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Kapitel III: An einem seltsamen Ort
ОглавлениеAls Julian erwachte, blickte er verwirrt um sich. Für einen Moment hatte er keine Ahnung, was geschehen war und wo er sich befand. Dann aber fiel ihm alles binnen eines Augenblicks wieder ein und er erkannte den gemütlich eingerichteten Raum wieder, den er zuvor im Turm des Druiden durchquert hatte. Tatsächlich lag Julian gerade in dem Bett, welches gegenüber dem Durchgang zur äußeren Treppe des Turms lag. Es fühlte sich wirklich weich und kuschelig an. Von dem Druiden fehlte jede Spur. Ein seltsamer Geruch begann, sich langsam auszubreiten. Julian roch seltsame Gewürze und fragte sich, was da wohl so duftete. Schließlich wollte er aufstehen und es herausfinden. Doch als er sich vom Bett erheben wollte, konnte er nicht. Irgendwie blieb er einfach liegen und eine unsichtbare Mauer über ihm hinderte ihn daran, sich aufzurichten. Was hatte dieser Druide nur mit ihm vor? Das letzte, woran Julian sich erinnern konnte, war, dass er den alten Mann angeschrieen und bedroht hatte. Vielleicht war das nicht gerade klug gewesen, jetzt aber war es zu spät, um es rückgängig zu machen. Zwar hatte Julian einst ein Amulett besessen, welches es ihm erlaubt hatte, die Zeit zu manipulieren, doch dieses Schmuckstück trug nun Lao Ming um den Hals, eine der fünf Wächter von Singapur. Was sie wohl gerade tat? Das fragte sich Julian, als der alte Druide plötzlich vom oberen Stockwerk über die äußere Treppe in den Raum trat und eine Tasse Tee bei sich trug. Aus einer wunderschön mit Blumen verzierten Porzellantasse stieg der Dampf des heißen Tees auf. Der Druide der Gestirne stellte die heiße Tasse auf das Bett, neben Julians Körper. Dann nahm er sich einen alten, hölzernen Stuhl und setzte sich vor das Bett. Er blickte den jungen Mann an, wie er so dalag und gerade einmal den Kopf drehen konnte. In seinen Augen spiegelte sich eine verwunderte Frage:"Warum?"
"Nun, das war nicht gerade ein fulminanter Start. Nicht wahr, Eadfjeddr?", sagte der Druide schließlich.
"Was habt ihr mit mir vor?", fragte Julian sofort.
"Was ich...? Junge, keine Angst, dir passiert nichts. Du hast mich bedroht und deshalb musste ich dich einschlafen lassen. So jemand wie du kann sogar den Druiden gefährlich werden. Deshalb wollte ich nichts riskieren. Mir ist schon klar, dass du das nicht in böser Absicht getan hast. Das Wohl deiner Freunde liegt dir sehr am Herzen und deshalb reagierst du natürlich gereizt, wenn man dir wichtige Informationen verweigert. Ich kann das verstehen."
"Dann seid so gut und helft mir.", sagte Julian, der nun verstand, dass der Druide durchaus vernünftig war.
"Tut mir Leid, aber so einfach ist das nicht. Du musst nämlich auch etwas verstehen, Eadfjeddr. Wenn wir nie etwas riskieren und Dinge tun, die wir vielleicht gar nicht tun wollen, dann wachsen wir nie über uns hinaus. Verstehst du das?"
"Nicht ganz. Wollt Ihr mich zu etwas zwingen?"
"Nein, ich möchte, dass du dich selbst dazu zwingst. Es ist ganz einfach. Angenommen, ein Bäcker bäckt jeden Tag seines Lebens ein Brot aus den exakt selben Zutaten. Das macht er so lange, bis er stirbt. Wenn er dann tot ist, werden die Leute sagen:"Schade, er hat immer ein so gutes Brot gebacken." Aber nach ein paar Wochen haben sie ihn vergessen und jemanden gefunden, der besseres Brot bäckt. Hätte der Bäcker aber einmal riskiert, ein Brot mit anderen Zutaten oder vielleicht etwas völlig anderes wie eine Torte oder einen Kuchen zu backen, dann wäre er über sich selbst hinausgewachsen und hätte etwas Großes erreichen können. Doch weil er immer dasselbe tat, blieb er sein Leben lang auf demselben, mittelmäßigen Niveau. Ich hoffe, dieses Beispiel veranschaulicht, was ich von dir erwarte, Eadfjeddr."
Julian dachte nach. Dann sah er dem Druiden in seine schwach grün leuchtenden Augen und antwortete:"Ihr wollt also, dass ich über mich hinauswachse? Wie soll ich das tun?"
"Endlich hast du verstanden. Wie du es tust, ist unwesentlich. Im Grunde bleibt es dir überlassen, doch spüre ich, dass du einen kleinen Schubs in die richtige Richtung benötigst. Den will ich dir geben. Deshalb bekommst du von mir eine Aufgabe. Und du wirst sie zufriedenstellend ausführen. Bist du bereit?"
"Von dieser Aufgabe habt Ihr schon einmal gesprochen. Die muss ich erfüllen, um von Euch alles über Otto und Lisa zu erfahren, was Ihr wisst, richtig?"
"Ich sehe, dein Gedächtnis lässt dich nicht im Stich. Völlig richtig. Erledige diese eine, simple Aufgabe für mich und ich verrate dir alles, was mir an Informationen über deine Freunde übermittelt wurde."
"Na schön, Ihr gebt ja sonst doch keinen Frieden. Was soll ich tun?"
"Bring mir fünf Nebelseitlinge. Mehr ist es nicht."
"Was für Dinger?", fragte Julian ratlos.
"Nebelseitlinge. Das sind spezielle, sehr seltene Pilze. Wenn du mir fünf davon bringst, sollst du noch weit mehr als deine gewünschten Informationen erhalten."
"Und wo soll ich nach denen suchen?"
"Ah, das ist eine sehr interessante Frage. Sehen wir uns das am besten auf der Karte an. Dafür müssen wir aber hinauf in den obersten Raum. Kann ich mich darauf verlassen, dass du nicht auf dumme Ideen kommst, sobald ich dich aufstehen lasse? Ich würde dich nur ungern erneut ins Land der Träume schicken, Eadfjeddr. Das ist nur eine Verschwendung meiner Zeit und deines Talents."
"Ich werde nichts Dummes tun, das verspreche ich. Ihr wirkt wirklich vernünftig und ich muss mich entschuldigen. Ich habe Euch zu Beginn falsch eingeschätzt. Von nun an werde ich auf Eure Ratschläge hören und versuchen, besser zu werden als ich bin."
"Ausgezeichnet, genau diese Einstellung sollst du haben, sobald du von hier aufbrichst. Das haben mir die Sterne offenbart. Scheinbar ging das viel schneller als erwartet. Also los, folge mir hinauf."
"Wartet bitte einen Moment.", unterbrach Julian den Druiden.
"Was ist denn, Julian?"
"Ihr nennt mich also nicht nur Ead...wie auch immer. Das freut mich."
"Zuweilen kann ich auch auf Titel verzichten und einfach mein Gegenüber beim Namen nennen. Mir ist durchaus bekannt, dass die meisten Menschen es vorziehen, mit ihrem Namen anstatt ihrem Titel angesprochen zu werden. Nun denn, was liegt dir auf dem Herzen?"
"Mir ist schon klar, dass ich mir meine Antworten erst verdienen muss, doch vielleicht könnt Ihr mir bei Dingen helfen, die nichts mit meinen Freunden zu tun haben. Darüber hinaus hätte ich gerne eine Bestätigung dafür, dass es ihnen gut geht und das alles nicht nur riesige Zeitverschwendung ist."
