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Kapitel VI: Reaktionen der Welt
ОглавлениеKaiser Hirion, Schöpfer der Machuv'Thal, mächtiger Wesen aus Metall, saß auf seinem gigantischen, finsteren Thron in der Hauptstadt seines Reiches Gentrav, Riathassan. Er stellte das mächtigste Wesen der Welt dar. Heute allerdings empfing er einen ungewöhnlichen Gast, den er unter anderen Umständen nie empfangen hätte. Doch Julians Sieg in der Schlacht von Erudicor hatte sich schnell auf der Welt verbreitet, obgleich erst wenige Tage vergangen waren. Das bedeutete Veränderung für die Welt. Und darauf reagierten die meisten Herrscher äußerst gereizt. Denn sie herrschten bereits über ihre Reiche und wollten natürlich nicht, dass diese sowie ihre Machtpositionen in irgendeiner Weise gefährdet waren. Hirion, der nicht nur das mächtigste Wesen der Welt, sondern auch unglaublich weise war, wusste es besser und machte sich keine Sorgen. Ihm war klar, dass es um ihm Angst zu machen schon mehr brauchte, als einen winzigen Sieg eines Jungen in einer Schlacht, die im Angesicht der Ewigkeit verblasste. Dennoch änderte das alles nichts daran, dass Hirion 5000 seiner Silberschnitter, einer sehr mächtigen Art seines Volkes, zur Unterstützung des düsteren Magiers entsandt hatte. Angeführt von einem seiner engsten Vertrauten, Kiostos, dem Kupfergeneral, welcher nie zurückgekehrt war. Ebenso wenig hatte sich auch nur ein einzelner Silberschnitter den Weg zurück nach Riathassan gebahnt. Zugegeben waren zwar erst wenige Tage seit der Schlacht vergangen und der Weg von Erudicor nach Riathassan betrug ein wenig über 5000 Kilometer, doch waren die Silberschnitter sehr schnell zu Fuß und konnten in einer Stunde bereits 30 Kilometer zurücklegen. Noch dazu benötigten sie nicht wirklich Nahrung, da sie ja nur aus Metall bestanden und ebenso wurden sie nicht müde. So hätten an jenem Tag, an dem Hirion zwei Wochen nach der Schlacht von Erudicor seinen speziellen Gast empfing, alle Überlebenden zurückgekehrt sein müssen. Da dies aber nicht der Fall war, erkannte er, dass sie alle tot sein mussten. Aber er wollte es ganz sicher wissen und er musste auch erfahren, wie sie vernichtet worden waren. Daher hatte er Jack eingeladen. Jack war der Anführer einer seltsamen Gruppe, die sich "Die Jünger" nannten. Alle wussten genau, wessen Jünger sie waren. Das erkannte man sofort, wenn man sie ansah. Jack trug wie auch Marcus, der einstmalige, maskierte Begleiter des düsteren Magiers, eine schwarze Lederkleidung, welche glänzte. Jeder Teil des Gewandes lag eng an seinen Körper an und ein weiter, ebenso beschaffener Umhang wehte im Wind und bedeckte ansonsten den Großteil von Jacks Körper. Sein Gesicht wurde komplett von einer weißen Elfenbeinmaske verdeckt. Diese besaß einen schlicht dargestellten Gesichtsausdruck eines schadenfrohen Grinsens. Den wahren Gesichtsausdruck von Jack, den er hinter der Maske gerade aufsetzte, konnte niemand sehen. Zusätzlich trug er noch einen schwarzen Zylinderhut, der ihm ausgezeichnet stand. Langsam bahnte er sich den Weg durch den monumentalen Thronsaal und kam Hirion und dessen Thron immer näher. Schließlich blieb Jack drei Meter entfernt stehen und kniete nieder. Hirion erhob sich von seinem Thron und eine metallisch schwarze Kreatur, ganze drei Meter groß, mit relativ dünnen Gliedmaßen und langen, spitzen Fingern trat ins schwache Licht. Ihr Kopf war ein seltsames, metallisches Abbild eines menschlichen Kopfes, nur mit vielen scharfen Ecken und Kanten, in dem zwei rote Augen funkelten. Das also war Hirion, das mächtigste Wesen der Welt. Als er sich erhob, sagte Jack:"Ich bin es nicht gewohnt, zu knien."
