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Kapitel 8

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Das in klarem Azur schimmernde Poolwasser weckte in Holden den Wunsch, sich auf einem Boot mitten im Ozean zu befinden. Dabei dachte er an seine Yacht am Monroe Harbor. Wie gerne wäre er jetzt auf seiner Princess 98 MY. Gedankenverloren sah er in den wolkenlosen Himmel. Vielleicht später. Chicagos Wetter war trügerisch. Der stetige Wind hatte die Stadt fest im Griff und schnell konnte eine dichte Wolkenwand auftauchen.

Hinter ihm hörte er Schritte, dann nahm er eine Bewegung wahr. Die Hände lässig in den Hosentaschen versunken, stellte Sean sich neben ihn. Ein entspanntes Lächeln zierte seine Lippen, während er die Augenlider schloss und die Wärme der frühen Morgensonne auf seinem Gesicht genoss. Dabei sah er aus, wie ein kleiner Junge, fand Bourdain. Dem Ladegerät einer Batterie gleich tankte sein Körper Sonnenstrahlen.

Zum wiederholten Mal ertappte Holden sich dabei, den anderen intensiv zu betrachten. Langsam wurde es zu einer lästigen Gewohnheit, die ihn zu ärgern begann. Das schien Sean nicht aufzufallen oder er überspielte diese Tatsache gekonnt. Widerwillig wandte Bourdain den Blick ab und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Du meinst das also wörtlich“, stellte Sean fest.

„Wieso dieses spitzbübische Lächeln?“, fragte Bourdain. Als wollte ihn sein Körper zu etwas auffordern, begannen seine Fingerkuppen zu kribbeln.

Sean zuckte mit den Schultern. Nach kurzem Zögern antwortete er: „Ich werde einfach nicht schlau aus dir.“

„Und das ist ein Grund zum Grinsen?“

„Ja.“ Intensiv ruhte Seans Blick auf Holdens Gesicht, den dieser nicht so recht deuten konnte. „Mit dir wird es nie langweilig, was?“

„Das könnte ich eher von dir behaupten. Es ist nicht normal, so schusselig zu sein. Ein Wunder, dass du noch beide Augen und alle Finger an der Hand hast.“

„Ich meine, ich verstehe immer noch nicht, was ich hier tue, Holden?“, erklärte Sean ruhig.

„Momentan würde ich sagen, dass du die Sonne genießt“, gab Holden sich besserwisserisch.

„Das meine ich nicht. Und das weißt du auch.“

„Du bist mein persönlicher Haussklave. Ich will Sex, du willst Arbeit. Ganz einfach.“ Holden setzte sich eine Sonnenbrille auf die Nase und versenkte die Hände tief in den Taschen seiner Hose.

„Ich verstehe das nicht?“

„Was?“

„Du machst mich fertig. Willst du mich demütigen, mobben oder bist du wirklich einfach nur geil?“ Sean unterdrückte ein Lachen. Er wollte keine Konfrontation, sie spaßten nur herum. Holden sah es genauso, denn auch auf seinem Gesicht wurde das Grinsen um einiges breiter.

„Such dir was aus.“

„So kriegst du mich nicht klein, das ist dir klar, oder?“

„Wirklich? Funktioniert es nicht einmal ein bisschen?“

„Nein. Amanda ist viel Furcht einflößender als du. Außerdem habe ich langsam das Gefühl, du tust nur so. Wir kennen uns noch nicht lange, aber bis auf das unangebrachte Grapschen und die Nervosität beim Meeting, die ich echt nachfühlen kann, warst du eigentlich nett.“

„Nett? Ist das alles, was dir einfällt?“ Holden gab ein gespieltes Schnauben von sich. Außerhalb der Firma, in lässiger Haltung, ohne Krawatte und mit hochgekrempelten Ärmeln, wirkte Holden gar nicht mehr mächtig oder übermenschlich. Alles war so normal und vertraut.

„Ich finde es angenehmer, wenn du so bist“, gestand Sean.

Holden schwieg und einige kleine, ernste Falten zerfurchten seine Stirn.