"Wenn dieses Unterfangen, zu dem du bald aufbrichst, eines nicht ist, dann Zeitverschwendung. Denn auf diesem Abenteuer wirst du dich selbst einige Mal neu finden und erkennen, dass du ganz anders bist, als du selbst dachtest. Du bist zu so viel mehr fähig, als du dir zutraust. Öffne deine Augen, Julian und gehe den Weg, der schon auf dich wartet. Was deine Freunde angeht, so kann ich dir nur sagen: Denk einmal daran, was für Menschen sie sind. Glaubst du denn, dass sie sich so leicht von irgendjemandem oder irgendetwas töten lassen? Wenn das wirklich deine Sorge ist, dann kennst du deine Freunde aber schlecht. Sie sind wesentlich widerstandsfähiger, als du dir vorstellen kannst. Genügt dir das?"
Julian atmete erleichtert auf. Genau das, was er selbst sich unentwegt eingeredet hatte, wurde vom Druiden der Gestirne bestätigt. Seine Freunde waren ohne Zweifel noch am Leben und hatten bestimmt allen bisherigen Widrigkeiten erfolgreich getrotzt. Das beruhigte Julian ungemein, auch wenn ihm ein paranoider Gedanke in den Sinn kam, laut welchem der Druide diese Worte nur gesprochen hatte, um Julian in Sicherheit zu wiegen und ihn für seine eigenen Belange missbrauchen zu können. Doch fürs Erste ließ Julian diesen Gedanken unbeachtet. Zunächst antwortete er auf die ihm gestellte Frage.
"Ja, das genügt mir durchaus. Dasselbe habe ich mir selbst auch immer wieder gesagt. Wenn Ihr mir zustimmt, dann muss es stimmen. Schließlich seid Ihr ein Druide, einer der mächtigsten Menschen überhaupt. Bestimmt wisst Ihr auch eine Menge und deshalb bitte ich Euch, mir ein paar Fragen zu beantworten. Wie gesagt haben sie nichts mit meinen Freunden zu tun, aber sie bereiten mir Kopfschmerzen, weil ich die Antworten nicht kenne."
"Julian, Julian, beruhige dich erst einmal. Trink deinen Tee, bevor er ganz kalt wird." Die Tasse neben Julian, der sich mittlerweile aufgesetzt hatte, dampfte immer noch fröhlich vor sich hin. Wenn eines in der näheren Umgebung in nächster Zeit nicht kalt werden würde, dann bestimmt dieser Tee. Trotz allem nahm Julian vorsichtig einen Schluck des würzigen Kräutertees, der ihm wirklich schmeckte und so nahm er gleich zwei weitere Schlucke. Als er die Tasse wieder am Bett abstellte, wartete er darauf, dass der Druide fortfuhr. Lächelnd tat jener ebendies.
"Sehr gut, wie ich sehe, schmeckt dir der Tee. Das freut mich. Nun aber zu deinen Fragen. Ich mag vielleicht ein Druide sein, aber ich bin auch der schwächste Druide, Nummer Vierzehn in der Rangfolge. Jeder andere Druide ist viel mächtiger als ich. Doch macht es mir nichts aus, der schwächste zu sein. Immerhin bin auch ich noch um so vieles stärker als die meisten anderen Wesen, die existieren. Allerdings ist mir auch bewusst, dass Macht und Stärke nichts bedeuten. Dieser Umstand sollte auch dir jederzeit klar sein, Eadfjeddr."
"Aber was redet Ihr denn da? Wieso sollen Macht und Stärke nichts bedeuten?"
"Weil es unwichtige Konstrukte sind, die keinen Mehrwert besitzen. Die wirklich bedeutsamen Dinge sind Liebe, Freundschaft, Fröhlichkeit und Freundlichkeit, Offenheit und Selbsterkenntnis sowie Selbstverwirklichung. Im Angesicht all dessen wirkt Macht nur wie ein veraltetes System, um längst verdorbene Lebensmittel zu vergleichen. Wie viel mächtiger ist dieser verschimmelte Apfel dort im Vergleich zu diesen vertrockneten Weintrauben? Genau um 30 Gramm mächtiger." Daraufhin musste der Druide der Gestirne heftig lachen. Er machte sich keinesfalls über Julian lustig, scheinbar hatte ihn sein eigenes, humorvolles Beispiel zum Lachen gebracht. Es war ein ehrliches Lachen und schließlich konnte Julian nicht anders, als einzustimmen und eine kurze Zeit lachten sie beide herzhaft, bevor sie sich langsam wieder beherrschten. Anschließend lächelte der Druide und sagte nur:"Siehst du? Der Umstand, dass wir miteinander lachen konnten, ist viel bedeutsamer, als die Tatsache, wer von uns beiden nun mächtiger ist. Wen interessiert das schon? Ich denke, du verstehst."
"Ja schon, aber wenn mir jemand Feindliches gegenübersteht, werde ich den wohl kaum davon abhalten können, mich zu töten, indem ich mit ihm lache."
"Das ist ja auch nicht die Aussage, die ich dir klarmachen wollte. Natürlich gibt es Unterschiede in der Macht und man muss stets vorsichtig sein, weil man nie weiß, wer vor einem steht. Ich meinte das eher philosophisch-idealistisch. Dort, wo die Liebe und Freundschaft jegliche Macht in Anspruch nehmen, ist kein Platz mehr für tatsächliche Macht. Denn wenn alle friedlich und freundlich miteinander leben können, wen interessiert dann schon, wer stärker ist? Leider läuft es auf unserer Welt ohnehin nicht so, daher bleiben meine schönen Fantasien leider genau das - Fantasien. Sie werden niemals realisiert werden und das macht mich zutiefst traurig. Als jemand, der in die Zukunft blicken kann, ist diese Bürde umso schlimmer, denn ich weiß ja, dass sich die Welt nie ändern wird. Es wird immer nur um die Macht gehen, solange bis schließlich alles vergeht." Der Druide der Gestirne seufzte.
"Barkh Aragh.", gab Julian in perfekter Aussprache, wie von Peter gelernt, von sich.
"Exakt. Das Ende von allem, was existiert. Es überrascht mich nicht, dass du schon davon gehört hast, Julian. Nun denn, stell deine Fragen und ich werde sehen, was ich tun kann."
"Wirklich? Vielen Dank, Druide der Gestirne."
"Bitte, nenn mich Alfokohel. Wie ich dir schon sagte, die Menschen mögen es lieber, mit ihrem Namen als mit ihrem Titel angesprochen zu werden."
"Bitte verzeiht, Alfokohel. Meine erste Frage ist ganz simpel: Was sind Kinder des Schicksals und warum bin ich eines?"
"Das sollte dir lieber jemand anderes erzählen.", gab der Druide abwesend von sich.
"Aber Ihr wusstet es, oder nicht?", hakte Julian nach.
"Ja, natürlich wusste ich es. Die Sterne haben mir auch diesen Umstand nicht verschwiegen. Leider betrübt es mich, dir nicht alles erzählen zu können und das musst du mir glauben, denn es ist die reine Wahrheit. Ich würde dir liebend gerne erzählen, was es mit den Kindern des Schicksals auf sich hat. Aber das Schicksal selbst, deine Domäne, kann grausam sein. So wurde mir ebenfalls offenbart, dass ich nicht derjenige sein soll, der dir alles über deine Bestimmung und die Deinen verrät. Aber du wirst dieser Person begegnen, soviel steht fest. Schon sehr bald, wie ich vermute. Sehr viel mehr kann ich dir leider nicht mehr dazu sagen, doch hier ein kleiner Anstoß zum Denken: Wer könnte einem besser erklären, was man ist, als jemand, der ebenso beschaffen ist?"