"Und doch tut Ihr es.", antwortete Hirion und ihre Stimmen lieferten sich ein Duell der Erhabenheit. Denn sowohl Jack als auch Hirion besaßen eine derart charismatische, eindrucksvolle Stimme, dass alleine bei ihrem Klang die Welt den Atem anhielt. Für die Wachen im Thronsaal war das kaum zu ertragen, denn sie waren eine solche Erhabenheit nicht gewohnt. Hirion, den sie Tag und Nacht bewachten, was absolut überflüssig war, da er gut auf sich selbst aufpassen konnte, sagte nie wirklich viel. Nun aber führte er Konversation mit einer ebenso edlen Stimme wie der seinen und sie tauschten viele Worte aus.
"Ich hätte mich nicht hingekniet, hätte ich gewusst, dass Ihr es nicht einmal zu schätzen wisst."
"Oh, glaubt mir, ich weiß es zu schätzen, Jack. Denn ansonsten hättet Ihr es schon gemerkt."
"Wie großzügig von Euch, Kaiser Hirion. Nehmt Euch nicht zuviel heraus." Jack erhob sich, nachdem er diese sarkastischen Worte ausgesprochen hatte. Hirion stapfte auf ihn zu. Gemeinsam begaben sie sich in einen anderen Raum. Dort saßen sie schließlich inmitten einer monumentalen Bibliothek, wo unzählige Bücher auf riesigen, hohen Regalen nur darauf warteten, gelesen zu werden. Jack und Hirion nahmen an einem kleinen, hölzernen Tisch Platz. Es sah durchaus amüsant aus. Ein Mann, ganz in schwarz gekleidet, saß einem schwarzen, metallischen Monstrum von drei Meter Größe gegenüber und das alles an einem Tisch, der einen halben Meter über den Boden ragte.
"Nun denn, warum habt Ihr mich eingeladen? Was soll all das hier?", erkundigte sich Jack. Er war keinesfalls mit Hirion befreundet. Aber eine Einladung von Kaiser Hirion konnte man nicht einfach so ignorieren.
"Ich nehme an, Ihr wärt nun nicht hier, hättet Ihr nicht mit Konsequenzen bei Nichterscheinen gerechnet. Daran sieht man, wie vernünftig Ihr seid, Jack. Zumindest in manchen Bereichen Eures Lebens."
"Sicherlich bin ich nicht hier erschienen, um darüber zu diskutieren."
"Das ist mir durchaus bewusst. Es geht um etwas völlig Anderes. Die Schlacht von Erudicor."
"Habt Ihr etwa noch nicht erfahren, wie sie ausgegangen ist?", fragte Jack spöttisch. "Deshalb habt Ihr mich eingeladen?"
"Schweigt still, Narr!", sagte Hirion laut und stampfte auf den Boden. Die gesamte Welt erbebte.
"Ich wusste schon, dass alle in der Armee des düsteren Magiers sterben würden, bevor diese Armee überhaupt existierte. Also beleidigt mich nicht, sonst werdet Ihr es bereuen. Alle sind gestorben, das musste so kommen. Doch ich muss wissen, wie sie es geschafft haben, meine Silberschnitter zu vernichten? Und was ist mit Kiostos passiert?"
"Soso, darum geht es Euch also. Dass die Schlacht verloren ist, ist Euch völlig egal, aber wenn es um Eure Untertanen geht, ist es Euch plötzlich wichtig."
"Natürlich. Ich interessiere mich nicht für dieses unterlegene Gewürms, das ebenfalls in der Schlacht kämpfte. Sagt mir nur, was geschehen ist. Zweifellos hat Euch Marcus berichtet, was er alles sah."
"Ja, hat er. Doch ich konnte kaum glauben, was er alles erzählt hat. So unglaubliche Dinge sind in dieser Schlacht geschehen, als ob mein Herr selbst daran teilgenommen hätte."
"Hat er aber nicht, da er noch immer vernichtet ist und das soll und wird auch so bleiben. Zurück zum Thema."
Hirion wurde schön langsam zornig. Er wusste nur zu gut, warum er Jack oder seinesgleichen nicht in seinem Reich dulden wollte. Denn sie alle dienten einem alten Feind von ihm und ebenso Feind von allem, was nur irgendwie rechtschaffen war.