„Warum kommen wir nicht immer so gut miteinander aus?“, fragte Sean, was eher nach einer rhetorischen Frage klang, weshalb der Brünette auch nicht weiter darauf reagierte. Holden wusste, dass Sean charmant war.

„Ich will den Job“, sagte Sean erneut. „Ich weiß nicht, warum du das machst. Ob du mich auf die Probe stellst oder ob das deine Art ist, sich an mich ranzumachen. Eigentlich interessiert mich das gar nicht. Du solltest nur wissen, dass ich alles dafür tun werde, um ihn zu behalten.“

Holdens Handflächen begannen zu schwitzen. Ein Reflex, den er beim besten Willen nicht unterdrücken konnte, obwohl er sich nach außen gelassen gab.

„Vorsicht, Sean, du begibst dich auf sehr gefährliches Terrain.“ Ein laszives Lächeln huschte über Bourdains Gesicht und verlieh ihm für einen kurzen Augenblick etwas von einem Jäger, der seine Beute witterte.

„Was ich damit sagen will, ist, dass wir einfach versuchen sollten einen guten Job zu machen. Nicht mehr und nicht weniger“, erwiderte Sean, den raubtierhaften Zug um die Mundwinkel seines Chefs ignorierend. Holden war sich sicher, dass Seans Gerede ein Trick war, um ihn abzulenken.

„Ich kann dich gut leiden, Sean.“

„Das ist mir nicht entgangen“, meinte Sean sarkastisch und zog die Augenbrauen hoch, als er Holden dabei ins Gesicht sah.

„Ach ja, Mr. Schnellchecker?“ Holden lehnte sich lässig an das Geländer und wand damit seinen Köper dem anderen Mann zu.

„Du würdest mich wohl kaum küssen, wenn du mich nicht attraktiv fändest. Allerdings ist deine Art es zu zeigen ganz schön gewöhnungsbedürftig.“

„Nicht so bescheiden, Mr. Sexy“, wieder dieses gespielte Schnauben, das ihr Gespräch banaler machte, als es tatsächlich war. „Versuchen wir es. Aber in der Firma werde ich deine miese Arbeitsmoral nicht hinnehmen.“

„Deal?“, fragte Sean.

„Du fliegst hochkant raus, wenn du den Job versaust.“ Holden beugte sich zu ihm und lugte über den Rand seiner schwarzen Sonnenbrille, sodass Sean das klare Blau seiner Augen sehen konnte. „Ganz egal wie begabt deine Zunge ist.“


Nachdem sie einige Zeit schweigend dagestanden hatten, beschlossen sie sich etwas Abkühlung zu verschaffen. Es war ein wunderschöner Samstag, trotzdem wunderte Sean sich, dass sein Chef nicht arbeitete. Holden war ein verdammter Workaholic. Als Erster kommen, als Letzter gehen. Freie Tage gab es für diesen Mann keine. Und trotzdem standen sie lachend auf der Terrasse, tranken ein kaltes Bier, während Ivy, Holdens Haushälterin, ein deftiges Mittagessen zubereitete.

Im Einklang mit sich selbst und in die wohlige Decke des Glücksmoments gehüllt, zerbrach Sean sich darüber nicht weiter den Kopf. Abwarten und sehen was passieren würde, machte mehr Spaß, als Bourdain mit Fragen zu löchern, auf die er mit größter Wahrscheinlichkeit keine Antwort bekam.

„Du hättest mir ruhig sagen können, dass es ein Geschäftsessen wird“, warf Sean den gestrigen Abend wieder ein.

„Das wäre doch langweilig.“

„Also stehst du drauf mich zu verwirren?“

„Ich bin nicht unbegabt“, witzelte Holden. „Ich wollte sehen, wozu du fähig bist, Sean. Was in dir steckt.“

„Deswegen werde ich ins Haibecken geworfen?“

„Niemand hat dir auch nur einen Finger abgebissen.“

„Und wie habe ich mich geschlagen?“, fragte Sean interessiert. „Deiner Meinung nach?“

„Du verträgst Einiges, aber überspannst auch mal den Bogen“, kommentierte Bourdain neutral, als würde er irgendwelche Fakten in einem Sachbuch vorlesen.

