Читать книгу Chicago Affair - Niko Arendt - Страница 13

Kapitel 10

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„Ich dachte, du kommst gar nicht mehr“, beschwerte sich Holden, der lässig an der Wand gelehnt gegenüber der Tür stand. Er hatte etwas von einem coolen Cowboy. Ihm fehlten nur der Hut und die rauchende Zigarre.

Sean warf ihm einen vielsagenden Blick zu, der signalisierte, dass ihm die Zweideutigkeit in seiner Aussage nicht entgangen war, dann wandte er sich wieder ab. „Und jetzt?“

„Komm mit.“ Keine Bitte. Holden streckte die Hand nach ihm aus, woraufhin Sean sich vorkam wie ein Mädchen, beim ersten Date. Er machte ein paar Schritte nach vorne, sodass der andere nach seinem Handgelenk greifen konnte. Es war ein Reflex, nichts worüber Sean nachdenken wollte. Nicht jetzt. Zusammen stiegen sie die Treppe hinauf.

Köstlicher Duft stieg ihm in die Nase, von dem Essen, das Ivy oben in der Küche zubereitete. Bestätigend grummelte sein Magen leise. Es müsste bald Mittag sein. Mit mulmigem Gefühl hielt er Holdens Hand. Holden war ein fester Teil seiner Gedanken, die immer wieder zurückkehrten.

Warm gruben sich die Finger des Anderen in sein Handgelenk. Etwas mehr Abstand wäre Sean lieber gewesen, aber er wusste nicht, wie er sich Holden entziehen sollte ohne dass er seltsam wirkte. Deswegen unterdrückte er den Fluchtimpuls in seinem Bauch und fügte sich stattdessen in sein Schicksal.

„Ich würde-“, begann er. Gerne hätte er sich etwas Frisches zum Anziehen geholt. Er fühlte sich schmutzig. Aber dann würde er ein Thema aufgreifen, dass er zu verdrängen versuchte. Deswegen ließ er den Satz lose hängen. Holden reagierte nicht weiter darauf.

Wieder Seans Erwartungen gingen sie nicht in die Küche, sondern verließen das Haus und gingen zur Garage, die sich am anderen Ende des Hauses befand. Staunend betrachtete Sean das Anwesen, das imposant in den Himmel ragte. Nicht zu protzig und überladen, dafür modern und mit weitläufigem Grundstück. Ein Hund würde sich hier wohlfühlen.

„Du magst Autos“, sagte Holden unvermittelt. Damit erschreckte er Sean zu Tode. Leider entging dem Brünetten das nicht. Ein süffisantes Lächeln stahl sich auf dessen Lippen, was zwar attraktiv war, Sean aber dastehen ließ wie den letzten Volltrottel. Er nickte, blickte Holden aber nicht direkt in die Augen. Albern war sein Verhalten. Ändern konnte er es nicht. Es war ein verdammter Blowjob. So etwas schob er nicht schnell beiseite.

Vor den pechschwarzen Toren der Garage blieben sie stehen. Ein Knopfdruck und wie von Geisterhand glitten diese auf. Das Innere der Garage war riesig. Vermutlich hatte sie mehr Quadratmeter, als Seans gesamtes Grundstück. Darin stand eine Limousine von Audi, ein Daimler Chrysler und ein schwarzer Hengst. Seans Augen weiteten sich vor Staunen und sein Herz begann unkontrolliert zu flattern, sobald sie sich dem Mustang näherten. Abfahrbereit stand das schwarze Ross dar, um sich in die kommenden Abenteuer zu stürzen.

„Oh mein Gott“, entfuhr es Sean leise.

„Ich wusste, dass er dir gefällt.“

„Willst du mich beeindrucken?“

Holden grinste. „Das ist nicht schwer.“

Überwältigt fuhr Sean mit der Hand über den polierten Lack. Neid zeichnete sich für den Bruchteil einer Sekunde in seinem Gesicht ab, wurde aber schnell von kindlicher Bewunderung abgelöst. Holdens Grinsen wurde um eine Nuance breiter. Er zeigte mit dem Kopf Richtung Auto.