Da machte Julian große Augen.
"Heißt das etwa, dass mir ein Kind des Schicksals erklären wird, was es damit auf sich hat?"
"Gut möglich.", erwiderte der Druide knapp und Julian sah darin praktisch schon die Bestätigung seiner Frage. Also ließ er dieses Thema links liegen und beschloss, auf seiner Reise Ausschau nach Kindern des Schicksals zu halten. Wie schwer konnten sie schon zu finden sein? Wahrscheinlich gab es einige Tausend von ihnen oder sogar noch mehr. Wenn Julian eines war, konnte praktisch jeder ein Kind des Schicksals sein, so dachte er zumindest. Nun aber stellte Julian die nächste Frage, die ihn quälte.
"Bitte verratet mir, Alfokohel, was ich davon halten soll, dass mir jemand in meinem Traum gesagt hat "Der schwarze Tod lächelt auf dich herab, Julian." Was soll mir das sagen?"
Da spuckte der Druide, der sich gerade eben einen Schluck seines eigenen Tees genehmigt hatte, diesen sogleich in einer Fontäne wieder aus. Sofort darauf schrie er:"Wie bitte? Wiederhole das noch mal!"
Julian tat wie geheißen und wusste nicht, was die Aufregung sollte. Der Druide hingegen war nun auf den Beinen und stapfte nervös im Raum auf und ab. Da der Raum zum Großteil zugeräumt und dazu nicht besonders groß war, bot sich dafür nicht gerade viel Platz. Julian versuchte, das Verhalten des Druiden zu deuten, während dieser vor sich hin murmelte. Dann, schlagartig, packte der Druide Julian an den Schultern und starrte ihm ins Gesicht.
"Bist du sicher, dass das ein Traum war?", fragte der alte Mann.
"Nun ja, ganz sicher bin ich mir nicht. Es könnte auch eine Art Vision gewesen sein oder, was ich aber für unwahrscheinlich halte, ich war zu diesem Zeitpunkt wach."
Die Augen des Druiden weiteten sich.
"Dann kannst du von Glück reden, dass du noch atmest."
"Was soll denn das heißen? Was genau hat das alles zu bedeuten?"
"Julian, hast du denn schon einmal von diesem schwarzen Tod gehört, der da auf dich herablächelte?"
"Ich glaube nicht, nein."
"Vielleicht kennst du ihn ja unter einem anderen Namen. Sagt dir die Krankheit 'Pest' etwas?"
"Die Pest? Das ist der schwarze Tod?"
"In der Tat. Verstehst du jetzt, warum ich besorgt bin?"
"Nicht ganz, was genau..."
Dann wurde Julian schlagartig anders. Er rief sich die Szene noch einmal vor Augen. Diese junge Frau im schwarzen Kleid. Ihr ganzes Gesicht war von Beulen übersät gewesen. Beulenpest. Julian hatte schon viel von Leuten gehört, die an dieser Krankheit gestorben waren. Auch Dörfer in Anthem Gows, manche gar nicht so weit von Herbstweih entfernt, hatte es erwischt. Ihre gesamte Bevölkerung, wenngleich nicht viele, da es nur Dörfer waren, wurde ausradiert. Diese Krankheit stoppte nie und verschlang immer mehr Leben. Zum Glück konnten die fähigsten Magier einigermaßen gegen diese Krankheit vorbeugen, doch sie stellte dennoch einen Albtraum für so ziemlich jedes Lebewesen dar. Wenn also eine Erkrankte in der Nacht über ihm gestanden und ihn nun infiziert hatte, würde er wohl bald sterben. Wie aber konnte er herausfinden, ob er wirklich die Pest hatte? Im Moment fühlte er sich sehr gesund.
"Aber Alfokohel, bin ich jetzt mit der Pest infiziert?", fragte Julian den Druiden ängstlich.
"Ich fürchte, du missverstehst. Hier geht es nicht darum, dass du infiziert bist, denn das bist du nicht. Vertrau mir."
"In Ordnung, aber worum geht es dann?"
Mit einem tiefen Seufzer begann der Druide der Gestirne, zu erzählen:"Weißt du, es gibt sehr viele uralte Wesen und die meisten davon stellen eine Gefahr für alles Leben dar. Da ist es manchmal nur ein schwacher Trost, dass sie entweder weit von uns entfernt leben oder nicht feindselig gestimmt sind. Ich bin sicher, von einigen hast du schon gehört. Aber wie steht es um dein Wissen von Dämonen?"
"Ich habe keine Ahnung von Dämonen. Und warum soll ich schon von uralten Wesen gehört haben? Ich erinnere mich lediglich an diesen komischen Geist des Wissens, dessen Namen ich jedoch vergaß."
"Crypthmetoras.", sagte der Druide knapp.
"Bitte was?", stotterte Julian, der nicht ganz verstanden hatte, was der Druide eben gesprochen hatte.
"Crypthmetoras. Das ist der Name des Geists des Wissens. Sag, hast du schon einmal etwas von Urgeistern gehört, Eadfjeddr?"
"Urgeister? Nein, keine Ahnung, was das für Dinger sein sollen."
"Crypthmetoras ist einer von ihnen. Bei ihnen handelt es sich um dreizehn der ältesten und mächtigsten Wesen, die je existierten. Sie alle wurden vom schrecklichsten Wesen aller Zeiten geschaffen und es gab sie bereits vor dem Tod."
Das alles war etwas viel für Julian, also musste er kurz nachfragen.
"Soll das heißen, den Tod gab es nicht schon immer?"
"Nein, die ersten Wesen konnten nicht sterben. Zumindest solange nicht, bis der Tod geschaffen wurde. Ab diesem Zeitpunkt waren auch sie sterblich, auch wenn es praktisch unmöglich ist, sie zu töten."
"Bitte verzeiht, aber könnt Ihr mir erzählen, wer denn eigentlich das schrecklichste Wesen der Existenz ist? Ich habe schon einmal mit Wilhelm und Elisabeth aus Hanveltien darüber gesprochen, doch die beiden wollten mir nicht verraten, was das für ein Wesen sein soll."
"Daran taten sie gut und auch ich werde dieses Gebot nicht brechen, indem ich dir nun alles offenbare, Eadfjeddr. Es bringt Unglück, den Namen des Schreckens auszusprechen. Niemand spricht jemals seinen Namen aus, denn wir fürchten, sobald er seinen Namen vernimmt, kehrt er zurück. Diesmal aber wird ihn niemand aufhalten können. Deshalb schweigen wir und nun sprechen wir nicht weiter darüber."
"Ich verstehe.", seufzte Julian und blickte resignierend zu Boden. Ob er jemals erfahren würde, wer dieses Wesen wohl war und was es alles für schreckliche Dinge getan hatte? Immerhin erfuhr er nun etwas über die Urgeister, die alle von diesem Wesen geschaffen worden waren. Vielleicht nicht gerade das, was Julian wollte, doch besser als nichts.
"Zurück zu den Urgeistern.", begann der Druide, "Unter ihnen gibt es auch die vier Elementgeister, von denen jeder für ein Element steht. Drei von ihnen sind eigentlich ganz umgänglich und der Geist des Wassers ist bekannt als der freundlichste aller Urgeister. Das Problem ist nur, dass jeder Elementgeist auch seine Elementdienerinnen besitzt. Für Avarravotha, den Geist des Wassers waren das die Nymphen. Ich glaube, du bist bereits einer von ihnen begegnet."