"Na schön, ich berichte Euch, was mir berichtet wurde. Wenn es Euch nur um Euren Teil der Armee geht, schenke ich mir den Rest. Aber vielleicht interessiert Euch, dass sich sogar ein Engel aus Elowing dorthin gewagt und die Verteidiger, die verletzt waren, geheilt hat. Was sagt Ihr dazu, Hirion?"
"Ein Engel? Sehr ungewöhnlich, aber nichts Ernstes. Wie stand es um meine Silberschnitter?"
"Sie alle wurden vernichtet.", antwortete Jack knapp.
"Das weiß ich schon längst! Maßt Euch nicht an, meine Zeit zu verschwenden und mich zornig zu machen, das würdet Ihr nicht überleben. Wer, verflucht noch mal, hat sie getötet?"
"Ein kleines, blauhaariges Mädchen.", sagte Jack und musste dabei kichern. Das schadenfrohe Grinsen auf seiner Maske passte in diesem Moment perfekt.
"Genug von diesen Albereien! Wer hat meine Silberschnitter getötet? Und diesmal sagt Ihr besser die Wahrheit!"
"Wie ich schon sagte, es war ein kleines, blauhaariges Mädchen. So wurde es mir von Marcus erzählt. Sie erschien wie aus dem Nichts, vernichtete beinahe alle Silberschnitter im Alleingang und verschwand dann wieder. Niemand wusste, wer sie war oder was sie dort zu suchen hatte. Aber sie hat es fast ganz alleine fertiggebracht, Euren Teil der Armee auszulöschen."
"Das darf nicht wahr sein. Wisst Ihr, wer dieses Mädchen war?"
"Ich glaube, Ihr wisst es ebenso gut wie ich.", sagte Jack.
"Kind des Schicksals...", sagte Hirion zornig und schlug mit der Faust auf seinen Stuhl. Dieser bestand zwar aus Metall, hielt aber Hirions hartem Schlag nicht stand und so war nun die rechte Lehne kaputt.
"Ganz genau. Ihr habt es erfasst. Erstaunlich viele Kinder des Schicksals hatten sich in dieser Schlacht verirrt. Nach allem, was mir berichtet wurde, zählte ich vier. Noch dazu ein Äthergeborener. Schon aufregend, nicht wahr?"
"Handelte es sich bei diesem Mädchen etwa um Isabella Hentagnon?"
"Dass Ihr das noch fragen müsst, Hirion. Wer sollte es denn sonst sein?"
"Ich wusste es. Warum pfuscht mir diese kleine Göre in meine Pläne? Ich hatte nie vor, die Silberschnitter zu opfern. Sie sollten nur solange angreifen, wie noch andere Einheiten des düsteren Magiers lebten und sobald alle vernichtet waren, sollten sie sich zurückziehen."
"Nur zu schade, dass sie alle vorher ausgelöscht wurden."
"Was ist mit Kiostos geschehen? Er muss doch irgendwie überlebt haben?"
"Marcus berichtete mir, dass dieser Junge, ich glaube, er heißt Julian, alle Generäle eigenhändig zur Strecke brachte. Das gilt auch für Kiostos."
"Julian, hm? Sehr seltsam. Ich habe noch nie von ihm gehört."
"Er ist ebenso ein Kind des Schicksals. Soviel steht fest."
"Diese verdammten Kinder des Schicksals. Vielleicht ist es an der Zeit, ihnen zu zeigen, dass sie sich besser nicht mit mir anlegen."
"Seid vorsichtig, was Ihr sagt. Am Ende bereut Ihr es noch."
Hirion starrte Jack an.
"Habt Ihr mir gerade in meinem eigenen Palast gedroht?"
Alleine durch Hirions zornige Anspannung erbebte die nähere Umgebung, welche hier ganz Riathassan darstellte.
"Denkt immer daran, wem ich diene, Hirion. Gegen ihn und seine Herrlichkeit seid Ihr nichts. Ihr seid nur ein Staubkorn im Vergleich zum ihm. Merkt Euch meine Worte: Eines Tages wird Er wieder auf dieser Welt wandeln."
"Nein! Ich werde niemals zulassen, dass er zurückkehrt. Vorher töte ich Euch und alle anderen Jünger. Ich werde alles in meiner Macht Stehende tun, um ihn für immer dort zu halten, wo er jetzt ist. Vernichtet und gespalten in unzählige Teile, von denen die meisten schon längst vergangen sind."