„Trau dich. Er beißt nicht.“

„Witzig.“ Sean setzte eine gespielte Schnute auf. Das Metall unter seinen Fingerkuppen war kalt und wundervoll glatt. „Ford Mustang Cabrio. 8-Zylinder?“

„Selbstverständlich.“ Bourdain ging um das Auto herum und seine Bewegungen hatten etwas Katzenhaftes an sich. „Lust auf eine kleine Spritztour?“, fragte er unschuldig.

„Da fragst du noch?“

Sofort steuerte Sean die Fahrertür an, doch Holden hielt ihn zurück. Durch den unerwarteten engen Körperkontakt wich Sean sofort zurück.

„Diesmal fahre ich.“ Kurz ließ Sean die Schultern hängen. „Ich will, dass du entspannst, Sean.“

„Darf ich im Audi entspannen?“

Holden lachte.

„Nein?“, fragte Sean. „Ich habe eine bessere Idee. Wie wäre es, wenn du mein Auto fährst und ich entspanne dabei auf dem Beifahrersitz? Das wäre bestimmt ein Bild für die Götter. Das alte Biest würde dich richtig auf Trab halten.“

„Bei deinem Auto muss man bestimmt noch in die Pedalen treten, bis es sich von der Stelle bewegt“, grunzte Holden charmant.

Sean blickte ihn einen Moment zu lange an, bereute es sofort und stieg stattdessen schnell ein, bevor er es sich anders überlegte. Er konnte seine Augen nicht von Bourdains Lippen wenden, aber dann geisterten die Bilder in seinem Kopf, an die er sich nicht erinnern wollte. Und zwar, was er mit diesen Lippen getan hatte.

Das Auto roch neu, als wäre es gerade eben erst aus der Fabrik gerollt. Unbeholfen machte Sean es sich in dem knirschenden Leder des Beifahrersitzes bequem. Befremdlich war Bourdains Umgang mit dem Mustang. Als führe er ihn zum ersten Mal. Andererseits war sein Fahrstil dermaßen beängstigend, dass Sean den Unterschied eh nicht bemerkt hätte.

„Könntest du ein bisschen langsamer fahren“, stotterte Sean, nachdem er sich in einer Kurve fast in Holdens Schoß legte.

„Mädchen, sagte ich doch.“

„Ich hänge einfach an meinem Leben. Wenn das bedeutet, dass ich ein Mädchen bin, dann ist es so.“ Wieder wurde Sean in dessen Schoß katapultiert und das, obwohl er angeschnallt war, verdammt. Unbedacht hielt er sich an Holdens Oberschenkel fest. Als er dessen hochgezogenen Augenbrauen sah, zog er schnell die Hand weg.

„Bevor wir in Lichtgeschwindigkeit in einen anderen Teil Amerikas reisen, muss ich nach Hause“, sagte Sean beiläufig, wirkte aber nervös. Er hatte ein furchtbar schlechtes Gewissen und mit jeder Sekunde schwoll es immer mehr zu einem pulsierenden Geschwür voller Gewissensbisse.

„Weshalb?“, fragte Holden misstrauisch.

„Mein Hund“, kam es abgehackt aus seinem Mund, bevor Holden eine lehrbuchreife Vollbremsung vor einer roten Ampel hinlegte und Sean sich den Kopf am Armaturenbrett anschlug. Der Motor brüllte unter seinem Gesäß wie ein wütendes, wildes Tier.

„Verdammt. Holden, ehrlich, mit dir bekomme ich noch ein Schütteltrauma.“

„Und deine Frau?“, fragte sein Chef, ohne auf seinen Kommentar einzugehen. „Kann sie sich nicht um ihn kümmern?“

Sean schaute ihn an, als ob er verrückt geworden wäre. Es war nicht klar, ob er das im Hinblick auf seine Aussage über Amanda oder dessen Talent als Stuntfahrer tat. Vielleicht auch beides.