„Was soll denn diese kryptische Antwort? Ich war fantastisch. Du willst es nur nicht zugeben.“ Stolz schwoll Seans Brust an. Wenn er eins konnte, dann Smalltalk und das wusste er.

„Du hast dich überhaupt nicht übers Geschäft unterhalten.“

„Das brauchte ich auch nicht. Es war ein Essen. Die Männer wollten entspannen und nicht über die Arbeit vollgetextet werden.“

„Es war ein Geschäftsessen. Da redet man eben über das Geschäft. Habe ich gemacht und niemanden hat das gestört. “

„Ganz recht. Du hast dich den ganzen Abend mit der Moorleiche unterhalten, ansonsten warst du der absolute Partykiller.“

„Das war ein sehr wichtiger Klient. Ein guter Investor.“

Prustend brach das Lachen aus Sean heraus. „Du hast versucht einem Fossil das 1x1 deines Produkts beizubringen.“

„Er ist der Kopf der Firma“, gab Bourdain zu bedenken.

„Quatsch“, Sean wischte sich Lachtränen aus den Augenwinkeln. „Seine Söhne leiten die Firma. Sie schleppen den ausgestopften Kauz nur aus Sentimentalität mit, weil George noch keines dieser Treffen verpasst hat.“ Frech grinste er Bourdain ins Gesicht. „Na, habt ihr zum Schluss wenigstens ein paar Frauengeschichten ausgetauscht?“

Bourdain ignorierte seinen letzten Kommentar. „Woher kennst du überhaupt seinen Namen?“

„Ich hab‘ eben aufgepasst. Mit Namen bin ich ziemlich gut, übrigens.“

„Das sah von meiner Position ganz anders aus. Du hast vor Nervosität fast den ganzen Weinvorrat des Restaurants geleert.“

„Doch nicht wegen der Investoren, darin bin ich geübt. Wegen dir war ich nervös. Wäre jeder. Selbst Georgie hätte zum Schluss fast auf dem Tisch getanzt, während du jeder Nonne bei der Audienz des Papstes Konkurrenz gemacht hättest. Hast du immer einen Stock im Arsch, wenn du mit anderen zusammen bist? “ Sean schüttelte den Kopf, nippte an seinem Bier und amüsierte sich köstlich. „Vielleicht hättest du den Kellner nicht davon abhalten sollen dein Glas zu füllen?“

„Ganz schön frech.“ Holden richtete drohend einen Zeigefinger auf Sean, meinte es aber nicht halb so ernst, wie er tat. „Das wird dir noch teuer zu stehen bekommen.“ Damit nahm er ihm die Flasche aus der Hand.

„Indem du mir mein Bier wegnimmst? Alkoholfreies auch noch. Nicht einmal betrinken konnte ich mich damit.“

„Gestern hast du genug fürs ganze Jahr getrunken.“

Holden nahm die Sonnenbrille ab. Sachte ergriff er Seans Hand, nachdem er die zwei Bierflaschen auf einer kleinen Kommode abgestellt hatte, und führte ihn zurück ins Innere. Überrascht von dieser zärtlichen, fast mädchenhaften Geste, ließ Sean sich ohne Proteste mitführen.

„Ich bin ein furchtbarer Gastgeber. Nicht einmal das Haus habe ich dir gezeigt“, erkannte Bourdain und zeigte ihm stolz sein Eigentum.

Keiner der beiden bemerkte, dass Holden die ganze Zeit über Seans Hand hielt und ihn daran, wie ein kleines Kind durch die Räume führte. Ein Zimmer war eindrucksvoller, als das andere. Mit offenem Mund und großen Augen sah Sean sich um. Beeindruckt von der stilvollen Einrichtung, die zwar modern, aber weder langweilig, noch aufdringlich avantgardistisch war.