"Es wird immer Wege geben, ihn zurückzuholen. Seht Eurem Ende ins Auge, Hirion. Sobald er wieder da ist, wird er Euch als Erstes beseitigen."
Jack erhob sich und stolzierte aus dem Raum hinaus. man konnte sich als jemand wie Jack eine Menge Dinge erlauben. Das lag daran, dass er eine große Macht sein Eigen nannte. Eines hatte er aber gerade getan, das er sich nicht erlauben konnte: Kaiser Hirion, das mächtigste Wesen der Welt, zu erzürnen. Für gewöhnlich stellte dies ein Todesurteil für jeden dar, der Hirion nicht überlegen war. Und das waren die allerwenigsten. Als Jack nun also gemütlich aus dem Palast hinausspazieren wollte und durch den Thronsaal schlenderte, da rechnete er nicht mit der monumentalen Gestalt, die sich ihm rasend schnell näherte. Noch bevor er reagieren konnte, hatte Hirion ihn bereits mit seinen spitzen Eisenklauen gepackt und schmetterte ihn, so heftig er konnte, gegen die Wand des Thronsaals. Nach dem Aufprall fiel Jack angeschlagen zu Boden. Dort krümmte er sich vor Schmerzen und versuchte, wieder aufzustehen. Da drückte ihn Hirions mächtiger Fuß erneut nach unten, während dessen boshaftes Gesicht ihn anstarrte.
"Eure lächerliche Maske ist leider nur zutreffend, wenn Ihr Euch wie ein toller Hecht fühlt, doch ich bin sicher, das tut Ihr im Moment nicht. Sag schon, wie fühlst du dich nun, kleiner Wurm? Fühlst du dich wie ein wehrloser, kleiner Schwächling? Sag es!", brüllte Hirion und bei jedem Wort erzitterte der Thronsaal.
"Es tut mir Leid! Bitte vergebt mir, großer und mächtiger Kaiser Hirion, größtes und mächtigstes Wesen auf dieser Welt, Herrscher und Schöpfer der Machuv'Thal. Ihr seid mir in allen Belangen überlegen. Bitte habt Gnade mit einem Schwächling wie mir.", winselte Jack.
Hirion packte Jack, richtete ihn auf und stellte ihn aufrecht auf den Boden. Dann beugte er sich zu ihm hinab und blickte auf seine Elfenbeinmaske.
"Verschwinde von hier und komm nie mehr zurück. Du widerst mich an. Keine Ehre, so wie dein Meister. Geh mir aus den Augen."
"Das werde ich. Bin schon so gut wie weg."
Dann lief Jack los und sah zu, dass er Gentrav, Hirions Reich so schnell wie möglich hinter sich ließ. Hirion setzte sich wieder auf seinen Thron.
"Dieser erbärmliche Wicht mag vielleicht nichts wert sein, doch habe ich dank ihm nun wichtige Informationen erhalten. Wo steckt mein Berater? Bringt ihn zu mir!", rief er den Wachen zu. "Ich werde seinen Rat brauchen, was ich mit Isabella Hentagnon anfangen soll."
An einem anderen Ort auf der Welt, genau genommen in Napoli, der Residenzstadt des Königs von Falteritanien, Haggar Borrian, hatte ebendieser nach seiner Schreiberin rufen lassen. Auch der König von Falteritanien hatte schon erfahren, was in der Schlacht von Erudicor geschehen war. Es freute ihn, dass Julian gesiegt hatte und bestärkt durch diesen Sieg fühlte auch er sich nun bereit, etwas zu wagen, das er schon lange tun wollte. Daher benötigte er seine Schreiberin Louise, denn er wollte einen Brief schreiben lassen. Einen Brief, der einen ganz besonderen Empfänger haben würde. Bevor allerdings Louise erschien, tauchte plötzlich ein wütender Mob auf. Die Wachen schienen nicht darauf aus zu sein, die Leute aufzuhalten und so stand der Mob plötzlich vor Haggar Borrian selbst. Er saß auf seinem erhöhten Thron in seiner blassvioletten Rüstung mit silbernen Verzierungen sowie seiner speziellen Krone mit etlichen Zacken und Edelsteinen und seinem lila Umhang. Sein kurzes, hellbraunes Haar und seine dunkelbraunen Augen vermochten seinen grimmigen Ausdruck im Gesicht nicht zu verschleiern. Noch dazu wirkte er unendlich gelangweilt. Und das obwohl ihm gerade unzählige Leute gegenüberstanden, die ihn vermutlich nicht sonderlich mochten. Ansonsten wären sie kein wütender Mob mit allen behelfsmäßigen Waffen, die sie finden konnten, gewesen. Einige Frauen waren sogar mit Bratpfannen bewaffnet. Nur die wenigsten von ihnen besaßen richtige Schwerter und einige hielten Fackeln in die Höhe. Haggar Borrian reagierte kaum, er zog nur eine Augenbraue hoch.