"Ja, sie hieß Marina. Als ich mich weigerte, Sex mit ihr zu haben, war sie total unfreundlich zu mir."
"Interessant, dann lass mich dir zwei Dinge dazu erklären. Erstens war sie nur so unfreundlich, weil du aus ihrem Blickwinkel nicht einfach Sex mit ihr, sondern sie als Ganzes abgelehnt hast. Dadurch hast du ihr zu verstehen gegeben, dass sie für dich nichts wert ist."
"Aber das stimmt doch gar nicht."
"Nymphen sind leider stark auf das Körperliche und die Oberflächlichkeit beschränkt. Wenn du ihnen mit Vernunft kommen willst, wirst du wenig Erfolg haben. Doch sie sind sehr gütig und offenherzig und wenn es dir wirklich Leid tut, sollte auch diese eine Nymphe dir vergeben können. Dennoch bin ich noch gar nicht zum zweiten Punkt gekommen, der eigentlich wesentlich bedeutsamer ist. Denn jeder, der die Nymphen nicht einfach für Sex benutzt, wie es die meisten Menschen tun, ist auch ein Freund des Wassergeists. Du stehst in ihrer Gunst schon höher als der Großteil der restlichen Menschheit, Julian. Weil du über die Oberflächlichkeit hinweggesehen hast und die Nymphen nicht nur so wahrgenommen hast, wie es die meisten tun. Du kannst durchaus stolz auf dich sein, Eadfjeddr. Was ich sagen wollte, ist, dass der Wassergeist nicht erfreut darüber war, als sie sah, wie ihre Dienerinnen behandelt wurden. Als dann aber noch die Golems auftauchten, war es ihr zu viel. Also verwandelte sie die Älteste der Nymphen, Mara, in eine Nixe. Nixen sind eine Art Weiterentwicklung der Nymphen. Jedoch haben sie mit ihrem Volk nicht mehr wirklich viel zu tun, denn eine Nixe durchschaut die ganze Oberflächlichkeit und ebenso, wie die anderen Völker die Nymphen nur ausnutzen. Deshalb wird sie zur Wächterin der Nymphen und jeden, der ihnen Leid zufügen will, vernichtet sie ohne zu zögern. Denk daran, dass wir vom freundlichsten aller Urgeister sprechen und sie hat dennoch diese mächtige und grausame Kreatur erschaffen. Daher solltest du stets achtsam sein, denn mit den Urgeistern scherzt man nicht. Nun aber zurück zu meinem ursprünglichen Punkt. Ich fürchte, du hast mit deiner Erwähnung von Crypthmetoras meinen Hang, über alte Wesen zu schwafeln, geweckt. Wir sind etwas abgedriftet, dennoch kann es nicht schaden, wenn du über die Urgeister Bescheid weißt. Ich habe dich zuvor gefragt, ob du etwas über Dämonen weißt, richtig? Das tat ich deshalb, weil jenes Pestopfer, das dich in Herbstweih besucht hat, gar kein Mensch, sondern ein Dämon war. Ihr Name ist Pestia und sie ist eine der drei unheiligen Säulen von Beelzebub, dem Todsündendämon des Neids. Diese mächtigen Dämonen können jeder je eine von drei fürchterlichen Krankheiten auslösen, Pest, Cholera oder Lepra. Damit du also verstehst: Das war keinesfalls ein Pestopfer, sondern eine mächtige Pestdämonin, die auf dich herabgeblickt und gelächelt hat."
Julian starrte den Druiden mit geweiteten Augen und aufgerissenem Mund an. Er wusste nicht mehr, was er sagen sollte und auch nicht, wie er nun fortfahren sollte. Was konnte man tun, nachdem ein Dämon, der Pest auslösen konnte, einen besucht hatte? Es schien ihm wie ein Wunder, dass er nun nicht an der Krankheit litt. Einige Zeit verging und es blieb totenstill. Irgendwann sagte der Druide leise:"Ja, ich weiß. Das waren viele Informationen und dazu noch so schockierende Dinge, du musst das erst einmal verarbeiten. Wenn du bereit bist, komm nach oben, ich warte dort solange."
Dann stieg der Druide der Gestirne die äußere Treppe am Turm hinauf. Julian blickte noch immer in weite Ferne, obgleich seine Augen auf die Wand vor ihm geheftet waren. Lange Zeit dauerte es, bis ein Laut Julian entwich. Dieser erste Laut bahnte sich jedoch langsam an. Zunächst hörte man nur ein unterdrücktes Surren und schließlich wurde es immer lauter, bis Julian letztendlich den Mund öffnete und laut schrie. Er schrie seinen gesamten Frust hinaus. Das ganze dauerte ein paar Minuten, dann beruhigte er sich wieder und verstummte langsam. Kurze Zeit blieb es erneut stumm, dann schrie Julian:"Es tut mir Leid, Marina!"
Der Druide der Gestirne hörte natürlich alles mit an und freute sich über Eadfjeddrs Entschuldigung an die Nymphe, wusste jedoch, dass sie sie nicht hören würde. Dabei verstand der Druide Julian in diesem Moment besser als sonst irgendjemand. Der arme Junge wollte der Nymphe klarmachen, dass er sie durchaus schätzte, jedoch nicht auf die offensive, körperliche Weise der Nymphen. Damit Julian Marina diesen Umstand erklären konnte, musste er sie aber erst einmal wiedersehen. Kein leichtes Unterfangen, bedachte man, dass sie stets mit Feyros, dem König der Fischer aus Grelia unterwegs war. Dieser fischte so ziemlich überall um Europa herum, vorzugsweise natürlich im Mittelmeer, doch das lag im Moment gute 800 Kilometer von Julian entfernt. Auch die Tatsache mit der Pestdämonin machte Julian zu schaffen, doch nachdem er nicht infiziert war, ließ er es hinter sich. Die Informationen über die Urgeister jedoch hatte er sich gemerkt.
Schließlich marschierte der Druide wieder hinunter zu Julian, legte ihm die Hand auf die Schulter und sagte:"Keine Sorge, mein Junge, alles wird gut."
"Wie...wie könnt Ihr das so einfach sagen, angesichts...angesichts der Grauen, die Ihr mir geschildert habt?", gab Julian etwas benommen von sich.
"Ich kann es in deiner Zukunft sehen. Natürlich wird es nicht immer einfach sein, denn schon bald kommt sehr viel Leid auf dich zu. Du wirst einem großen Krieg beiwohnen, Eadfjeddr, doch ist es notwendig, dass du alles gibst, um ihn zu gewinnen. Vorerst, lass uns nicht über die schrecklichen Dinge der Vergangenheit nachdenken, sondern unsere Augen auf die Zukunft lenken. Die Zukunft wartet oben auf der Karte, wo ich dir zeige, wo du die Nebelwiese finden kannst. Auf dieser Wiese wachsen die Nebelseitlinge, die du mir holen sollst. Na komm, lass los und trage den ganzen Schmerz nicht länger mit dir."
Julian erhob sich. Er sah den Druiden an und sprach dann:"Wie könnt Ihr mir so etwas sagen? Wenn ich den Schmerz nicht mit mir trage, dann motiviert er mich nicht dazu, besser zu werden. Wolltet Ihr nicht, dass ich über mich selbst hinauswachse? Zu wissen, was für Schrecken da draußen lauern und der Wunsch, mich sowie andere vor ihnen zu schützen sind der beste Ansporn, um besser zu werden. Ich muss den Schmerz mit mir tragen, denn er gibt mir Kraft."