Die letzte Station seiner Führung war der Keller. Offensichtlich hatte Holden sich das Beste zum Schluss aufgespart. Es war ein richtiges Männerzimmer. Mitten im Raum stand ein edler Billardtisch. Rot gepolsterte Sitzmöbel zogen sich von einer Ecke bis zur anderen die Wand entlang und boten genug Platz für eine ganze Fußballmannschaft. Eine Jukebox gegenüber von der Tür setzte sich in schwachem, roten Licht gekonnt in Szene, genauso wie die Bar. Das Vintagefeeling vervollständigten gerahmte Bilder, die Schwarz-Weiß Fotos berühmter Persönlichkeiten der 50er Jahre zeigten James Dean, Elvis Presley, Johnny Cash. Die Wand bestand aus echtem Ziegelstein und stand optisch der Einrichtung in nichts nach. Mit offenem Mund starrte Sean in das Zimmer. Es gefiel ihm. Sofort.

„Wow“, staunte er. „Wenn du mich beeindrucken wolltest, dann hast du es jetzt geschafft.“

So würde das perfekte Spielzimmer in seiner Vorstellung aussehen. Wenn die Minibar neben der Tür mehr als alkoholfreies Bier enthielt, dann wäre das Bild vollkommen. Sean liebte Billard. Über beide Ohren strahlend drehte er sich zu Holden um, der die Jukebox anwarf. Holden streckte ihm einen Billardqueue entgegen, anschließend nahm er selbst einen.

„Lust auf ein Spiel?“, fragte sein Chef mit Unschuldslächeln auf den Lippen, was bei Sean einen Fluchtreflex auslöste. Der hatte doch was vor. Trotzdem nahm Sean den Spielstock an. Im Hintergrund setzte Elvis Presleys ,Little less conversation‘ an. Der Song war Hinweis genug.

„Ich wusste gar nicht, dass du auf den King stehst.“

„Jeder mit gutem Geschmack steht auf ihn.“ Mit einem Zwinkern warf Holden ihm die Kreide zu.

„Lange her, seit ich so was zuletzt in der Hand gehalten habe.“ Ein nostalgischer Schimmer bedeckte Seans Augen und belegte seine Stimme. Vorsichtig strich er mit den Fingern über die Pomeranze, die noch mit kleinen Kreideresten überzogen war. Er strich tiefer über die Ferrule aus Elfenbein und über den wunderschönen gemusterten Zierring. Der Joint trug schwarz-weiße Musterungen und bestand aus poliertem Stahl. Perfekt ausbalanciert lag der Queue in seiner offenen Handfläche.

„Ein schönes Stück“, nickte er anerkennend, nachdem er sich sattgesehen hatte.

„Krieg bloß keinen Steifen.“

Sean verdrehte die Augen. Diese Anspielungen waren unter seiner Würde. „Wollen wir spielen? Oder nur quatschen?“

Beide beobachteten sich gegenseitig, während sie die Kreidewürfel mit kurzen Strichen über die Pomeranze führten. Dabei sahen sie aus, wie zwei sich duellierende Cowboys. Ihnen fehlte nur die rauchende Zigarre zwischen den Zähnen. Das Spiel konnte beginnen.


Bourdain hatte die Zeit und vor allem die Mittel, um zu üben. Selbstverständlich gewann er. Sean hatte trotz seiner Hingabe zum Spiel keine Chance, nur seiner Zeit auf dem College war es zu verdanken, dass er nicht absolut vernichtend geschlagen wurde. Er machte es Holden nicht leicht. Obwohl er kein schlechter Verlierer war, dämpfte die zweite Niederlage seine Laune sichtlich.

Wahrscheinlich war es nicht einmal, weil Bourdain gewann, sondern weil Sean wehmütig daran zurückerinnert wurde, was er verloren hatte. An diesem einen Tag. Er war ein begeisterter Billardspieler gewesen, hatte sogar Turniere bestritten, wenige, aber er war erst am Anfang. Aber das hatte keine Bedeutung mehr gehabt und Sean bedauerte das jetzt. Jetzt, wo das Kribbeln zurückkehrte, die freudige Erregung, wenn er den Queue in der Hand hielt oder die Kugel anstieß.

In der ersten Runde hatte Bourdain den Rack aufgebaut. Den Break hatte Sean gemacht. Für die zweite Runde tauschten sie. Es blieben nur wenige Kugeln übrig und Sean tat sich schwer damit. Er legte den Queue an. Senkte seinen Oberkörper, schob das Gesäß nach hinten und stieß zu. Bevor der Queue die Kugel traf, erkannte er bereits seinen Fehler.