"Wachen, entfernt dieses Gesindel, bevor mir noch ein Ei platzt. Schon schlimm genug, dass Louise noch immer nicht eingetroffen ist. Was ist hier bloß schon wieder los? Ist es zu viel verlangt, einen einzigen Tag zu erleben, an dem alles reibungslos verläuft?"
"Vielleicht würde es besser laufen, wenn Ihr die Menschen nicht wie Dreck behandeln würdet.", sagte einer aus dem wütenden Mob. Mutig trat er vor und streckte dem König sein Schwert entgegen.
"Ach, tatsächlich? Das soll hilfreich sein? Los, schnapp dir dein vollgeschissenes Schwert und verschwinde von hier, bevor ich mich vergesse."
"Das wird nicht passieren.", antwortete plötzlich eine Wache. "Wir sind es endgültig Leid, Euch zu dienen. Ihr werdet nun für Eure Taten bezahlen, König Borrian."
"Verstehe. Nun gut, wenn ihr es denn unbedingt so haben wollt. Wie langweilig."
Haggar Borrian erhob sich von seinem Thron und stapfte die Stufen hinab, bis er sich auf einem Niveau mit dem von ihm so verabscheuten Pöbel befand. Er legte seine Hand um die Wangen der Wache, die gesprochen hatte und drückte zu.
"Ihr glaubt also, ihr könnt mich loswerden?", fragte er, während er der Wache tief in die Augen sah. Diese wurde nun nervös, nickte aber.
"Soso. Warum glaubt ihr, ihr hättet da Erfolg, wo andere vor euch scheiterten?"
Im nächsten Moment ging der König weiter und die Wache fiel tot um. Alle erschraken und der Pöbel wich ein paar Schritte zurück. Bis auf den mutigen Mann, der noch immer entschlossen mit erhobenem Schwert vor seinem König stand. Haggar Borrian näherte sich ihm und als der Mann nur dastand und nichts tat, packte der König das Schwert und stieß es ihm in den Bauch. Er fiel zu Boden, wo er langsam verblutete. Der Pöbel stürmte nun auf den König zu. Dieser zog sein Schwert und blickte hinauf zur Decke des Thronsaals. Während er das tat, schwang er sein Schwert von rechts nach links und andersrum, ohne überhaupt hinzusehen. Nach einiger Zeit beendete er das Schwingen und steckte sein Schwert weg. Der gesamte Pöbel lag in mehreren Stücken auf dem Boden. Sie alle waren auf den König zugestürmt und schließlich von seinem Schwert zerteilt worden.
"Was für eine beschissene Sauerei. Putzt das mal irgendwer weg? Hey, Schwanzlutscher! Ich rede mit euch! Bewegt eure Ärsche!"
Die Wachen, die in der näheren Umgebung waren, verloren jeglichen Mut und gehorchten. Haggar Borrian nahm wieder auf seinem Thron Platz und sah dabei zu, wie seine Unordnung beseitigt wurde.
"Wenn heute noch einmal irgendwer auf so eine glorreich verfickte Idee kommt, dann werde ich nicht nur den Pisser, sondern euch alle lebendig häuten. Und glaubt mir, wenn ich sage, dass ich wahrlich genug Zeit habe, das mit jedem Einzelnen von euch zu tun. Lasst euch das eine Lehre sein. Man wird Haggar Borrian, König von Falteritanien, nicht einfach so los."
Da erschien endlich Louise und sah gerade noch die letzten Überbleibsel des Ereignisses von vorhin.
"Mein König, verzeiht meine Frage, aber was ist geschehen? Seid Ihr wohlauf?"
"Mir geht es gut, vielen Dank der Nachfrage, Louise. Sagen wir mal so: Sie haben versucht, dich nachzuahmen. Ich denke, du verstehst."