„Auf gar keinen Fall.“

Zwar konnte Sean die Reaktion darauf nicht deuten, doch Holden folgte seiner Bitte und fuhr zu seinem Haus. In den wenigen Minuten bis dorthin legte sich ein unheilvolles Schweigen über sie beide. Ungeduldig trippelte Sean mit den Fingern auf seinen Knien herum. Shit. Er hatte seinen Hund vergessen. Anakin zu vernachlässigen war unverzeihlich.

Holden räusperte sich. „Warum plötzlich so nervös?“

Gebannt starrte sein Angestellter auf die rote, elektronische Anzeige hinter dem Lenkrad. „Ich bin spät“, seufzte Sean und fuhr sich mit der Hand über das Gesicht. Er wirkte eingefallen und müde.

„Punchy wird deine Abwesenheit gut überstanden haben. Wenn er Windeln trägt, wird er nicht ins Haus gemacht haben“, amüsierte Holden sich.

„Hä?“, fragte Sean intelligent.

„Punchy, dein übergewichtiger inkontinenter Labrador. Der Windeln braucht. Hattest du das nicht gesagt?“

„Oh scheiße.“

„Du taugst echt nicht als Betrüger.“ Holden schnaubte.

„Du hast mir zugehört?“, fragte Sean erstaunt.

„Ich höre alles, was du sagst. Auch wenn das meiste davon ziemlicher Schwachsinn ist.“

Merkwürdig. Damit hatte Sean nicht gerechnet. Irgendwie rückte diese Eigenschaft seinen Chef in ein anders Licht. Sean kribbelte es in den Fingern. Auf seinen Unterarmen bildete sich Gänsehaut. Es war einfach lange her, dass er so empfand. Jemand hatte Interesse an ihm. Ehrliches Interesse.

„Es ist ein Hund“, versuchte Bourdain ihn zu beruhigen, leider sagte er damit genau das Falsche.

„Du verstehst das nicht“, eine leichte Bitterkeit hallte in Seans Stimme nach, was völlig untypisch für sein heiteres Gemüt war. „Er ist nicht einfach nur ein Hund. Er ist-“, er unterbrach sich selbst. Das war persönlich. Und ging Holden nichts an.

Den abrupten Stimmungswechsel bemerkte sein Chef zwar, fragte stattdessen aber: „Was für einen Hund hast du denn nun?“, seine Stimme war warm und aufrichtig interessiert, sodass sich der Blonde unbewusst wieder besser fühlte.

„Einen Mischling?“, hackte Bourdain nach.

„Nein.“

„Lass mich raten, Punchy war ein Labrador, also hast du entweder wieder einen Labrador oder einen Golden Retriever.“

„Wie kommst du darauf?“, Sean runzelte die Stirn und musste ein wenig schmunzeln.

„Ist doch der Otto Normalverbraucher Familienhund“, argumentierte Holden. „Fröhliches Gemüt, kinderlieb, verspielt und aktiv. So heißt es.“

Amüsiert schüttelte Sean den Kopf, wenn er wüsste, was Anakin war, würde er ihn auslachen. Eine Trethupe für aufgetakelte Frauen mit Pradatäschchen, in der sie die Tiere herumtrugen. Er schmunzelte.

„Was grinst du denn so? Hast du etwa einen Border oder Aussie?“

„Was ist ein Border? Und was ein Aussie?“

„Ein Schäferhund?“, rätselte Holden ins Blaue und hatte sichtlich Spaß dabei. „Einen Pittbull?“

„Nein.“

„Warte, ich weiß. Einen Boston Terrier. Jeder Star hat einen.“

„Hör auf damit. Du machst dich lächerlich“, lachte Sean.