Seufzend ließ er die Schultern wie verkochte Spaghetti herunterhängen. Holden nahm den Ball, der gerade noch an dem Bandenspiegel abgeprallt war, in die Hand und legte ihn dorthin zurück, wo er gelegen hatte, bevor Sean zugestoßen hatte.

„Versuch es noch mal“, forderte Holden seinen geschlagenen Spielgefährten auf. Unentschlossen sah Sean ihn an, trat aber wieder an den Tisch heran. Sobald er sich vorbeugte, spürte er den Körper des anderen Mannes dicht an dem seinen. Erschrocken zuckte er zusammen und wollte sich aufrichten, als Holden ihn davon abhielt.

„Nicht so schüchtern“, flüsterte er ihm ins Ohr und legte seine Hände über Seans. Hüfte und Brust pressten sich sehr nah an dessen Körper. Auf der Schulter von Seans ausgestrecktem Arm bettete Holden sein Kinn. Ganz so, als ob dieser enge Körperkontakt zu seinem Mitarbeiter das Natürlichste der Welt wäre. Holdens Duft umgab ihn und vernebelte seine Sinne. Sean dachte an den Geruch, der ihn am Morgen geweckt hatte. Sein Adamsapfel hüpfte nervös auf und ab, als er schluckte.

Sean bereute es seinen Kopf gedreht zu haben, um über die Schulter zu blicken, denn Bourdain war ihm so nah, dass sich ihre Nasenspitzen berührten. Sofort bildete sich eine Gänsehaut auf seinen Unterarmen und ein Kribbeln breitete sich in seinem Magen aus. Ob er das angenehm fand oder nicht, konnte er in dem Moment nicht festlegen. Er war nicht dumm und wusste, worauf Bourdain anspielte. Wohin es führen könnte. Aber er redete sich ein, dass es so weit nicht kommen musste.

„Konzentrier dich nicht auf meinen Körper, sondern auf das Spiel“, flüsterte Holden und holte den Blonden aus seinen Fantasien. Sean nickte schwach und fixierte wieder den Ball.

„So schlecht gespielt, hast du noch nie“, sagte er heißer an seinem Ohr, sodass Seans Herz wie wild zu schlagen begann. Seine Gedanken verloren sich. Er fand die Aussage merkwürdig. Als ob Bourdain ihn bereist spielen gesehen hatte. Andererseits war es schwierig zu filtern, was er tatsächlich damit meinte. Sean fiel es schwer Holden einzuschätzen.

Unerwartete kam der Schlag, der Sean wiederholt zusammenzucken ließ. Er kam sich dämlich vor. Gleichzeitig durchflutete ihn das Hochgefühl, als die Kugel ins Loch ging. Auf seinem Gesicht zeichnete sich ein kindliches Lächeln ab. Das waren Momente, die er am Billard so liebte. Wenn die Kugel durch einen präzisen Schlag berechnet eingelocht wurde.

Lange währte die Freude nicht. Nervös versuchte er sich der Umarmung, in der er sich unfreiwillig mit seinem Chef befand, zu entziehen. Holden hatte nicht die Absicht ihn so schnell freizugeben.

„Entspann dich.“ Sean spürte die Vibration der Lippen an seiner Ohrmuschel und ein Nerv in seinem Rücken löste einen unnatürlichen Reflex in seinem Bein aus. „Dir gebührt noch eine Strafe für die Frechheit vorhin.“

In jenem Moment wünschte Sean sich inbrünstig, mehr als nur alkoholfreies Bier im Organismus zu haben. Etwas, dass seine Sinne betäubte. So wie gestern vielleicht.

Vielleicht hatte er genau das auch schon gestern getan. Sean wurde blass, wenn er an die Nacht dachte. Die Lücke in seinem Gedächtnis war Fluch und Segen zugleich.

Bourdain ließ seine Zunge über Seans Kieferknochen und dann über sein Ohr gleiten. Mehrere Schauer jagten Seans Wirbelsäule hinunter, elektrisierend und feurig. Unangenehm waberte die Hitze in seinem Kopf. Die Situation wendete sich nicht zu seinen Gunsten, als Sean sich in einer ruckartigen Bewegung umdrehte.