"Schon wieder ein Angriff auf Euch?"
"In der Tat. Aber nichts, was ich nicht bewältigen könnte. Schließlich bin ich Haggar verfickt noch mal Borrian, der verdammte König von Falteritanien. Niemand kann mich aufhalten. Das wird mir jetzt mehr denn je klar. Deshalb habe ich dich auch rufen lassen. Setze einen Brief auf."
"Sehr wohl. An wen soll dieser Brief gehen?"
"An Aloisius Rabenkrang, seines Zeichens der Herrscher von Ganredlah. Ich werde diesem unnötigen, alten Sack eines klarmachen: Seine Zeit ist vorbei. Schreib auf: Sehr geehrtes Sackgesicht. Wie gehts denn so? Ich bin sicher, Ihr habt auch schon gehört, wie die Schlacht von Erudicor verlaufen ist. Das hat mir eines gezeigt: Ihr habt lange genug mit Eurem knöchernen Arsch auf Eurem riesigen Reich gesessen. Nun ist es an der Zeit, dass ich mir hole, was mein sein soll. Hört meine Worte, Aloisius Rabenkrang, ehrenwerter Schwanzlutschkaiser von Ganredlah, Euer Reich wird mein sein. Ich hole mir jedes noch so kleine Dörfchen, das unter Eurer Obhut steht. Dann wird Falteritanien zum größten Reich der Welt und der Menschheitsgeschichte werden und niemand wird mich je aufhalten können. Gezeichnet, Euer hochgeschätzter Haggar Borrian, König von Falteritanien, Kaiser unter Königen, et cetera, et cetera. Du kennst ja das Prozedere, Louise. Schmück den Brief noch etwas aus, damit er sich besser liest. Aber wage es nicht, irgendetwas an meinen Worten zu ändern. Und los, verschwinde und mach dich an die Arbeit."
"Bitte verzeiht, mein König, aber ich rate Euch, diesen Brief noch einmal zu überarbeiten."
"Wie war das? Ich glaube, meine Ohren müssen voll Scheiße sein, denn das klang gerade wie Scheiße, was du von dir gegeben hast. War ich nicht deutlich genug?"
"Es ist mir wirklich ernst. Aloisius Rabenkrang ist ein sehr mächtiger und gefährlicher Mann und es wäre leichtsinnig, ihn sich einfach so zum Feind zu machen. Er könnte Falteritanien an einem einzelnen Nachmittag erobern, so viele Truppen wie er besitzt. Bitte seid vernünftig und verzichtet darauf, ihm diesen Brief zu senden. Wenn Ihr wirklich darauf besteht, lasst zumindest die Obszönitäten und Beleidigungen weg. Denn diese werden ihn bestimmt rasend vor Wut machen."
"Was denkst du eigentlich, was mein Ziel ist? Der alte Knacker soll kochen vor Wut. Er soll einen Herzinfarkt bekommen und daran sterben und dann kann ich sein tolles Ganredlah ganz leicht erobern. Schick ihm die exakte Fassung, wie ich sie dir diktiert habe. Wenn du das nicht schaffst, werde ich dich leider liquidieren müssen. Und damit meine ich, du gehst ins Meer schwimmen."
"Mein König, das ist..."
"Ah, ah, ah. Ich will nichts mehr hören. Geh jetzt, sofort. Ich musste mir dein hässliches Gesicht schon viel zu lange ansehen."
"Wie Ihr wünscht, mein König."
"Zukünftiger Kaiser.", rief Haggar Borrian Louise hinterher, als sie den Thronsaal verließ.
"Haggar Borrian, Kaiser von Falteritanien, dem größten Reich der Welt. Klingt doch verdammt gut. Ich werde dafür sorgen, dass es wahr wird.", sagte der König zu sich selbst und malte sich dann aus, wie er den großen Kaiser Aloisius Rabenkrang besiegen und sein Reich an sich reißen würde.