„Hast du vielleicht einen Cocker Spaniel? Jeder Schwule hat einen.“

„Hallo, ich bin nicht schwul“, empörte Sean sich.

„Dein Körper war da anderer Meinung.“

„Ehrlich. Da würde jeder hart werden. Außerdem hast du keinen Cocker Spaniel.“

„Du weißt doch gar nicht, ob ich schwul bin“, sagte Holden und hupte laut, als ihm ein asphaltgrauer Seat die Vorfahrt nahm und die Person darin auch noch die Frechheit besaß zurückzuhupen.

„Korrigier mich, wenn ich falsch liege, aber so wie du mich angemacht hast, bin ich schwer davon ausgegangen“, erwiderte Sean.

„Vielleicht finde ich nur dich attraktiv.“

Ihr Gespräch fand ein jähes Ende, als Bourdain mit überhöhter Geschwindigkeit in die Einfahrt raste. Die harte Bordsteinkante katapultierte das Auto einen halben Meter in die Höhe und damit auch Seans sensiblen Magen. Er bekam nicht mehr die Gelegenheit dazu, sich über seinen Chef zu wundern.

Im Vergleich zu Holdens imposantem Heim, wirkte sein gemütliches, in pastellblau gestrichenes Einfamilienhaus mickrig. Mit dem gepflegten, grünen Rasen, dem weißen Lattenzaun und den kleinen Säulen an der Eingangstür, entsprach es aber durchaus dem amerikanischem Stereotyp.

„Schönes Haus“, kommentierte Holden sein Eigenheim, als sie beide ausstiegen und die Einfahrt zum Eingang entlang gingen.

Sean runzelte die Stirn. Es war nicht einfach ein schönes Haus. Er hatte eine Menge Schulden, eine zweite Hypothek auf das Haus, verschiedene Renovierungsarbeiten an den Leitungen, aber dafür gehörte es ihm. Mehr oder weniger - von der Schuldenlast abgesehen - aber es half ihm, sich das einzureden, einfach, weil er so hart dafür gearbeitet hatte. Für ihn hatte es trotz seiner Haustyrannin den Status eines Tempels.

Das Kinderzimmer hatte er selbst gestrichen, das Bettchen eigenhändig zusammengezimmert, für ein Kind, dass er vielleicht nicht mehr haben würde. Dennoch, in diesen Dingen war er verdammt sentimental. Seinen Mikropalast hatte er nicht geschenkt bekommen, wie Bourdain seinen Reichtum, deswegen beleidigte es ihn ein wenig, dass diesem nichts Besseres einfiel. Blumen waren schön. Frauen. Häuser waren gemütlich, traumhaft, bequem, sicher. Es durfte nicht einfach nur schön sein. Unbewusst wollte er Holden beeindrucken, obwohl es bei dem Mann sicherlich nicht mehr viel gab, dass ihn vom Hocker riss. Immerhin war sein Haus beeindruckender als das Haus seines Nachbarn.

„Na, ich sehe die Hundehütte deines Dobermanns gar nicht“, witzelte Holden.

Ein Samen der Wut wuchs in seinem Inneren und Sean wusste nicht warum. Etwas passierte mit ihm. Gefangen im Strudel seiner Gefühle, die er selbst zu verstehen versuchte, entglitt ihm ein Teil seines Selbst. Vielleicht war es aber sein Leben, das er sich durch Bourdains Anwesenheit nicht mehr schön reden konnte. Denn das war es nicht.

Wenn er ehrlich zu sich selbst war, dann sah seine Zukunft bescheiden aus. Mit den Schulden seiner verschwenderischen Ehefrau würde er als armseliger Penner auf der Straße enden. Noch machte er sich was vor und es reichte aus, aber die Fassade bröckelte bereits. Stück für Stück begann ihn der Neid auf den Erfolg Bourdains zu zerfressen, vor allem jetzt wo er einen Vergleich ziehen konnte.

„Es gibt keine“, sagte er leise zu sich selbst.

Chicago Affair

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