"Ich bin sprachlos, Eadfjeddr. Ja wirklich. So stolz war ich in meinem ganzen Leben noch nie auf irgendjemanden. Du scheinst wirklich deinen eigenen Weg gefunden zu haben. Das erfüllt mein Herz mit Freude. Es ist gut, wenn der Schmerz dir Kraft gibt. Aber bitte sei vorsichtig und lass dir nie zu viel Schmerz auferlegen, denn irgendwann bricht selbst der stärkste Krieger unter seiner Last zusammen. Na komm, gehen wir nach oben."
"In Ordnnug.", sagte Julian. Allmählich fühlte er sich wieder besser. Mehr als das, er brannte schon richtig darauf, sein Abenteuer zu bestreiten und dem Druiden die Pilze zu beschaffen. Der Druide der Gestirne hatte sich als ein sehr weiser, vernünftiger und freundlicher Mensch erwiesen und noch dazu hatte er Julian einige Dinge verraten, die zwar schockierend waren, aber auch ungeklärte Fragen endlich aufgelöst hatten. Dafür alleine schuldete Julian es dem Druiden schon, ihm die Pilze zu bringen. Noch dazu wurde er dafür aber mit Informationen über seine Freunde belohnt, die ihm hoffentlich helfen würden, sie endlich zu finden. Also marschierte er mit dem Druiden hinauf in den obersten Raum des Turms. Dort hatte der Druide schon auf einem Schreibtisch eine detaillierte Karte von Anthem Gows ausgebreitet. Sie sahen sich gemeinsam an, wo sie sich auf der Karte befanden und wo Julian hingelangen musste. Der Druide der Gestirne zeigte mit dem Finger ziemlich in die Mitte der Karte.
"Hier sind wir, etwas östlich von Erudicor."
"Ja, da ist sogar der Schattenberg eingezeichnet.", sagte Julian, der den Berg auf der Karte angeschrieben sah.
"Sehr richtig. Nun zur Nebelwiese. Die liegt ungefähr...", der Druide fuhr mit dem Finger immer weiter nördlich, bis er zum äußersten Rand der Karte kam und stoppte, "...hier." Da staunte Julian.
"Aber das ist ja ewig weit weg. Wie soll ich jemals dort ankommen? Zuvor ist doch schon Barkh Aragh über uns alle gekommen."
"Das ist nicht lustig. Über den Weltuntergang macht man keine Witze."
"Ich dachte, es wäre der Untergang jeglicher Existenz?", fragte Julian unsicher nach.
"Ist es ja auch, aber Weltuntergang beschreibt es auch ganz gut und ist zeitsparender, was durch meine Erklärung nun aber ohnehin hinfällig ist."
"Scheinbar ist es keine gute Möglichkeit, Zeit zu sparen.", gab Julian altklug von sich.
"Schon gut, vergessen wir das. Es ist gar nicht so schwer, dort hinaufzugelangen. Du wirst deinen Weg schon finden, Eadfjeddr. Ich glaube an dich."
Julian blickte auf die Stelle auf der Karte, wo der Druide der Gestirne nun mit Tinte und Feder ein Kreuz markierte. Bei der Stelle handelte es sich um die so ziemlich nordöstlichste Ecke von Anthem Gows, die es gab. Julian fragte sich auch, warum der Druide ein Kreuz auf die Karte malte, wenn er doch wusste, wo die Wiese lag. Dann aber rollte der Druide die Karte zusammen, packte sie in ein ledernes Gefäß ähnlich einem Köcher für Pfeile, verschloss dieses mit einem ebenso ledernen Deckel, der mit Knöpfen auf der Seite fixiert werden konnte und überreichte das Ganze Julian.
"Was soll ich damit?", fragte dieser.
"Du wirst diese Karte bestimmt auf deinen Reisen für nützlich befinden, Eadfjeddr. Bist du bereit, zu deinem Abenteuer aufzubrechen?"
"An sich schon, aber wie steht's mit Verpflegung und vor allem brauche ich einen leichteren Weg von diesem Berg hinunter als jenen im Süden, über den ich hier hochmarschiert bin."
"Alles gar kein Problem.", sagte der Druide, während er in die unteren Stockwerke des Turms davoneilte. Dort kramte er in den verschiedensten Räumen herum, holte einen großen Lederrucksack und packte in diesen etliche Glasbehältnisse, gefüllt mit verschiedenen Flüssigkeiten sowie verschiedenste Früchte, geräucherte und gepökelte Fleischstücke, einen großen Brotlaib, einen fetten Käse, zwei Kannen Milch, drei Blätter Minze und eine Kokosnuss. Während er all das tat, erzählte er Julian von dem weitaus einfacheren Weg, der den Schattenberg hinauf sowie hinunter führte.
"Pass auf: Wenn du vor meinem Turm stehst, gehst du einfach links weiter, bis um dich herum alles komplett offen ist und du eine wundervolle Aussicht genießen kannst. Dort musst du rechts hinunter. Sei vorsichtig, dies ist die steilste Stelle am ganzen Schattenberg und wenn du sie überstehst, bist du eigentlich schon unten, denn danach geht es angenehm mit schwachem Abfall dahin. Du musst dann nur noch den nördlichen Ausläufern des Berges folgen, auf denen unmöglich zu verfehlende Serpentinen entlanglaufen. Auf diesem Teil des Berges liegt ganz klar der fruchtbarste und intakteste Wald. Genieße es also, wenn du ihn durchquerst. Unten kommst du über die letzte Serpentine direkt in der Ebene rund um den Berg heraus und kannst dann gleich weiter nach Norden marschieren. Alles klar?"
"Ja, doch eines frage ich mich schon: Wofür brauche ich denn eine Kokosnuss?"
"Ach, das weißt du nicht? Die wirfst du deinen Feinden an den Kopf, wenn dein Schwert mal nicht weiterhilft."
Julian sah den Druiden ungläubig ab.
"Das war doch nur ein Scherz. Zum essen brauchst du die. Du wirst mir noch dankbar sein, dass ich sie dir eingepackt habe. Diese Früchte halten ewig und deshalb hebst du sie am besten bis zum Schluss auf. Ich wünsche dir alles Gute, Eadfjeddr. Viel Erfolg bei deinem Abenteuer und ich kann es kaum erwarten, bis du wieder da bist und mir nicht nur meine Pilze sondern auch eine Menge interessanter Geschichten mitbringst."
Sie standen nun ganz unten vor dem Eingang zum Turm.
"Vielen Dank, Alfokohel. Ich werde mich beeilen und so schnell wie möglich wieder hier sein. Wie viele Pilze soll ich noch mal sammeln?"
"Fünf Stück benötige ich. Wenn du mehr mitnehmen willst, bleibt das dir überlassen. Ach, eines hätte ich fast vergessen: Die Nebelwiese ist sehr gefährlich und dort kann zuweilen schon ein seltsames Wesen auftauchen. Am besten hältst du dich von allem fern, was nach Geist aussieht."
"Was, davon erzählt Ihr mir erst jetzt? Ist das etwa ein Urgeist?"
"Unsinn, Urgeister haben Besseres zu tun, als den ganzen Tag auf der Nebelwiese herumzustreunen. Los jetzt, geh schon."