Zur selben Zeit in einem völlig anderen Teil der Welt, in Illuminon, dem Reich der ewigen Flamme. Dieses war nach Ganredlah das zweitgrößte Reich auf der Erde und umfasste ab dem Panamakanal ganz Südamerika. In der Hauptstadt Eternashinjo, was in der alten Sprache so viel wie "ewiges Feuer" bedeutete, hatte soeben die Schamanenkönigin die Nachricht vom Ausgang der Schlacht von Erudicor vernommen. Die Schamanenkönigin war die Herrscherin von Illuminon, seit die Gründerin und Kaiserin Tara verstorben war. Passend zum Reich der ewigen Flamme bot sich als Herrscherin niemand besser an als die Älteste der Shirai, Shirayakara. Die Shirai waren die Dienerinnen des Feuers, Frauen, die komplett aus Feuer bestanden oder Flammen in der Gestalt von Frauen. Sie dienten dem Urgeist des Feuers, Shinjayas und dem Element Feuer selbst. Die Älteste von ihnen war die erste Shirai und nun herrschte sie als Schamanenkönigin über Illuminon, das Reich der ewigen Flamme und ebenso Schamanenreich. Ihre größten Ziele waren tief verborgen im finsteren Herzen ihres riesigen Reiches und nur sie sowie ganz wenige Eingeweihte wussten davon. Nun aber wartete sie auf drei ganz besondere Gäste, die sie vor einiger Zeit losgeschickt hatte, ihr etwas Spezielles zu bringen. Ihre Mission war kein leichtes Unterfangen, doch die Schamanenkönigin schien überzeugt zu sein, dass sie erfolgreich zu ihr zurückkehren würden. Der Sieg in der Schlacht von Erudicor für die Verteidiger kümmerte sie wenig. Sie stand nicht auf der Seite des Guten oder des Bösen. Shirayakara kümmerte sich lediglich um Illuminon und verfolgte nebenbei ihre Pläne. Obgleich sie als Flamme ihre Gestalt stetig verändern konnte, so verweilte sie doch schon seit sie erschaffen wurde in derselben Gestalt, die allmählich sehr alt aussah. Wenn man sie ansah, blickte man auf eine Frau aus Flammen, deren wabernde Gestalt ihr Alter nicht verbergen konnte. Ihr faltiges Gesicht konnte man auch in Flammengestalt erkennen. Dennoch war sie als die Älteste der Shirai ein mächtiges und ehrwürdiges Wesen. Was ihr aber die Nachricht vom Sieg über den düsteren Magier gezeigt hatte, war, dass man Äthergeborene aufhalten konnte. Das war gut, denn genau diese Information benötigte sie. Denn wenn sie erst einmal ihre Pläne verwirklichen konnte, wäre es im Rahmen der Möglichkeiten, dass ein Äthergeborener sich einmischte und dann musste sie in der Lage sein, ihn aufzuhalten. Wenn das kein Ding der Unmöglichkeit darstellte, so würde es ihr schon irgendwie gelingen, das wusste sie nun.
Für die meisten Herrscher der Welt stellte die Nachricht vom Sieg des Guten in der Schlacht von Erudicor eine positive Nachricht dar. Auch für Uselton von Shyr, den König Varbitiens. Als er davon erfuhr, tanzte sein Herz vor Freude.
"Sie haben es also geschafft. Theron, mein Freund, ich werde dich schon bald besuchen. Bis dahin freue ich mich, dass dieser Sieg uns gehört. Ein Sieg für das Gute!"
In Grelia erfreuten sich ebenso die Könige Mysantelos und Feyros an der Botschaft, die ihnen übermittelt wurde.
"Ha, was sagt man dazu. Julian hat ja ganz schön was auf dem Kasten."
"Das kannst du laut sagen, Mysantelos. Ich bin sehr stolz auf ihn.", pflichtete Feyros bei. Auch Mysantelos’ Begleiterinnen, die Amazonen Lyra und Sessenyia, hatten darüber einiges zu bereden.
"Hast du gehört, Lyra? Dein Liebling hat die Schlacht gewonnen."
"Schnauze, Sessenyia. Er ist nicht mein Liebling."
"Oh, ist da jemand verliebt?"
Lyra schlug sich mit der Handfläche auf die Stirn.
Auch in Raspetanien, dem großen Wüstenreich in Nordafrika, feierte man den Sieg der Verteidiger von Erudicor. Der Herrscher der Hauptstadt Aschakrhan sowie Reichsverwalter von Raspetanien, Zumzar Basorius, erhielt von Odobar, dem Prinzen des Nebels und Sahel, Julians Halbschwester, persönlich die Nachricht des großen Triumphes.
