Читать книгу Teacher Leadership - Schule gemeinschaftlich führen (E-Book) - Nina-Cathrin Strauss - Страница 14
Non-Positional Teacher Leadership
ОглавлениеUm auf die Frage zurückzukommen, wer aus der Gemeinschaft der Lehrpersonen Führungsaufgaben übernehmen kann, möchte ich darauf hinweisen, dass die Unterscheidung zwischen formeller und informeller Teacher Leadership nicht unbedingt sehr sinnvoll ist. Meine eigene Arbeit hat sich auf die Idee nichtpositioneller Teacher Leadership konzentriert, eine Konzeptualisierung, welche die Bedeutung der Position einer Lehrperson relativiert. Mit anderen Worten: Es ist nicht der wichtigste Faktor, ob Teacher Leaders eine Position haben oder nicht. Diese Konzeptualisierung hat Val Hill (2014) eloquent erörtert, ein Lehrer, der als Vermittler innerhalb des HertsCam-Netzwerks arbeitet.
«In HertsCam vertraten wir die Ansicht, dass dies der Entwicklung von Führungskapazitäten inakzeptable Grenzen setzt. Ein vielversprechenderer Ansatz war für uns, auf Hoyles Idee der ‹erweiterten Professionalität› (Hoyle 1974, 2008) aufzubauen und vorzuschlagen, dass Führung eine Dimension der Professionalität aller Lehrkräfte sein könnte. Folglich plädierten wir für einen Ansatz zur Teacher Leadership, der nicht davon ausgeht, dass Führung mit Positionen in der Organisationshierarchie der Schule verbunden ist. Stattdessen wird das Potenzial aller Lehrpersonen anerkannt, Führung als Teil ihrer Rolle als Lehrperson auszuüben. Wir glauben, dass alle Lehrkräfte und Bildungsfachleute über eine gewisse Führungskompetenz verfügen. Schließlich ist Führung eine Dimension des Menschseins. In HertsCam und dem breiteren International-Teacher-Leadership-(ITL-)Netzwerk argumentieren wir, dass sie als ein wesentlicher Teil der Professionalität von Lehrerinnen und Lehrern anzusehen ist.» (Hill 2014, 74)
Der Ansatz, auf den sich Hill hier bezieht, ist nicht nur deshalb «informelle Teacher Leadership», weil die formelle Position der Lehrperson nicht relevant ist. Von entscheidender Bedeutung ist die Feststellung, dass Führung nicht durch eine Funktion oder durch persönliche Eigenschaften definiert ist – sie ist eine Praxis (Crevani, Lindgren u. Packendorff 2010; Raelin 2016). Die Praxis der Führung beinhaltet zum Beispiel Verhaltensweisen wie die Klärung von Zielen, das Ermöglichen von Dialogen, die Rechenschaftslegung und die Unterstützung von Kolleginnen und Kollegen.
Die grundlegende Methodik der HertsCam-Programme ist die «lehrpersonengeleitete Entwicklungsarbeit». Sie wird folgendermaßen definiert:
«Strategisches, zielgerichtetes und überlegtes Handeln mit dem Ziel, Verbesserungen in der professionellen Praxis herbeizuführen. Es erfolgt in Form von kooperativen Prozessen mit Aktivitäten wie Beratung, Aushandlungen, Reflexion, Selbstevaluation und Überlegungen, die in geplanter Reihenfolge durchgeführt werden.» (Frost et al. 2018, 7)
Wichtig ist, dass dies keineswegs informell ist, sondern dass es sich um eine strategische und geplante Intervention in Form eines gesteuerten Prozesses im zeitlichen Verlauf handelt. Als zweiten Punkt möchte ich aus der Erklärung von Val Hill (2014) herausgreifen, dass das übergreifende Ziel von HertsCam darin besteht, die Entwicklung einer erweiterten Profession zu fördern und zu ermöglichen. In dem bereits erwähnten Artikel von Michael Fullan (1993b), in dem er forderte, dass die Lehrpersonen zu Change Agents werden sollten, gab es eine Verbindung zur Frage der Profession:
«Wir brauchen ein neues Konzept zur Profession von Lehrpersonen, das sowohl das Anstreben von pädagogischen Werten (moral purpose) als auch die Verantwortung für Veränderungsprozesse (change agentry) beinhaltet.» (Fullan 1993b, 2)
Dies ist eine sehr hilfreiche Aussage, obwohl der Begriff «Profession» (professionalism) für einige von uns problematisch ist, da er mit Fragen von Status und Autonomie verbunden ist. Ich halte den Begriff «Professionalität» (professionality) insofern für besser, weil er sich mehr auf die Rolle und die professionelle Identität der Lehrkraft konzentriert. Mit anderen Worten geht es darum, wie Lehrpersonen ihre Identität als Professionelle konstruieren und wie sie sich entscheiden, diese Identität zu verwirklichen. In den 1970er-Jahren schrieb Eric Hoyle (1974) über die Idee der «erweiterten Professionalität», ein Konzept, das er 2008 wieder aufgriff. Dabei beschreibt er jemanden mit erweiterter Professionalität als eine Person,
«die sich um eine Verbesserung der Praxis bemüht durch Lesen und persönliches Engagement für kontinuierliche Professionalisierung, die sich gerne kollegial verhält und die die Unterrichtspraxis in einen größeren sozialen Zusammenhang stellt» (Hoyle 2008, 291).
Hoyles Idee der «erweiterten Professionalität» wird bis zu einem gewissen Grad auch in der Forderung nach «aktivistischem Professionalismus» von Judith Sachs (2003) aufgegriffen. Beide Ideen sind kraftvoll. Bei HertsCam sah man die Notwendigkeit, den Schwerpunkt «Führung» in die Anforderungen zur Professionalität von Lehrkräften aufzunehmen. Wir wollen eine Form der Professionalität, die maximal handlungswirksam ist. Abbildung 1 zeigt eine Grafik, die wir einige Jahre verwendet haben, damit Lehrkräfte ihre berufliche Identität entweder als eine mit den in der linken oder der rechten Spalte aufgeführten Merkmalen konstruieren konnten. Die Verwendung von solchen Instrumenten ermöglicht uns eine explizite Debatte über Professionalität.
Abbildung 1: Ein Diagramm, das alternative Formen der Professionalität in Form einer Reihe als Kontinuum darstellt. Die rechte Spalte stellt einen Modus von Professionalität dar, der mehr ist als die erweiterte Professionalität nach Hoyle (1974). Es ist eine Professionalität, die Führung miteinbezieht (Raelin 2011)
In der rechten Spalte wird eine Art von Professionalität dargestellt, die über die erweiterte Professionalität von Hoyle hinausgeht und stärker auf Führung fokussiert (Raelin 2011). Mit dieser Form von Professionalität sollten sich sowohl angehende Lehrkräfte als auch Verantwortliche der Lehrkräfteausbildung auseinandersetzen. Lehrperson zu werden, ist nicht nur eine Frage des Wissenserwerbs und der Entwicklung von Fähigkeiten für die Unterrichtspraxis; es sollte einen Prozess der Selbstidentifikation beinhalten. Eine berufliche Identität kann nicht einfach nur gelehrt werden; sie kann nicht vorgeschrieben oder durch eine Reihe von professionellen Standards ausgedrückt werden. Identität ist ein komplexes Konzept, und der Prozess der Identitätsentwicklung umfasst eine Reihe von verschiedenen Einflüssen. Dabei spielt natürlich das Element der Sozialisation eine starke Rolle, aber das muss unter der Berücksichtigung von Werten und pädagogischen Prinzipien abgemildert werden.