"Wenn das mal gut geht.", sagte Julian und machte sich dann auf den Weg. Er marschierte links des Turms in die Ferne und gelangte bald auf einen sehr offenen Hang, auf dem keinerlei Bäume wuchsen, sondern nur kleine Pflanzen und Büsche. Von hier aus konnte man sehr weit in die Ferne sehen. Julian erkannte sogar die goldene Stadt. Dieser Umstand sowie die aus dieser Richtung leuchtende Sonne verrieten Julian, dass er nach Westen blickte. Langsam bahnte sich die Nacht an und die Sonne genoss noch ihre verbleibende Zeit für den heutigen Tag. Julian fühlte sich wohl und genoss einige Zeit den herrlichen Ausblick. Dann sah er sich rechts, also an der nördlichen Seite des Hangs, nach der steilen Stelle um. Schließlich fand er sie. Erstmal ging es gleich zwei Meter in die Tiefe auf eine schmale Stufe, die in den Hang gehauen war. Dasselbe setzte sich darunter etliche Male fort. Julian sprang vorsichtig hinab. Das war gar nicht so einfach, denn der Rucksack, den er nun am Rücken trug, war so vollgestopft mit verschiedensten Lebensmitteln, dass er sich wie eine Tonne an Gewicht anfühlte. Mit dieser steilen Stelle hatte der Druide der Gestirne Julian keine Freude gemacht. "Die steilste Stelle des Schattenberges.", sagte Julian wütend vor sich hin. "Dass die Stelle einfach nur gerade abfällt, hat er nicht erwähnt." Auf diese Worte sprang Julian auf die nächste Stufe hinab. Da geschah es: Er rutschte aus, fiel zu Boden und das Gewicht des Rucksacks drückte ihn weiter in die Tiefe, bis er von der Kante fiel und hinab zur nächsten Stufe. Doch auch diese verfehlte er und schlug nur auf der übernächsten Kante auf. Bei der dritten Kante konnte er sich gerade noch festhalten, bevor er weiter gestürzt wäre. Als er dann vorsichtig nach unten sah, bemerkte er, dass unter ihm schon das Ende dieses steilen Stücks auf ihn wartete. Also ließ er sich auf eine sanfte Wiese inmitten eines Waldes fallen und setzte sich zunächst an einen Baum, um sich von dem Sturz zu erholen. Er kramte im Rucksack nach etwas zu Trinken und wurde schnell fündig. In der Hand hielt Julian eines der vielen Glasgefäße, in denen sich undefinierbare Flüssigkeiten befanden. Vorsichtig öffnete Julian den Verschluss und roch dann kurz daran. Das Gebräu brannte in der Nase ob seiner schier unerträglichen Süße. Nun war sich Julian nicht sicher, ob er das wirklich kosten wollte. Schließlich nahm er behutsam einen winzigen Schluck. Dann glaubte er, er müsse kotzen. Erdbeersaft. Und zwei Kilo Zucker. So schmeckte es zumindest. Julian verschloss die Flasche wieder und entgegen dem Drang, sie vom Berg zu werfen, packte er sie wieder in den Rucksack.
"Das ist mehr eine Waffe als ein Getränk.", sagte er zu sich selbst und musste kurz lachen. Anschließend fuhr er mit dem Abstieg fort und erspähte sehr schnell die Serpentinen. Lange Zeit folgte er dem breiten, erdigen Pfad, auf dem nichts wuchs. Der Weg schlängelte sich über die verschiedensten Ausläufer und Hänge des Schattenberges, großteils umgeben von einem grün strahlenden, gesunden Wald und ansonsten an der Seite von Hängen entlang verlaufend. Nach zwei Stunden, in denen Julian diese Serpentinen entlanggewandert war, erreichte er schließlich die Ebene am Fuß des Berges. Nun konnte er seinen Freunden erzählen, dass er den Schattenberg hinauf und wieder hinabgestiegen war. Er hoffte, dass Otto und Lisa nicht ebenfalls gezwungenermaßen den Berg bestiegen hatten. Dann wäre seine Verkündung nichts Besonderes mehr gewesen. Sofort darauf verwarf er den Gedanken und hoffte, dass die beiden einfach wohlauf waren und er sie bald finden würde. Während er hinabgestiegen war, hatte Julian einen interessanten Einfall gehabt. Die Urgeister waren ja vom schrecklichsten aller Wesen erschaffen worden, also konnte ein Urgeist ihm auch erzählen, was es mit diesem Wesen auf sich hatte. Sie fürchteten bestimmt nicht seine Rückkehr und würden Julian alles über das Wesen erzählen. Jedoch wusste er nur den Namen eines einzigen Urgeistes. Den hatte er sich immerhin sehr mühsam gemerkt, doch mithilfe des Druiden der Gestirne war es ihm letztendlich doch gelungen. Crypthmetoras, Geist des Wissens. Julian spielte mit dem Gedanken, diesen Geist zu rufen. Dann dachte er aber daran, wie der freundlichste aller Urgeister die mächtige, blutrünstige Nixe erschaffen hatte. war es in irgendeiner Situation eine gute Idee, so ein altes und mächtiges Wesen zu rufen? Wahrscheinlich nicht. Zu diesem Schluss kam auch Julian, während die Sonne sich komplett verabschiedet hatte und die Nacht eingebrochen war. Im Norden des Schattenberges war nicht wirklich viel zu sehen außer einer endlosen Ebene. Auf dieser Ebene befand sich aber etwas, das durchaus ins Auge stach. Wie bei Stonehenge, dem legendären Monument aus Varbitien, waren hier verschiedenste Steinblöcke an einem Ort versammelt. Doch ihnen fehlte die perfekte Zusammensetzung von Stonehenge, was bedeutete, dass sie einfach nur wahllos und willkürlich herumlagen, wobei manche zufällig über andere ragten oder einander stützten. Diese seltsamen Gebilde konnten mit ein wenig Fantasie bestimmt so einiges darstellen. Für Julian stellten sie nur einen Ort dar, der ganz nett anzusehen war, doch mehr nicht. Also ging er weiter.
"Halt, wo willst du hin?", fragte plötzlich eine Stimme, die durch die Luft hallte. Julian blickte um sich. Doch nirgendwo war jemand zu sehen. Hatte er aus Versehen ein uraltes Wesen aufgeschreckt? Was, wenn es sich dabei um einen Urgeist handelte? Im Moment machten diese Wesen Julian am meisten Angst. Kurze Zeit später schlug nördlich von Julian ein dunkelblauer Blitz in den Boden ein und plötzlich stand dort eine Gestalt. Eine Gestalt von so unglaublicher Erscheinung, dass Julian sich seine Augen rieb. Wer war das und was trug sie da? Vor Julian stand eine junge Frau, ungefähr in seinem Alter. Ihre brünetten Haare hatte sie mithilfe eines Bandes zu einem Pferdeschwanz gebunden. Sie trug eine schwarze Lederjacke mit Stacheln an den Handgelenken, Schultern und Ellenbogen und karoförmigen, dunkelblauen Knöpfen an der Vorderseite. Die Jacke hatte sie so weit offen, dass man darunter ein Stück eines weißen Unterhemdes sehen konnte und darüber hinaus einen großen Ausschnitt. Den Kragen der Jacke hatte sie aufgestellt und an den Händen trug sie verschiedenfarbige Handschuhe. An der rechten Hand dunkelviolett, an der linken hellgrün. Ebenso besaßen ihre Augen verschiedene Farben, rechts grün und links braun. Sie grinste mit offenem Mund und ließ so ihre vergoldeten Schneidezähne sichtbar werden. Als ob all das noch nicht genug war, trug sie noch einen Rock mit rot-blau kariertem Muster und darunter noch zwei dicke, gelbe Strümpfe, die ihr bis zur Mitte der Oberschenkel reichten. Abgerundet wurde das alles noch von violetten Schuhen. Diese seltsame Gestalt mit Kleidung, welche Julian sehr ungewöhnlich schien, stand einsam vor ihm und grinste ihn unverschämt an. Da er nicht wusste, was er tun sollte, begrüßte er sie einfach.
"Hallo. Ich bin Julian."
