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An den beiden Tagen vor meiner Operation bin ich wortkarg, in mich gekehrt und stocksauer. Auf meinen Körper, auf die Ärzte und das Spital, auf meine Mutter, die mir all das durch ihre Hartnäckigkeit eingebrockt hat. Außerdem habe ich Angst. Einerseits vor dem Eingriff, der abklären soll, was mir eigentlich fehlt. Aber die Gedanken daran kann ich recht gut verdrängen. Immer noch bin ich sicher, dass die ganze Sache letzten Endes ergebnislos bleiben wird.

Größere Angst aber habe ich davor, was das alles für meine Sportler-Karriere bedeutet. Mein Selbstbild hat gehörige Risse bekommen. Ich fühle mich längst nicht mehr so stark und unverwundbar wie noch vor ein paar Wochen. Wenn mein Körper anscheinend nicht einmal in der Lage ist, mit einer verstopften Nase alleine fertig zu werden, wie soll er dann die Härten des Fußballprofi-Lebens durchstehen? Die neuerlichen Fehlzeiten, die durch die Operation entstehen, sind für meine Stellung im Internat eine Katastrophe. Selbst wenn doch noch alles rasch vorübergeht, habe ich in den letzten Wochen in jedem Fall so viele Trainingseinheiten verpasst, dass ich bei den nächsten Partien auf der Bank sitzen werde. Die anderen sind nicht so untätig wie ich gewesen und haben meine Abwesenheit mit Sicherheit genutzt, um den Trainern ihre Qualitäten zu beweisen. Außerdem ist mein Image im Eimer. Jeder im Internat hält mich jetzt für ein nicht belastbares Weichei, denke ich verzweifelt. Dabei hat alles so gut ausgesehen. Mein Lebenstraum, der in den vergangenen Jahren kontinuierlich gewachsen ist, liegt in Scherben vor mir.

Am aggressivsten macht mich, dass meine Mutter das überhaupt nicht zu interessieren scheint. Sie macht sich ausschließlich Sorgen um meine Gesundheit, hat Angst wegen des »Tumors«, den der Professor als Möglichkeit erwähnt hat. Dass mein Leben gerade seine Perspektive, seinen Sinn zu verlieren droht, versteht sie nicht. Das nehme ich ihr übel, auch wenn ich das nicht offen ausspreche.

Am Dienstag werde ich im »Goldenen Kreuz« aufgenommen. Nach der Anmeldung werde ich zur Blutabnahme und danach als Vorbereitung auf die Biopsie zur Computertomographie geschickt. Bevor ich in die enge Röhre geschoben werde, wo man mich von allen Seiten durchleuchten wird, bekomme ich ein Kontrastmittel gespritzt. Eine Schwester erklärt mir ausführlich, was das ist und was es bringt. Da es nichts anderes zu tun gibt, höre ich zu, obwohl mich der ganze Vorgang anwidert und überhaupt nicht interessiert.

Mit Hilfe des Kontrastmittels kann man später auf den Röntgenbildern die Strukturen meines Körpers besser erkennen und so etwas über den Ausbreitungsgrad meiner Krankheit erfahren, erläutert sie. Dafür, dass sie von »meiner Krankheit« spricht, würde ich am liebsten auf sie einschlagen. Aber natürlich beherrsche ich mich. Sie spritzt mir routiniert das Kontrastmittel. Die Flüssigkeit läuft heiß durch meine Venen. Sie hinterlässt einen metallischen Geschmack auf meiner Zunge, den ich nicht kenne. Angst breitet sich gemeinsam mit der fremden Substanz in meinem ganzen Körper aus. Ich befehle mir innerlich, mich zusammenzureißen.

»Du kannst dich entspannen«, rät die Schwester, die offenbar die Schweißtropfen auf meiner Stirn bemerkt hat, »die Untersuchung ist ungefährlich und dauert nur ein paar Minuten.«

Ich werde in die enge Röhre geschoben. Sie umschließt mich, nimmt mir die Luft zum Atmen. Ich fühle mich alles andere als entspannt.

»Bitte jetzt nicht mehr bewegen«, sagt die Schwester, und ich erstarre, denke an einen metallenen Sarg, erinnere mich an Gruselgeschichten von lebendig begrabenen Toten. Der Schweiß läuft meine Schläfen hinunter. Ich zähle still die Sekunden, die mir wie Minuten erscheinen. Was, wenn man mich hier drinnen vergisst und ich von alleine nicht mehr heraus kann? Mir fallen Szenen aus James Bond-Filmen ein, in denen scheinbar harmlose medizinische Untersuchungen zu tödlichen Fallen werden. Parallel dazu merke ich, wie ich in Panik gerate. Ich würde am liebsten laut um Hilfe schreien.

Aber dann, so wird mir klar, müsste man mit der Untersuchung noch einmal von vorne beginnen. Alles, nur das nicht, denke ich. Unter Anspannung all meiner Muskel gelingt es mir, die Panik zu unterdrücken. In was für einen verdammten Albtraum bin ich hier geraten?, schießt es mir durch den Kopf.

Am frühen Nachmittag werde ich auf einem Rollbett in den Operationssaal geschoben. Eine Schwester redet mit leiser Stimme auf mich ein, sieht mich an und lächelt. So sehr ich eigentlich beschlossen habe, mich gegen alles hier abzukapseln, bin ich doch spontan froh, ihr freundliches Gesicht zu sehen. Die Angst hat sich seit der Computertomographie weiter ausgebreitet, sitzt in meinem Magen, der Brust, und verschnürt meine Kehle wie ein Band. Die Anästhesistin nimmt meine Hand. Sie erklärt mir, sie wisse aus Berufserfahrung, dass nichts so tröstlich sei, wie die Berührung durch einen anderen Menschen. Na, sie muss es ja wissen. Sanft drückt sie meine Finger. Obwohl ich das unangenehm sentimental und kindisch finde, fühle ich mich tatsächlich ein wenig besser.

Alles wird gut, sage ich mir. Ich habe auf keinen Fall einen Tumor. Ich, der ich immer gesund gewesen bin. Bestimmt sind es Polypen, die den Druck in meinem Kopf und den lästigen Schnupfen verursachen.

Der Professor beugt sich über mich, und als ich sein konzentriertes Gesicht sehe, ist die Angst wieder da, trifft hart wie ein Vollrist-Schuss gegen meine Brust, und ich weiß plötzlich, dass ich nicht mehr zu retten bin.

Leben ohne Ende

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