"Großartig. Ich bin stolz auf Euch, doch sagt mir, wo ist M'Dubu?"
"Er hat es leider nicht geschafft.", sagte Odobar und senkte den Kopf.
"Schade, er war mir ein guter Freund und Diener. Aber lasst uns nicht zu sehr den Verstorbenen hinterhertrauern. Immerhin haben sie ihr Leben dafür gegeben, dass das Gute siegen konnte. Was ist mit dem düsteren Magier, ist er tot?"
"Nein, er ist geflohen.", antwortete Sahel. "Irgendwo treibt er noch sein düsteres Unwesen."
"Das ist eine sehr schlechte Nachricht. Hoffen wir nur, dass er nicht auf die Idee kommt, in unserem Reich noch mehr Schaden anzurichten, als sein General, dieser Katokuin nicht schon in Bar Golan angerichtet hat."
"Dafür werde ich persönlich sorgen, Meister Zumzar.", versicherte Odobar.
"Natürlich. Aber zunächst sollte ich mit euch beiden über eine Behausung in meiner Stadt sprechen. Denn keiner von euch hat ein richtiges Heim, liege ich da richtig?"
"Meine Heimat ist die Wüste.", antwortete Sahel.
"Seid nicht so bescheiden. Ihr mögt eine Nomadin sein, doch ein richtiges Heim, zu dem man immer zurückkehren kann, ist etwas Schönes. Versucht es zumindest einmal. Wie steht es mit Euch, Odobar?"
"Nachdem meine Behausung in Bar Golan zerstört wurde, benötige ich tatsächlich ein neues Heim."
Sahel flüsterte Odobar plötzlich etwas ins Ohr. Erstaunt fragte er:"Bist du sicher?" Sahel nickte nur.
"Na schön, was unser Haus angeht..."
"Ich höre...", erwiderte Zumzar Basorius.
Und so bekamen die einzigen Überlebenden der Schlacht, die aus Raspetanien stammten, ihre Belohnung für ihre Dienste in Form eines neuen Hauses.
Auch Wilhelm und Elisabeth aus Hanveltien hörten schon bald vom Sieg des Guten in der Schlacht von Erudicor. Ihnen wurde es von ihren Söhnen Viktor und Vincent, die beide selbst in der Schlacht mitgekämpft hatten, berichtet. Die ganze Familie lauschte ihren spannenden Geschichten. Besonders ihre jüngere Schwester Natalie war sehr angetan von diesen abenteuerlichen Erzählungen und wünschte sich, selbst einmal ein großes Abenteuer erleben zu können.
Zuletzt erfuhr es auch Kaiserin Hani Kasayahan aus dem großen, asiatischen Reich Shanto Gyar. Die vierte Armeeführerin Lao Ming war mitsamt einiger weniger Überlebender der insgesamt 15 000 Krieger, die die Kaiserin nach Erudicor geschickt hatte, zurückgekehrt. Die Nachricht vom Sieg stimmte die Kaiserin zufrieden und sie belohnte Lao Ming mit einer Unmenge an Gold sowie einer eigenen, prunkvollen Villa im reichen Viertel von Singapur. Lao Ming freute sich über ihr neues Haus, aber es war so groß und sie wohnte dort ganz alleine. Noch dazu ging ihr Julian nicht mehr aus dem Kopf. Er hatte ihr die wundervolle Halskette mit dem Amulett geschenkt, in welchem sich ein Saphir befand. Außerdem hatte er ihr das Leben gerettet. Was für ein faszinierender Mann. Ob sie ihn wohl je wiedersehen würde?
Nicht nur der Sieg über die Armee des düsteren Magiers sprach sich weltweit herum, sondern auch die Tatsache, dass Julian maßgeblich daran beteiligt gewesen war. Überall erfuhren Herrscher, denen er noch nicht begegnet war, von seiner Existenz und jene, die ihn schon kannten, waren stolz auf seine Heldentaten. Ob er es wollte oder nicht, Julian wurde in den kommenden Wochen zum Gesprächsthema Nummer Eins auf der Welt. Doch all das war ihm völlig unklar, denn er reiste zu dieser Zeit gerade mit Hoën sowie dessen Gefährten Holzhammer-Joe, Gael, der wütenden Bardin sowie Givitz Hurnwaas durch Anthem Gows und gelangte immer näher an sein Ziel, die Nebelwiese.