"Lilybeth.", antwortete die Frau. "Nett, dich kennen zu lernen."
"Schön, warum bist du plötzlich hier aufgetaucht?", fragte Julian skeptisch.
"Oh, das? Mir war langweilig und ich sehe, dass es mit dir nicht langweilig wird."
"Was soll das heißen? Willst du mir auch wieder Sex anbieten, wie diese Nymphe?"
Da starrte Lilybeth Julian an. Sie starrte ihm direkt in die Augen und ließ keine Emotion in ihrem Gesicht verraten, was gerade in ihr vorging. Allerdings wurde das zunehmend schwieriger, denn allmählich wurde Lilybeths Mund immer breiter und schließlich konnte sie sich nicht mehr halten. Ohne Vorwarnung prustete sie los und lachte so laut, dass Julian sich ein wenig vorgeführt vorkam und rot wurde. Nachdem sie sich auf seine Kosten amüsiert hatte, antwortete Lilybeth:"Das war wirklich lustig. Aber das wird nicht passieren, glaub mir. Du bist nicht mein Typ."
"Schon klar, gleichfalls.", gab Julian knapp zurück.
"Oho, da ist aber jemand wählerisch. Ich bin das Beste, was du jemals kriegen könntest. Krieg mich oder bekrieg mich. Hahaha.", dann lachte Lilybeth wieder lauthals auf. Nachdem sie sich wieder beruhigt hatte, fragte sie:"Na schön, Julian. Wo soll's denn hingehen?"
"Nach Londoriya.", antwortete Julian grinsend.
"Oh, haha, der Witz ist so alt wie die Welt selbst. Denk dir was Neues aus, du Möchtegern-Witzbold.", erwiderte Lilybeth, die das offenbar gar nicht lustig fand. Dabei war dies einer der gängigsten Witze auf der Welt. Vor Ewigkeiten hatte einmal ein Barde ein Lied gesungen, in dem er auf die Freuden der uralten Stadt Londoriya, der Hauptstadt des Inselreichs Varbitien in Westeuropa, aufmerksam machte. Dann hatte er auch gesungen, dass man, immer wenn jemand fragte, wohin man reise, "Nach Londoriya" antworten solle. Dies hatte sich rasend schnell durchgesetzt und wenn sich Reisende trafen, antworteten fast alle das erste Mal auf die gestellte Frage mit "Nach Londoriya". Meistens lachten dann alle laut und offenbarten anschließend ihre wahren Ziele. Doch als die Zeit ins Land ging, wurde auch der Witz immer abgedroschener und mittlerweile, im Jahr 981, verwendete ihn kaum noch jemand. Als aber Julian diese erzwungene Begegnung mit Lilybeth über sich ergehen lassen musste, wollte er sich einen Spaß erlauben.
"Du willst also Witze machen, ja?", fragte Lilybeth plötzlich.
"Nein, nicht direkt...", antwortete Julian, der sich nun ein wenig eingeschüchtert fühlte, "...ich wollte nur einen kleinen Spaß machen."
"Egal, was du wolltest, du bist an die richtige Person geraten. Ich gelte nicht umsonst als witzigste Person in unserer Existenz. Also los: Wie nennt man ein Pferd im Wasser?"
"Seepferdchen?", fragte Julian ratlos. Das sollte ein Witz sein?
"Falsch.", deklarierte Lilybeth sofort. "Man nennt es Walross." Dann lachte sie so heftig über ihren eigenen Witz, dass sie schließlich zu Boden fiel und dort gleich weiterlachte. Julian hob eine Augenbraue, dachte kurz darüber nach und musste dann sogar ein wenig kichern.
"Der ist gar nicht mal schlecht.", sagte er zu Lilybeth, die sich wieder aufgerichtet hatte.
"Natürlich ist der nicht schlecht. Er stammt ja auch von mir. Ich hab noch einen. Warum ist der Fischer 40 000 Kilometer nach Westen gefahren?"
"Keine Ahnung, weil er große Entfernungen mag?", riet Julian planlos.
"Falsch. Er wollte an dieselbe Stelle gelangen. Haha." Erneut lachte Lilybeth so heftig und laut, dass es wohl über die gesamte Ebene bis in die nächsten Dörfer hallte. Diesmal verstand Julian nicht ganz, was daran so lustig war und lachte auch nicht.
"Gefiel der dir nicht? Keine Sorge, ich hab noch mehr auf Lager. Geht ein..."
"Moment.", unterbrach Julian seine motivierte Gesprächspartnerin.
"Was denn? Ich wollte gerade einen Witz erzählen."
"Ja, aber was wird das hier eigentlich? Muss ich mir all deine Witze anhören und darf erst danach weiter oder kann ich eigentlich auch jetzt schon gehen? Ich muss nämlich eine weite Reise antreten."
"Dann frage ich noch mal: Wo soll's hingehen? Und wenn du noch mal Londoriya sagst, dann prügle ich deinen Schädel zu Matsch, klar?"
Julian schluckte und sagte dann:"Nebelwiese."
"Kannst du bitte in ganzen Sätzen sprechen oder bist du jetzt sprachbehindert?", erwiderte Lilybeth.
"Nein, nein, schon gut. Ich muss zur Nebelwiese reisen, weil ich für den Druiden der Gestirne ein paar Nebelseitlinge sammeln muss, die er dringend benötigt."
"Mann, ich hab dich nicht nach deiner Lebensgeschichte gefragt. Egal, bei dieser Wiese solltest du vorsichtig sein, dort haust so ein bescheuerter Wächter des Todes. Das ist aber nicht wichtig. Wichtig ist nur mein nächster Witz."
"Warte kurz. Was war das mit 'Wächter des Todes'?"
"Das interessiert dich, aber meine Witze hörst du dir nicht an? Du bist echt jämmerlich, Julian."
"Hey, pass auf, was du sagst.", entgegnete Julian ohne nachzudenken und kurz darauf wurde ihm klar, dass er das gerade einer Person gesagt hatte, die ihm kurz zuvor noch den Schädel zermatschen wollte. Er hatte zwar keine Ahnung, wie genau sie das anstellen wollte, doch war es wahrscheinlich, dass sie nicht nur leere Drohungen aussprach. Wie der Druide der Gestirne gesagt hatte, man musste immer vorsichtig sein, weil man nie wusste, wer vor einem stand. Jetzt hatte Julian aber schon vorlaut geantwortet und musste mit den Konsequenzen leben.
"Oder was?", fragte Lilybeth provozierend. "Was tust du sonst, wenn ich dich weiterhin beleidige?" Sie hob die Arme herausfordernd. "Ich sag dir jetzt was: Du hörst dir jetzt noch einen Witz an und dann schwirrst du ab, klar?"
"In Ordnung.", gab Julian erleichtert von sich. Es schien so, als wäre er gerade noch so davongekommen.
"Also, geht ein...", weiter kam Lilybeth jedoch nicht, denn eine dritte Gestalt hatte sich dazugesellt.
"Sag mal, wer bist du denn?"
"Hallo, mein Name ist Liam. Ich habe lautes Lachen gehört und bin dann hierher gelaufen, so schnell ich konnte. Wisst ihr, ich liebe es, zu lachen und dachte mir, hier findet ein sehr unterhaltsames Fest statt, doch hier ist ja gar nichts los." Liam war im selben Alter wie Julian und Lilybeth. Er trug nur eine blaue Latzhose und ein weißes Oberteil ohne Ärmel. Zweifellos musste er aus einem der umliegenden Dörfer stammen. Julian wollte sich ihm freundlich vorstellen.
"Hallo Liam, ich heiße Julian und komme aus Herbstweih. Wo kommst du her?"
