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GENTEST: JA ODER NEIN?

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Nach diesem brandaktuellen Exkurs wären wir also bei der Gretchenfrage angelangt: Würde es nicht grundsätzlich Sinn machen, das gesamte eigene Genom analysieren zu lassen? Damit könnten wir uns sozusagen den »geheimen Bauplan« des eigenen Körpers und Stoffwechsels rundum transparent machen und natürlich auch dessen eventuelle Konstruktionsfehler, genetische Defekte und damit Veranlagungen für Krankheiten. Wir würden Hinweise erhalten, ob wir mit besonderen Risiken leben, die das Leben drastisch verkürzen könnten. Das setzt allerdings die Annahme voraus, dass unsere Langlebigkeit zu einem hohen Prozentsatz genetisch bestimmt wäre. Was wir ja bislang keineswegs konstatieren konnten.

Sicher allerdings ist zunächst: Träger der ApoE4-Variante sind einem deutlich höheren Risiko ausgesetzt, die spät auftretende Alzheimer-Erkrankung zu entwickeln. Da könnten doch viele an Aufklärung interessiert sein – anders als der Zellbiologe THOMAS WILLNOW, der eine Diagnostik erst dann vornehmen möchte, wenn Therapiemöglichkeiten vorhanden sind, um den Patienten zu schützen. Wer sich der Wahrheit seiner Gene also radikal ausliefern will, kann eine mögliche ApoE4-Belastung ziemlich leicht herausbekommen. In Deutschland sind Gentests allerdings nur dann gesetzlich gestattet, wenn sie ein Arzt für eine bestimmte Diagnose durchführen möchte. In den USA hingegen kann man solche Tests aber problemlos online bestellen, und das haben bislang bereits Millionen Kunden allein beim Marktführer 23andMe getan. Weitere Anbieter sind unter anderen MyHeritage und AncestryDNA. (»Heritage« heißt »Erbe« und »Ancestry« bedeutet so viel wie »Abstammung«.) In diesen Namen spiegelt sich das strikte Verbot der amerikanischen Gesundheitsbehörde FDA aus dem Jahr 2013, Gesundheits-Genanalysen anzubieten. Untersuchungen zur genetischen Abstammung blieben aber erlaubt. Zwei Jahre später lockerte die FDA dieses Verbot jedoch weitgehend, und 23andMe kam um eine Umbenennung herum. Der Name spielt auf die 23 Chromosomenpaare an, in denen unsere rund 23.000 Gene verpackt sind. Genau genommen sind es noch viel mehr, aber für eine Genanalyse sind nur die Gene spannend, die aktiv, also für die Produktion von Proteinen zuständig sind. Und die dürfen nun – wohlgemerkt nur in den USA – per Speichelproben untersucht werden, und zwar auf 99 genetische Veranlagungen und 200 genetisch bedingte Krankheiten, auch auf ApoE4.


Eine Genanalyse ist heute erschwinglich, aber nur in den USA erhältlich. Auch ein Versand nach Deutschland ist nicht möglich.

Und so bekommt nun der Kunde nach ein paar Wochen online sein Genprofil mit entsprechenden Risikoeinschätzungen zugesandt. So zum Beispiel die für das Risiko einer Erkrankung an der Alzheimer-Spätform, Typ-2-Diabetes oder etwa an Parkinson. Er erhält aber auch Hinweise auf mögliche Unverträglichkeiten, etwa gegenüber Gluten. »Das wäre doch was für mich«, sagen Sie vielleicht. Doch wieso warnen uns so viele Pressestimmen vor einer solchen genetischen Selbsterkenntnis? Na ja, zum einen ist nicht jeder in der Lage, ein anonym per E-Mail übermitteltes Risikoprofil ohne ärztlichen Beistand psychisch zu verdauen, wenn es etwa eine schlimme Botschaft enthält. Noch dazu ist es für einen Laien kaum einzuschätzen, was beispielsweise die Aussage »Ihre Gene sind mit einer 37-prozentigen Wahrscheinlichkeit mit einem Typ-2-Diabetes verbunden« konkret für seine Gesundheit bedeutet, und die bange Frage bleibt: Was tun? Die Verunsicherung wächst noch, wenn man in kritischen Artikeln liest, dass es auch Fehlanalysen gibt, sehr selten zwar, aber immerhin. Vielleicht könnte man Genanalysen mit einer größeren Unbekümmertheit als Fingerzeige nehmen, bestimmte Vorbelastungen im Hinterkopf zu behalten, sich selbst auf Symptome zu beobachten und schon mal per Änderung im Lebensstil vorzubeugen … wenn man denn grob wüsste, wie stark nun die genetische Ausstattung unsere Krankheitsanfälligkeit und damit auch Langlebigkeit prägt. Sie sehen, wir sind wieder bei der Eingangsfrage angelangt.

Eine glasklare Prozentangabe dazu werden Sie von keinem Wissenschaftler erhalten. Allein in meinen Expertengesprächen reichten die Schätzungen, wie stark denn summa summarum die Gene fürs Altern unverrückbar verantwortlich sind, von 10 bis 50 Prozent. Doch wenn ich diese Expertenmeinungen mit den aktuellen Studien in renommierten Fachmagazinen verrechne – dann landen wir ganz klar bei einer 30:70-Gewichtung: 30 Prozent unserer Lebensspanne scheint genetisch programmiert, 70 Prozent durch Lebensstil bestimmbar. Das tut auf jeden Fall gut, oder? Wir sind also definitiv sehr viel mehr als die Summe unserer Gene! Zu mehr als zwei Dritteln ist unsere Lebensspanne von uns aktiv beeinflussbar. Und unter diesem Gesichtspunkt verliert eine Genanalyse an Unerbittlichkeit.

Ich selbst habe bislang noch keine Genanalyse gemacht. Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß. Doch so langsam, mit den Jahren … wird die Neugier stärker, vielleicht doch eventuelle Risiken aufzudecken. Also wollte ich einen Test bei dem amerikanischen Unternehmen 23andMe bestellen. Doch keine Chance, Lieferungen nach Deutschland und Österreich sind nicht möglich, hieß es auf der Website. Also bat ich Dominik Duscher?, den Test für mich zu bestellen. Als Arzt müsste das doch rechtens sein. Er fragte persönlich nach bei 23andMe. Doch auch er erhielt eine Absage: »Leider liefert 23andMe derzeit keine Gesundheitsberichte an Kunden in Deutschland und Österreich. Die Aufsichtsbehörden in Ihrer Region setzen Anforderungen, die bestimmte Berichte oder Produkte verbieten.« Wer also, zumindest in Deutschland und Österreich, etwas mehr über seine genetischen Risikopotenziale wissen möchte, erfährt sie nur, wenn ein Arzt einen begründeten Verdacht auf einen genetisch bedingten Defekt bescheinigt – und sei es eine Laktoseintoleranz!

Doch nun schließt sich gleich die nächste Frage an: Wenn ich denn per gesundem Lebensstil, mit Entspannungstechniken und Nahrungsergänzungsmitteln, vielleicht auch entsprechenden Medikamenten meine gesunde Lebensspanne massiv verlängern kann – wer sagt mir denn, was da für mich am besten funktioniert? Ich kann doch nicht täglich Dutzende Pillen einwerfen, Marathonläufe und Fastenkuren machen, ohne herausfinden zu können, was bei mir tatsächlich lebensverlängernd wirkt? Dazu braucht es am besten eine unbestechliche Messmethode. Bislang gab es die aber nicht, genauer gesagt: Es gab sie nicht für den Laien. Jetzt gerade ändert sich das!

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