Holden zuckte nicht einmal mit der Wimper, während er sein ganzes Gewicht in Seans Körper presste, sodass dieser mit durchgebogenem Rücken und schwitzenden Handflächen am Billardtisch festhing. Wenige unbedeutende Millimeter trennten ihre Lippen voneinander. Bourdains Finger legten sich mit festem Griff um Seans Handgelenke. Seine durchdringend blauen Augen nagelten ihn an Ort und Stelle.

„Mach es einfach wie gestern“, diabolisch grinsend beugte er sich näher zu ihm, streifte Seans Lippen. „Hemmungslos, offen und-“

„Stop. Warte“, flüsterte der andere. Seine Stimme war belegt und brach bei jeder zweiten Silbe auseinander. Er fürchtete sich vor dem, was Bourdain zu sagen hatte.

„Ich wollte damit nur sagen, dass das nicht das erste Mal ist. Allerdings hattest du gestern mehr Spaß dabei.“ Wieder dieses Grinsen. Dann verschlang Bourdain ihn mit seinem Mund.

Mit einer Kraft, die Sean sich selbst nicht zugetraut hätte, entzog er sich dem Brünetten, indem er sein Gesicht abwendete. Obwohl die Spannung in seinem Körper an seinen Muskeln und Nerven zerrte, zierte ein unsicheres Lächeln sein Gesicht. „Heute bin ich aber nicht betrunken.“

„Willst du dich mit dieser lahmen Ausrede aus der Affäre ziehen? Ich bin nicht derjenige, der gesagt hat, dass er für seinen Job alles tun würde“, erinnerte Bourdain ihn. Er drängte seinen Unterkörper dichter an Seans, sodass dieser deutlich die wachsende Erregung an seinem eigenen Oberschenkel spüren konnte. Was Holden ihm damit sagen wollte, war offensichtlich.

„Ist dir egal, wie unethisch das eigentlich ist?“

„Absolut.“

„Shit, Holden.“

„Du bist einfach feige, Sean. Steh zu deinem Wort oder halt die Klappe“, ein ärgerlicher Unterton mischte sich in Holdens butterweiche Stimme. Dann küsste er ihn erneut. Fordernder dieses Mal. Grober.

Der Blonde spürte ein Kribbeln in seinen Armen und Beinen. Der Tisch quetschte seine Oberschenkel und störte die Blutzufuhr zu seinen Füßen, seine Unterarme schmerzten, weil sie nicht nur Sean, sondern auch Holdens Gewicht halten musste. Und Sean war nicht bereit der Forderung seiner ächzenden Muskeln nachzugehen. Denn dann würde er auf dem Tisch liegen wie ein Käfer auf seinem Panzer, mit Holdens Körper zwischen seinen Beinen. Ab da wäre das Spiel verloren.

Sean spürte sein Herz hart in seiner Brust schlagen, als Holdens Daumen über seine Unterlippe fuhr. Nicht zärtlich, sondern herrisch drückte er sie nach unten, fuhr über seine Zähne und glitt gänzlich in seinen Mund hinein. Stocksteif stand der Blonde da, während er den leicht salzigen Geschmack auf seiner Zunge wahrnahm.

Seans Hände waren wieder frei. Die Knöpfe, die Holden öffnete, schob Sean mit fahrigen Fingern zurück ins Knopfloch. Diese Scharade spielten sie einige Male, bevor seinem Chef der Kragen platzte.

„Lass das“, knurrte er und Sean sah die Gier in seinen Augen aufflackern, dann riss er voller Ungeduld einfach Seans Hemd auf. Es gab daran keinen Knopf mehr, den er hätte schließen können. Bevor Holden ihn durch seine Lippen zum Schweigen bringen konnte, presste Sean seine Hand auf dessen Mund.

„Ich kann das nicht“, sagte er befangen.

Bourdains Finger legten sich um sein Handgelenk und zogen seine Hand herunter. Sean spürte die Bartstoppeln rau unter seinen Fingerkuppen.

„Die Kündigung liegt noch immer im Büro auf dem Schreibtisch“, flüsterte er seinem Angestellten atemlos ins Ohr.

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