"Hallo Julian, freut mich. Ich komme aus Dornsteg, gleich dort hinten."
Liam zeigte mit dem Finger in die Richtung seines Dorfes, das nordöstlich ihrer jetzigen Position lag.
"Aber du kommst wirklich aus Herbstweih? Dann möchte ich sagen, wie Leid mir die Sache mit deinem Dorf tut, Julian. Eine wirklich schlimme Sache."
"Vielen Dank, Liam. Das bedeutet mir viel. Ach ja, das ist Lilybeth."
"Hallo Lilybeth, freut mich.", sagte Liam.
Doch Lilybeth war nicht gerade erfreut.
"Ernsthaft, Julian? Du redest erst mit ihm über eure dämlichen Dörfer und kommst dann erst auf die Idee, mich vorzustellen?"
"Tut mir Leid, aber ich wohne gleich in der Nähe. Wohnte, bis mein Dorf zerstört wurde."
"Oh, buh huh. Da läuft mir doch gleich eine Träne den Arsch hinab."
"Das ist aber nicht sehr nett, Lilybeth.", sagte Liam.
"Ist mir doch scheißegal. Er war zu mir auch nicht nett. Ich bin immerhin ein Mädchen und habe Vorrang vor irgendwelchen Dörfern. Also entschuldigt euch, los."
"Tut mir Leid, Lilybeth.", sagte Julian sofort.
Liam allerdings verstand nicht, warum er sich entschuldigen sollte.
"Wir haben nichts Falsches getan. Ich werde mich bestimmt nicht entschuldigen. Ich kenne dich noch nicht einmal und so wie es aussieht, will ich das auch gar nicht. Ist sie immer so, Julian?"
"Keine Ahnung, sie ist einfach hier aufgetaucht, als ich hier entlangwanderte."
"Hört gefälligst auf, mich zu ignorieren! Ihr hört euch jetzt meinen Witz an und werdet darüber lachen, sonst schlag ich euch beiden die Schädel ein! Ist das klar?!", brüllte Lilybeth plötzlich.
Julian nickte nur eingeschüchtert und sogar Liam verstand, dass das kein Spaß mehr, sondern bitterer Ernst war. In ihrer jetzigen Situation fiel es ihnen schwer, über einen Witz zu lachen, doch sie bemühten sich, lachen zu können, egal wie bescheuert der Witz auch sein würde.
"Also, wie ich schon zweimal erzählen wollte: Geht ein Ritter in die Kneipe und bestellt ein Bier. Er trägt eine sehr billige Rüstung, aus Blech. Das ist wichtig. Also er bestellt ein Bier und der Wirt sagt ihm:"Hier werden keine Blechköpfe bedient." Daraufhin sagt der Ritter, der sich umsieht:"Warum bekommt dann der Machuv'Thal da drüben etwas?" Der Wirt erwidert...oh das ist so göttlich....also der Wirt erwidert:"Der ist aus Aluminium, nicht aus Blech. Hahahaha." Lilybeth lachte wieder lauthals los und obgleich sie nicht darauf achtete, erwartete sie dasselbe von ihren Zuhörern. Julian verstand nicht, warum das ein Witz sein sollte, aber um sein Leben zu bewahren lachte er halbherzig. Liam hingegen schien sich strikt zu weigern, zu lachen. Das entging Lilybeth erstaunlicherweise nicht, trotz ihres lauten Lachens, von dem man meinen konnte, dass ihr dadurch alles andere um sie herum entgehen würde.
"Was ist los, Liam? War der Witz etwa nicht lustig?", fragte Lilybeth bedrohlich.
"Nein, der war zum Kotzen. Ich mag gerne gute Witze mit sorgfältig überlegter Pointe und am liebsten noch logisch aufgebaut. Dieser Witz aber war nur eine laienhafte Annäherung an eine Kunst, die schwer auszuführen, aber noch schwerer zu meistern ist. Die Kunst, Witze zu erzählen ist etwas, das dir definitiv nicht liegt, Lilybeth."
"Nun, danke, dass du mir das so offen sagst. Da gibt es allerdings nur ein kleines Problem…"
"Welches denn?", fragte Liam einfältig.
Im nächsten Moment zog Lilybeth aus dem Nichts heraus einen großen, metallenen Schläger, der länglich wie eine Keule geformt war und sie schwang diesen voll durch. Dadurch erwischte sie Liam mitten im Gesicht und durch die Wucht wurde er zu Boden geschleudert. Julian sah ungläubig zu.
Lilybeth beendete ihren Satz von vorhin:"Ich bin sicher, atmen ist etwas, das dir in Zukunft ebenfalls nicht mehr liegt. Haha."
Schließlich rief Julian:"Lilybeth, was machst du da?"
"Er findet meine Witze nicht lustig, also muss er sterben."
"Aber wieso?"
"Weil meine Witze genial sind. Wer sie nicht lustig findet, der hat keinen Humor und jene ohne Humor müssen sterben."
"Und das willst du selbst tun? Mit diesem Ding da? Was ist das überhaupt, ein Knüppel?"
"Es nennt sich Schläger, ist aus Metall und lässt sich großartig schwingen. Sieh dir nur diesen gerade Verlauf an...oh, da klebt ja Liams Blut dran. So ein Pech, dann sieh dir die andere Seite an. Tu es lieber jetzt, bevor es zu spät ist."
Julian blickte auf den Schläger, der von seiner Spitze zylinderförmig nach unten verlief und sich bis zum Griff hin auf die Hälfte verjüngte. Am Ende des Griffs befand sich noch eine Auswölbung in Form eines Rings. Gerade, als Julian auf den metallisch schimmernden Schläger blickte, den Lilybeth bisher erfolgreich an ihrem Rücken versteckt hatte, schlug sie erneut auf Liam ein. Diesmal schlug sie von oben auf ihn hinab, da er noch immer am Boden lag und sich die Hand auf sein blutendes Gesicht hielt. Nun traf ihn der nächste Schlag direkt aufs Gesicht und auch auf die Hand, die er nicht schnell genug wegziehen konnte. Doch Lilybeth hörte nicht auf, sie schlug weiter auf ihn ein.
"Das...kommt...davon...wenn...man...keinen...Humor...hat!", brüllte sie, während sie jedes Wort von einem Schlag begleiten ließ. Irgendwann hörte man Liam, der die ganze Zeit gewimmert und später geschrieen hatte, keinen Laut mehr von sich geben. Nach einiger Zeit entspannte sich Lilybeth, wandte sich von Liam ab und grinste Julian schelmisch an.
"Das hat Spaß gemacht.", sagte sie. Julian aber blickte nur auf die traurigen Überreste von Liam. "Der arme Junge", dachte er, während er auf die Matschsuppe blickte, die von seinem Kopf noch übrig war. Julian wusste, dass er gegen Lilybeth nichts tun konnte. Sie war ohne Zweifel zu mächtig und dazu vollkommen wahnsinnig.
"Nun, ich geh dann mal wieder. War lustig mit dir, Julian. Das sollten wir mal wiederholen.", sagte Lilybeth. Ihr ganzer Körper war mit Liams Blut bespritzt, vor allem in ihrem Gesicht und auf dem Schläger klebte so viel davon, dass man nur dunkelrote Flächen sah.
"Bis dann, Lilybeth.", sagte Julian wie in Trance, bedacht darauf, ihr gegenüber freundlich zu sein, um nicht auch zu sterben. Dann verschwand Lilybeth wieder in einem dunkelblauen Blitz und darauf wurde es totenstill. Zu still, als dass es irgendjemandem hätte gefallen können.