hier drin. Wohlig warm, aber so langsam wird es eng. Ich kann mich gar nicht strecken und ständig tritt mich irgendwer. Wie viele sind eigentlich mit mir hier drin? Bestimmt 'ne ganze Fußballmannschaft. Leute, macht mal ein bisschen Platz, ja?
Mal fühlen. Eins, zwei, drei. Menno! Was für ein Gewusel. Haltet doch mal still. So kann ich gar nicht zählen. Nochmal von vorne. Eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs. Ja! Sechs Köpfe mit meinem und eins, zwei, drei, …, 24! Sage und schreibe 24 Beine, wenn ich mich nicht vertan habe. Kein Wunder, dass ich ständig eins davon im Magen oder am Kopf habe …
Ich halte also fest:
Wir sind insgesamt sechs süße Schokowelpen. Labradore, genauer gesagt. Und das noch dazu in einer perfekten Mischung. Haargenau drei Mädels und drei Jungs sind wir. Meine Brüder haben etwas weniger Braun abbekommen. Sie sind heller als wir Mädchen. Unser Fell hat die Farbe von Zartbitterschokolade und ist fast schon schwarz, während die Jungs aussehen, als hätten sie nur kurz in Latte Macchiato gebadet. Aber, dass ihr mir jetzt nicht auf blöde Ideen kommt, von wegen Schokolade und Kaffee. Beides ist für uns Hunde hochgiftig. Lasst bitte niemals Süßes, Chips, Nüsse oder so Zeug herumliegen, denn wir Labradore stellen in Sachen Futtervernichtung alle Hunde in den Schatten. Wir sind wahre Fressmaschinen und saugen in Millisekunden alles auf, was nicht bei drei auf den Bäumen ist. Dabei sind wir nicht wählerisch. Selbst vor Plastik, Glas und ähnlich gefährlichen Dingen schrecken wir nicht zurück. Und solche Sachen haben in einem Hundemagen rein gar nichts zu suchen. Die bringen uns schneller in lebensgefährliche Situationen, als ihr »Aus« sagen könnt. Passt also immer gut auf. Denn wie heißt es so schön? Ordnung ist das halbe Leben, vor allem, wenn ein neugieriges und gefräßiges Hundebaby bei euch herumspringt.
Aber, wo war ich stehen geblieben? Genau! Bei meinen Geschwistern und mir. Noch sind wir im Bauch von Mama Emma. Unser Papa ist der beeindruckende Balu. Ein stattlicher Kerl ist das, aber unsere Mama ist auch nicht von schlechten Eltern. Ihre Mutter Lilli, also meine Oma, ist nämlich eine waschechte Assistenzhündin. Ich habe keinen Schimmer, was das genau ist. Auf jeden Fall habe ich schon mitbekommen, dass es etwas ganz Besonderes ist, das nicht jeder Hund werden kann und dass wir das im Blut haben. Jedenfalls sagen das alle hier. So viel ich verstanden habe, ist nicht jeder in unserer Familie so ein besonderer Typ von Hund. Mit Glück ist aber manchmal eine oder einer dabei, der mit diesen speziellen Charakterzügen ausgestattet und damit für diese Karrierelaufbahn geeignet ist. Dabei kommt es gar nicht auf die Rasse an. Auch Mischlinge können das im Blut haben. Ist das nicht voll spannend? Soll ich euch mal was verraten? Ich will sowas machen. Menschen helfen – das ist eine gute Sache. Ich wünsche mir, dass ich so eine Assistenzhündin werden kann. Das wäre stark. Hach, ich bin so aufgeregt. Die anderen hier sind das auch alle. Wir werden sehnsüchtig erwartet. Erst gestern war eine junge Frau bei uns zu Besuch, die hat Mama über ihren Bauch gestreichelt. Sie wünscht sich einen Assistenzhund. Nicole heißt sie. Auch, wenn das jetzt verrückt klingt, ich habe ihre Berührung und ihre Hoffnung gespürt. Noch dazu war sie meganervös. Warum auch immer, hat sie Sorge, dass Tina, unsere Züchterin und die Chefin hier, ihr keinen Hund gibt. So ein Unsinn. Unsere Chefin fragt sie nur so aus, um zu schauen, was für einen Charakter der Welpe haben muss, wer zu ihr am besten passen wird, und was er oder sie später alles bei ihr leisten soll. Klar will sie Nicole abchecken, ob sie sich der Verantwortung bewusst ist und ein Welpe bei ihr gut aufgehoben ist. Das macht sie bei allen, die einen Welpen aus unserer Zucht adoptieren wollen. Schließlich will sie nur unser Bestes. Wir sollen in gute Hände kommen. Warum Nicole denkt, dass ihre Hände nicht gut genug sind für einen von uns, und warum sie diese komische innere Überzeugung hat, dass ihr kein Hund zusteht, verstehe ich nicht. Verrückt, oder? Warum hat sie solche Gedanken? Warum denkt ihr Menschen immer so viele und komplizierte Dinge? Keine Ahnung, wo das bei Nicole herkommt. Jeder hat doch einen treuen Wegbegleiter verdient. Warum auch nicht? Auf jeden Fall geht mir Nicole durch und durch. Ich glaube, ich kann ihr helfen. Hoffentlich, oh hoffentlich bin ich die Richtige.